Entscheidungsdatum: 09.04.2013
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 24. Oktober 2012 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur umfassenden Aufhebung des Urteils.
1. Nach den Feststellungen entwendete der im Zeitpunkt der Hauptverhandlung 38-jährige Angeklagte im Juli 2009 in einem Supermarkt in S. eine Flasche Alkohol, die er unter seiner Kleidung versteckte. Als er das Geschäft ohne Bezahlung der Flasche verließ, wurde er von der Kassiererin verfolgt und aufgefordert, die Flasche zu bezahlen. Ohne darauf zu erwidern, schlug der Angeklagte ihr mit der Faust ins Gesicht und entfernte sich unter Mitnahme der Flasche vom Tatort.
Das Landgericht ist – sachverständig beraten – zu der Überzeugung gelangt, dass bei dem bereits seit September 1995 mit zwei kurzen Unterbrechungen im Maßregelvollzug nach § 63 StGB untergebrachten Angeklagten neben einer leichten Intelligenzminderung eine Alkoholabhängigkeit vorliegt, die bereits zu alkoholbedingten Persönlichkeits- und Verhaltensveränderungen geführt hat. Am Tattag war der Angeklagte aus dem geschlossenen Wohnbereich eines Heimes in W. entwichen und hatte sich nach S. begeben. Mit dem Sachverständigen geht das Landgericht davon aus, dass bei der Tat „die Beschaffung von Alkohol und der schnellstmögliche Konsum sein vorderstes Begehren“ gewesen seien (UA S. 12). Es gelangt zu dem Schluss, dass zur Tatzeit seine Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen und er aufgrund der Kombination aus fortbestehender Alkoholabhängigkeit, der dadurch eingetretenen Veränderung seiner Persönlichkeit sowie seiner leichten intellektuellen Minderbegabung auch weiterhin gefährlich sei. Aus diesem Grund hat das Landgericht den Angeklagten erneut in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.
2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts trägt bereits nicht die Annahme der Täterschaft des Angeklagten.
Das Urteil verhält sich nicht ausdrücklich dazu, aufgrund welcher Indizien sich das Landgericht von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt hat. Insoweit kommt in erster Linie sein Wiedererkennen durch die als Zeugin vernommene Geschädigte in Frage. Indes bleibt offen, unter welchen Umständen und in welcher Situation dieses Wiedererkennen erfolgt ist. Angesichts dessen ist es für den Senat nicht überprüfbar, ob der Identifizierungssituation eine verstärkte Suggestibilität innewohnte, der das Landgericht in seiner Beweiswürdigung hätte Rechnung tragen müssen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. September 2012 – 5 StR 372/12, NStZ-RR 2012, 381, und vom 25. Januar 2006 – 5 StR 593/05, NStZ-RR 2006, 212). Diese ist insbesondere bei einem Wiedererkennen in der Hauptverhandlung zu berücksichtigen, die nach der Darstellung im Urteil nahe liegt.
Dass der Angeklagte rund fünf Stunden nach der Tat in S. volltrunken als hilflose Person von der Polizei aufgegriffen wurde, ist für sich genommen kein hinreichendes Indiz für seine Täterschaft. Das Urteil lässt insoweit offen, wann und aufgrund welcher Umstände ihm die Tat zugeordnet wurde. Insbesondere ist nicht ersichtlich, ob die Geschädigte und die weitere Tatzeugin, die den Angeklagten indes nicht wiedererkannt hat, eine Beschreibung des Täters abgegeben hatten und inwieweit diese gegebenenfalls mit dem Erscheinungsbild des Angeklagten korrespondierte. Dem Urteil lässt sich auch nicht entnehmen, welche Art von Alkohol der Angeklagte entwendet haben soll und ob bei ihm eine Flasche gefunden wurde, die als Beutegegenstand in Frage kommt.
Dem Umstand, dass der Angeklagte den Tatvorwurf „nicht in Abrede gestellt“ hat, kommt hier kein Beweiswert zu. Nach seinen Angaben kann er sich an die Tat nicht mehr erinnern und auch nicht mehr sagen, wie er von W. nach S. gekommen ist. Ob es sich hierbei um eine Schutzbehauptung handelt, ist aus dem Urteil nicht ersichtlich. Dagegen spricht die wiedergegebene Ansicht des Sachverständigen, dass die „später aufgetretene Amnesie“ auf den nach der Tat herbeigeführten Rauschzustand zurückzuführen sei (UA S. 14). Angesichts dessen kann der Einlassung des Angeklagten nicht mehr entnommen werden, als dass er sich selbst die Tat zutraut.
3. Sollte die neue Verhandlung zum Nachweis einer Täterschaft des Angeklagten führen, wird die Beutesicherungsabsicht im Sinne des § 252 StGB zu prüfen und zu belegen sein. Bei der Entscheidung über die Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB wäre folgendes zu berücksichtigen:
Im Rahmen der Prüfung der Gefährlichkeit des Angeklagten wird sich das neue Tatgericht damit auseinanderzusetzen haben, dass die Tat mittlerweile mehr als drei Jahre zurückliegt und der Angeklagte in dieser Zeit auf der Grundlage der Unterbringungsentscheidung des Landgerichts Bautzen vom 2. Mai 1995 weiter im SKH A. behandelt worden ist. Das neue Tatgericht wird sich hier insbesondere mit etwaigen zwischenzeitlichen Behandlungsfortschritten und etwa gegebenen weiteren Verhaltensauffälligkeiten auseinanderzusetzen haben.
Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) der Maßregel wird es zu beachten haben, dass auf der einen Seite die Tat nach ihren konkreten Umständen an der Erheblichkeitsschwelle des § 63 StGB liegt, auf der anderen Seite der Angeklagte bereits seit September 1995 im psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist, wobei offenbar jedenfalls bis zum Tatzeitpunkt keine nachhaltigen Therapieerfolge erzielt werden konnten. Mit welcher Wahrscheinlichkeit von dem Angeklagten schwerer wiegende Taten als die hier begangene erwartet werden können, ist in dem angefochtenen Urteil nicht nachvollziehbar begründet.
Im Übrigen kann die nochmalige Anordnung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus neben einer bereits bestehenden Anordnung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur dann in Betracht kommen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie zur Erreichung des Maßregelziels erforderlich ist, weil von ihr Wirkungen ausgehen, die nicht bereits der erste Maßregelausspruch zeitigt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Juli 2010 – 5 StR 243/10, NStZ-RR 2011, 41, und vom 9. Mai 2006 – 3 StR 111/06, BGHR StGB § 62 Verhältnismäßigkeit 6). Auch dies ist im angefochtenen Urteil nicht nachvollziehbar begründet (vgl. UA S. 18).
Abschließend weist der Senat darauf hin, dass das neue Tatgericht hinsichtlich der Besetzung des Spruchkörpers § 76 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 GVG zu beachten hat. Vor einer erneuten Hauptverhandlung sollte geprüft werden, ob das Verfahren im Blick auf die weiterhin vollzogene Unterbringung nach § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO eingestellt werden sollte.
Basdorf Sander Schneider
Dölp Bellay