Entscheidungsdatum: 12.01.2017
Weder aus § 153 Abs. 2 und 5 Satz 1 GVG noch aus § 20 Bremisches AGGVG ergibt sich, dass nur der erkennenden Strafkammer zugewiesene "Stationsreferendare" für Aufgaben der Protokollführung herangezogen werden dürfen.
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 18. Mai 2016 werden verworfen, da die Nach-prüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels so-wie die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die den Neben- und Adhäsionsklägern im Revisionsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen, der Angeklagte A. Y. jedoch nur hinsichtlich der Neben- und Adhäsionskläger K. sowie Kh. .
Das Landgericht hat den Angeklagten S. Y. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Körperverletzung, wegen Anstiftung zum versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten A. Y. hat es wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verhängt. Ferner hat es Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die auf eine Verfahrensbeanstandung sowie die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten bleiben erfolglos.
1. Ein Verstoß gegen § 226 Abs. 1, § 338 Nr. 5 StPO liegt nicht vor. Die Auffassung der Beschwerdeführer, die Hauptverhandlung habe zeitweise ohne einen ordnungsgemäß bestellten Urkundsbeamten der Geschäftsstelle stattgefunden, weil an zwei Hauptverhandlungstagen Rechtsreferendare das Protokoll geführt hätten, geht fehl.
a) Die Revisionen wollen den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 20. April 1982 (5 StR 521/81) und vom 3. April 1984 (5 StR 986/83, NStZ 1984, 327) entnehmen, dass Referendare nicht mit Aufgaben des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle betraut werden dürften, wenn sie – wie hier – im Zeitpunkt der Protokollführung nicht der erkennenden Strafkammer als „Stationsreferendare” zugewiesen seien. Indessen lässt sich den genannten Entscheidungen kein solcher Rechtssatz entnehmen. Der Bundesgerichtshof legt § 153 Abs. 5 Satz 1 GVG vielmehr in ständiger Rechtsprechung gemäß seinem Wortlaut und in Übereinstimmung mit dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, BT-Drucks. 8/2024 S. 18; Katholnigg, StV 1984, 110) dahin aus, dass die Einzelheiten der Betrauung der betroffenen Personen, zu denen auch Referendare gehören können, grundsätzlich nach dem jeweiligen Landesrecht zu beurteilen sind (vgl. BGH, aaO, sowie Urteil vom 4. Juni 1985 – 1 StR 18/85, StV 1985, 492; siehe auch OLG Koblenz, Rpfleger 1985, 77; MüKoStPO/Arnoldi 2016, § 226 Rn. 13 mwN). Die in Bremen geltenden Vorschriften enthalten die von den Beschwerdeführern behauptete Einschränkung nicht.
Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift vom 23. November 2016 zutreffend ausgeführt:
„In Bremen ist insoweit Folgendes geregelt:
Nach § 20 Abs. 1 AGGVG können Referendare mit der selbstständigen Wahrnehmung von Aufgaben des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beauftragt werden. Nach § 20 Abs. 3 AGGVG sind zuständig für die Beauftragung der Senator für Justiz und Verfassung und die von ihm bestimmten Stellen.
Die ‚Allgemeine Verfügung des Senators für Rechtspflege und Strafvollzug zur Ausführung der §§ 19 bis 21 des Bremischen Ausführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz‘ lautet unter anderem:
(1) Mit der Wahrnehmung von Aufgaben des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle können
a) gemäß § 20 Abs. 1 AGGVG Referendare sowie Anwärter für den gehobenen oder den mittleren Justizdienst beauftragt werden. Die Beauftragung setzt gemäß § 8 der Anordnung über die Geschäftsstellen der Gerichte und Staatsanwaltschaften voraus, dass die Personen auf dem Sachgebiet, das ihnen zur Erledigung übertragen werden soll, einen Wissens- und Leistungsstand aufweisen, der dem der Beamten des mittleren Justizdienstes gleichwertig ist (§ 153 Abs. 5 GVG).
(2) Für die Beauftragung gemäß Absatz 1 werden als zuständig bestimmt:
der Präsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen, der Generalstaatsanwalt, der Präsident des Landgerichts, der Leitende Oberstaatsanwalt,
die Präsidenten der Amtsgerichte in Bremen und Bremerhaven sowie der Aufsichtführende Richter des Amtsgerichts in Bremen-Blumenthal jeweils für das Gericht oder die Staatsanwaltschaft, denen sie vorstehen, für Referendare und Rechtspraktikanten darüber hinaus der ausbildende Richter oder Staatsanwalt des Referendars oder Rechtspraktikanten.
Die im vorliegenden Verfahren tätig gewordenen Referendare sind von der Präsidentin des Landgerichts ordnungsgemäß mit der Protokollführung beauftragt worden. Soweit die Revision meint, dass nur ‚Stationsreferendare‘ Aufgaben des Urkundsbeamten wahrnehmen dürfen, ist ihr zu widersprechen. Der Wortlaut der in Rede stehenden Vorschrift enthält eine solche Einschränkung nicht. Diese ist auch aus sonstigen Gründen nicht geboten. Ferner spricht der Umstand, dass zuständig für die Beauftragung unter anderem ‚der Präsident des Landgerichts‘ und der ‚ausbildende Richter‘ sind, für die Sichtweise des Landgerichts Bremen.“
b) Zweifel an der erforderlichen Befähigung der eingesetzten Referendare (vgl. § 153 Abs. 2 und 5 Satz 1 GVG) hegt der Senat nicht. Dem entspricht es, dass die Beschwerdeführer Mängel der Protokollführung nicht aufzeigen; solche sind auch nicht ersichtlich. Nach der Stellungnahme der Präsidentin des Landgerichts Bremen hatten die Referendare die mehrmonatige Pflichtstation in Zivilsachen absolviert und befanden sich im strafrechtlichen Ausbildungsabschnitt. Sie waren durch Urkundsbeamte der Geschäftsstelle in die Tätigkeit des Protokollführers theoretisch und praktisch eingewiesen worden. Die Erfüllung der materiellen Voraussetzungen des § 153 Abs. 2 und 5 Satz 1 GVG war damit gewährleistet. Dass den Referendaren die so erworbene Befähigung nur bei aktueller Zuweisung an die jeweils erkennende Strafkammer oder an das betroffene Landgericht (vgl. insoweit auch BGH, Urteil vom 22. Januar 1981 – 4 StR 97/80) zukommen könnte, liegt fern. Es ist auch ansonsten kein sachlicher Grund vorhanden, der die von den Beschwerdeführern vertretene Rechtsansicht stützen könnte.
c) Nach den Ausführungen der Präsidentin des Landgerichts wurde die (Neben-)Tätigkeit als Protokollführer aufgrund eines mit den Referendaren geschlossenen Vertrags mit 12 € pro Stunde vergütet. Aus welchem Grund dieser Umstand zu Mängeln der Betrauung und damit zu einem Verfahrensfehler geführt haben könnte, erschließt sich dem Senat nicht. Namentlich ließ die übernommene Nebentätigkeit deren Stellung als Referendare unberührt. Unbehelflich sind ferner der Hinweis der Beschwerdeführer auf die nach ihrer Meinung inadäquate Bezahlung sowie die – sehr abstrakte – Erwägung, es seien Interessenkonflikte denkbar.
2. Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrügen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten aufgedeckt.
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