Entscheidungsdatum: 09.05.2012
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 9. Mai 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Chemnitz zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in zwei Fällen, davon in einem Fall in 87 tateinheitlichen Fällen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.
I.
Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht.
1. Das Landgericht geht von einem uneigentlichen Organisationsdelikt aus (vgl. hierzu etwa BGH, Beschluss vom 29. Juli 2009 – 2 StR 160/09, StraFo 2010, 39), das in 87 Fällen zu Betrugshandlungen gegenüber Stromkunden geführt hat. Es trifft aber lediglich – gestützt auf E-Mails des Angeklagten – Feststellungen dazu, welche Maßnahmen er im Vorfeld unternommen hat. Aus den Urteilsgründen ergibt sich hingegen nicht, inwieweit der Angeklagte die – nach Auffassung des Landgerichts gutgläubigen – Vermittler beeinflusst hat bzw. hat beeinflussen lassen. Es lässt sich somit nicht erkennen, ob und gegebenenfalls wie der Angeklagte an den Vertriebsaktivitäten der Vermittler kausal mitgewirkt hat. Da es bei der Annahme eines uneigentlichen Organisationsdelikts gerade auf die Vorgaben ankommt, die der Täter gegenüber der von ihm beherrschten Organisation macht, bedarf es hierzu näherer Feststellungen.
Ebenso ist die innere Tatseite des Angeklagten weder hinsichtlich der festgestellten Täuschungshandlungen gegenüber den Kunden noch in Bezug auf seine Vorstellungen über die fehlende Erfüllbarkeit der aus den Stromlieferungsverträgen resultierenden Verpflichtungen der A. GmbH belegt. Die von der Strafkammer angeführten E-Mails des Angeklagten legen nahe, dass er zumindest zunächst an die Realisierbarkeit des Anlagenmodells geglaubt hat. Hierfür sprechen zum einen seine Berechnungen über die Anzahl der für eine Finanzierung notwendigen Anleger, zum anderen aber auch die dort dokumentierten Bemühungen gegenüber der Bundesnetzagentur. Zwar mag es auf der Hand liegen, dass sich alsbald die Hoffnungslosigkeit dieses Anlagemodells herausgestellt hat, gleichwohl bedarf es einer tatsachenfundierten Festlegung, wann und aufgrund welcher Umstände der Angeklagte nicht mehr von einer Realisierung hat ausgehen können und wie er eine solche Erkenntnis in eine Täuschung der Anleger umgesetzt hat.
Zur Prüfung der Seriosität seines Anlagemodells hätte sich das Landgericht mit dem Konzept des Angeklagten näher befassen müssen. Um Rückschlüsse auf die innere Tatseite des Angeklagten ziehen zu können (vgl. BGH, Beschluss vom 26. August 2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 348), ist es von indizieller Bedeutung, welche konkreten Maßnahmen zum Bau der Stromerzeugungsanlage schon getroffen und in welchem Maße bereits Investitionen in das Projekt geflossen waren. Je weniger der Angeklagte für die Realisierung aufgewendet hat, umso eher drängt sich der Schluss auf, dass die Errichtung der Stromerzeugungsanlage gar nicht beabsichtigt war und es dem Angeklagten allein darum ging, die Gelder ohne Gegenleistung betrügerisch zu erlangen. In diesem Zusammenhang wären ferner nähere Feststellungen zur Verwendung der von den Kunden geleisteten Vorauszahlungen notwendig gewesen.
2. Die Täuschungshandlung gegenüber den Kunden hat das Landgericht gleichfalls nicht widerspruchsfrei dargestellt. Es hat nämlich einerseits die Aussagen der Vermittler mitgeteilt, wonach auf Schulungen darauf hingewiesen worden sei, dass aus dem eingenommenen Geld die Stromerzeugungsanlage erst errichtet werden sollte (UA S. 73). Dies ist von den (gutgläubigen) Vermittlern offenbar auch den Kunden gegenüber so dargestellt worden. Die Vermittler haben – jedenfalls teilweise – angegeben, dass sie mitgeteilt hätten, die Stromerzeugungsanlage sei erst im Bau bzw. noch nicht fertiggestellt (UA S. 71, 73, 77, 87, 91). Vor diesem Hintergrund ist die dann vom Landgericht in Bezug auf sämtliche Kunden getroffene Feststellung nicht ohne weiteres nachvollziehbar, dass diese, wenn sie gewusst hätten, die gezahlten Gelder würden für die Errichtung einer in Deutschland noch nicht vorhandenen Stromerzeugungsanlage verwendet, die Verträge nicht abgeschlossen hätten. Für die revisionsgerichtliche Kontrolle ist es bei einer solchen Sachlage unverzichtbar (BGHSt aaO S. 344), dass die Tatsachen, die den Vermittlern und über die Vermittler den Kunden mitgeteilt wurden, ebenso in den Urteilsgründen herausgearbeitet werden wie der Internetauftritt der A. , auf den sich die Kunden zudem bezogen.
3. Schließlich hält auch die Verurteilung in dem vom Landgericht gesondert ausgeurteilten Einzelfall rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat den Angeklagten in einem von dem früheren Mitangeklagten U. unmittelbar getätigten Abschluss als Mittäter angesehen. Auch hier fehlen aber tragfähige Feststellungen dazu, inwieweit der Angeklagte im Hinblick auf diese konkrete Einzeltat eine gesteigerte Tatherrschaft hatte, die über die in den übrigen Fällen angenommene Organisationsmacht hinausging.
II.
Der Senat hebt die angefochtene Entscheidung insgesamt auf. Aufgrund der in sich nicht widerspruchsfreien und lückenhaften Feststellungen sieht er sich außerstande, diese auch nur teilweise aufrechtzuerhalten. Dabei verkennt der Senat die tatgerichtlichen Schwierigkeiten bei der Sachaufklärung im vorliegenden Fall nicht. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Sollte es zu einem Tatnachweis kommen, dann liegt die Verurteilung des Angeklagten wegen eines – freilich sämtliche Einzelakte umfassenden – Organisationsdelikts nahe. Die Frage des Vorliegens einer oder mehrerer Handlungen im Sinne der §§ 52, 53 StGB ist nach dem Tatbeitrag des Angeklagten zu beurteilen (BGH, Beschlüsse vom 30. März 1994– 1 StR 99/04, wistra 2004, 264; vom 1. September 1998 – 1 StR 410/98, StV 2000, 196; vom 21. Mai 2008 – 5 StR 124/08). Dieser kann aber nur in den für die späteren Tätigkeiten der Mittäter einheitlich erteilten Vorgaben für die Vermittlung und in der Schaffung eines entsprechenden Anwerbesystems liegen. Die überflüssige und fehlerhafte Ausurteilung von tateinheitlichen Fällen – deren Anzahl hier im Übrigen nicht nachvollziehbar ist – sollte deshalb unterbleiben.
2. Die Annahme von gewerbsmäßigem Handeln im Sinne des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB – deren knappe Begründung zudem in einem Spannungsverhältnis zur Nichtanordnung des Verfalls oder einer Feststellung nach § 111i StPO steht – setzt voraus, dass sich der Täter selbst einen Vermögensvorteil verschaffen will, der für ihn eine fortlaufende und dauernde Einnahmequelle darstellt. Dieses Regelbeispiel kann deshalb nur dann erfüllt sein, wenn der Täter zumindest auf die ertrogenen Gelder zugreifen kann. Fließen diese Gelder an eine Kapitalgesellschaft, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entscheidend (BGH, Beschlüsse vom 5. Juni 2008 – 1 StR 126/08, wistra 2008, 379; vom 19. Dezember 2007 – 5 StR 543/07, NStZ 2008, 282), inwieweit der Täter sich das im Vermögen der Kapitalgesellschaft befindliche Geld verschaffen kann.
III.
Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 StPO Gebrauch und verweist die Sache an eine Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Chemnitz zurück.
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Schneider König