Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 02.08.2012


BGH 02.08.2012 - 5 StR 408/11

Nachverfahren bei Vermögensbeschlagnahme: Berücksichtigung eines Justizverschuldens bei Anwendung der Beweislastregel


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
02.08.2012
Aktenzeichen:
5 StR 408/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Berlin, 28. Februar 2011, Az: (511) 69 Js 222/08 KLs (8a/08)
Zitierte Gesetze

Tenor

Auf die Revision der Antragstellerin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 28. Februar 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht hat im Nachverfahren gemäß § 439 (i.V.m. § 442) StPO die Anträge der Antragstellerin, festzustellen, dass sie Eigentümerin der anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung am 29. September 2007 beschlagnahmten Geldbeträgen in Höhe von 20.500 € und 7.000 € sei und dass die Geldbeträge an sie herauszugeben seien, durch Urteil als unbegründet verworfen. Die hiergegen gerichtete Revision der Antragstellerin hat Erfolg.

2

Mit Urteil vom 7. August 2008 hatte das Landgericht den Sohn Ö.  M.  der Antragstellerin wegen Beihilfe zum bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Gleichzeitig hatte es nach § 33 BtMG, §§ 73, 73d StGB den Verfall von beim Verurteilten anlässlich der Durchsuchung der Wohnung am 29. September 2007 beschlagnahmten Geldbeträgen angeordnet, weil „die Umstände bei der Auffindesituation im Rahmen der Verhaftung des Angeklagten M. die Annahme rechtfertigen, dass die Geldbeträge im Rahmen der hier abgeurteilten Ausfahrertätigkeit erlangt wurden“. Das Urteil ist seit dem 21. April 2009 rechtskräftig. Im Ermittlungsverfahren hatte die Antragstellerin am 12. November 2007 die Herausgabe der Gelder beantragt, ist jedoch bis zur Rechtskraft des Urteils nicht als Verfallsbeteiligte beteiligt worden.

3

Den nunmehr im Nachverfahren weiterverfolgten Herausgabeanspruch hat das Landgericht als unbegründet erachtet, weil das behauptete Recht nicht erwiesen sei (§ 439 Abs. 4 StPO). Die Antragstellerin habe zwar belegt, dass sie am 27. Mai 2005 und am 17. März 2006 Barbeträge in Höhe von 21.220 € und 5.000 € von ihren Konten abgehoben habe. Es sei jedoch unklar, ob diese Gelder – wie von der Antragstellerin vorgetragen – aus einer ihr im Jahre 1997 gewährten Entschädigungszahlung in Höhe von 57.000 DM stammen. Dies führe mit weiteren Indizien (Auffindesituation bei der Beschlagnahme, Telefonat von Mittätern zwischen der Verhaftung des Sohnes und der Wohnungsdurchsuchung) zu dem Ergebnis, dass der Anspruch nicht zur Überzeugung der Strafkammer nachgewiesen sei.

4

Diese Beweiswürdigung ist unzureichend. Das Landgericht hat sich durch das Abstellen auf die – ihrerseits kaum überzeugend behandelte – Frage, ob es sich bei den abgehobenen Geldbeträgen originär um die 1997 erlangte Entschädigungszahlung handelt, den Blick darauf verstellt, dass sich eine erlangte Eigentümerposition der Antragstellerin an dem abgehobenen Geld aus der unstrittigen, für sich nicht verdächtigen Abhebung von ihren Bankkonten ergibt. Die vom Tatgericht benannten Umstände können bei Beurteilung des Anspruchs der Antragstellerin zwar Indizwirkung entfalten, eine solche Beweiswürdigung ist aber dem Tatgericht vorbehalten, das einer detaillierteren Aufklärung des Vorbringens der Antragstellerin gegenüber den ermittelnden Beamten höhere Aufmerksamkeit wird widmen müssen. Es wird auch zu berücksichtigen sein, dass mindestens ein Teil des Geldes sich im Schrank zwischen Bekleidungsgegenständen der Antragstellerin befand, dass die von der Antragstellerin bei der Beschlagnahme nur teilweise für sich reklamierten Geldbeträge in ihren Teilbeträgen überwiegend im Einklang mit den von der Antragstellerin vorgetragenen Abhebevorgängen stehen und dass der gegen den verurteilten Sohn der Antragstellerin geführte Tatnachweis für sich keinen konkreten Anhalt für einen Besitz von Rauschgifterlösen in höherer Summe ergab, geschweige denn einen Anhalt für eine gezielte Vertuschung solcher Gelder durch Einschaltung der Mutter des Verurteilten. Bei der Anwendung der Beweislastregel des § 439 Abs. 4 StPO wird zu beachten sein, dass eine alsbaldige Beteiligung der Antragstellerin am Verfahren, welche sie frühzeitig beantragt hatte und welche ihr unter Umständen bessere Nachweismöglichkeiten eröffnet hätte, durch Justizverschulden verhindert wurde. Auf § 439 Abs. 5 StPO weist der Senat hin.

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