Entscheidungsdatum: 26.08.2014
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. Februar 2014 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischer Erpressung, Körperverletzung und Nötigung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
1. Nach den Feststellungen beförderte der damals 46 Jahre alte Angeklagte am 16. September 2011 nach 2.30 Uhr die Zeuginnen S. und P. mit seinem Taxi in Berlin von Reinickendorf nach Wannsee. Um den 40 € betragenden Fahrpreis nicht zahlen zu müssen und weiteres Geld zu erlangen, hielt - die deswegen inzwischen rechtskräftig zu einer zur Bewährung ausgesetzten anderthalbjährigen Jugendstrafe verurteilte - S. ihm ein Messer an den Hals und verletzte ihn damit am Hals sowie an Wange und Nase. Nachdem es dem blutenden Angeklagten gelungen war, das Taxi zu verlassen, flüchteten S. und - die vom Vorwurf einer Tatbeteiligung rechtskräftig freigesprochene - P. , jedoch wurden „die beiden jungen Damen" (UA S. 6) von ihm alsbald eingeholt und ins Taxi zurückgezogen. Hierbei versetzte er S. mit einem von ihrer Freundin verlorenen Schuh einen wuchtigen Schlag auf die Schulter.
Als P. die Polizei rufen wollte, forderte der Angeklagte ihr Handy erfolgreich heraus, indem er drohte, „dass anderenfalls ... 30 Kollegen mit" ihr „Sex machen" würden. In vergleichbarer Weise verlangte er von den beiden Frauen zudem 50 €. Nachdem P. angeboten hatte, zur Begleichung der Fahrtkosten Geld von ihrem Konto abzuheben, fuhren sie zu dritt zurück nach Reinickendorf zu ihrer dort gelegenen Wohnung, aus der sie ihre EC-Karte holte. Während ihrer Abwesenheit soll der Angeklagte im Taxi S. eine Pistole vorgehalten und sie mit der Drohung, ihr anderenfalls ins Knie zu schießen, zum Oralverkehr gezwungen haben; dieser Anklagevorwurf ist vom Landgericht gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden.
Nachdem P. gegen 4.40 Uhr vergeblich versucht hatte, Geld abzuheben, begab sie sich mit ihrer Freundin und dem Angeklagten in ihre Wohnung, wo dieser beiden Frauen „befahl", jeweils einen Schuldschein über 100 € auszustellen. Um deren Einlösung sicherzustellen, behielt er P. s Handy als Pfand. Bevor er die Wohnung verließ, brachte er beide Frauen unter der erneuten Drohung, dass diese anderenfalls „Sex mit 30 Kollegen haben müssten", dazu, vor ihm die Hosen herunterzuziehen, „um sie von hinten zu nehmen". Wegen ihrer Monatsblutungen sah er von weiteren Handlungen ab. Als es eine Woche später zum Tausch des Handys gegen 200 € kommen sollte, wurde der Angeklagte von der durch P. informierten Polizei festgenommen. Bei ihm wurden ihr Handy sowie die Schuldscheine sichergestellt.
2. Die Beweiswürdigung erweist sich - auch eingedenk des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs - als lücken- und damit rechtsfehlerhaft. Denn das Landgericht hat seine Feststellungen „im Wesentlichen" auf „die glaubhaften Aussagen der Zeugin P. " gestützt, „die im Einklang mit weiteren Beweisergebnissen stehen" (UA S. 13).
a) Als solche hat das Landgericht nämlich lediglich angeführt, dass P. s vergebliche Versuche, Geld abzuheben, durch Lichtbilder dokumentiert und ihr Handy ebenso wie die Schuldscheine beim Angeklagten sichergestellt worden seien (UA S. 17 f.). Insofern hat es sich aber nicht damit auseinandergesetzt, dass sämtliche Umstände in gleicher Weise mit der - in sich durchaus schlüssig erscheinenden - Einlassung des bislang unbestraften Angeklagten kompatibel sind, der sich darauf berufen hat, die beiden Frauen hätten freiwillig seine Forderungen erfüllen wollen und ihm daher Schuldscheine und Handy ausgehändigt (UA S. 12).
b) Zudem hätten die Angaben der Zeugin S. ungeachtet des Umstandes, dass die Feststellungen auf deren Bekundungen nicht gestützt worden sind, im Einzelnen dargestellt werden müssen. Das Landgericht durfte sich nicht auf die Mitteilung beschränken, die Zeugin habe die Schilderung der Zeugin P. „inhaltlich bestätigt und ihre damaligen zum Teil unterschiedlichen Versionen und falschen Angaben hinsichtlich der Tatbeteiligung ihrer damaligen Freundin ... beim Überfall auf den Taxifahrer" eingestanden (UA S. 19). Die Aussageentwicklung hätte im Einzelnen skizziert und mit den Darstellungen des Angeklagten bzw. der Zeugin P. in Bezug gesetzt werden müssen. Das gilt besonders vor dem Hintergrund, dass das Landgericht Anlass gesehen, diesen im Urteil aber nicht erläutert hat, das Verfahren bezüglich des schwersten Anklagevorwurfs, nämlich einer sexuellen Nötigung - zumindest gemäß § 177 Abs. 3 StGB - zum Nachteil S. s nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig einzustellen.
c) Schließlich schöpft die landgerichtliche Motivprüfung, es bestünden „keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Zeugin P. habe sich alles nur ausgedacht, um den Angeklagten zu Unrecht zu belasten" (UA S. 17), das vielschichtige Tat- und Verfahrensgeschehen nicht aus.
3. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Eine Strafbarkeit nach § 253 StGB setzt voraus, dass die Bereicherung nach der materiellen Rechtslage zu Unrecht angestrebt wird. Daran fehlt es, wenn der Täter auf den Vermögensvorteil einen fälligen einredefreien Anspruch besitzt. Daher wird gegebenenfalls zunächst zu prüfen sein, in welchem Umfang dem Angeklagten für seine Beförderungsleistungen sowie den sonstigen Zeitaufwand ein Entgelt zustand und inwieweit er ein Schmerzensgeld zu fordern berechtigt war. Darüber hinaus wird festzustellen sein, welche Vorstellungen er sich insofern gemacht hat; denn sollte er etwa irrtümlich von gegebenen Ansprüchen ausgegangen sein, wäre der Vorsatz zu verneinen (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 1999 - 2 StR 598/98, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 9; Beschluss vom 17. Juni 1999 - 4 StR 12/99, StV 2000, 79, 80). Sollte in diesem Fall das Beweisergebnis wiederum sein, dass der Angeklagte die Herausgabe des Handys als Pfand und das Erstellen der Schuldscheine durch Drohungen erzwungen hat, so wäre dies unter dem Gesichtspunkt der Nötigung (§ 240 StGB) zu prüfen.
b) Bei einer eventuellen Strafzumessung wäre zu berücksichtigen, dass das Tatgeschehen zum Zeitpunkt der neuerlichen Hauptverhandlung bereits mehr als drei Jahre zurückliegen wird.
Basdorf Sander Schneider
Dölp König