Entscheidungsdatum: 29.11.2017
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 6. Februar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Drei Monate Freiheitsstrafe hat es wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt. Gegen das Urteil richten sich jeweils auf die Sachrüge gestützte Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten. Sowohl das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft als auch das des Angeklagten haben Erfolg.
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen festgestellt:
a) Seit Januar 2007 war der Angeklagte im Vorstand der P. AG, der Muttergesellschaft der P. GmbH (im Folgenden: „P. GmbH“). Für Letztere war er als Vertriebsleiter mit Prokura tätig. Geschäftsführer der P. GmbH war der vormalige Mitangeklagte T. .
Im Laufe des Jahres 2007 zeichnete sich sowohl für die P. GmbH als auch für die P. AG Finanzierungsbedarf in größerem Umfang ab. Die P. GmbH arbeitete mit veraltetem Anlagevermögen und musste in neue Technik investieren, um konkurrenzfähig zu bleiben. Da keine ausreichenden Sicherheiten für Bankdarlehen zur Verfügung standen, sollten Kreditmittel über das „Mezzanine-Programm“ beschafft werden.
Ende des Jahres 2007 verhandelte die P. GmbH deswegen mit der A. GmbH über den Ankauf von Inhaberschuldverschreibungen der P. GmbH durch die PU. Ltd. (im Folgenden „PU. Ltd.“). Der Verkauf der Inhaberschuldverschreibungen an die PU. Ltd. sollte dem Zweck dienen, die P. GmbH durch diesen (ungesicherten) Kredit in die Lage zu versetzen, Altverbindlichkeiten zu tilgen, Produktion sowie Umsatz zu steigern und Vermögenswerte, insbesondere modernere Technik, anschaffen zu können, um in der Folgezeit auf dem „normalen“ Bankenmarkt wieder kreditfähig zu werden. Absicht der Kreditgeberin war dementsprechend die „Förderung des Mittelstandes“.
Voraussetzung für die Förderung im Mezzanine-Programm war eine „Due Diligence“, also eine „mit gebotener Sorgfalt“ durchgeführte Risikoprüfung bei der P. GmbH durch die A. GmbH im Januar 2008. Am 9. Januar 2008 unterzeichnete der Angeklagte für die P. GmbH ein Schriftstück „Zusicherungen im Zusammenhang mit PU. “. Darin versicherte er unter anderem, dass sich die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens seit dem letzten testierten Jahresabschluss nicht bis zur Zahlungsunfähigkeit verschlechtert habe, alle Sozialversicherungsbeiträge fristgemäß sowie vollständig abgeführt worden seien und bei Abgabe der Erklärung außer den bilanzierten Rückstellungen keine Verbindlichkeiten gegenüber den Sozialversicherungsträgern bestünden.
Das von der PU. Ltd. eingegangene Verlustrisiko war für die spekulative Anlage der Inhaberschuldverschreibung nach der Risikoprüfung mit dem Rating „BBB-“ mit 40 % einzuschätzen. Bei einem Rating ab der Stufe „C“ wäre die P. GmbH hingegen nicht als für das Mezzanine-Programm förderwürdig eingeschätzt worden. In diesem Fall hätte die PU. Ltd. den Kredit nicht ausgereicht.
Durch Gesellschafterbeschluss vom 11. Februar 2008 wurde der Angeklagte mit Wirkung zum 18. Februar 2008 zum Geschäftsführer der P. GmbH bestellt. Zugleich wurde T. als Geschäftsführer abberufen.
Am 18. Februar 2008 schloss die durch den Angeklagten vertretene P. GmbH auf Vermittlung der A. GmbH mit der PU. Ltd. einen Vertrag über den Kauf festverzinslicher Inhaberschuldverschreibungen im Gesamtnennwert von 8 Millionen Euro mit einem Zinssatz von 9,10 %. Darin versicherte sie die Richtigkeit ihrer im Rahmen der „Due Diligence“ gegenüber der A. GmbH erfolgten Angaben. Ferner verpflichtete sie sich, einen Betrag in Höhe des Nettoerlöses aus der Emission der Schuldverschreibungen innerhalb von sechs Monaten für in einer Anlage zum Vertrag festgelegte Geschäftszwecke zu verwenden. In der Anlage wurden ca. 3 Millionen Euro für die Rückführung von Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten, ca. 2 Millionen Euro für die Rückführung von Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen sowie ca. 3 Millionen Euro „für Investitionen in Maschinen, maschinelle Anlagen (weitere 4.000 t Schmiedepresse)“ bestimmt. Nach Ziffer 5.1 des Vertrags hatte die P. GmbH die PU. Ltd. „unverzüglich über jedes Ereignis oder jede Änderung der (geschäftlichen, finanziellen oder sonstigen) Situation der Emittentin schriftlich zu informieren“.
Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses befanden sich sowohl die P. GmbH als auch die P. AG nach wie vor in finanziellen Engpässen. Ausreichende Finanzmittel konnten mit Ausnahme der PU. -Mittel nicht eingeworben werden. Obwohl ein „cash-pool“ nicht bestand, wurden Gelder zwischen der Muttergesellschaft und verschiedenen Tochtergesellschaften „hin- und hergeschoben“, um die jeweils dringendsten Zahlungen zu gewährleisten. Welche Zahlungen geleistet wurden, ordnete vor und nach seiner Abbestellung als Geschäftsführer T. an. Zeitweise hatte die P. GmbH mangels liquider Mittel keinen Stahl anschaffen können, so dass auch die Produktion litt und Aufträge nicht fristgerecht abgearbeitet werden konnten. Am 17. Dezember 2007 hatte der Gerichtsvollzieher erfolglos versucht, in den Räumen der P. GmbH rückständige Sozialversicherungsbeiträge von 226.545,82 Euro zu pfänden. Seit 2005 waren die Sozialversicherungsbeiträge an die AOK lediglich in zwei Monaten (Februar 2005, März 2007) pünktlich und vollständig bezahlt worden. Löhne hatten 2007 nicht immer pünktlich ausgezahlt werden können. Es hatten Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen mit Gläubigern getroffen werden müssen.
b) Auf Anweisung des Angeklagten wurde der Kaufpreis der Inhaberschuldverschreibung (abzüglich Disagio) am 4. März 2008 in Höhe von 7.720.000 Euro auf ein Kontokorrentkonto der P. GmbH bei einer Raiffeisenbank überwiesen. Das Konto hatte sich vor der Überweisung mit 70.361 Euro im Soll befunden. Kontovollmacht hatten der ehemalige Geschäftsführer T. , dessen Tante H. , die keine Funktion bei der P. GmbH einnahm, und eine Assistentin der Geschäftsleitung. Der Angeklagte hatte weder Kontovollmacht, noch kontrollierte er die Zahlungsein- und -ausgänge.
Vom 4. bis 31. März 2008 wurde - vorwiegend von H. T. - eine Vielzahl von Überweisungen von diesem Konto vorgenommen. Am 31. März 2008 war das Konto bereits wieder mit 2.925 Euro im Soll. Insgesamt 3.830.000 Euro waren an die Muttergesellschaft P. AG gegangen, wobei die weitere Geldverwendung nicht mehr nachvollziehbar ist. Knapp 1,9 Millionen Euro wurden an verschiedene Empfänger überwiesen, unter anderem 723.660 Euro zur Begleichung von Steuerschulden des T. privat und 410.000 Euro an Angehörige des T. .
Ohne Berücksichtigung der Zahlungen an die P. AG wurden insgesamt mindestens 1.895.882 Euro zweckwidrig verwendet. In den ersten sechs Monaten nach Valutierung des Kredits wurden nur 152.047,88 Euro in neue Maschinen und maschinelle Anlagen investiert. Namentlich kam es nicht zum Kauf einer 4000-Tonnen-Schmiedepresse. Die weiteren für Neuinvestitionen gedachten ca. 2,8 Millionen Euro wurden anderweitig verwendet. Die Änderung der Mittelverwendung wurde mit der PU. Ltd. als Kreditgeberin nicht abgesprochen. Eine diesbezügliche Information gemäß der Verpflichtung Ziffer 5.1 des Vertrags erfolgte frühestens am 4. September 2008.
Die ersten Zinsraten bediente die P. GmbH im Wesentlichen noch. Danach erfolgten keine Zinszahlungen mehr. Am 3. Februar 2009 stellte der Angeklagte Antrag auf Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen der P. GmbH, dem am 1. April 2009 entsprochen wurde. Am 18. März 2009 kündigte die PU. Ltd. den Vertrag und stellte ihre Forderung einschließlich rückständiger und künftiger Zinsen in Höhe von 11.038.581,44 Euro fällig. Die Forderung wurde in Höhe von 11.066.610,36 Euro zur Insolvenztabelle angemeldet. Die voraussichtliche Insolvenzquote beträgt ca. 2,5 %. Hinsichtlich der P. AG wurde am 28. August 2009 Fremdantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, der durch Beschluss des zuständigen Amtsgerichts mangels kostendeckender Masse abgewiesen wurde.
2. Das Landgericht vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass der Angeklagte die PU. Ltd. bei Vertragsschluss über die Zahlungsfähigkeit der P. GmbH getäuscht hat. Zwar sei die P. GmbH bereits zum 31. Dezember 2007 zahlungsunfähig gewesen. Es sei aber nicht nachweisbar, dass der Angeklagte dies gewusst oder wenigstens billigend in Kauf genommen habe.
Jedoch sei das Verhalten des Angeklagten als Betrug durch Unterlassen zum Nachteil der PU. Ltd. zu werten. Als Geschäftsführer der P. GmbH und als Vorstandsmitglied der P. AG habe er mit Abschluss des Vertrages vom 18. Februar 2008 (auch) gegenüber der PU. Ltd. die Verantwortung für die Einhaltung der vertraglichen Zusicherungen übernommen. Deshalb treffe ihn eine Garantenpflicht aus Gewährsübernahme. In der unterlassenen Mittelverwendungskontrolle liege die Täuschung der Kreditgeberin. Diese hätte die Investition bei Kenntnis von der tatsächlichen Mittelverwendung nicht vorgenommen. Indem der Angeklagte jegliche Kontrolle der Mittelverwendung unterlassen habe, habe er den zweckwidrigen Abfluss des Geldes in Kauf genommen.
Der Schaden der PU. Ltd. betrage 11.038.581,44 Euro. Allerdings liege der durch die Risikoerhöhung entstandene und kausal auf das Unterlassen des Angeklagten zurückzuführende Vermögensnachteil niedriger. Geschätzter Mindestschaden seien 50 % der für die Neuanschaffung einer Schmiedepresse gedachten, aber nicht hierfür verwendeten ca. 2,8 Millionen Euro, mithin 1,4 Millionen Euro.
3. Das Urteil weist - wie auch die Staatsanwaltschaft beanstandet - sowohl Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten als auch solche zu seinem Nachteil auf, weswegen beiden Revisionen der Erfolg nicht versagt werden kann.
a) Das Landgericht hat sich nicht hinreichend mit einem durch aktives Tun verwirklichten Betrug auseinandergesetzt. Dies wäre aber erforderlich gewesen. Denn nach den Feststellungen sind gewichtige Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der erst unmittelbar zuvor als Geschäftsführer bestellte Angeklagte bei Vertragsschluss der Geschädigten wahrheitswidrig vorgespiegelt hat, er sei in Bezug auf die vertragsgemäße Verwendung der Gelder handlungsmächtig.
Zudem hat er das Geld auf ein Konto überweisen lassen, auf das er keinen Zugriff hatte und das er auch nicht in sonstiger Weise kontrollierte. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 4. August 2017 insoweit ausgeführt:
„Im Hinblick darauf käme ein Betrug - in diesem Fall im Wege konkludenten Handelns - in Betracht, wenn der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt bereits den Entschluss gefasst hätte, die Kontoführung und die damit verbundene Mittelverwendung nicht zu überwachen, gleichwohl aber der PU. Ltd. vorgespiegelt hätte, er werde den zu überweisenden Kaufpreis entsprechend der von ihm am 18. Februar 2008 vertraglich zugesicherten Weise einsetzen. Damit hätte er die Käuferin in den Glauben versetzen können, der gesamte Kaufpreis werde für die vereinbarten Tilgungs- und Investitionszwecke verwandt werden. Eine solche Täuschung wäre für die Vermögensverfügung ursächlich gewesen, weil die Käuferin den Kaufpreis bei Kenntnis des wahren Sachverhaltes nicht ausgezahlt hätte (vgl. UA S. 22, 29).
Den Urteilsgründen lässt sich indessen weder entnehmen, welche konkreten Vorstellungen der Angeklagte über die Kontoüberwachung und Mittelverwendung zum Zeitpunkt der Geldanweisung hegte (vgl. BGH, Beschluss vom 12. November 1991 - 1 StR 644/91, wistra 1992, 143) noch ob und gegebenenfalls von welchen irrigen Vorstellungen die PU. Ltd. in diesem Stadium ausging (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juni 2006 - 2 StR 57/06, NStZ 2006, 687). Feststellungen hierzu wären unerlässlich gewesen, um einen täuschungsbedingten Irrtum der PU. Ltd. prüfen zu können. Auf Grund der lückenhaften Urteilsfeststellungen bleibt offen, ob sich der Angeklagte durch das Abrufen des Geldbetrages nach § 263 StGB strafbar gemacht hat.“
Dem tritt der Senat bei und bemerkt ergänzend, dass es nach den Gegebenheiten des Falles auf die von der Strafkammer in den Vordergrund gestellte Frage eines Betruges durch Unterlassen nicht ankommt. Der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit aller durch den Angeklagten geleisteten Beiträge liegt im Tun.
b) Die Beweiswürdigung ist zulasten des Angeklagten rechtsfehlerhaft. Namentlich hat das Landgericht die Einlassung des Angeklagten mehrfach unter Hinweis auf „glaubhafte“ Bekundungen des früheren Mitangeklagten T. widerlegt. Nach den Feststellungen drängt sich indessen die Annahme auf, dass dieser der Initiator und Hauptnutznießer der zweckwidrigen Mittelverwendung gewesen ist. Demgemäß liegt ein Motiv für eine Falschbezichtigung des Angeklagten auf der Hand. Das Landgericht hätte deshalb den Wahrheitsgehalt der Aussage des T. einer eingehenden Prüfung unterziehen müssen.
4. Die Sache bedarf deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung. Für das weitere Verfahren ist auf Folgendes hinzuweisen:
Der Senat vermag die im angefochtenen Urteil vorgenommene Schadensberechnung auch von den Standpunkten des Landgerichts aus nicht nachzuvollziehen. Danach hätte die Schadensfeststellung unter Umständen in einem Vergleich und einer bilanziellen Bewertung der von der PU. Ltd. zugrunde gelegten Verwendung des ausgezahlten Betrages - im Gegensatz zu der tatsächlich durchgeführten - bestehen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2012 - 5 StR 442/11, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 76). Sollte die neue Hauptverhandlung hingegen ergeben, dass der von der PU. Ltd. ausgereichte Betrag gemäß dem vorgefassten Tatplan in vollem Umfang zweckwidrig verwendet werden sollte, womit der Rückzahlungsanspruch als von vornherein wertlos angesehen werden müsste, so läge darin zugleich der Vermögensschaden der PU. Ltd.
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