Entscheidungsdatum: 10.09.2014
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 16. Dezember 2013, soweit es ihn betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Verabredens zu einem Verbrechen" unter Einbeziehung einer Vielzahl von Einzelfreiheitsstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 8. März 2012 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
1. Nach den Urteilsfeststellungen entschlossen sich der Angeklagte, der Mitangeklagte M. , der frühere Mitangeklagte F. und der gesondert Verfolgte N. sowie weitere unbekannte Mittäter zwischen Februar und dem 25. März 2011 dazu, - gewerbsmäßig und als Mitglieder einer Band handelnd - an Geldauszahlungsautomaten der Commerzbank Skimmingequipment zum technischen Ausspähen von Daten von Zahlungskarten mit Garantiefunktion anzubringen (§ 152b Abs. 2 StGB). Mit den auszulesenden Daten und der dazugehörigen PIN-Nummer sollten Kartendubletten hergestellt werden, um mit diesen im Ausland an Geldautomaten Geldbeträge abheben zu können.
a) Am Morgen des 25. März 2011 versuchte der Mitangeklagte M. in den Geschäftsräumen der Commerzbank in Chemnitz durch Anbohren den Karteneinzugsschacht des Geldauszahlungsautomaten zu manipulieren, der sich jedoch selbsttätig abschaltete. Die Tatbeteiligten - N. stand vor der Bankfiliale und hielt Wache, während der Angeklagte und F. jeweils in einem Fahrzeug die Umgebung beobachteten - brachen daraufhin den Manipulationsversuch ab und beabsichtigten, „ihr Glück an einem anderen Geldautomaten später zu versuchen".
b) Betreffend weitere vier vergleichbar ablaufende Taten, die der Angeklagte, M. und teilweise auch F. im Zeitraum vom 11. Februar bis 6. März 2011 begangen haben sollen, hat das Landgericht das Verfahren gegen den Angeklagten und M. gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt (Anklagevorwürfe 1, 3 bis 5). Gegenstand des Urteils des Landgerichts Bayreuth vom 8. März 2012 waren elf - zum Teil lediglich versuchte - Aufbrüche von Geldeinzahlungsautomaten, die M. mit einem Schraubenzieher oder einem Geißfuß ausführte. Bei den ersten sieben der ab dem 13. März 2011 begangenen Taten, von denen drei in unmittelbarer zeitlicher Abfolge nach der gegenständlichen Tat am 26. und 27. März 2011 erfolgten, befand sich der Angeklagte in seinem Fahrzeug und sicherte die Tatausführung ab.
2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält - auch eingedenk des beschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2008 - 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401) - sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, dass er davon ausgegangen sei, es solle ein Aufbruch des Geldeinzahlungsautomaten stattfinden, um an das Münzgeld zu gelangen. Entgegen der Einlassung M. ' sei nicht er, sondern M. der „Kopf" der Tätergruppe gewesen. Die Einlassung des Angeklagten wird teilweise durch die vom Landgericht für unglaubhaft erachtete Aussage des früheren Mitangeklagten F. gestützt, wonach M. , der zusammen mit N. „das Sagen" hatte, den Geldautomaten aufbrechen sollte; der Angeklagte sei zwar „ab und an bei den Taten beteiligt" gewesen, nicht jedoch am 25. März 2011.
b) Die Strafkammer hat die Einlassung des Angeklagten, er habe geglaubt, sich an einem Automatenaufbruch zu beteiligen, durch die ohne nähere Darlegung als glaubhaft bewertete Einlassung M. ', die den Urteilsfeststellungen zugrunde gelegt wurde, als widerlegt angesehen.
aa) Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist lückenhaft. Sie ermöglicht dem Revisionsgericht nicht die erforderliche Prüfung, inwieweit die Angaben M. ' überhaupt geeignet waren, die Einlassung des Angeklagten zu widerlegen. Den Sachverhaltsfeststellungen sind keine tatsächlichen Umstände zu entnehmen, aus denen geschlossen werden kann, dass der Angeklagte von einer beabsichtigten Geldautomatenmanipulation ausgegangen ist. Dass der Angeklagte von seinem Onkel D. das Skimmingequipment zur Verfügung gestellt bekommen hat und von diesem in die Anwendung der Technik eingewiesen worden ist, wird nicht belegt. Allein die rechtskräftige Verurteilung D. s wegen erfolgreich durchgeführter Skimmingtaten mit einer anderen Tätergruppe besagt hierzu nichts.
bb) Die Strafkammer belegt zudem nicht die Glaubhaftigkeit der Einlassung des Mitangeklagten M. . Anlass zur kritischen Prüfung hätte bereits aufgrund des Umstands bestanden, dass M. , der als einziger Beteiligter die Geschäftsräume der Bank betreten hat, um die Skimmingtechnik anzubringen, ein maßgebliches Interesse hatte, seine Tatbeteiligung als geringer strafwürdig erscheinen zu lassen, so durch die Angabe, dass der Angeklagte der „Kopf" der Tätergruppe gewesen sei und dass er von dessen Onkel D. wegen eines nicht zurückgezahlten Darlehens mit massiver körperlicher Gewalt zur Tatbegehung veranlasst worden sei.
cc) Ein Erörterungsmangel ist darüber hinaus auch darin zu sehen, dass das Landgericht Umstände, die gegen eine Kenntnis des Angeklagten von der beabsichtigten Geldautomatenmanipulation sprechen, nicht in seine Überlegungen einbezogen hat. Es stellt zwar zutreffend als Indiz heraus, dass der Abbruch der Tat durch M. erfolgte, ohne dass eine Störung des Tatablaufs durch Dritte verursacht worden sei, und dass dieser Umstand den Schluss zulasse, dass alle Tatbeteiligten von einem Manipulationsversuch ausgingen, der wegen technischer Probleme gescheitert sei. Die Strafkammer hätte sich aber gegenläufig damit auseinandersetzen müssen, dass der Angeklagte und M. vom Landgericht Bayreuth lediglich wegen Aufbrüchen von Geldeinzahlungsautomaten vor und unmittelbar im Anschluss an das Tatgeschehen verurteilt worden war. Den Feststellungen, dass M. und der Angeklagte nach der verfahrensgegenständlichen Tat sich „nunmehr" entschlossen, Geldeinzahlungsautomaten aufzubrechen, und gleichwohl auch beabsichtigten, „ihr Glück an einem anderen Geldautomaten später zu versuchen", ermangelt es daher an einer belastbaren Tatsachengrundlage.
3. Die Sache bedarf mithin neuer Verhandlung und Entscheidung. Das neue Tatgericht wird bei neuerlicher Verurteilung zu prüfen haben, ob der Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 16. Mai 2011 Zäsurwirkung entfaltet und daher - unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots - zwei (Gesamt-)Strafen zu verhängen sind (§ 55 StGB). Insoweit kommt es auf den Vollstreckungsstand hinsichtlich der Geldstrafe zum Zeitpunkt des Urteils des Landgerichts Bayreuth vom 8. März 2012 an, weil dort bewusst von einer Einbeziehung der Geldstrafe lediglich deshalb abgesehen worden ist, weil der Angeklagte nach Versäumung der Einspruchsfrist gegen den Strafbefehl Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2001 - 5 StR 291/01, NStZ 2001, 645).
4. Der Senat weist mit Blick auf die von der Revision erhobene Verfahrensrüge der „Verletzung des § 257c StPO" darauf hin, dass die Vorgehensweise des Landgerichts durchgreifend bedenklich erscheint. Danach hat es am 16. Dezember 2013 Rechtsgespräche der Verfahrensbeteiligten außerhalb der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten gegeben, die zunächst zur Einstellung der von ihm insgesamt bestrittenen Anklagevorwürfe 3 bis 5 und später auch des Tatvorwurfs 1 gemäß § 154 Abs. 2 StPO und darauf zur Rücknahme der von ihm gestellten Beweisanträge führten, wobei die vom Landgericht ursprünglich geäußerte Straferwartung sich sukzessive auf vier Jahre Gesamtfreiheitsstrafe verringerte und die Staatsanwaltschaft hierzu Zustimmung signalisierte. In ihrer Gegenerklärung zur Revisionsbegründung bestätigte die Staatsanwaltschaft den Sachvortrag der Revision; es sei dem Sitzungsvertreter lediglich „nicht mehr erinnerlich", ob die „Absprache" außerhalb der Hauptverhandlung in einer Pause oder während der Hauptverhandlung erfolgte. Es habe seitens des Vorsitzenden Äußerungen zur Höhe einer möglichen Bestrafung des Angeklagten aufgrund seines Geständnisses und der bisher durchgeführten Beweisaufnahme gegeben.
Das Landgericht hat bei seinem Vorgehen die gesetzlichen Vorgaben einer Verständigung, wie sie in § 257c StPO statuiert sind, missachtet (zur Unzulässigkeit informeller Absprachen: BVerfGE 133, 168). Die Rechtsansicht der Staatsanwaltschaft, dass die Äußerungen des Vorsitzenden „nicht im Sinne des § 257c StPO" erfolgt und daher eine Protokollierung nicht erforderlich gewesen sei, ist unvertretbar.
Basdorf Sander Schneider
Berger Bellay