Entscheidungsdatum: 24.10.2013
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 26. Oktober 2012 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung, räuberischer Erpressung sowie Anstiftung zur versuchten schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
1. Eine Entscheidung über die auf den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 7 StPO gestützte Rüge, das Urteil sei entgegen § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht rechtzeitig zu den Akten gebracht worden, ist dem Senat ohne eine freibeweisliche Klärung des Sachverhalts nicht möglich. Sollten die in der Urteilsurkunde vorgenommenen handschriftlichen Änderungen tatsächlich, wie von der Revision behauptet, nach Fristablauf vorgenommen worden sein, wäre das Urteil nicht als rechtzeitig zu den Akten gelangt anzusehen. Denn bei einer Urteilsfassung, die nach dem Willen der Richter noch durchgesehen und korrigiert werden soll, handelt es sich auch dann, wenn sie bereits von allen Richtern unterschrieben ist, nicht um das endgültige Urteil, sondern nur um einen Entwurf (BGH, Beschluss vom 3. November 1992 – 5 StR 565/92, BGHR StPO § 275 Abs. 1 Satz 1 Urteilsurkunde 1). Ob das hier der Fall war, vermag der Senat aufgrund des Akteninhalts und der dienstlichen Erklärung der Vorsitzenden indes nicht abschließend zu beurteilen. Es hätte namentlich einer näheren Klärung bedurft, warum sich das unterschriebene und gemäß § 275 Abs. 1 Satz 3 StPO nicht mehr abänderbare Urteil einem Vermerk der Geschäftsstellenmitarbeiterin zufolge nach dem Eingang auf der Geschäftsstelle am letzten Tag der Frist für mehrere Wochen nicht bei den Akten, sondern bei den Richtern befand. Zudem gäben die vom Beschwerdeführer behaupteten zahlreichen Abweichungen zwischen Urschrift und Ausfertigung, die ihrerseits offenbar nicht mit den handschriftlichen Änderungen der Urschrift in Zusammenhang stehen, Anlass zu weitergehender Aufklärung durch den Senat.
Der Senat sieht jedoch von weiteren freibeweislichen Erhebungen ab. Denn auf einen möglichen Revisionsgrund nach § 338 Nr. 7 StPO kommt es im Ergebnis nicht an.
2. Die Revision führt nämlich jedenfalls mit der Rüge eines Verstoßes gegen die Höchstdauer der Unterbrechung der Hauptverhandlung gemäß § 229 StPO umfassend zum Erfolg.
a) Die Revision macht, wovon auch der Generalbundesanwalt unter Bezug auf die Senatsrechtsprechung (BGH, Urteil vom 12. August 1992 – 5 StR 234/92, NStZ 1992, 550; Beschluss vom 13. Oktober 1993 – 5 StR 231/93, StV 1994, 5) zutreffend ausgeht, mit Recht geltend, dass die Unterbrechungsfrist des § 229 Abs. 1 (und 2) StPO überschritten wurde, weil die Strafkammer die Hauptverhandlung nach Unterbrechung am 29. Juni 2012 unter Berufung auf eine nur bis 16. Juli 2012 andauernde Erkrankung der Vorsitzenden erst am 6. August 2012 fortgesetzt hat.
b) Darauf beruht das Urteil. Solches kann nur in Ausnahmefällen ausgeschlossen werden (BGH, Urteil vom 5. Februar 1970 – 4 StR 272/68, BGHSt 23, 224, 225). Ein derartiger Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Besondere Umstände, die darauf schließen ließen, dass durch die Überschreitung der Frist des § 229 Abs. 1 StPO der Eindruck von der mündlichen Verhandlung und die Zuverlässigkeit der Erinnerung an die Vorgänge in der Hauptverhandlung unbeeinträchtigt geblieben wären, sind nicht ersichtlich. Eher deuten gar die Erörterungen zum Zeitpunkt des Kennenlernens des Angeklagten durch den Zeugen W. auf UA S. 42, die – wie von der Revision ebenfalls gerügt wird – in Widerstreit zu der aufgrund eines Beweisantrages als erwiesen behandelten Tatsache stehen, der Zeuge W. habe sich im Jahr 2008 mehrfach abends bei dem Angeklagten aufgehalten, auf das Gegenteil hin.
3. Da die auf die Verletzung des § 229 StPO gestützte Rüge bereits zur umfassenden Aufhebung des Urteils führt, kommt es auf die genannte Beweisantragsrüge, die für sich genommen jedenfalls hinsichtlich der ausgeurteilten schweren räuberischen Erpressung zum Nachteil des Zeugen W. durchgriffe, ebenso wenig an wie auf die weiteren Verfahrensrügen.
Basdorf Schneider König
Berger Bellay