Entscheidungsdatum: 16.08.2011
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. März 2011 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat – nachdem der Senat mit Beschluss vom 22. November 2010 die Sache im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben hatte – gegen den Angeklagten (wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) nunmehr eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verhängt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt wiederum zur Aufhebung des Strafausspruchs.
1. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, dass auch Lebensumstände des Angeklagten für die Strafzumessung von Bedeutung sind, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Tatgeschehen stehen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1987 – 2 StR 446/87, BGHR StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 1 mwN). Das gilt namentlich für eine nach der Tat eingetretene Stabilisierung der Lebensverhältnisse und die soziale Wiedereingliederung des Täters (BGH, Beschlüsse vom 10. April 1992 – 3 StR 101/92, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Spezialprävention 4, und vom 10. Februar 1993 – 5 StR 710/92; BGH, Urteil vom 20. April 1993 – 5 StR 65/93, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Strafzumessung 12), die sich nicht nur auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung auswirken, sondern auch auf die Strafrahmenwahl und die Strafhöhenbemessung (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 1993 aaO mwN).
Diesen Grundsätzen wird das angefochtene Urteil nicht in vollem Umfang gerecht. Für eine erschöpfende Erörterung des Gesichtspunkts bereits im Rahmen der Strafrahmenwahl bestand im vorliegenden Fall besonderer Anlass. Das Landgericht legt bei der Prüfung des § 64 StGB eingehend dar, dass es dem Angeklagten aus eigenem Antrieb und eigener Kraft gelungen ist, den Weg aus der Sucht zu finden. Vor zwei Jahren hat er den Konsum von Kokain und Tilidin eingestellt, seit über einem Jahr lebt er gänzlich drogenfrei, aus seinem früheren Milieu hat er sich vollständig zurückgezogen, mit seiner Lebensgefährtin hat er ein neues Leben aufgebaut und geht seit dreieinhalb Jahren einer geregelten Tätigkeit nach, in der er sich als zuverlässig erweist (UA S. 10). Vor diesem Hintergrund verneint die Strafkammer rechtsfehlerfrei die Gefahr eines Rückfalls in die akute Sucht, die eine Quelle für die verfahrensgegenständliche Tat und wohl auch für die sonst durch den Angeklagten begangenen Straftaten gewesen ist. Die wegen eines am 4. Mai 2009 begangenen Betäubungsmitteldelikts am 16. Februar 2010 erfolgte Verurteilung durch das Amtsgericht Tiergarten in Berlin steht diesen Feststellungen und Wertungen der Strafkammer nicht entgegen.
Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei hinreichender Berücksichtigung dieses nicht alltäglichen Maßes einer Festigung der Lebenssituation in Verbindung mit der Vielzahl der sonst im Urteil angeführten allgemein zugunsten des Angeklagten wirkenden Umstände schon ohne Heranziehung des vertypten Strafmilderungsgrundes nach § 21 StGB zur Annahme eines minder schweren Falls nach § 252 i.V.m. § 250 Abs. 3 StGB, zu einer weiteren Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB und letztlich zu einer milderen Strafe gelangt wäre. Er weist ferner darauf hin, dass der Angeklagte zur Tatzeit am 12. Mai 2006 lediglich mit einer im Jahr 2003 verhängten Geldstrafe und einer dreimonatigen Bewährungsstrafe aus dem Jahr 2006 belastet war, weswegen der von der Strafkammer bei der Strafrahmenwahl und bei der Strafhöhenbemessung maßgebend herangezogene Strafschärfungsgrund einer „erheblichen kriminellen Vorbelastung“ (UA S. 9) mit den hierzu getroffenen Feststellungen nicht in Einklang steht.
2. Das Landgericht hat überdies – wie von ihm selbst erkannt (UA S. 9) – zu Unrecht die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe unterlassen. Denn eine im hiesigen Verfahren ausgesprochene Freiheitsstrafe und die durch Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 16. Februar 2010 verhängte Freiheitsstrafe von sechs Monaten sind gesamtstrafenfähig im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB. Das Urteil desselben Gerichts vom 14. Mai 2007 entfaltet insoweit keine Zäsurwirkung.
3. Die Feststellungen werden von den aufgezeigten Wertungsfehlern nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben. Neue Feststellungen sind zulässig, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
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Schneider König