Entscheidungsdatum: 11.03.2014
§ 46b StGB ist auch dann anwendbar, wenn der durch den Aufklärenden Belastete von dem Versuch des im Katalog des § 100a Abs. 2 StPO aufgeführten Delikts strafbefreiend zurückgetreten ist.
1. Auf die Revisionen der Angeklagten B. und K. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 29. April 2013, soweit es sie betrifft, gemäß § 349 Abs. 4 StPO jeweils im Strafausspruch aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben bestehen (§ 349 Abs. 2 StPO).
2. Die Revision des Angeklagten I. wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Der Angeklagte I. hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der verbliebenen Rechtsmittel, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat die Angeklagten sowie den Nichtrevidenten E. wegen einer gemeinschaftlich begangenen gefährlichen Körperverletzung verurteilt. Deswegen hat es Freiheitsstrafen von drei Jahren und zehn Monaten (I. ), einem Jahr und drei Monaten (E. ) sowie von jeweils zehn Monaten (B. und K. ) verhängt und die Vollstreckung der drei letztgenannten Strafen zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richten sich die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten I. , B. und K. . Diejenige des Angeklagten I. ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Dagegen haben die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsmittel der Angeklagten B. und K. Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); einer Revisionserstreckung (§ 357 StPO) auf den Nichtrevidenten E. bedurfte es nicht.
1. Nach den landgerichtlichen Feststellungen beschlossen die Angeklagten und E. am 23. Oktober 2011, L. dafür zu „bestrafen“, dass dieser wenig zuvor einem Cousin des Angeklagten I. mit einer Kurzhantel auf den Kopf geschlagen hatte. Entsprechend diesem Plan umzingelten sie den Geschädigten, wobei E. sowie die Angeklagten B. und K. ihn schlugen und traten. Während des Geschehens von den anderen Beteiligten unbemerkt, stach der Angeklagte I. mehrfach mit einem Messer u.a. in den Oberkörper L. s, wobei er dessen Tod billigend in Kauf nahm. Dieser wurde lebensgefährlich getroffen und musste notoperiert werden, wenngleich noch zum Zeitpunkt der Flucht der Angreifer nicht erkennbar war, wie schwer er verletzt worden war.
Angesichts dessen hat das Landgericht dem Angeklagten I. einen strafbefreienden Rücktritt (§ 24 Abs. 1 StGB) vom versuchten Totschlag zugebilligt und ihn wie die übrigen Beteiligten wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) verurteilt, bei welcher er zudem ein Messer in lebensgefährdender Weise eingesetzt hat (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB).
2. Danach sind die Schuldsprüche und der den erheblich, auch einschlägig vorbestraften Angeklagten I. betreffende Strafausspruch rechtsfehlerfrei. Hingegen halten die Entscheidungen zu den Rechtsfolgen bei den Angeklagten B. und K. rechtlicher Prüfung nicht stand. Beide waren schon im Ermittlungsverfahren umfassend geständig und haben hierdurch maßgeblich zur Aufklärung der Tat bezüglich des Angeklagten I. beigetragen. Dennoch hat das Landgericht § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB für nicht anwendbar gehalten, weil es sich bei der aufgeklärten Tat nicht um eine Katalogtat im Sinne des § 100a Abs. 2 StPO handele. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
Zwar trifft es zu, dass der I. s Verurteilung zugrundeliegende § 224 StGB im gemäß § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB maßgeblichen Katalog des § 100a Abs. 2 StPO nicht aufgeführt ist. Zudem ist das Landgericht bei seiner Prüfung zu Recht davon ausgegangen, dass es für die insofern maßgebliche rechtliche Bewertung auf seine Beurteilung der aufgeklärten Tat zum Urteilszeitpunkt ankommt (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl. Rn. 1046). Dabei hat es auch bedacht, dass der Angeklagte I. nur wegen seines Rücktritts nicht wegen versuchten Totschlags verurteilt worden ist, hieraus aber nicht die richtige Folgerung gezogen.
Beim Rücktritt handelt es sich um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund. Während weitere nicht zurückgetretene Beteiligte strafbar bleiben, führt er dazu, dass eine Strafe wegen des versuchten Delikts gegen denjenigen, der die jeweiligen Voraussetzungen des § 24 StGB erfüllt hat, nicht verhängt werden darf. Ein Rücktritt lässt jedoch die Rechtswidrigkeit und Schuld des Täters – auch insoweit – unberührt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1981 – 5 StR 433/81, NStZ 1982, 78), hier also diejenige des vom Angeklagten I. versuchten Totschlags. Bei diesem aber handelt es sich um eine Katalogtat (§ 100a Abs. 2 Nr. 1 lit. h StPO). Denn erfasst werden nicht nur – wie der Generalbundesanwalt meint – vollendete Delikte, sondern alle mit Strafe be-drohten Stadien der aufgeführten Tatbestände (zum versuchten Raub vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2011 – 4 StR 124/11, StV 2011, 534).
Die Angeklagten B. und K. haben mithin dazu beigetragen, dass eine „Tat“ im Sinne des § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB aufgedeckt werden konnte, da sich das Landgericht vom versuchten Totschlag des Angeklagten I. hat überzeugen können. Es kommt nicht darauf an, dass deswegen letztlich eine Verurteilung ergeht. Dies wäre etwa auch dann nicht der Fall, wenn die Tat eines schuldlos oder entschuldigt agierenden Täters aufgeklärt werden würde, bei dem die Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung nicht in Betracht käme. Auch dann könnte dennoch ein anerkennenswerter Aufklärungserfolg bejaht werden. Dies aber gilt dann erst recht für die vorliegende Fallgestaltung.
3. Die fehlerhafte Prüfung des § 46b StGB führt zur Aufhebung der die Angeklagten B. und K. betreffenden Rechtsfolgenaussprüche. Denn das Landgericht hat jeweils eine Freiheitsstrafe „im unteren Bereich des Strafrahmens für tat- und schuldangemessen gehalten“ (UA S. 28). Der Senat kann deshalb trotz der maßvollen Strafen wegen der durch § 46b StGB eröffneten Möglichkeit, bei der Strafrahmenbestimmung gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB das gesetzliche Mindestmaß zugrundezulegen, nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, weil lediglich Wertungsfehler vorliegen. Ergänzende Feststellungen, die den getroffenen nicht widersprechen, sind zulässig.
4. Einer Revisionserstreckung (§ 357 StPO) auf den Angeklagten E. bedarf es nicht. Insofern schließt der Senat aus, dass die auch insofern durchaus milde Strafe angesichts der – in einem Fall auch wegen Körperverletzung verhängten – Vorstrafen E. s noch geringer hätte ausfallen können.
5. Nach Wegfall des die Zuständigkeit des Schwurgerichts begründenden Tatvorwurfs des versuchten Totschlags verweist der Senat die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück.
Basdorf Sander Schneider
Berger Bellay