Entscheidungsdatum: 05.08.2015
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9. Oktober 2014 wird nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als unbegründet verworfen, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen bandenmäßiger Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge entfällt.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten, jeweils bezogen auf Betäubungsmittel in nicht geringer Menge, wegen bandenmäßiger Einfuhr in Tateinheit mit bandenmäßigem Handeltreiben zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie Wertersatzverfall in Höhe von 100.000 € angeordnet. Die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten führt lediglich zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Schuldspruchänderung. Im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die tateinheitliche Verurteilung wegen bandenmäßiger Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge entfällt (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 5 StR 582/14 Rn. 2 mwN). Die Schuldspruchänderung lässt den Unrechtsgehalt der Tat unberührt, weswegen der Strafausspruch bestehen bleibt.
2. Die Einzelbeanstandungen des Beschwerdeführers bleiben entsprechend der Zuschrift des Generalbundesanwalts erfolglos. Insoweit merkt der Senat ergänzend Folgendes an:
a) Die zulässig erhobene Rüge vorschriftswidriger Besetzung der Strafkammer (§ 338 Nr. 1 StPO i.V.m. § 54 Abs. 1, 3 Satz 2 GVG) greift nicht durch. Ihr liegt zugrunde, dass der Vorsitzende einen an sich zur Mitwirkung an der am 19. Juli 2013 beginnenden Hauptverhandlung berufenen Hauptschöffen wegen eines Urlaubs außerhalb Hamburgs vom 17. bis 31. Juli 2013 von der Dienstleistung nach § 54 Abs. 1 GVG entbunden hat.
aa) Im Blick auf § 54 Abs. 3 Satz 1 GVG, § 336 Satz 2 Alt. 1 StPO kommt eine Richtigkeitsprüfung über den Willkürmaßstab hinaus nicht in Betracht und ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2013 - 3 StR 162/13, BGHSt 59, 75, 79 f. Rn. 25). Der Senat hat bereits entschieden, dass bei einer Entbindung wegen Urlaubs Willkür in aller Regel fernliegt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Januar 1982 - 5 StR 426/81). Zwar können etwa bei Anhaltspunkten, dass sich der Schöffe der Teilnahme an der Verhandlung mutwillig zu entziehen versucht, Nachfragen des Vorsitzenden notwendig werden (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1976 - 3 StR 363/76, NJW 1977, 443; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 54 GVG Rn. 6). Dafür war vorliegend jedoch nichts ersichtlich, zumal der angezeigte Urlaub innerhalb der Hamburger Schulferien lag. Die durch den Beschwerdeführer insoweit erhobenen Einwände erschöpfen sich in bloßen Mutmaßungen. Der Vorsitzende überschritt sein pflichtgemäßes Ermessen deshalb nicht dadurch, dass er den Hinderungsgrund ohne weitere Prüfung zugrunde legte (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1976 - 3 StR 363/76, aaO mwN). Eine dreimalige Unterbrechung des zweiwöchigen Urlaubs zwecks Anreise zu den in den Urlaub fallenden Terminen war dem Schöffen nicht zumutbar.
bb) Die stichwortartige, den Hinderungsgrund aber zutreffend beschreibende Dokumentation genügte dem Erfordernis des § 54 Abs. 3 Satz 2 GVG. Der Beschwerdeführer beruft sich für seinen gegenteiligen Standpunkt auf das Urteil des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 4. Februar 2015 (2 StR 76/14, NStZ 2015, 350, 351 f.). Jedoch betrifft die genannte Entscheidung mit der Verhinderung aus beruflichen Gründen einen anderen Sachverhalt, an den strengere Maßstäbe angelegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1976 - 3 StR 363/76, aaO; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO). Der Senat kann deshalb dahingestellt lassen, ob er den dort angestellten Erwägungen in vollem Umfang beitreten könnte.
b) Die Beweisantragsrügen betreffend die Überwachung der Telefonanschlüsse des Angeklagten (Vernehmung der damit befassten Polizeibeamten, Inaugenscheinnahme aller überwachten Gespräche) wären mangels Beruhens des Urteils auf dem geltend gemachten Mangel (§ 337 Abs. 1 StPO) auch unbegründet. Das angefochtene Urteil legt in Einklang mit dem durch die Anträge verfolgten Beweisziel zugrunde, dass der Angeklagte über diese Anschlüsse keine Unterredungen geführt hat, aus denen sich Hinweise auf das ihm vorgeworfene deliktische Verhalten ergeben (vgl. UA S. 10, 63 f.).
c) Aus den vom Generalbundesanwalt angeführten Gründen versagen ferner die Beanstandung unzureichender Würdigung der Einlassungen namentlich der Mitangeklagten A. und E. J. und G. sowie die den Verlauf des abgetrennten Verfahrens gegen den Mitangeklagten E. J. betreffende Verfahrensrüge. Die überaus sorgfältige Beweiswürdigung des Landgerichts zeigt hinsichtlich des Tatablaufs und der Organisation der Bande eine Fülle von objektiven Beweisen auf, die an der Richtigkeit dieser Aussagen keinen Zweifel lassen. Was die Rolle gerade des Angeklagten angeht, wird in der Zuschrift des Generalbundesanwalts zutreffend darauf hingewiesen, dass keiner der genannten Mitangeklagten den Angeklagten belastet hat. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall (UA S. 56 ff.). Dass die Mitangeklagten G. und E. J. immer wieder mit Kokain gefüllte Riemenscheiben aus dem auf dem Betriebsgelände des Angeklagten gelagerten „Vorrat" von insgesamt knapp einer Tonne Kokain abgeholt haben, entspricht der - lediglich das Wissen um den Inhalt der Riemenscheiben bestreitenden und insofern rechtsfehlerfrei anhand von Indizien außerhalb der Aussagen der Mitangeklagten widerlegten - Einlassung des Angeklagten (UA S. 13). Danach bedurfte es keiner weiteren beweiswürdigenden Ausführungen, wie sie von der Rechtsprechung für Konstellationen verlangt werden, in denen die Verurteilung auf belastende Angaben von (vormaligen) Mitangeklagten nach einer Verständigung gestützt wird (hierzu LR-StPO/Sander, 26. Aufl., § 261 Rn. 73 mwN).
d) Auch zur Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 8 StPO im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren 6052 Js 6/14 gehen die Angriffe des Beschwerdeführers gegen die Stellungnahme des Generalbundesanwalts fehl.
aa) Die Verteidigung konnte nicht mit Bescheidung des Akteneinsichtsantrags ganz oder nahezu zeitgleich mit dem Wegfall der Hinderungsgründe (§ 147 Abs. 2 StPO) rechnen. In Anbetracht dessen war sie entgegen ihrer Ansicht der Notwendigkeit eines entsprechenden Revisionsvorbringens nicht enthoben. Es wären vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist in Form von Nachfragen bei der Staatsanwaltschaft weitere Bemühungen um die Erlangung der Akteneinsicht erforderlich und gegenüber dem Revisionsgericht darzutun gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - 5 StR 299/03, BGHSt 49, 317, 328). Die Rüge ist ferner deshalb nicht zulässig gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erhoben, weil die Revision den Inhalt der staatsanwaltschaftlichen Stellungnahmen zu den am 81. und 83. Verhandlungstag erhobenen Gegenvorstellungen der Verteidigung nicht mitteilt (RB S. 67, 75). Wegen des Zusammenhangs mit dem genannten Ermittlungsverfahren kann relevanter Vortrag der Staatsanwaltschaft zum Beschwerdevorbringen naheliegen.
bb) Für den behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gilt Folgendes: Die Strafkammer hat sich aufgrund der Geständnisse der Mitangeklagten A. J. und G. sowie weiterer Beweismittel ohne Rechtsfehler vom Stattfinden des „alten Deals" überzeugt. Das Gleiche gilt mit Rücksicht auf Erkenntnisse aus dem E-Mail-Verkehr und der Telekommunikationsüberwachung hinsichtlich der maßgebenden Beteiligung des Angeklagten an diesem abermals außerordentlich umfangreichen Kokainhandel. Es bestanden, worauf die Strafkammer vielfach hingewiesen hat - mangels Revisionsvortrags zum Inhalt von deren Stellungnahmen (oben aa) durch die Staatsanwaltschaft naheliegend zumindest unwidersprochen -, keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich bei den gegen weitere Beschuldigte geführten Ermittlungen der Täterschaft des Angeklagten widerstreitende Anzeichen ergeben haben könnten. Unter solchen Vorzeichen stellt es keine Verletzung des Fairnessgebots dar, dass die Strafkammer dem ab dem 79. Verhandlungstag verfolgten Begehren der Verteidigung nach Unterbrechung bzw. Aussetzung der Hauptverhandlung nicht entsprochen hat, weil die Erteilung der Akteneinsicht wegen Gefährdung des Untersuchungszwecks durch die Staatsanwaltschaft ermessensfehlerfrei versagt worden und der Abschluss des Ermittlungsverfahrens nicht abzusehen war.
Schneider Dölp König
Berger Bellay