Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 14.09.2016


BGH 14.09.2016 - 5 StR 275/16

Strafverfahren: Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Einziehung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
14.09.2016
Aktenzeichen:
5 StR 275/16
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2016:140916B5STR275.16.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Görlitz, 9. Oktober 2015, Az: 423 Js 6860/15 - 4 KLsnachgehend BGH, 5. Februar 2019, Az: 5 StR 688/18, Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 9. Oktober 2015 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Der Angeklagte K.        hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten S.     die Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen.

2. Auf die Revision des Einziehungsbeteiligten wird das vorgenannte Urteil im Ausspruch über den in Ziffer 3 des Urteilstenors bezeichneten Pkw Mercedes-Benz gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat 1), den Angeklagten S.     darüber hinaus wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat 2) zu Bewährungsstrafen verurteilt. Ferner hat es einen im Urteilstenor näher bezeichneten Pkw, dessen Halter der Einziehungsbeteiligte ist, eingezogen und angeordnet, dass dem Einziehungsbeteiligten keine Entschädigung zusteht. Während die Revisionen der Angeklagten unbegründet sind (§ 349 Abs. 2 StPO), führt die Revision des Einziehungsbeteiligten zur Aufhebung der Einziehungsentscheidung.

2

1. Nach den Feststellungen zu Tat 1 transportierte der Angeklagte K.        in einem von ihm gesteuerten Pkw knapp 15 kg Marihuana (Mindestwirkstoffgehalt 1,5 kg THC) von Prag in die Bundesrepublik Deutschland. Dabei wurde er von dem mit dem eingezogenen Fahrzeug vorausfahrenden Angeklagten S.     „gelotst“. Der Transport wurde von tschechischen und deutschen Zollbeamten observiert; die Angeklagten wurden auf deutschem Staatsgebiet festgenommen. Das eingezogene Auto war mit einem – zur Zeit der Durchsuchung leeren – „Schmuggelversteck“ ausgerüstet (Hohlraum hinter der Rückbank).

3

2. Die vom Landgericht auf § 74 Abs. 2 Nr. 2 StGB gestützte Einziehungsentscheidung hat keinen Bestand.

4

a) Das Landgericht hat zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Pkw als Einziehungsgegenstand in Betracht kommt. Denn aus dem Urteil sind besondere Umstände der Tat ersichtlich, die die nahe Wahrscheinlichkeit begründen, dass das eingezogene Fahrzeug auch in Zukunft zur Verübung von Straftaten eingesetzt werden wird. Die abgeurteilte Tat wurde innerhalb von Strukturen „organisierter Kriminalität“ begangen (UA S. 18). Dies begründet die Gefahr, dass der für den Schmuggel größerer Mengen Rauschgifts ausgerüstete Pkw auch weiterhin zur Einfuhr von und zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge genutzt werden wird, zumal mit den beiden Angeklagten lediglich zwei Drogenkuriere abgeurteilt wurden.

5

b) Das Landgericht hat jedoch die für alle Fälle der obligatorischen oder fakultativen Einziehung geltende Bestimmung des § 74b Abs. 2 StGB (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 28. November 2008 – 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69, 70 f.; OLG Schleswig, Beschluss vom 15. März 1988 – 1 Ss 85/88, StV 1989, 156) übersehen und daher nicht erkennbar geprüft, ob unter Anordnung des Vorbehalts der Einziehung eine weniger einschneidende Maßnahme zu treffen war, sofern der Zweck der Einziehung auch dadurch erreicht werden konnte. Als Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat die Vorschrift § 74b Abs. 2 StGB zwingenden Charakter (BGH, Beschluss vom 28. August 2012 – 4 StR 278/12, BGHR StGB § 74b Abs. 2 Einziehung 1 mwN).

6

Das Landgericht hätte hier prüfen müssen, ob ein Rückbau des Hohlraums hinter der Rückbank des Fahrzeugs technisch möglich ist. Stünde damit ein milderes geeignetes Mittel als die sonst gebotene (vorbehaltlose) Einziehung zur Verfügung, ist letztere vorzubehalten und eine entsprechende Anordnung zu treffen.

7

3. Für die neue tatgerichtliche Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass auch die Versagung einer Entschädigung des Einziehungsbeteiligten, soweit er überhaupt Eigentümer des Fahrzeugs war, rechtsfehlerhaft ist. § 74f Abs. 2 Nr. 1 StGB verlangt, dass der Eigentümer wenigstens leichtfertig dazu beigetragen hat, dass die eingezogene Sache Gegenstand der Tat war. Das Landgericht hat zwar festgestellt, dass der Einziehungsbeteiligte „in Kenntnis des Umbaus sein Fahrzeug aus der Hand gegeben hat“; es hat ausgeschlossen, dass das „Schmuggelversteck“ ohne Wissen des Einziehungsbeteiligten in das Fahrzeug eingebaut wurde (UA S. 19). Jedoch ist auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen, worauf das Landgericht diese Überzeugung stützt. Das Urteil trifft keinerlei Feststellungen zu den Umständen der Überlassung des Fahrzeugs an den Angeklagten S.     oder Dritte; es lassen sich ihm auch weder Aussagen über die Person des Einziehungsbeteiligten noch über seine Beziehung zu dem Angeklagten S.     oder möglichen Hintermännern der Tat entnehmen, die auf einen wenigstens leichtfertigen Beitrag des Einziehungsbeteiligten zur Nutzung des Fahrzeugs bei der Tat schließen lassen könnten. Das neue Tatgericht wird entsprechende Feststellungen zu treffen haben.

Sander                      Schneider                        Berger

                 Bellay                          Feilcke