Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 20.07.2010


BGH 20.07.2010 - 5 StR 209/10

Ablehnung von Richtern in Strafsachen: Völlig ungeeignete Begründung des Antrags; Beteiligung von Richtern an einer Vorentscheidung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
20.07.2010
Aktenzeichen:
5 StR 209/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Bremen, 30. Oktober 2009, Az: 6 (7) (10) KLs 3 AR 57/10, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Das gegen Richter Dr. B. und Richterin Dr. S. angebrachte Ablehnungsgesuch wird als unzulässig verworfen.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 30. Oktober 2009 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das Landgericht hatte den Angeklagten am 15. Juni 2007 wegen versuchter Nötigung in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Nachdem der Senat dieses Urteil durch Beschluss vom 20. Dezember 2007 (NStZ-RR 2008, 140) mit den Feststellungen aufgehoben hatte, verurteilte das Landgericht den Angeklagten bei gleichem Schuldspruch zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und ordnete abermals seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Auch dieses Urteil wurde vom Senat durch Beschluss vom 20. Februar 2009 (NStZ 2009, 383) aufgehoben.

2

Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr erneut wegen derselben Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und wiederum seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner von seinen Verteidigern und von ihm selbst begründeten Revision. Während seine Verteidiger die Revision auf die Sachrüge stützen, rügt er selbst auch Verstöße gegen Verfahrensrecht. Persönlich hat er darüber hinaus die am Beschluss vom 20. Februar 2009 beteiligten Richter als befangen abgelehnt. Die Revision ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils schrieb und verschickte der aufgrund einer wahnhaften Störung bei Begehung seiner Taten vermindert schuldfähige Angeklagte im Sommer 2005 zunächst fünf, von Sommer bis Herbst 2006 weitere acht Briefe unter anderem an Gerichte in Bremen, das Bundesverfassungsgericht, die Bremer Generalstaatsanwältin sowie die Generalbundesanwältin. In diesen Briefen forderte er ihm vermeintlich zustehende Rechte ein und drohte, falls man seinen Forderungen nicht nachkommen sollte, mit der Ermordung von Adressaten und einer Vielzahl von namentlich benannten Personen, insbesondere Justizbediensteten und anderen Beteiligten ihn betreffender Gerichtsverfahren. Im Sommer 2006 setzte er in einigen dieser Briefe Fristen für die Erfüllung seiner Forderungen; die damit verbundenen Drohungen richteten sich vor allem gegen einen Amtsrichter, der für das den Angeklagten betreffende Unterbringungsverfahren zuständig war, und die Generalstaatsanwältin des Landes Bremen, die, wie auch der damalige Präsident des Amtsgerichts, seine Drohungen ernst nahmen. Die letzten dieser Briefe verfasste der Angeklagte während seiner vorläufigen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Auch noch während der Durchführung des Revisionsverfahrens hat er derartige Drohbriefe verschickt.

II.

4

Der Befangenheitsantrag des Angeklagten gegen diejenigen Mitglieder des erkennenden Senats, die auch am Senatsbeschluss vom 20. Februar 2009 – 5 StR 555/08 beteiligt waren, ist nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO unzulässig. Der Angeklagte stützt sein Ablehnungsgesuch auf eine aus zwingenden rechtlichen Gründen völlig ungeeignete Begründung; diese steht rechtlich einer fehlenden Begründung gleich (BGHSt 50, 216, 220 auch zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit; BGHR StPO § 26a Unzulässigkeit 14).

5

Die Beteiligung von Richtern an einer Vorentscheidung vermag deren Befangenheit grundsätzlich nicht zu begründen (BGHSt 50, 216, 221). Dies gilt für Richter eines Revisionsgerichts in besonderem Maße, wenn deren Vorentscheidung – wie hier – zu einem Erfolg des Rechtsmittels des Beschwerdeführers geführt hat. Soweit der Angeklagte in der "zweifelhaften Begründung" des früheren Senatsbeschlusses, der von einer psychischen Störung des Angeklagten ausgeht, einen "massiven Befangenheitsgrund" sieht, ist darauf hinzuweisen, dass eine Aufhebungsentscheidung des Revisionsgerichts die Auseinandersetzung mit den Feststellungen des Tatgerichts gebietet. Eine damit einhergehende vom Angeklagten als nachteilig empfundene Würdigung durch das Revisionsgericht ist prozessimmanent und demnach vom Angeklagten hinzunehmen.

III.

6

Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Revision des Angeklagten hat keine Rechtsfehler ergeben.

7

1. Verfahrensrügen sind nicht in zulässiger Weise erhoben (vgl. BGHR StPO § 345 Abs. 2 Begründungsschrift 5). Der Beschwerdeführer hat der Urkundsbeamtin lediglich einen umfangreichen Schriftsatz übergeben, obwohl ihm aus dem früheren Verfahren die Untauglichkeit eines solchen Vorgehens bekannt war.

8

2. Die auf die Sachrüge gebotene Prüfung ergibt keine Rechtsfehler des angefochtenen Urteils.

9

a) Insbesondere gelangt das Landgericht in einer sorgfältigen und umfassenden Beweiswürdigung auf der Grundlage des von ihm eingeholten psychiatrischen Sachverständigengutachtens, der Anhörung mehrerer sachverständiger Zeugen, auch früherer Gutachter, und seines eigenen Eindrucks vom Angeklagten in der Hauptverhandlung zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit gehandelt hat; dabei hat es nunmehr den Ausschluss einer völligen Schuldunfähigkeit des Angeklagten in nachvollziehbarer Weise belegt.

10

b) Ebenfalls in rechtsfehlerfreier Weise hat das – auch in dieser Frage sachverständig beratene – Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus und hier insbesondere das Vorliegen der Gefahr weiterer erheblicher Straftaten begründet: Zwar fehle es noch an einer höheren Wahrscheinlichkeit, dass der Angeklagte seine Todesdrohungen auch in die Tat umsetzen werde. Jedoch sei eine Umsetzung seiner Drohungen durchaus möglich und es bestünden inzwischen sogar konkrete Anhaltspunkte für "eine Steigerung des Verhaltens des Angeklagten hin zu realen Gewalthandlungen". Zum einen sei "in den letzten Monaten schriftlich wie mündlich eine massive weitere Steigerung verbaler Auffälligkeiten bzw. Aggressivität zu beobachten". Zum anderen wirke sich sehr ungünstig aus, dass "die prozessualen Möglichkeiten des Angeklagten in seinem Kernanliegen auch aus seiner Sicht immer auswegloser erschienen" (UA S. 78). Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werde der Angeklagte allerdings auch in Zukunft massive Drohungen aussprechen und weitere Nötigungsversuche unternehmen.

11

Nachvollziehbar begründet das Landgericht nunmehr auch, dass die Nötigungshandlungen des Angeklagten als erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne des § 63 StGB anzusehen sind. Dabei orientiert es sich an den Vorgaben des Senatsbeschlusses vom 20. Februar 2009. Nach Vernehmung mehrerer der Bedrohten gelangt es beweiswürdigend zu dem Ergebnis, dass die Zeugen sich aufgrund konkreter Umstände veranlasst sahen, die Drohungen des Angeklagten in besonderem Maße ernst zu nehmen; Anhaltspunkte für eine bloße "gefühlsgeleitete Furcht" (UA S. 81) seien nicht zu erkennen. Die Befürchtung, dass eine Realisierung der Drohungen tatsächlich erfolgen könne, sei auch berechtigt.

12

Das Landgericht geht schließlich auch in nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Unterbringung gewahrt sei, und orientiert sich auch insoweit an den Vorgaben des Senatsbeschlusses vom 20. Februar 2009. Dabei stellt es angesichts einer mehr als dreijährigen Dauer der vorläufigen Unterbringung in Übereinstimmung mit dem psychiatrischen Sachverständigen entscheidend darauf ab, dass sich in absehbarer Zeit eine Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung werde rechtfertigen lassen. Zwar seien die therapeutischen Möglichkeiten mangels Mitwirkungsbereitschaft des Angeklagten gegenwärtig noch sehr gering. Jedoch bestehe die Erwartung, dass nach einer endgültigen Entscheidung über die Unterbringungsfrage mit einer günstigeren Entwicklung gerechnet werden könne und ein therapeutisches Konzept "realistisch in durchaus ca. 12 bis 14 Monaten" (UA S. 87) umzusetzen sei.

13

3. Für den Fall, dass sich diese günstigen Therapieerwartungen nicht in der in Aussicht genommenen Zeit erfüllen lassen, weist der Senat vorsorglich auf BVerfGE 70, 297 hin.

Brause                                       Sander                                 Schneider

                        König                                     Bellay