Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 03.03.2016


BVerwG 03.03.2016 - 5 PB 31/15

Offensichtlich fehlender Grund für Zustimmungsverweigerung des Personalrats


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsdatum:
03.03.2016
Aktenzeichen:
5 PB 31/15
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2016:030316B5PB31.15.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 10. September 2015, Az: 9 A 479/14.PL, Beschluss
Zitierte Gesetze
§ 80 Abs 1 Nr 1 PersVG SN
§ 79 Abs 2 S 5 PersVG SN
§ 82 Abs 2 Nr 1 PersVG SN

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 10. September 2015 wird verworfen.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage (1.) und der Divergenz (2.) gestützte Beschwerde nach § 88 Abs. 2 Satz 1 SächsPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 10. September 2015 ist unzulässig.

2

1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht wegen der von dem Beteiligten geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage zuzulassen.

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Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 88 Abs. 2 Satz 1 SächsPersVG i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kommt einer Rechtsfrage nur zu, wenn mit ihr eine für die erstrebte Rechtsbeschwerdeentscheidung erhebliche Frage aufgeworfen wird, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts der Klärung bedarf. Die Rechtsfrage muss zudem klärungsfähig sein, was der Fall ist, wenn sie in der Rechtsbeschwerdeinstanz beantwortet werden kann. Nach § 88 Abs. 2 Satz 1 SächsPersVG i.V.m. § 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG muss die Begründung der auf den Zulassungsgrund des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG gestützten Nichtzulassungsbeschwerde die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit enthalten. Dieses Darlegungserfordernis setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerdeentscheidung erheblichen Rechtsfrage sowie die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss substantiiert erläutern, dass und inwiefern die Rechtsbeschwerdeentscheidung zur Klärung einer bisher vom Bundesverwaltungsgericht nicht beantworteten, fallübergreifenden und entscheidungserheblichen Rechtsfrage führen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2014 - 5 PB 1.14 - juris Rn. 4).

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Diesen Anforderungen wird die Nichtzulassungsbeschwerdebegründung hinsichtlich der als rechtsgrundsätzlich aufgeworfenen Frage

"Entspricht die Zustimmungsverweigerung eines Personalrats bei einer Personalmaßnahme nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 SächsPersVG den Anforderungen des § 79 Abs. 2 S[atz] 5 SächsPersVG, wenn sich der Personalrat im Hinblick auf den in § 82 Abs. 2 Nr. 1 SächsPersVG geregelten Verweigerungsgrund ohne weitere Angaben allein auf einen Verstoß gegen § 18 S[atz] 1 TzBfG stützt?"

nicht gerecht. Mit ihr wird keine grundsätzliche Frage gestellt, die nach einer Beantwortung in einem Revisionsverfahren verlangt.

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Gemäß § 79 Abs. 2 Satz 5 SächsPersVG a.F. gilt eine Maßnahme im Sinne des § 79 Abs. 1 SächsPersVG als gebilligt, wenn nicht die Personalvertretung innerhalb der genannten Frist die Zustimmung unter Angabe der Gründe schriftlich verweigert. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dem mit dieser Bestimmung wörtlich übereinstimmenden § 69 Abs. 2 Satz 5 BPersVG ist die Verweigerung der Zustimmung des Personalrats zu einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme unbeachtlich, wenn die von der Personalvertretung angegebenen Gründe offensichtlich außerhalb der Mitbestimmung liegen. Lassen sich die von ihr angeführten Gründe offensichtlich keinem Mitbestimmungstatbestand zuordnen, so gibt die Personalvertretung zu erkennen, dass sie keine Regelung auf der Grundlage eines Mitbestimmungsrechts anstrebt, sondern die Zustimmung ohne einen vom Gesetz gebilligten Grund verweigert. Im Fall einer derart unbeachtlichen Zustimmungsverweigerung gilt die beabsichtigte Maßnahme nach Ablauf der gesetzlichen Stellungnahmefrist als gebilligt, und die Maßnahme kann durchgeführt werden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Dezember 1992 - 6 P 16.91 - BVerwGE 91, 276 <282> und vom 16. Dezember 1992 - 6 P 27.91 - BVerwGE 91, 295 <299 f.>, jeweils m.w.N.). Der Dienststelle ist es verwehrt, die angegebene Begründung einer Schlüssigkeitsprüfung zu unterziehen und die einzelnen Gründe auf ihre Richtigkeit zu untersuchen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1992 - 6 P 16.91 - BVerwGE 91, 276 <282>). Diese Grundsätze beanspruchen auch für § 79 Abs. 2 Satz 5 SächsPersVG a.F. Geltung.

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Das Oberverwaltungsgericht nimmt an, dass der Antragsteller in beachtlicher Weise einen Zustimmungsverweigerungsgrund im Sinne von § 82 Abs. 2 Nr. 1 SächsPersVG geltend gemacht hat, was vom Beschwerdeführer bestritten wird. Nach dieser Bestimmung kann der Personalrat in Personalangelegenheiten - wie hier - seine Zustimmung verweigern, wenn die Maßnahme gegen ein Gesetz verstößt. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass hier allein dieser Verweigerungsgrund in Betracht kommt. § 82 Abs. 2 Nr. 1 SächsPersVG stimmt im Wesentlichen überein mit § 77 Abs. 2 BPersVG. Zu dieser Bestimmung ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass das Vorbringen des Personalrats es aus der Sicht eines sachkundigen Dritten zumindest als möglich erscheinen lassen muss, dass einer der dafür zugelassenen und in § 77 Abs. 2 BPersVG abschließend geregelten Verweigerungsgründe gegeben ist. Eine Begründung, die offensichtlich auf keinen dieser Versagungsgründe gestützt ist, vermag nicht die Verpflichtung der Dienststelle auszulösen, das Beteiligungsverfahren fortzusetzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Dezember 1994 - 6 P 35.92 - Buchholz 251.8 § 80 RhPPersVG Nr. 10 S. 6 m.w.N.). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 77 Abs. 2 BPersVG ist ebenfalls geklärt, dass dem Dienststellenleiter keine Entscheidungsbefugnis eingeräumt ist, nach Maßgabe seiner Rechtsauffassung darüber zu befinden, ob ein Verweigerungsgrund auch tatsächlich besteht oder er sich doch wenigstens aus dem Vorbringen des Personalrats schlüssig ergibt. Der Personalrat kann seine Zustimmungsverweigerung nicht nur mit dem Vortrag von Tatsachen, sondern auch mit der Darlegung einer Rechtsauffassung begründen. Auch insoweit ist zu unterscheiden zwischen einer Zustimmungsverweigerung, die unbegründet ist, und einer solchen, die unbeachtlich ist, weil sie entweder (objektiv) das Vorliegen eines gesetzlichen Zustimmungsverweigerungsgrundes als nicht möglich erscheinen lässt (sog. „Möglichkeitstheorie“) oder aber aus sonstigen (subjektiven) Gründen rechtsmissbräuchlich ist. Angesichts der weitreichenden Folgen der Unbeachtlichkeit bedarf der Abbruch des Mitbestimmungsverfahrens wegen subjektiver Rechtsmissbräuchlichkeit des eindeutigen Nachweises. Auch soweit es die Unbeachtlichkeit aus Gründen der missbräuchlichen Kompetenzüberschreitung betrifft, ist aus eben diesem Grunde eine klare Abgrenzung geboten. Deshalb knüpft die Rechtsprechung an das Merkmal der Offensichtlichkeit an. Sie wiederum ist - entsprechend den zu § 42 Abs. 2 VwGO entwickelten Grundsätzen - nur anzunehmen, wenn ein Verweigerungsgrund von vornherein und eindeutig nicht vorliegen kann, er nach keiner vertretbaren Betrachtungsweise als möglich erscheint (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Dezember 1994 - 6 P 35.92 - Buchholz 251.8 § 80 RhPPersVG Nr. 10 S. 7 f.). Dies gilt auch für § 82 Abs. 2 Nr. 1 SächsPersVG.

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Der Antragsteller zeigt nicht auf, dass und inwiefern aus Anlass des vorliegenden Falles über die aufgezeigten geklärten grundsätzlichen Voraussetzungen einer unbeachtlichen Zustimmungsverweigerung hinaus ein erneuter oder weiterer rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf besteht. Die aufgeworfene Frage ist eine solche der Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall und entzieht sich deshalb einer Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren.

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2. Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht wegen einer Abweichung des angegriffenen Beschlusses von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Januar 1996 (- 6 P 45.93 - PersV 1997, 106) zuzulassen.

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Nach den gemäß § 88 Abs. 2 Satz 1 BPersVG entsprechend anzuwendenden § 92 Abs. 1 Satz 2 und § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn der angefochtene Beschluss von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, des Bundesverwaltungsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung eines anderen Senats desselben Oberverwaltungsgerichts bzw. Verwaltungsgerichtshofs oder eines anderen Oberverwaltungsgerichts bzw. Verwaltungsgerichtshofs abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist die Entscheidung, von der der angefochtene Beschluss abweicht, zu bezeichnen (§ 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG). Eine die Rechtsbeschwerde eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen abstrakten, inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Eine solche Divergenz kann auch dann anzunehmen sein, wenn beide Entscheidungen auf der Grundlage von verschiedenen, aber inhaltsgleichen Rechtsnormen ergangen sind (stRspr; vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. September 2014 - 5 PB 2.14 - juris Rn. 2 m.w.N.). Diesen Darlegungsanforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

10

Die Beschwerde entnimmt dem angegriffenen Beschluss den Rechtssatz:

"Geht es in einem personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren um die Klärung einer dem Vorgang zugrund[e l]iegenden abstrakten Streitfrage, ist ein Rechtsschutzbedürfnis nur dann nicht gegeben, wenn es ausgeschlossen ist, dass sich die abstrakte Rechtsfrage zwischen denselben Verfahrensbeteiligten erneut als strittig stellen könnte."

11

Damit ist eine Abweichung im vorstehenden Sinne nicht aufgezeigt. Das Oberverwaltungsgericht hat einen entsprechenden abstrakten Rechtssatz nicht aufgestellt. Mit seinen Ausführungen zum Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses (BA Rn. 13) hat es allein das Ergebnis seiner Subsumtion im Einzelfall festgehalten.

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3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 88 Abs. 2 Satz 1 SächsPersVG i.V.m. § 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 1 ArbGG abgesehen.