Entscheidungsdatum: 21.03.2012
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent 1 147 654
(DE 599 05 117)
hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2012 durch den Vorsitzenden Richter Gutermuth, die Richterin Martens sowie die Richter Dipl.-Ing. Kleinschmidt, Dipl.-Ing. Musiol und Dipl.-Geophys. Univ. Dr.rer.nat. Wollny
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 147 654 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte und ihre Streithelferin tragen die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der durch die Nebeninterventionen der Streithelferinnen der Klägerin verursachten Kosten. Ausgenommen von dieser Kostenentscheidung sind die Kosten des Zwischenstreits über die Zulässigkeit der Nebenintervention der Streithelferin der Beklagten.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 29. November 1999 angemeldeten europäischen Patents 1 147 654 (Streitpatent), das die Priorität der deutschen Patentanmeldung DE 198 54 860 vom 27. November 1998 in Anspruch nimmt, mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland erteilt wurde und in der Verfahrenssprache Deutsch die Bezeichnung "Verfahren zur Verrechnung von aus dem Internet abrufbaren Leistungen" trägt. Das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 599 05 117.5 geführte Streitpatent umfasst sieben Patentansprüche, die alle mit der Nichtigkeitsklage angegriffen sind. Die gegen die Erteilung des Streitpatents erhobenen Einsprüche hat die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist zurückgenommen worden.
Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung lautet wie folgt:
"Verfahren zur Verrechnung von Leistungen, insbesondere von auf elektronischem Wege aus dem Internet abrufbaren Leistungen, bestehend aus folgenden Schritten:
a) Übermittlung der Rufnummer eines gebührenpflichtigen Service-Telekommunikationsanschlusses (Premium-Rate-Anschluß) vom Leistungsanbieter an den Leistungsabnehmer;
b) Überwachung des Leitungsaufbaus zu dem übermittelten Serviceanschluß seitens des Leitungsanbieters;
c) Verrechnung der angeforderten Leistung über den Serviceanschluß;
d) Freigabe der angeforderten Leistung durch den Leistungsanbieter,
wobei mit der Übermittlung der Servicerufnummer seitens des Leistungsanbieters ein Auftragscode vergeben und an den Leistungsabnehmer übermittelt wird, dadurch gekennzeichnet, daß als Serviceanschluß ein durchwahlfähiger Anschluß verwendet wird, dessen Endnummer als Auftragscode verwendet wird."
Wegen der direkt oder indirekt auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Unteransprüche 2 bis 7 wird auf die Streitpatentschrift EP 1 147 654 B1 Bezug genommen.
Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin mangelnde Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents (Ansprüche 1 bis 7) wegen fehlender Technizität, mangelnder Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit geltend. Auch gehe das Verfahren nach Anspruch 1 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Zudem sei der Gegenstand des von Anspruch 1 umfassten Verfahrens widerrechtlich entnommen worden.
Zur Stützung ihres Vorbringens beruft sich die Klägerin auf folgende Dokumente:
NiK1 EP 1 147 654 B1 (Streitpatentschrift),
NiK2 Registerauszug zu DE 599 05 117.5,
NiK3 EP 0 765 068 A2 (im Folgenden D1 genannt)
NiK4 Übertragungserklärung des Herrn Gerhard Krohn,
NiK5 Fax von Herrn Gerhard Krohn an Herrn Heering vom 8. Oktober 1998,
NiK6 Fax von Herrn Thomas Heering an Herrn Gerhard Krohn
NiK7 Skizze "Prinzip von Watchbox",
BDP-1 Klageschrift vom 13. Juli 2011 der iiinnovation S.A. gegen die Nebenintervenientin zu 2 und die Telekom Deutschland GmbH an das LG Mannheim,
BDP-2 Merkmalsanalyse des Anspruchs 1 des Streitpatents,
BDP-3 BRENIG, H.-H. [Hrsg.]: Telefonmehrwertdienste, Netzstruktur, Kommunikationskonzepte und Anwendungen, Neue Mediengesellschaft Ulm mbH. 1996, in Auszügen; hierzu 7 Seiten mit handschriftlicher Bestätigung des Herausgebers als Anlage BDP-3a,
BDP-4 WEEKLY WORLD NEWS vom 4. Dezember 1990, S. 28,
BDP-5 DEUTSCHE TELEKOM: Leistungsbeschreibung T-VoteCall, November 1997,
BDP-6 http://www.focus.de/magazin/archiv, "Telefonabstimmung Guildo Horn – Meister aller Telefonklassen", 11. Mai 2011,
BDP-7 http://www.golem.de/9805/712.html "Wie Guildo Horn per Internet gewählt werden kann", datiert vom 8. Mai 1998,
BDP-8 DE 197 15 079 A1
BDP-IP9 Klageerwiderung vom 24. November 2008 in Sachen 4a O 156/08 (LG Düsseldorf),
BDP10a Hinweisbeschluss vom 26. August 2008 des LG Düsseldorf in Sachen 4a O 156/08,
BDP10b Sitzungsprotokoll vom 2. September 2006 in Sachen 4a O 156/08 (LG Düsseldorf),
BDP10c Urteil des OLG Karlsruhe vom 8. Dezember 2010 in Sachen 6 U 26/10.
Mit Schriftsatz vom 26. Juni 2009 ist die Nebenintervenientin zu 1 dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten. Ihr rechtliches Interesse am Obsiegen der Klägerin begründet sie mit der gegen sie aus dem Streitpatent erhobenen Verletzungsklage vor dem Landgericht Mannheim (Aktenzeichen: 7 O 367/08). Die Nebenintervenientin zu 1 hält den Gegenstand des Streitpatents ebenfalls für nicht patentfähig, da er keinen technischen Gegenstand betreffe und weder neu sei noch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
Zur Stützung ihres Vorbringens bezieht sich die Nebenintervenientin zu 1 auf folgende Unterlagen:
NK1 EP 0 765 068 A2,
NK2 WO 95 / 10913 A2 (im Folgenden D2 genannt),
NK3 US 5 023 904 A,
NK4 CCITT: I.251.1 (rev.1): Integrated Services Digital Network (ISDN), General structure and service capabilities; direct-dialling-in. CCITT, 1992, Genf,
NK5 US 5 737 414 A,
NK6 US 5 729 594 A,
NK7 Merkmalsanalyse des Anspruchs 1 des Streitpatents.
Ebenfalls dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten ist mit Schriftsatz vom 1. März 2012 die Nebenintervenientin zu 2. Sie führt aus, ihr Beitritt sei zulässig, da sie im Verfahren vor dem Landgericht Mannheim (Aktenzeichen: 7 O 297/11) von einer angeblichen Lizenznehmerin am Streitpatent wegen Patentverletzung verklagt worden sei. Die Nebenintervenientin zu 2 hält das Streitpatent für nicht rechtsbeständig, da seinem Gegenstand die Patentfähigkeit fehle, und dieser unzulässig erweitert sei. Zudem habe die Beklagte das Streitpatent widerrechtlich entnommen.
Die Nebenintervenientin zu 2 stützt ihr Vorbringen auf folgende Unterlagen:
NK-Ni2 1 Klageerwiderung der Nebenintervenientin zu 2 vom 27. Oktober 2011 in Sachen 7 O 297/11 (LG Mannheim),
NK-Ni2 2 Merkmalsgliederung des Anspruchs 1 des Streitpatents
NK-Ni2 2a weitere Merkmalsgliederung des Anspruchs 1 des Streitpatents
NK-Ni2 3 BK d. EPA 3. Mai 2003, Entsch. v. 10. November 2005 "Sicherheitsschalteranordnung"/LEUZE, Az. T 0403/03 - 3. Mai 2003
NK-Ni2 4 CCITT: Q.951: Stage 3 description for supplementary services using DSS1; stage 3 description for number identification supplementary services using DSS1, 1992, Genf,
NK-Ni2 5 CCITT: D.220: General tariff principles; charging and accounting in international telecommunications services; charging and accounting principles to be applied to international circuit-mode demand bearer services provides over the integrated services digital network (ISDN), 1991, Genf,
NK-Ni2 6 RICHTER, F.: Moderne Sprachkommunikation: ISDN und VoIP. In: TU Ilmenau: Studentische Abschlußarbeiten von 2006 ab,
NK-Ni2 7 ITU-T: Q.931 (03/93): Digital subscriber signalling system No. 1, network layer; digital subscriber signalling system No. 1 (DSS1) – ISDN user-network interface layer 3; specification for basic call control, 1994,
NK-Ni2 8 KESSLER, G.C.; SOUTHWICK, P.: ISDN, concepts, facilities, and services. 3. Aufl., 1997,
NK-Ni2 9a KR 1998 – 033 645 A (im Folgenden D3 genannt),
NK-Ni2 9b deutsche Übersetzung der D3,
NK-Ni2 9c BAYLISS, P.W. [Hrsg.]: Intelligent Networks; the path to global networking. Proc. Intl. Counc. Computer Comm. Intell. Networks Conf.; Tampa, Florida, May 4-6, 1992,
NK-Ni2 10a KR 1998 - 034 775 A (im Folgenden D4 genannt),
NK-Ni2 10b deutsche Übersetzung der D4.
Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2012 hat die B… GmbH ihren Beitritt zum Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten erklärt. Zur Begründung ihres rechtliches Interesses am Obsiegen der Beklagten verweist sie u. a. auf das derzeit wegen der Nichtigkeitsklage ausgesetzte Verletzungsverfahren betreffend das Streitpatent vor dem LG Düsseldorf (Aktenzeichen: 4a O 156/08), in dem sie auf Seiten der Beklagten als Lizenznehmerin gegen die Klägerin vorgeht. In der Sache tritt sie dem Vorbringen der Klägerin sowie der Nebenintervenienten 1 und 2 entgegen.
Zur Unterstützung ihres Vorbringen verweist die Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten auf folgende Unterlagen:
NeI1 Klageschrift vom 20. Juni 2008 an das LG Düsseldorf,
NeI2 Erwiderung vom 27. August 2008 hierzu (Az: 4a O 156/08),
NeI3 Klageschrift vom 24. Dezember 2008 an das LG Mannheim,
NeI4 Lizenzvertrag vom 30. September 2003,
NeI5 Kaufvertrag vom 30. Januar 2007,
NeI6 Vergleichsvereinbarung vom 18. Januar 2008,
NeI7 Anlagenkonvolut zur Aktivlegitimation der Klägerin im Verfahren LG Düsseldorf mit Aussetzungsbeschluss v. 22. Dezember 2008,
NeI8 Bevollmächtigung v. 16. März 2012.
Die Klägerin und die Nebenintervenienten zu 1 und 2 auf Seiten der Klägerin beantragen,
das europäische Patent 1 147 654 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Klägerin beantragt außerdem,
den Beitritt der Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen.
Die Beklagte und die Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt außerdem,
den Beitritt der Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen.
Hilfsweise verteidigt die Beklagte das Streitpatent in der Fassung der Hilfsanträge 1 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung, in dieser Reihenfolge. Weiter hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent in der Fassung der Hilfsanträge 7 bis 12, die sich von den Hilfsanträgen 1 bis 6 dadurch unterscheiden, dass in Ziffer b des Patentanspruchs 1 jeweils das Wort "Leistungsanbieter" durch das Wort "Leitungsanbieter" ersetzt ist.
Patentanspruch 1 des Streitpatents in den verteidigten Fassungen nach den Hilfsanträgen 1 bis 6 hat jeweils folgenden Wortlaut:
Hilfsantrag 1:
"1. Verfahren zur Verrechnung von Leistungen, insbesondere von auf elektronischem Wege aus dem Internet abrufbaren Leistungen, bestehend aus folgenden Schritten:
a) Übermittlung der Rufnummer eines gebührenpflichtigen Service-Telekommunikationsanschlusses (Premium-Rate-Anschluß) vom Leistungsanbieter an den Leistungsabnehmer;
b) Überwachung des Leitungsaufbaus zu dem übermittelten Serviceanschluß seitens des Leistungsanbieters;
c) Verrechnung der angeforderten Leistung über den Serviceanschluß;
d) Unterbrechung der Serviceleitung seitens des Leistungsanbieters nach vollständiger Verrechnung der angeforderten Leistung;
e) Freigabe der angeforderten Leistung durch den Leistungsanbieter,
wobei mit der Übermittlung der Servicerufnummer seitens des Leistungsanbieters ein Auftragscode vergeben und an den Leistungsabnehmer übermittelt wird, dadurch gekennzeichnet, dass als Serviceanschluß ein durchwahlfähiger Anschluß verwendet wird, dessen Endnummer als Auftragscode verwendet wird."
Hilfsantrag 2:
"1. Verfahren zur Verrechnung von Leistungen, insbesondere von auf elektronischem Wege aus dem Internet abrufbaren Leistungen, bestehend aus folgenden Schritten:
a) Übermittlung der Rufnummer eines gebührenpflichtigen Service-Telekommunikationsanschlusses (Premium-Rate-Anschluß) vom Leistungsanbieter an den Leistungsabnehmer;
b) Überwachung des Leitungsaufbaus zu dem übermittelten Serviceanschluß seitens des Leistungsanbieters durch eine Überwachungsvorrichtung:
c) Verrechnung der angeforderten Leistung über den Serviceanschluß;
d) Unterbrechung der Serviceleitung seitens des Leistungsanbieters nach vollständiger Verrechnung der angeforderten Leistung;
e) Freigabe der angeforderten Leistung durch den Leistungsanbieter,
wobei mit der Übermittlung der Servicerufnummer seitens des Leistungsanbieters ein Auftragscode vergeben und an den Leistungsabnehmer übermittelt wird, dadurch gekennzeichnet, dass als Serviceanschluß ein durchwahlfähiger Anschluß verwendet wird, dessen Endnummer als Auftragscode verwendet wird."
Hilfsantrag 3:
"1. Verfahren zur Verrechnung von Leistungen, insbesondere von auf elektronischem Wege aus dem Internet abrufbaren Leistungen, bestehend aus folgenden Schritten:
a) Übermittlung der Rufnummer eines gebührenpflichtigen Service-Telekommunikationsanschlusses (Premium-Rate-Anschluß) vom Leistungsanbieter an den Leistungsabnehmer;
b) Überwachung des Leitungsaufbaus zu dem übermittelten Serviceanschluß seitens des Leistungsanbieters;
c) Verrechnung der angeforderten Leistung über den Serviceanschluß;
d) Freigabe der angeforderten Leistung durch den Leistungsanbieter,
wobei mit der Übermittlung der Servicerufnummer seitens des Leistungsanbieters ein Auftragscode vergeben und an den Leistungsabnehmer übermittelt wird, dadurch gekennzeichnet, dass als Serviceanschluß ein durchwahlfähiger Anschluß verwendet wird, dessen Endnummer als Auftragscode verwendet wird, wobei keine Verrechnung erfolgt, falls die Serviceleitung vor vollständiger Verrechnung der angeforderten Leistung unterbrochen wird".
Hilfsantrag 4:
"1. Verfahren zur Verrechnung von Leistungen, insbesondere von auf elektronischem Wege aus dem Internet abrufbaren Leistungen, bestehend aus folgenden Schritten:
a) Übermittlung der Rufnummer eines gebührenpflichtigen Service-Telekommunikationsanschlusses (Premium-Rate-Anschluß) vom Leistungsanbieter an den Leistungsabnehmer;
b) Überwachung des Leitungsaufbaus zu dem übermittelten Serviceanschluß seitens des Leistungsanbieters;
c) Verrechnung der angeforderten Leistung über den Serviceanschluß;
d) Unterbrechung der Serviceleitung seitens des Leistungsanbieters nach vollständiger Verrechnung der angeforderten Leistung;
e) anschließende Freigabe der angeforderten Leistung durch den Leistungsanbieter,
wobei mit der Übermittlung der Servicerufnummer seitens des Leistungsanbieters ein Auftragscode vergeben und an den Leistungsabnehmer übermittelt wird, dadurch gekennzeichnet, dass als Serviceanschluß ein durchwahlfähiger Anschluß verwendet wird, dessen Endnummer als Auftragscode verwendet wird."
Hilfsantrag 5:
"1. Verfahren zur Verrechnung von Leistungen, insbesondere von auf elektronischem Wege aus dem Internet abrufbaren Leistungen, bestehend aus folgenden Schritten:
a) Übermittlung der Rufnummer eines gebührenpflichtigen Service-Telekommunikationsanschlusses (Premium-Rate-Anschluß) vom Leistungsanbieter an den Leistungsabnehmer nach Anforderung eines Angebots des Leistungsanbieters durch den Leistungsabnehmer:
b) Überwachung des Leitungsaufbaus zu dem übermittelten Serviceanschluß seitens des Leistungsanbieters;
c) Verrechnung der angeforderten Leistung über den Serviceanschluß;
d) Freigabe der angeforderten Leistung durch den Leistungsanbieter,
wobei mit der Übermittlung der Servicerufnummer seitens des Leistungsanbieters ein Auftragscode vergeben und an den Leistungsabnehmer übermittelt wird, dadurch gekennzeichnet, dass als Serviceanschluß ein durchwahlfähiger Anschluß verwendet wird, dessen Endnummer als Auftragscode verwendet wird."
Hilfsantrag 6:
"1. Verfahren zur Verrechnung von Leistungen, insbesondere von auf elektronischem Wege aus dem Internet abrufbaren Leistungen, bestehend aus folgenden Schritten:
a) Übermittlung der Rufnummer eines gebührenpflichtigen Service-Telekommunikationsanschlusses (Premium-Rate-Anschluß) vom Leistungsanbieter an den Leistungsabnehmer nach Anforderung eines Angebots des Leistungsanbieters durch den Leistungsabnehmer;
b) Überwachung des Leitungsaufbaus zu dem übermittelten Serviceanschluß seitens des Leistungsanbieters;
c) Verrechnung der angeforderten Leistung über den Serviceanschluß;
d) Unterbrechung der Serviceleitung seitens des Leistungsanbieters nach vollständiger Verrechnung;
e) anschließende Freigabe der angeforderten Leistung durch den Leistungsanbieter,
wobei mit der Übermittlung der Servicerufnummer seitens des Leistungsanbieters ein Auftragscode vergeben und an den Leistungsabnehmer übermittelt wird, dadurch gekennzeichnet, dass als Serviceanschluß ein durchwahlfähiger Anschluß verwendet wird, dessen Endnummer als Auftragscode verwendet wird."
Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin und der Nebenintervenientinnen zu 1 und 2 in allen Punkten entgegen. Ihr Vorbringen zur Rechtsbeständigkeit des Streitpatents stützt sie auf folgende Unterlagen:
NiB1 WO 00 / 33557 A1,
NiB2 Skizze des Herrn René. Huck v. 17. November 1997,
NiB3 Eidesstattliche Versicherung des Herrn H…vom
12. März 2009,
NiB4 Eidesstattliche Versicherung des Herrn H1…
vom 20. März 2009,
NiB5 Eidesstattliche Versicherung des Herrn A…vom
19. März 2009.
Zudem wendet sich die Beklagte gegen den Beitritt der Nebenintervenientin auf Beklagtenseite zum Zwecke ihrer Unterstützung und führt aus, dieser sei mangels rechtlichem Interesse nicht zulässig. Im Zusammenhang mit der Nebenintervention der Nebenintervenientin auf ihrer Seite hat sie folgende Unterlagen vorgelegt:
NiB6 Urteil des LG Mannheim vom 19. Januar 2010 (Az: 2 O 248/08),
NiB7 Urteil des OLG Karlsruhe vom 8. Dezember 2010 (Az: 6 U 26/10),
NiB8 Vertrag über Patentlizenzerteilung vom 23. November 2005,
NiB9 Handelregisterauszug vom 8. März 2012,
NiB10 Handschriftliche Vereinbarung vom 16. August 2007.
Die Klägerin hält die Nichtigkeitsklage auch gegenüber den hilfsweise verteidigten Fassungen des Streitpatents aufrecht.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung nach Erörterung mit den Beteiligten durch Beschluss die Nebenintervention der Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten zugelassen und der Klägerin sowie der Beklagten die Kosten dieses Zwischenstreits auferlegt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die vom Senat in der mündlichen Verhandlung gemeinsam mit einer Merkmalsanalyse von Patentanspruch 1 überreichte Zusammenstellung der in erster Linie für die Beurteilung der Patentfähigkeit in Betracht zu ziehenden Druckschriften sowie auf den Akteninhalt und die gewechselten Schriftsätze samt allen Anlagen Bezug genommen.
Die zulässige Klage hat Erfolg, da das Streitpatent in der erteilten Fassung wegen fehlender Patentfähigkeit gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchstabe a EPÜ i. V. m. Art. 56 EPÜ für nichtig zu erklären ist.
Die Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 6 stellen keine zulässigen Änderungen dar, weswegen die Patentfähigkeit insoweit nicht zu prüfen war (siehe nachstehend II.3). Den Fassungen der Hilfsanträge 7 bis 12 mangelt es, auch wenn man jeweils von einer zulässigen Fassung ausgehen würde, an der Patentfähigkeit (siehe nachstehend II.4).
I.
Die Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten, die den Zurückweisungsanträgen der Klägerin und der Beklagten entgegengetreten ist, ist als Nebenintervenientin auf Seiten der Patentinhaberin zuzulassen, da sie ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit besitzt (§ 66 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG). Einer weitergehenden Rechtsbeziehung zwischen dem Nebenintervenienten und entweder dem Nichtigkeitskläger oder dem Patentinhaber hinsichtlich des Streitpatents bedarf es für die Zulässigkeit der Nebenintervention im Patentnichtigkeitsverfahren nicht (BGH GRUR 2006, 438, Rz. 5 - Carvedilol I). Soweit die Klägerin geltend macht, die Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten könne aus dem gegen sie vor dem Landgericht Düsseldorf (Aktenzeichen 4a O 156/08) anhängigen Verletzungsverfahren kein eigenes rechtliches Interesse am Beitritt zum Nichtigkeitsverfahren ableiten, folgt der Senat dieser Ansicht nicht. Der Umstand, dass in dem genannten (und derzeit im Hinblick auf die Nichtigkeitsklage ausgesetzten) Verfahren die hiesige Klägerin die Aktivlegitimation der Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten bestritten hatte und diese auch weiterhin für nicht substantiiert vorgetragen hält, lässt ein rechtliches Interesse an der Unterstützung der Patentinhaberin seitens der Beitretenden im Nichtigkeitsverfahren nicht entfallen. Zwar steht im Verletzungsprozess im Streit, ob ein die B… als Lizenznehmerin des Streitpatents berechtigender Vertrag wirksam ist bzw. ob er für einen begrenzten Zeitraum gültig war, doch lässt dieser Streit das rechtliche Interesse der Beitretenden zur Unterstützung der Patentinhaberin unberührt, denn ein Obsiegen der Beklagten im Nichtigkeitsverfahren würde die Rechtsposition der Beitretenden als Klägerin des Verletzungsprozesses jedenfalls entscheidend dergestalt verbessern, dass sie aus einem rechtsbeständigen Schutzrecht gegen die hiesige Klägerin vorgehen würde. Ob unabhängig von diesem derzeit bestehenden rechtlichen Interesse der B… ihre Sachbefugnis gegenüber der dortigen Beklagten letztlich gegeben ist oder nicht, betrifft ausschließlich den Gegenstand des Verletzungsstreits und bleibt daher der Prüfung im dortigen Verfahren vorbehalten.
Der Senat konnte über die Zulassung der B… GmbH als Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten in einem Zwischenstreit nach § 71 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG durch Beschluss entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 1989 - X ZR 91/88, wiedergegeben bei juris-Mischventil, sowie a. a. O. - Carvedilol I). Gegen die Zulässigkeit der Nebeninterventionen der Nebenintervenientin zu 1 sowie der Nebenintervenientin zu 2 jeweils auf Seiten der Klägerin sind von keiner Seite Einwendungen erhoben worden. Ihr rechtliches Interesse hat die Nebenintervenientin zu 1 damit begründet, dass sie von der Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten im Verfahren vor dem Landgericht Mannheim, Aktenzeichen 7 O 367/08, aus dem Streitpatent in Anspruch genommen wurde. Die Nebenintervenientin zu 2 ist in einem ebenfalls vor diesem Gericht (Aktenzeichen 7 O 297/11) anhängigen Verletzungsprozess von einer weiteren Lizenznehmerin aus dem Streitpatent verklagt worden.
II.
1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Verrechnung insbesondere von aus dem Internet abrufbaren Leistungen und geht dabei davon aus, dass durch die Ausweitung elektronischer Medien wie des Internets der dort abgewickelte Vertrieb von Dienstleistungen erheblich zugenommen hat. Die Verrechnung erbrachter Dienstleistungen, worunter auch das Herunterladen von Programmen über das Internet verstanden wird, erfolge jedoch häufig im Lastschriftverfahren oder über Kreditkarten. Dies berge mehrere Nachteile. So müssten zu erwartende Verluste aufgrund potentiellen Missbrauchs von Kreditkartendaten oder die Zurücknahme von Lastschriften durch einen Anbieter in die Preise für seine Dienstleistungen mit eingerechnet werden und führten so zu unattraktiven Angeboten für einen Interessenten. Kreditkartenzahlungen seien z. B. beim Herunterladen von Dateien auch deshalb nachteilig, da Interessenten zwar an einer (technisch möglichen) sofortigen Lieferung einer gewünschten Datei gelegen sei, diese jedoch ungern die Daten ihrer Kreditkarte auf elektronischem Wege preisgäben. Eine Zahlungsabwicklung auf herkömmlichem Wege weise jedoch durch die zwangsläufig auftretende Verzögerung bei Auslieferung der Datei nicht mehr die erwünschte Schnelligkeit und folglich eine geringere Attraktivität auf. Weiteres sei nachteilig, dass im Kreditkartenverkehr hohe Nebenkosten anfielen, die bei geringen abzurechnenden Beträgen in keinem Verhältnis zum Wert der erbrachten Leistung stünden (vgl. Streitpatent, Absätze [0002] bis [0004]).
Vor dem Hintergrund der beschriebenen Nachteile bei der Verrechnung z. B. elektronisch abrufbarer Dienstleistungen stellt sich das Streitpatent die Aufgabe, ein Verrechnungsverfahren für Leistungen zu schaffen, das eine sofortige Verrechnung einer zu erbringenden Leistung sicherstellt (vgl. Streitpatent, Absatz [0005]).
Zur Lösung dieser Aufgabe geht das Streitpatent von einem (aus der D1) bekannten Verfahren zur Leistungsverrechnung über einen Serviceanschluss aus, wobei dieses Verfahren dahingehend weitergebildet wird, dass als Serviceanschluss ein durchwahlfähiger Anschluss verwendet wird, dessen Endnummer als Auftragscode verwendet wird (vgl. Streitpatent, Absatz [0006] und Patentanspruch 1).
Damit richtet sich die Lehre des Streitpatents ihrem Inhalt nach an einen Diplomingenieur der Nachrichtentechnik, der schwerpunktmäßig mit der Gebührenabrechnung in Telekommunikationsnetzen im Rahmen von Massenverkehrs- und Mehrwertdiensten (so genannte "Premium Rate" Dienste) befasst ist und Kenntnisse über die bei ihnen zur Anwendung kommenden Bedien- und Nutzungskonzepte hat.
Einige der im Streitpatent verwendeten Begriffe bedürfen der näheren Erläuterung. Der Senat legt diesen jeweils folgendes Verständnis zu Grunde:
Unter einer Leistung versteht ein Fachmann im gegebenen technischen Zusammenhang z. B. eine über das Internet abrufbare Dienstleistung in Form der Zur-Verfügung-Stellung oder des Herunterladens einer Datei, die ihm etwa über eine Web-Page im Internet vorgestellt und zur Inanspruchnahme angeboten wird.
Derjenige, der eine derartige Leistung z. B. über das Internet anbietet, wird in diesem Kontext als Leistungsanbieter bezeichnet.
Der Interessent, der eine Leistung von einem Leistungsanbieter bezieht, wird in diesem Kontext Leistungsabnehmer genannt.
Der Leistungsabnehmer tritt, wenn er mit dem Leistungsanbieter zum Zwecke der Bestellung und des Bezugs einer Leistung Kontakt aufnehmen will, mit diesem über einen Telefonanschluß in Kontakt. Dieser konkrete Telefonanschluß des Leistungsanbieters, der in diesem Zusammenhang dem Anschluss eines Telefon-Mehrwertdienstes entspricht (auch "Premium Rate" Anschluss genannt), wird im Streitpatent bedeutungsidentisch mit den Begriffen Service-Telefonanschluß, Service-Telekommunikationsanschluß oder Service-Anschluss benannt. Kennzeichnend für einen solchen Service-Telefonanschluß bzw. "Premium Rate" Anschluss ist die Tatsache, dass die vom Anrufer des Anschlusses geschuldeten Gebühren zum einen Teil dem Telekommunikationsanbieter des Anschlusses (dem Leitungsanbieter) zufließen und zum anderen Teil dem Anschlussinhaber (hier dem Leistungsanbieter) gutgeschrieben werden.
Bei dem genannten Anschluss handelt es sich um einen so genannten durchwahlfähigen Anschluss, d. h., dass ein Leistungsabnehmer über die Ziffernfolge der Rufnummer dieses Anschlusses ohne weitere Zwischenschritte direkt diesen Anschluss anwählen kann.
2. Hauptantrag
Die Patentinhaberin verteidigt das Streitpatent gemäß Hauptantrag mit dem erteilten Anspruch 1 des Streitpatents, der wie folgt gegliedert werden kann (Merkmalsgliederung wie in der Verhandlung den Parteien ausgehändigt; ohne Bezugszeichen):
M1 Verfahren zur Verrechnung von Leistungen, insbesondere von auf elektronischem Wege aus dem Internet abrufbaren Leistungen, bestehend aus folgenden Schritten:
M2 Übermittlung der Rufnummer eines gebührenpflichtigen Service-Telekommunikationsanschlusses (Premium-Rate-Anschluss) vom Leistungsanbieter an den Leistungsabnehmer;
M3 Überwachung des Leitungsaufbaus zu dem übermittelten Serviceanschluß seitens des Leitungsanbieters;
M4 Verrechnung der angeforderten Leistung O(ü)ber den Serviceanschluß;
M5 Freigabe der angeforderten Leistung durch den Leistungsanbieter,
M6 wobei mit der Übermittlung der Servicerufnummer seitens des Leistungsanbieters ein Auftragscode vergeben
M7 und an den Leistungsabnehmer übermittelt wird,
dadurch gekennzeichnet, daß
M8 als Serviceanschluß ein durchwahlfähiger Anschluß verwendet wird, dessen Endnummer als Auftragscode verwendet wird.
Der Senat geht davon aus, dass es sich bei der Formulierung unter Merkmal M4 des erteilten Patentanspruchs 1 in der Streitpatentschrift "Ober den Serviceanschluß" (Unterstreichung hinzugefügt) um einen offensichtlichen Druckfehler handelt.
Der Senat geht weiter davon aus, dass bei Merkmal M3 kein offensichtliches Schreibversehen vorliegt, sondern entsprechend dem Wortlaut von "Leitungsanbieter" auszugehen ist, nicht von "Leistungsanbieter". Zur Begründung wird auf die Ausführungen unter Ziffer I3 zu den Hilfsanträgen 1 bis 6 verwiesen.
Der so verstandene mit dem Hauptantrag verteidigte Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Streitpatent beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da dieser sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik in Gestalt der Druckschriften D3 (KR 1998 – 033 645 A) und D4 (KR 1998 - 034 775 A) ergibt.
Die Druckschrift D3 (Zitate beziehen sich auf die beglaubigte deutsche Übersetzung der Druckschrift, vgl. NK-Ni2 9b) beschreibt ein Verfahren zur Verrechnung von Leistungen ("Verfahren zur elektronischen Zahlung mittels eines Bezahlservice eines Telefonnetzes"; Seite 4, Absatz 2; M1), wobei es im Zusammenhang mit dem Anbieten einer abrufbaren Leistung zu einer Übermittlung der Rufnummer eines gebührenpflichtigen Service-Telekommunikationsanschlusses (vgl. Seite 4, Absatz nach Schritt 9) vom Leistungsanbieter an den Leistungsabnehmer ("Internetnutzer", Seite 4, Schritt 1) kommt, denn andernfalls könnte der Leistungsabnehmer das elektronische Zahlungssystem nicht anrufen (Seite 4, Absatz 7, Schritte 5 und 6; M2). Eine Überwachung des Leitungsaufbaus zu dem übermittelten Serviceanschluss seitens des Leitungsanbieters wird funktionsnotwendig ebenfalls vorgenommen, da dieser sonst keine Verrechnung seiner Leistungen vornehmen kann (vgl. Seite 4, sowie Seite 4, Absatz 7 und Absatz nach Schritt 9; M3). Eine Verrechnung der angeforderten Leistung erfolgt über den Serviceanschluss (vgl. Seite 4, implizit über die Schritte 6 bis 8 und wiederum Absatz nach Schritt 9; M4) und die Freigabe der angeforderten Leistung durch den Leistungsanbieter (Seite 4, Schritt 9; M5). Dass im Zusammenhang mit der Übermittlung der Servicerufnummer seitens des Leistungsanbieters ("E-Shop"; Seite 4, Schritt 3) ein Auftragscode ("Handelsnummer") - zunächst "bei einem elektronischen Zahlungssystem" beantragt und dann - für eine Leistung ("Handelsinhalt") vergeben und an den Leistungsabnehmer übermittelt wird (Seite 4, Schritte 3 und 5), zeigt die D3 ebenfalls (M6, M7).
Beim Nacharbeiten der Lehre der Druckschrift D3 stößt der Fachmann auf das Problem, dass das dort beschriebene Verfahren für den Nutzer unbequem und kostenintensiv ist, da seinerseits mehrere Eingaben durchzuführen sind (vgl. Seite 4, Schritte 2 und 6) und zwischen diesen systembedingte Wartezeiten liegen (vgl. Seite 4, Schritte 3 bis 5). Dem Leistungsabnehmer werden zudem bereits ab der Anwahl des Service-Anschlusses seitens des Betreibers des Mehrwertanschlusses im Telekommunikationsnetz Kosten auferlegt, die sich summieren können, lange bevor überhaupt eine gewünschte Leistung bezogen wird. Die Aufgabe, dieses Verfahrens für den Nutzer bequemer und billiger und damit kundenfreundlicher zu gestalten, stellt sich dem Fachmann demgemäß in der Praxis von selbst. Er wird daher nach entsprechenden Lösungsmöglichkeiten suchen, die ihm der Stand der Technik in Form der Druckschrift D4 (KR 1998 - 034 775 A) bietet. Diese Druckschrift (Zitate beziehen sich ebenfalls auf die beglaubigte deutsche Übersetzung der Druckschrift, vgl. NK-Ni2 10b) geht von der Problemstellung aus (vgl. Seite 3, Zeilen 5 bis 8), dass im Rahmen einer Telefonabstimmung zunächst eine "automatische Anrufbeantwortungseinrichtung" angewählt werden muss, um anschließend über eine "Sprachführung" zur Eingabe "zusätzlicher Ziffern" geleitet zu werden, um letztlich mit Abschluss aller zusätzlichen Eingaben seine Stimme abzugeben, was jedoch den Benutzern "aufgrund der hohen Anzahl der Eingabeziffern … sehr lästig war". Aufgrund dieser gleichgelagerten Problemstellung wird der Fachmann die Lehre der D4 beachten, die zur Lösung dieses Problems vorschlägt, dass ein "Dienstvermittlungssystem einen vom Benutzer ankommenden Telefonabstimmungsaufruf empfängt, und dann die Telefonnummer des Anrufers und eine vom Benutzer gewählte Telefonabstimmungsnummer … auf ein Dienststeuerungssystem … überträgt" (vgl. Seite 3, Absatz 5). Der Anrufer muss also zur Stimmabgabe nur eine einzige Telefonnummer wählen und keine weiteren Eingaben tätigen. Im Einzelnen wird durch die Anwahl einer als Servicerufnummer zu interpretierenden Durchwahlnummer, nämlich der "Telefonabstimmungsnummer XXX-YY-ABCD" seitens des Leistungsabnehmers ein Auftragscode ("Auswahlnummer ABCD") übermittelt (vgl. Seite 5, Absatz 4 und 7; M8). Der Fachmann entnimmt der Druckschrift D4 demnach, dass er bei einem durchwahlfähigen Anschluss mit der Durchwahl-Endnummer einer Telefonnummer eine individualisierbare Information übertragen kann und wird dies auch für das Bestell- und Abrechnungsverfahren gemäß der Druckschrift D3 anwenden. Hiermit hat er bereits einen Gegenstand mit allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag realisiert.
Soweit die Beklagte eingewandt hat, der Fachmann würde im vorliegenden Kontext, insbesondere in Ansehung der Druckschrift D3, die Lehre der Druckschrift D4 nicht heranziehen, kann dies nicht überzeugen. Dem maßgeblichen Fachmann sind unterschiedliche Angebote und Arten von Mehrwertdiensten bekannt, insbesondere Mehrwertdienste, bei denen unter einer speziellen Vorwahlnummer mehrere Arten von gebührenpflichtigen Leistungen vereinigt sind. Zum Nachweis sei hier auf die Druckschrift NK-Ni2 9c (BAYLISS (1992)) verwiesen. Diese Druckschrift belegt anhand des beschriebenen Ausbaus von intelligenten Netzwerken in Südkorea (Seite 224, Abstract), dass bereits vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents dem Fachmann bekannt war, dass Netzbetreiber Mehrwertdienste anbieten, bei denen unter einer speziellen Vorwahlnummer (hier "700") zwei Arten von gebührenpflichtigen Leistungen vereinigt sind. Einer dieser Mehrwertdienste stellt durch eine Erweiterung der Vorwahlnummer mit einer zusätzlichen Nummer ("700-2000") für einen Leistungsabnehmer die technischen Voraussetzungen her, Massenumfragen oder ein so genanntes "Televoting" (Telefonabstimmung) durchzuführen. Die andere Leistung war für den Abruf von öffentlichkeitsrelevanten oder kulturellen Informationsdiensten vorgesehen (Durchwahlnummern "700-XXXX", außer vorbelegter "700-2000"). Demgemäß stellten sich derartige Mehrwertdienste für den Fachmann als ein gemeinsames Gebiet dar und er hatte somit Veranlassung, sich bei technischen Problemstellungen im Rahmen gebührenpflichtiger Mehrwertdienste auch im Umfeld des Televoting zu informieren.
Der mit dem Hauptantrag verteidigte Gegenstand des Patentanspruchs 1 ergibt sich für den Fachmann im Übrigen auch aus den Druckschriften D1 (EP 0 765 068 A2) und D4 (KR 1998 - 034 775 A) in naheliegender Weise.
Die Druckschrift D1 beschreibt von Spalte 9, Zeile 30 bis Spalte 10, Zeile 2 ein Verfahren zur Verrechnung von Leistungen im Internet ("FIG. 7 is a flowchart detailing the billing mechanism …"; Spalte 9, Zeile 30; M1), wobei es zur Übermittlung der Rufnummer eines gebührenpflichtigen Service-Telekommunikations-Anschlusses (dort: "900 billing number") vom Leistungsanbieter ("information service provider ISP") an den Leistungsabnehmer ("user") kommt ("the user accesses the ISP over the Internet (step 701), which provides a 900 billing number to call and a session identity (ID) number (step 702)"; Spalte 9, Zeile 37 bis 40; M2). Eine Überwachung des Leitungsaufbaus zu dem übermittelten Serviceanschluss seitens des Leitungsanbieters findet ebenfalls statt und die Verrechnung der angeforderten Leistung erfolgt über den Serviceanschluss ("The telephone company [Anm: der Leitungsanbieter] connects the user to the ISP's 900 line and charges the user for the 900 number call and credits the ISP (step 705)"; Spalte 9, Zeile 43 bis 45; M3, M4). Die oben zitierte "session identity (ID) number" entspricht dem anspruchsgemäßen "Auftragscode" und wird dem Leistungsabnehmer ("user") durch den Leistungsanbieter ("ISP") übermittelt (vgl. wiederum Spalte 9, Zeile 37 bis 40; M6, M7). Schließlich erfolgt die Freigabe der (Internet-Service-)Leistung durch den Leistungsanbieter ("The ISP web server 501 then provides the first screen of service to the user at that network address (step 712)."; Spalte 9, Zeile 59 bis Spalte 10, Zeile 2; M5). Beim Nacharbeiten der Lehre der Druckschrift D1 stößt der Fachmann auf das Problem, dass das dort beschriebene Verfahren für den Nutzer unbequem und teuer ist, da seinerseits mehrere Eingaben durchzuführen sind und zwischen diesen systembedingte Wartezeiten liegen (vgl. Spalte 9, Zeile 36 bis 51), so dass dem Leistungsabnehmer bereits ab der Anwahl des Leistungsanbieters seitens des Betreibers des Mehrwertanschlusses ("900 line"; Spalte 9, Zeile 43 bis 45) im Telekommunikationsnetz Kosten auferlegt werden, die sich summieren können, lange bevor überhaupt eine gewünschte Leistung bezogen wird. Auch hier wird der Fachmann die Lösungsmöglichkeiten, welche ihm die Duckschrift D4 anbietet, aufgreifen und als Serviceanschluss - der Lehre der Druckschrift D4 entsprechend - einen durchwahlfähigen Anschluss vorsehen, dessen Endnummer als Auftragscode versendet wird (vgl. obige Ausführungen zur Druckschrift D4).
Damit ergeben sich für den Fachmann auch ausgehend von der Druckschrift D1 unter Heranziehung des genannten Lösungsvorschlages aus der Druckschrift D4 sämtliche Merkmale M1 bis M8 des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
Ob der Fassung gemäß Hauptantrag - wie die Klägerin vorgetragen hat – weitere Nichtigkeitsgründe entgegenstehen, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
3. Hilfsanträge 1 bis 6
Die Hilfsanträge 1 bis 6 sind nicht zulässig, da sie den Schutzbereich des Patents jeweils unzulässig erweitern (Art. 138 lit. d) EPÜ).
Die Fassungen des Patentanspruches 1 gemäß der Hilfsanträge 1 bis 6 umfassen jeweils einen - bis auf ein Wort - der Formulierung des Merkmals M3 des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag entsprechenden Wortlaut. In allen Hilfsanträgen wird in dem in Rede stehenden Merkmal M3 jedoch die "Überwachung des Leitungsaufbaus zu dem übermittelten Serviceanschluß seitens des Lei s tungsanbieters" und damit abweichend von dessen erteilter Fassung nicht die "Überwachung des Leitungsaufbaus zu dem übermittelten Serviceanschluß seitens des Leitungsanbieters" beansprucht. Die Beklagte ist der Ansicht, diese Änderungen seien zulässig, da es sich hierbei lediglich jeweils um die Korrektur eines offensichtlichen Schreibfehlers handle. Gemäß Art. 69 EPÜ i. V. m. § 14 PatG seien die Zeichnung und die Beschreibung heranzuziehen, aus denen sich die Zulässigkeit der Korrektur ergäbe, da in der Beschreibung durchgängig von einer "Überwachung des Leitungsaufbaus zu dem übermittelten Serviceanschluß seitens des Lei s tungsanbieters" ausgegangen werde. Diese Argumentation kann nicht greifen, da die mit dem erteilten Patentanspruch 1 mitgeteilte Formulierung sich für den maßgeblichen Fachmann als technisch sinnvolle Lösung darstellt. Auch in Fällen, in denen die technische Lehre der Beschreibung und die des Patentanspruchs nicht in Einklang stehen, ist nach gängiger Rechtsprechung die technische Lehre des Patentanspruchs als maßgeblich anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 - X ZR 16/09, GRUR 2011, 701 – Okklusionsvorrichtung). Der Senat teilt daher die in der Verhandlung vorgebrachte Auffassung der Beklagten nicht. Die Hilfsanträge müssen auf dieser Grundlage daher als unzulässig geändert gelten.
Ob mit den Hilfsanträgen 1 bis 6 jeweils eigenständige Gegenstände mit erfinderischer Qualität beansprucht werden, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
4. Hilfsanträge 7 bis 12
4. a) Hilfsantrag 7
Die Patentinhaberin verteidigt das Streitpatent gemäß Hilfsantrag 7 mit einem gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 durch ein weiteres Merkmal M4a ergänzten Patentanspruch 1, der wie folgt gegliedert werden kann (Abweichungen zur Formulierung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag fett; ohne Bezugszeichen):
M1 Verfahren zur Verrechnung von Leistungen, insbesondere von auf elektronischem Wege aus dem Internet abrufbaren Leistungen, bestehend aus folgenden Schritten:
M2 Übermittlung der Rufnummer eines gebührenpflichtigen Service-Telekommunikationsanschlusses (Premium-Rate-Anschluß) vom Leistungsanbieter an den Leistungsabnehmer;
M3 Überwachung des Leitungsaufbaus zu dem übermittelten Serviceanschluß seitens des Leitungsanbieters;
M4 Verrechnung der angeforderten Leistung über den Serviceanschluß;
M4a Unterbrechung der Serviceleitung seitens des Leistungsanbieters nach vollständiger Verrechnung der angeforderten Leistung;
M5 Freigabe der angeforderten Leistung durch den Leistungsanbieter,
M6 wobei mit der Übermittlung der Servicerufnummer seitens des Leistungsanbieters ein Auftragscode vergeben
M7 und an den Leistungsabnehmer übermittelt wird,
dadurch gekennzeichnet, daß
M8 als Serviceanschluß ein durchwahlfähiger Anschluß verwendet wird, dessen Endnummer als Auftragscode verwendet wird.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Aufnahme des Merkmals M4a zu einer zulässigen Anspruchsfassung führt, denn jedenfalls beruht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrags 7 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist daher nicht patentfähig.
Zur Begründung wird zum Einen vollinhaltlich auf die Beurteilung des Sachgehalts der Merkmale M1 bis M4 und M5 bis M8 im Rahmen des Hauptantrages verwiesen, da diese gleichlautend für den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 beansprucht werden. Der Sachgehalt des Merkmals M4a ist dem Fachmann im gegebenen technischen Zusammenhang bereits durch die Druckschrift D3, Seite 4, Schritt 9, nahegelegt, aber für den Fachmann auch selbstverständlich, denn es ist technisch nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig die Serviceleitung zu unterbrechen, sonst würden für den Leistungsabnehmer auch nach Bezug der Leistung weiterhin Gebühren anfallen und zudem wäre seitens des Leistungsanbieters ein Kanal für die Abwicklung seiner Dienste blockiert.
Somit ist der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hilfsantrag 7 dem Fachmann durch den Stand der Technik i. V. m. seinem Fachwissen nahegelegt.
4. b) Hilfsantrag 8
Die Patentinhaberin verteidigt das Streitpatent gemäß Hilfsantrag 8 mit einem Patentanspruch 1, welcher gegenüber der Fassung des Hilfsantrags 7 ein weiteres Merkmal M3a aufweist und wie folgt gegliedert werden kann (Abweichungen zur Formulierung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag fett; ohne Bezugszeichen):
M1 Verfahren zur Verrechnung von Leistungen, insbesondere von auf elektronischem Wege aus dem Internet abrufbaren Leistungen, bestehend aus folgenden Schritten:
M2 Übermittlung der Rufnummer eines gebührenpflichtigen Service-Telekommunikationsanschlusses (Premium-Rate-Anschluß) vom Leistungsanbieter an den Leistungsabnehmer;
M3 Überwachung des Leitungsaufbaus zu dem übermittelten Serviceanschluß seitens des Leitungsanbieters
M3a durch eine Überwachungsvorrichtung;
M4 Verrechnung der angeforderten Leistung über den Serviceanschluß;
M4a Unterbrechung der Serviceleitung seitens des Leistungsanbieters nach vollständiger Verrechnung der angeforderten Leistung
M5 Freigabe der angeforderten Leistung durch den Leistungsanbieter,
M6 wobei mit der Übermittlung der Servicerufnummer seitens des Leistungsanbieters ein Auftragscode vergeben
M7 und an den Leistungsabnehmer übermittelt wird,
dadurch gekennzeichnet, daß
M8 als Serviceanschluß ein durchwahlfähiger Anschluß verwendet wird, dessen Endnummer als Auftragscode verwendet wird.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Aufnahme der Merkmale M3a und M4a zu einer zulässigen Anspruchsfassung führt, denn jedenfalls beruht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 8 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist daher nicht patentfähig.
Zur Begründung wird zunächst vollinhaltlich auf die Beurteilung des Sachgehalts der Merkmale M1 bis M4, M4a und M5 bis M8 in den Ausführungen zu Hilfsantrag 7 Bezug genommen, da diese gleichlautend für den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 8 beansprucht werden. Was den Sachgehalt des Merkmals M3a im gegebenen Zusammenhang anbelangt, so ist dieser einem Fachmann selbstverständlich, denn durch das Merkmal M3 wird bereits eine "Überwachung des Leitungsaufbaus …" beansprucht. Dass ein Fachmann für die technische Maßnahme einer Überwachung technische Mittel benötigt und diese in einer "Überwachungsvorrichtung" – die im Merkmal M3a in keiner Weise weiter ausgestaltet wird - zusammenfasst, stellt in Verbindung mit den Merkmalen M1 bis M4, M4a und M5 bis M8 lediglich eine Funktionsnotwendigkeit dar und wird durch einen Fachmann entsprechend ohne Weiteres umgesetzt.
Somit ist der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hilfsantrag 8 dem Fachmann durch den Stand der Technik i. V. m. seinem Fachwissen nahegelegt.
4. c) Hilfsantrag 9
Die Patentinhaberin verteidigt das Streitpatent gemäß Hilfsantrag 9 mit einem gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 durch ein weiteres Merkmal M9 ergänzten Patentanspruch 1, der wie folgt gegliedert werden kann (Abweichungen zur Formulierung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag fett; ohne Bezugszeichen):
M1 Verfahren zur Verrechnung von Leistungen, insbesondere von auf elektronischem Wege aus dem Internet abrufbaren Leistungen, bestehend aus folgenden Schritten:
M2 Übermittlung der Rufnummer eines gebührenpflichtigen Service-Telekommunikationsanschlusses (Premium-Rate-Anschluß) vom Leistungsanbieter an den Leistungsabnehmer;
M3 Überwachung des Leitungsaufbaus zu dem übermittelten Serviceanschluß seitens des Leitungsanbieters
M4 Verrechnung der angeforderten Leistung über den Serviceanschluß;
M5 Freigabe der angeforderten Leistung durch den Leistungsanbieter,
M6 wobei mit der Übermittlung der Servicerufnummer seitens des Leistungsanbieters ein Auftragscode vergeben
M7 und an den Leistungsabnehmer übermittelt wird,
dadurch gekennzeichnet, daß
M8 als Serviceanschluß ein durchwahlfähiger Anschluß verwendet wird, dessen Endnummer als Auftragscode verwendet wird.
M9 wobei keine Verrechnung erfolgt, falls die Serviceleitung vor vollständiger Verrechnung der angeforderten Leistung unterbrochen wird.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Aufnahme des Merkmals M9 zu einer zulässigen Anspruchsfassung führt, denn der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 9 ist für den Fachmann nicht ausführbar und daher nicht patentfähig.
Insbesondere kommt es durch den geltenden Wortlaut des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 9 nie zu einer Verrechnung, denn, wie in der mündlichen Verhandlung seitens der Beklagten ausgeführt, soll unter "Verrechnung" die In-Rechnung-Stellung an den Leistungsabnehmer über seine Telefonrechnung verstanden werden, die z. B. – wie die Beklagte ebenfalls in der Verhandlung ausgeführt hat - einmal im Monat durchgeführt wird. Eine "vollständige Verrechnung" (im Sinne von Merkmal M9) einer "angeforderten Leistung" (im Sinne von Merkmal M4) ist somit nicht anspruchsgemäß umsetzbar, da die Serviceleitung "vor" einer "vollständigen Verrechnung" unterbrochen wird (M9), da ansonsten eine Standleitung realisiert sein müsste (vgl. auch Erläuterungen zur ähnlichen Problematik im Hilfsantrag 7).
Darüber hinaus kann dem Merkmal M9 auch keine Anweisung, die die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen würde, entnommen werden, da die Verrechnungspraxis von in einem technischen Verfahren erzeugten Daten im Kontext einer kaufmännischen Abrechnung keine Weiterbildung der technischen Lehre des beanspruchten Gegenstandes beinhaltet. Dieses Merkmal bleibt somit als nichttechnische Maßnahme bei der Prüfung des mit dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 9 beanspruchten Verfahrens auf erfinderische Tätigkeit außer Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2010 - X ZR 47/07, GRUR 2011, 125 – Wiedergabe topographischer Informationen).
4. d) Hilfsantrag 10
Die Patentinhaberin verteidigt das Streitpatent gemäß Hilfsantrag 10 mit einem Patentanspruch 1, welcher gegenüber der Fassung des Hilfsantrags 7 ein modifiziertes Merkmal M5a aufweist und der wie folgt gegliedert werden kann (Abweichungen zur Formulierung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag fett; ohne Bezugszeichen):
M1 Verfahren zur Verrechnung von Leistungen, insbesondere von auf elektronischem Wege aus dem Internet abrufbaren Leistungen, bestehend aus folgenden Schritten:
M2 Übermittlung der Rufnummer eines gebührenpflichtigen Service-Telekommunikationsanschlusses (Premium-Rate-Anschluß) vom Leistungsanbieter an den Leistungsabnehmer;
M3 Überwachung des Leitungsaufbaus zu dem übermittelten Serviceanschluß seitens des Leitungsanbieters;
M4 Verrechnung der angeforderten Leistung über den Serviceanschluß;
M4a Unterbrechung der Serviceleitung seitens des Leistungsanbieters nach vollständiger Verrechnung der angeforderten Leistung
M5a anschließende Freigabe der angeforderten Leistung durch den Leistungsanbieter,
M6 wobei mit der Übermittlung der Servicerufnummer seitens des Leistungsanbieters ein Auftragscode vergeben
M7 und an den Leistungsabnehmer übermittelt wird,
dadurch gekennzeichnet, daß
M8 als Serviceanschluß ein durchwahlfähiger Anschluß verwendet wird, dessen Endnummer als Auftragscode verwendet wird.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Aufnahme der Merkmale M4a und M5a zu einer zulässigen Anspruchsfassung führt, denn jedenfalls beruht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 10 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist daher nicht patentfähig.
Zur Begründung wird zunächst vollinhaltlich auf die Beurteilung des Sachgehalts der Merkmale M1 bis M4, M4a und M6 bis M8 in den Ausführungen zu Hilfsantrag 7 Bezug genommen, da diese gleichlautend für den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 10 beansprucht werden. Was den Sachgehalt des Merkmals M5a im gegebenen Zusammenhang anbelangt, so ist dieser bereits aus dem Stand der Technik bekannt, denn aus der Druckschrift D3, Seite 4, Schritt 9 kann der Fachmann Folgendes entnehmen: "Der E-Shop beendet den Bezahlungsschritt und stellt dem Internetnutzer dann die betreffende Ware oder einen entsprechenden Dienst zur Verfügung" (Unterstreichungen hinzugefügt).
Somit ist der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hilfsantrag 10 dem Fachmann durch den Stand der Technik unter Zuhilfenahme seines Fachwissens nahegelegt.
4. e) Hilfsantrag 11
Die Patentinhaberin verteidigt das Streitpatent gemäß Hilfsantrag 11 mit einem gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 durch ein weiteres Merkmal M2a ergänzten Patentanspruch 1, der wie folgt gegliedert werden kann (Abweichungen zur Formulierung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag fett; ohne Bezugszeichen):
M1 Verfahren zur Verrechnung von Leistungen, insbesondere von auf elektronischem Wege aus dem Internet abrufbaren Leistungen, bestehend aus folgenden Schritten:
M2 Übermittlung der Rufnummer eines gebührenpflichtigen Service-Telekommunikationsanschlusses (Premium-Rate-Anschluß) vom Leistungsanbieter an den Leistungsabnehmer
M2a nach Anforderung eines Angebots des Leistungsanbieters durch einen Leistungsabnehmer;
M3 Überwachung des Leitungsaufbaus zu dem übermittelten Serviceanschluß seitens des Leitungsanbieters;
M4 Verrechnung der angeforderten Leistung über den Serviceanschluß;
M5 Freigabe der angeforderten Leistung durch den Leistungsanbieter,
M6 wobei mit der Übermittlung der Servicerufnummer seitens des Leistungsanbieters ein Auftragscode vergeben
M7 und an den Leistungsabnehmer übermittelt wird,
dadurch gekennzeichnet, daß
M8 als Serviceanschluß ein durchwahlfähiger Anschluß verwendet wird, dessen Endnummer als Auftragscode verwendet wird.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Aufnahme des Merkmals M2a zu einer zulässigen Anspruchsfassung führt, denn jedenfalls beruht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 11 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist daher nicht patentfähig.
Zur Begründung wird für die Merkmale M1 und M2 sowie M3 bis M8 vollinhaltlich auf die Beurteilung deren Sachgehalts in den Ausführungen zum Hauptantrag Bezug genommen, da diese gleichlautend für den Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 11 beansprucht werden. Was den technischen Gehalt des Merkmals M2a, als zeitliche Präzisierung des Sachgehalts von Merkmal M2 anbelangt, ist dieser im Zusammenhang auch aus der Druckschrift D3, Seite 4, Schritte 2 und 5 implizit zu entnehmen ("2. Der Internetnutzer bestellt eine Ware … 5. Der E-Shop überträgt die Handelsnummer an den Internetnutzer.").
Somit ist der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hilfsantrag 11 dem Fachmann durch den Stand der Technik i. V. m. seinem Fachwissen nahegelegt.
4. f) Hilfsantrag 12
Die Patentinhaberin verteidigt das Streitpatent gemäß Hilfsantrag 12 mit einem neuen Patentanspruch 1, der wie folgt gegliedert werden kann (Abweichungen zur Formulierung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag fett; ohne Bezugszeichen):
M1 Verfahren zur Verrechnung von Leistungen, insbesondere von auf elektronischem Wege aus dem Internet abrufbaren Leistungen, bestehend aus folgenden Schritten:
M2 Übermittlung der Rufnummer eines gebührenpflichtigen Service-Telekommunikationsanschlusses (Premium-Rate-Anschluß) vom Leistungsanbieter an den Leistungsabnehmer
M2a nach Anforderung eines Angebots des Leistungsanbieters durch einen Leistungsabnehmer;
M3 Überwachung des Leitungsaufbaus zu dem übermittelten Serviceanschluß seitens des Leitungsanbieters;
M4 Verrechnung der angeforderten Leistung über den Serviceanschluß;
M4a Unterbrechung der Serviceleitung seitens des Leistungsanbieters nach vollständiger Verrechnung der angeforderten Leistung
M5a anschließende Freigabe der angeforderten Leistung durch den Leistungsanbieter,
M6 wobei mit der Übermittlung der Servicerufnummer seitens des Leistungsanbieters ein Auftragscode vergeben
M7 und an den Leistungsabnehmer übermittelt wird,
dadurch gekennzeichnet, daß
M8 als Serviceanschluß ein durchwahlfähiger Anschluß verwendet wird, dessen Endnummer als Auftragscode verwendet wird.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 12 fasst in rein aggregatorischer Weise Merkmale der nicht patentfähigen Gegenstände gemäß den Hilfsanträgen 10 und 11 zusammen. Demgemäß beruht auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 12 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, wobei zur Begründung auf die Ausführungen zu den Hilfsanträgen 10 und 11 verwiesen wird.
III.
Da das Streitpatent aus den genannten Gründen in keiner der verteidigten Fassungen Bestand haben kann, kann es im Ergebnis dahinstehen, ob die Klage auch mit den weiteren geltend gemachten Nichtigkeitsgründen erfolgreich gewesen wäre. Dies gilt auch für die behauptete Nichtberechtigung der Inhaberin des Streitpatents gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 5 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchstabe e EPÜ i. V. m. Art. 60 EPÜ, die die Klägerin für den Fall geltend gemacht hatte, dass das Streitpatent nicht schon wegen fehlender Patentfähigkeit für nichtig zu erklären gewesen wäre.
Dass in den jeweils beanspruchten abhängigen Patentansprüchen ein erfinderischer Gehalt liegen könnte, wurde weder vorgetragen, noch ist dies dem Senat ersichtlich (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 - Xa ZR 126/07, GRUR 2010, 916 - Klammernahtgerät).
IV.
Die Kostenentscheidung in der Hauptsache beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. §§ 91, 100, 101 Abs. 2 ZPO. Für die durch die Nebenintervention auf Seiten der Klägerin verursachten Kosten gelten § 101 Abs. 1 und § 91 ZPO. Die auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit beigetretene Nebenintervenientin ist deren Streitgenossin (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 – X ZR 226/02, GRUR 2008, 60 - Sammelhefter II; bestätigt durch BGH, Urteil vom 14. Januar 2010, wiedergegeben bei juris - Xa ZR 66/07) und ist deswegen gemäß § 101 Abs. 2 ZPO hinsichtlich der Kosten, wie eine Partei zu behandeln. Insoweit gelten die Kostengrundsätze des § 100 ZPO. Die Kostenentscheidung des Zwischenstreits beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. §§ 91, 100 ZPO.
Für die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gelten § 99 Abs. 1 PatG, § 709 ZPO.