Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 18.09.2013


BPatG 18.09.2013 - 5 Ni 72/11 (EP)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – „CS-Domänen-Verbindungsabschluss-System, Verfahren und Netzeinrichtung (europäisches Patent)“ – keine unzulässige Erweiterung bei Verschieben eines Absatzes aus dem Beschreibungsteil für den Stand der Technik in den Beschreibungsteil der Patentschrift


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsdatum:
18.09.2013
Aktenzeichen:
5 Ni 72/11 (EP)
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
nachgehend BGH, 16. Februar 2016, Az: X ZR 5/14, Urteil
Zitierte Gesetze
Art 138 Abs 1 Buchst c EuPatÜbk

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 931 094

DE 60 2006 017 407

hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Gutermuth, die Richterin Martens sowie die Richter Dipl.-Ing. Musiol, Dipl.-Ing. Univ. Albertshofer und Dipl.-Geophys. Univ. Dr. Wollny

für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 1 931 094 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch 12 entfällt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 931 094 (Streitpatent), das am 30. August 2006 angemeldet wurde und die Priorität der chinesischen Patentanmeldung CN 2005 1009 3915 vom 31. August 2005 in Anspruch nimmt. Das Streitpatent, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 60 2006 017 407.1 geführt wird, trägt die Bezeichnung „CS-Domänen-Verbindungsabschluss-System, Verfahren und Netzeinrichtung“. Es umfasst in der erteilten Fassung 15 Patentansprüche, die alle mit der Nichtigkeitsklage angegriffen sind.

2

Das Anrufabschluss-Verfahren nach Patentanspruch 1, das Anrufabschluss-System nach Anspruch 9 sowie die jeweils Netzeinrichtungen betreffenden weiteren unabhängigen Ansprüche 14 und 15 haben in der erteilten Fassung (publiziert als EP 1 931 094 B1) in der Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:

3

Patentanspruch 1:

4

„1. A Circuit Switched, CS, domain call terminating method of call routing characterized in that the method is a method of avoiding repeated routing control in a CS domain call terminating flow, comprising:

5

receiving, by a GMSC, routing-controlled information of a call carried in a received call initiation message;

6

sending, by the GMSC, the routing-controlled information of the call to a gsmSCF; and

7

executing, a subsequent call flow of the call in accordance with the received routing-controlled information, wherein the executing comprises:

8

determining, by the gsmSCF, that the call has been subject to routing control in accordance with the routing-controlled information;

9

sending, by the gsmSCF, a Continue message to the GMSC; and

10

sending, by the GMSC, to an HLR an SRI message carrying a suppress T-CSI parameter upon receipt of the Continue message to obtain an MSRN through standard call terminating procedures.“

11

Patentanspruch 9:

12

„9. A Circuit Switch, CS, domain call terminating system of call routing characterized in that the system is arranged for avoiding repeated routing control in a CS domain call terminating flow, comprising:

13

a GMSC adapted to receive routing-controlled information of a call carried in a received call initiation message, and provide a gsmSCF with the routing-controlled information of the call; and the gsmSCF, wherein

14

the gsmSCF is adapted to determine that the present call has been subject to routing control upon receipt of an Initial Detection Point message carrying the routing-controlled information, and issue a Continue message directly to the GMSC for CS domain interworking without executing a routing decision policy; and

15

the GMSC is adapted to send to an HLR a Sending Routing Information, SRI, message carrying a suppress Terminating-CAMEL Subscription Information, T-CSI, parameter upon receipt of the Continue message, and route the call to a VMSC for a called subscriber for connecting in accordance with routing information for the called subscriber, a Mobile Station Roaming Number, MSRN, returned from a Home Location Register, HLR.“

16

Patentanspruch 14:

17

„14. A network device in a communication network providing call routing characterized by the network device being arranged for avoiding repeated routing in a CS domain call terminating flow, comprising a GMSC, wherein the GMSC is configured for performing all the method steps of the GMSC in any of claims 1 to 8.“

18

Patentanspruch 15:

19

„15. A network device in a communication network providing call routing characterized by the network device being arranged for avoiding repeated routing in a CS domain call terminating flow, comprising a gsmSCF, wherein the gsmSCF is configured for performing all the method steps of the gsmSCF in any of claims 1 to 8.“

20

Wegen der auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 8 sowie der auf Patentanspruch 9 rückbezogenen Ansprüche 10 bis 13 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.

21

Mit der Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, das Streitpatent gehe in den Patentansprüchen 1 bzw. 9 über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sei daher unzulässig erweitert. Ebenfalls unzulässig sei die im Prüfungsverfahren vorgenommene Änderung der Beschreibung. Die unabhängigen Patentansprüche 14 und 15 seien gleichfalls von der ursprünglichen Anmeldung nicht gedeckt und im Übrigen mangels hinreichender Offenbarung auch nicht ausführbar. Darüber hinaus fehle den unabhängigen Ansprüchen die Patentfähigkeit, da sie durch den Stand der Technik vorweggenommen seien. Jedenfalls beruhten sie, wie auch die Unteransprüche, diesem gegenüber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

22

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zusätzlich vorgetragen, Patentanspruch 12, der in der erteilten Fassung auf Patentanspruch 9 rückbezogen sei, fehle es an der ursprünglichen Offenbarung.

23

Die Klägerin stützt ihr Vorbringen auf folgende Unterlagen:

24

VP-A EP 1 931 094 B1 - Streitpatentschrift

25

VP-B Registerauszug zum Streitpatent

26

VP-C Merkmalsanalyse erteilter Patentanspruch 1

27

VP-D Merkmalsanalyse erteilter Patentanspruch 9

28

VP-E Merkmalsanalyse erteilter Patentanspruch 14

29

VP-F Merkmalsanalyse erteilter Patentanspruch 15

30

VP-G englische Übersetzung der PCT-Anmeldung CN2006/002224

31

VP-1 3GPP TSG SA WG2 Architecture – VCC Ad hoc, 9.-11. August 2005, Washington, Title: IMS-controlled: Replacing Section 6.3.5.2: CS Termination

32

VP1-a Auszug aus der Interseite: http://www.3gpp.org/ftp/tsg_sa/WG2_Arch/Ad-hoc_meetings/2005-08-VCC_Washington/Docs/

33

VP-2 Technical Report 3GPP TR 23.806 V1.3.0 (2005-08)

34

VP-3 Technische Spezifikation 3GPP TS 23.078 V6.6.0 (2005-06)

35

VP-4 Technische Spezifikation 3GPP TS 29.078 7.0.0 (2005-06)

36

VP-5 Technische Spezifikation 3GPP TS 23.072 V6.0.0 (2004-12)

37

VP-6 Technische Spezifikation 3GPP TS 23.082 V6.0.0 (2004-12).

38

Die Klägerin beantragt,

39

das europäische Patent 1 931 094 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

40

Die Beklagte beantragt,

41

die Klage abzuweisen.

42

Auf die Ausführungen der Klägerin zur fehlenden Ursprungsoffenbarung von Anspruch 12 hat die Beklagte erklärt, sie verteidige ihr Patent nur noch in einer Fassung, die Anspruch 12 nicht enthalte; dieser werde gestrichen.

43

Die Beklagte tritt dem übrigen Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Dem Streitpatent fehle es weder an der Ausführbarkeit der technischen Lehre, noch sei das Streitpatent unzulässig erweitert, noch fehle ihm die Patentfähigkeit.

44

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Hinweis des Senats nach § 83 Abs. 1 PatG vom 12. Juni 2013 sowie auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt allen Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

45

Die zulässige Klage hat lediglich insoweit Erfolg, als das Streitpatent im Umfang von Patentanspruch 12, in dem es die Beklagte nicht mehr verteidigt, für nichtig zu erklären war. Im Übrigen liegen die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nach Art. 138 Abs. 1 Buchstabe a) bis c) EPÜ nicht vor. Weder fehlt es an der Ausführbarkeit der erfindungsgemäßen Lehre, noch geht der Gegenstand des Streitpatents, soweit er verteidigt wird, über die ursprüngliche Offenbarung hinaus. Es ist der Klägerin zudem nicht gelungen, den Senat vom Vorliegen des Nichtigkeitsgrundes der mangelnden Patentfähigkeit zu überzeugen.

I.

46

1. Das in englischer Sprache abgefasste Streitpatent betrifft das Gebiet der Kommunikationstechnologie, insbesondere ein CS-Domänen-Verbindungsabschluss-Verfahren, CS-Domänen-Verbindungsabschluss-System und Netzeinrichtungen hierfür (vgl. Streitpatent, Ansprüche 1, 9, 14 und 15 sowie Absatz [0001]). Insbesondere betrifft das Streitpatent das Routing eines Anrufs zwischen verschiedenen Domänen, wie z. B. der CS- (Circuit Switch) und der IMS- (IP Multimedia System) Domäne in einer UMTS-Telekommunikationsnetzeinrichtung (vgl. Streitpatent, Abs. [0002] bis [0011]).

47

Um das Problem der Vermittlung (Switching) zwischen zwei Domänen, wie der CS-Domäne und der IMS-Domäne, zu lösen, habe nach den Ausführungen in Abs. [0005] der Streitpatentschrift das 3GPP (3rd Generation Partnership Project) ein Forschungsprojekt zum Thema Service-Kontinuität zwischen einem CS-Anruf und einem VoIP-Dienst durch Zugriff auf IMS (IP Multimedia System) via IP-Connectivity Access Network (IP-CAN) eingerichtet. Der Kerngedanke des Vorschlags der 3GPP zur Lösung des Problems liege darin, dass ein Anruf/eine Session, der bzw. die entweder von der CS-Domäne oder der IMS-Domäne initiiert wurde, dem Application Server (AS) in der IMS-Domäne mitgeteilt wird, wobei der Application Server die Verankerungssteuerung (anchoring control) des Anrufs/der Session vornehme. Somit steuere der Application Server die anschließende Vermittlung des/der verankerten Anrufs/Session unabhängig vom Vorliegen einer anschließenden Domänen-Vermittlung von der CS-Domäne zur IMS-Domäne oder von der IMS-Domäne zur CS-Domäne.

48

Die Funktion des Routens eines Anrufs zu einer anderen Domäne werde als „Domain Selection Function“ (DSF, Domänen-Auswahl-Funktion) bezeichnet. In der CS-Domäne könne eine Entität mit der DSF-Funktion ein „Global System for Mobile Communication Service Control Function“ (gsmSCF) sein, und in der IMS-Domäne könne eine Entität mit der DSF-Funktion ein Application-Server (AS) sein, wobei die gsmSCF in der CS-Domäne in der gleichen physischen Entität wie der AS in der IMS-Domäne angeordnet sein könne (vgl. Streitpatent, Abs. [0008]).

49

Das Streitpatent stellt sich die Aufgabe, ein CS-Domänen-Verbindungsabschluss-System und -Verfahren sowie eine entsprechende Netzeinrichtung zur Verfügung zu stellen, mit dem sich eine wiederholte Routing-Steuerung in einem CS-Domänenanruf-Abschlussfluss durch Übermittlung von Routing-gesteuerten Informationen verhindern lässt, um so eine Verbindung eines Anrufs in der CS-Domäne zu ermöglichen, wodurch sich der CS-Domänenanruf-Abschlussfluss sowie die Möglichkeit eines domänenübergreifenden Anrufs verbessern lässt (vgl. Streitpatent, Abs. [0013]).

50

Zur Lösung des Problems schlägt das Streitpatent ein Verbindungsabschluss-Verfahren gemäß den Merkmalen von Anspruch 1, ein Verbindungsabschluss-System gemäß den Merkmalen von Anspruch 9 sowie Netzeinrichtungen in einem Kommunikationsnetz zur Bereitstellung von Anruf-Routing gemäß den Merkmalen der Ansprüche 14 und 15 vor.

51

Das Verfahren nach dem erteilten Patentanspruch 1 lässt sich in folgende Merkmale gliedern (deutsche Fassung kursiv):

52

1.1 A Circuit Switched, CS, domain call terminating method of call routing characterized in that the method is Anrufabschluss-Verfahren der leitungsvermittelten bzw. CS-Domäne zum Anruf-Routing, dadurch gekennzeichnet, dass

53

1.2 a method of avoiding repeated routing control in a CS domain call terminating flow, comprising: das Verfahren ein Verfahren zur Vermeidung wiederholter Routing-Steuerung in einem CS-Domänen-Anrufabschlussfluss ist, mit den folgenden Schritten:

54

1.3 receiving, by a GMSC, routing-controlled information of a call carried in a received call initiation message; Empfangen von Routing-gesteuerter Information eines Anrufs, die in einer empfangenen Anrufeinleitungsnachricht geführt wird, durch ein GMSC;

55

1.4 sending, by the GMSC, the routing-controlled information of the call to a gsmSCF; and Senden der Routing-gesteuerten Information des Anrufs durch das GMSC zu einer gsmSCF; und

56

1.5 executing, a subsequent call flow of the call in accordance with the received routing-controlled information, wherein the executing comprises: Ausführen eines nachfolgenden Anrufflusses des Anrufs gemäß der empfangenen Routing-gesteuerten Information, wobei das Ausführen folgendes umfasst:

57

1.5.1 determining, by the gsmSCF, that the call has been subject to routing control in accordance with the routing-controlled information; Bestimmen durch die gsmSCF, dass der Anruf einer Routing-Steuerung unterlag, gemäß der Routing-gesteuerten Information;

58

1.5.2 sending, by the gsmSCF, a Continue message to the GMSC; and Senden einer Continue-Nachricht durch die gsmSCF zu dem GMSC; und

59

1.5.3 sending, by the GMSC, to an HLR an SRI message carrying a suppress T-CSI parameter upon receipt of the Continue message to obtain an MSRN through standard call terminating procedures. Senden einer SRI-Nachricht durch das GMSC zu einem HLR, die einen T-CSI-Unterdrückungs-Parameter führt, beim Empfang der Continue-Nachricht, um eine MSRN durch Standard-Anrufabschlussprozeduren zu erhalten.

60

Das System nach dem erteilten Patentanspruch 9 lässt sich in folgende Merkmale gliedern (deutsche Fassung kursiv):

61

9.1 A Circuit Switch, CS, domain call terminating system of call routing characterized in that Anrufabschluss-System der leitungsvermittelten bzw. CS-Domäne zum Anruf-Routing, dadurch gekennzeichnet, dass

62

9.2 the system is arranged for avoiding repeated routing control in a CS domain call terminating flow, comprising: das System dafür ausgelegt ist, wiederholte Routing-Steuerung in einem CS-Domänen-Anrufabschlussfluss zu vermeiden, umfassend:

63

9.3 a GMSC adapted to receive routing-controlled information of a call carried in a received call initiation message, and ein GMSC, das dafür ausgelegt ist, Routing-gesteuerte Information eines Anrufs, die in einer empfangenen Anrufeinleitungsnachricht geführt wird, zu empfangen und

64

9.4 provide a gsmSCF with the routing-controlled information of the call; and the gsmSCF, einer gsmSCF die Routing-gesteuerte Information des Anrufs zuzuführen; und die gmsSCF,

65

9.5.1 wherein the gsmSCF is adapted to determine that the present call has been subject to routing control upon receipt of an Initial Detection Point message carrying the routing-controlled information, and wobei die gsmSCF dafür ausgelegt ist, zu bestimmen, dass der derzeitige Anruf einer Routing-Steuerung unterlag, wenn eine Initial Detection Point Nachricht empfangen wird, die die Routing-gesteuerte Information führt, und

66

9.5.2 issue a Continue message directly to the GMSC for CS domain interworking without executing a routing decision policy; and eine Continue-Nachricht direkt an das GMSC zum CS-Domänen-Interworking auszugeben, ohne eine Routing-Entscheidungsrichtlinie auszuführen, und

67

9.5.3 the GMSC is adapted to send to an HLR a Sending Routing Information, SRI, message carrying a suppress Terminating-CAMEL Subscription Information, T-CSI, parameter upon receipt of the Continue message, and route the call to a VMSC for a called subscriber for connecting in accordance with routing information for the called subscriber, a Mobile Station Roaming Number, MSRN, returned from a Home Location Register, HLR. das GMSC dafür ausgelegt ist, zu einem HLR eine der Sending Routing Information, SRI, Nachricht zu senden, die einen Unterdrückungs-Parameter der Terminating-CAMEL Subscription Information, T-CSI, führt, wenn die Continue-Nachricht empfangen wird, und den Anruf zu einem VMSC für einen angerufenen Teilnehmer zum Verbinden gemäß der Routing-Information für den angerufenen Teilnehmer, einer von einem Heimatregister HLR zurückgegebenen Mobile Station Roaming Number MSRN, zu routen.

68

Die Netzeinrichtung nach dem erteilten Patentanspruch 14 lässt sich in folgende Merkmale gliedern (deutsche Fassung kursiv):

69

14.1 A network device in a communication network providing call rouing characterized by Netzeinrichtung in einem Kommunikationsnetz zur Bereitstellung von Anruf-Routing, dadurch gekennzeichnet, dass

70

14.2 the network device being arranged for avoiding repeated routing in a CS domain call terminating flow, comprising a GMSC, die Netzeinrichtung dafür ausgelegt ist, wiederholtes Routing in einem CS-Domänen-Anrufabschlussfluss zu vermeiden, umfassend ein GMSC,

71

14.3 wherein the GMSC is configured for performing all the method steps of the GMSC in any of claims 1 to 8. wobei das GMSC dafür ausgelegt ist, alle Verfahrensschritte des GMSC in einem der Ansprüche 1 bis 8 auszuführen.

72

Die Netzeinrichtung nach dem erteilten Patentanspruch 15 lässt sich in folgende Merkmale gliedern (deutsche Fassung kursiv):

73

15.1 A network device in a communication network providing call routing characterized by Netzeinrichtung in einem Kommunikationsnetz zur Bereitstellung von Anruf-Routing, dadurch gekennzeichnet, dass

74

15.2 the network device being arranged for avoiding repeated routing in a CS domain call terminating flow, comprising a gsmSCF, die Netzeinrichtung dafür ausgelegt ist, wiederholtes Routing in einem CS-Domänen-Anrufabschlussfluss zu vermeiden, umfassend eine gsmSCF,

75

15.3 wherein the gsmSCF is configured for performing all the method steps of the gsmSCF in any of claims 1 to 8. wobei die gsmSCF dafür ausgelegt ist, alle Verfahrensschritte der gsmSCF in einem der Ansprüche 1 bis 8 auszuführen.

76

2. Der Gegenstand des Streitpatents richtet sich an einen Diplomingenieur der Fachrichtung Nachrichtentechnik mit Schwerpunkt auf dem Gebiet der Signalverarbeitung in Mobilfunksystemen, der mehrjährige Berufserfahrung im Rahmen der Implementierung von Anruf-Routingverfahren besitzt. Diesem Fachmann sind die Standards auf diesem Fachgebiet bekannt.

77

3. Ausgehend vom Fach- und Erfahrungswissen dieses Fachmanns ergibt die Auslegung der Patentansprüche Folgendes:

78

Unter einer CS-Domäne („CS domain“) versteht der Fachmann alle Hardware- und Softwareelemente des Kernnetzes („Core Network (CN)“) eines Mobilfunksystems, die zur Bereitstellung von Durchschaltevermittlungsdiensten (Circuit Switched Services) und der zugehörigen Signalisierung benötigt werden.

79

Ein GMSC („Gateway Mobile Switch Center“) ist eine volldigitale Vermittlungsstelle im Mobilfunknetz und besitzt neben der Funktion als Schnittstelle zwischen dem Funknetz (Base Station Subsystem, BSS) und dem Telefon-Festnetz zusätzlich Schnittstellen zu anderen Telefonnetzen, z. B. zu anderen Mobilfunknetzen. Eine Routing-gesteuerte Information („routing-controlled information“) zeigt an, dass ein Anruf Gegenstand einer Routingsteuerung war (vgl. Streitpatent, Abs. [0013], Z. 50 bis 52). Bei dieser Information kann es sich beispielsweise um die CS Domain Routing Number (CSRN) oder um ein einzelnes Identifikations-Bit handeln, welches angibt, das der Anruf bereits Gegenstand eines Routings war (vgl. Streitpatent Sp. 10, Z. 28 und Z. 39 bis 41). Bei der MSISDN („Mobile Station Integrated Services Digital Network Number“), der weltweit eindeutigen Rufnummer, die ein Anrufer wählt, um einen Mobilfunkteilnehmer zu erreichen, handelt es nicht um Routing-gesteuerte Information (vgl. Streitpatent, Abs. [0042], Z. 37 bis 50).

80

Unter einer gsmSCF („Global System for Mobile communications-Service Control Function“) versteht der Fachmann eine Netzwerkentität mit einer Domain Routing Funktionalität (vgl. Streitpatent, Abs. [0032]). Ein aus mehreren Schritten bestehender Anruffluss („call flow“) soll gemäß der Routing-gesteuerten Information durchgeführt werden (Merkmal 1.5). Zunächst wertet die gsmSCF an Hand der Routing-gesteuerten Information aus, ob der Anruf einer Routing-Steuerung unterlag (Merkmal 1.5.1). Anschließend wird durch die gsmSCF eine Continue-Nachricht an das GMSC gesendet (Merkmal 1.5.2). Die GMSC sendet daraufhin eine „Send Routing Information“-Nachricht (SRI-message), die als Reaktion auf den Empfang einer Continue-Nachricht gesendet wird und einen Unterdrückungs-T-CSI Parameter („suppress T-CSI-Parameter; T-CSI = „Terminating - CAMEL Subscription Information“) beinhaltet, an ein Home Location Register („HLR“), um eine Mobile Station Roaming Number („MSRN“), d. h. eine Nummer zur Identifikation einer Mobilstation („MS“), zu erhalten (Merkmal 1.5.3).

81

Bei dem Home Location Register („HLR“) handelt es sich um eine (verteilte) Datenbank, welcher zentrale Bestandteil eines Mobilfunknetzes ist. Es gilt als Heimatregister einer Mobilfunknummer, wobei jede innerhalb eines Netzes registrierte Mobilstation und deren zugehörige Mobilfunknummer in der Datenbank gespeichert ist.

II.

82

Nachdem die Patentinhaberin das Streitpatent vor dem Bundespatentgericht nur mehr in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang verteidigt, ist dieses, soweit darüber hinausgehend, ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären (vgl. BGH GRUR 2007, 404 ff., TZ. 15 – Carvedilol II m. w. N.). Im Übrigen erweist sich das Streitpatent in seinem zuletzt verteidigten und aus dem Tenor ersichtlichen Umfang als rechtsbeständig. Insoweit war die Klage daher abzuweisen.

83

1. Soweit die Klägerin geltend macht, der Gegenstand des Streitpatents in der verteidigten Fassung gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Art. 138 (1) lit. c EPÜ), basiert ihre Argumentation auf folgenden drei Aspekten:

84

· Erstens sei das in die nebengeordneten Patentansprüche aufgenommene Merkmal, wonach eine wiederholte Routing-Steuerung in einem CS-Domänen-Anrufabschlussfluss vermieden werden soll (vgl. Merkmale 1.2, 9.2, 14.2 und 15.2), nur in Verbindung mit dem zum Prioritätszeitpunkt bekannten Stand der Technik und nicht als Merkmal der Erfindung offenbart.

85

· Zweitens sei die Beschreibung im Erteilungsverfahren dahingehend erweitert worden, dass der Absatz [0012] aus dem Beschreibungsteil für den Stand der Technik der ursprünglichen Unterlagen als Absatz [0042] in den Beschreibungsteil der Patentschrift verschoben wurde, der mit der Überschrift „Detailed Description of the Invention“ gekennzeichnet ist.

86

· Drittens seien die unabhängigen Patentansprüche 14 und 15 von der ursprünglichen Anmeldung nicht gestützt, da der ursprüngliche Patentanspruch 19 zwei Netzwerkeinrichtungen („a routing-controlled determination module“ und „a subsequent call flow control module“) umfasse, die in Wechselwirkung zueinander stünden.

87

Eine unzulässige Erweiterung gegenüber der Ursprungsoffenbarung liegt dann vor, wenn mit der Änderung der Gegenstand der Anmeldung erweitert wird, d. h. ein Gegenstand definiert wird, der nicht Inhalt der ursprünglichen Anmeldung war. Zum Offenbarungsgehalt einer Patentanmeldung gehört im Zusammenhang mit der Frage, ob eine unzulässige Erweiterung vorliegt, nur das, was den ursprünglich eingereichten Unterlagen „unmittelbar und eindeutig“ zu entnehmen ist, nicht hingegen eine weitergehende Erkenntnis, zu der der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder durch Abwandlung der offenbarten Lehre gelangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 – Xa ZR 124/07 – Fälschungssicheres Dokument).

88

1.1 Aus der Zusammenfassung der Erfindung („Summary of the Invention“) in der ursprünglichen Beschreibung geht hervor, dass es Aufgabe der Erfindung sei, ein CS-Domänen-Verbindungsabschluss-System und -Verfahren sowie eine entsprechende Netzeinrichtung zur Verfügung zu stellen, mit dem sich eine wiederholte Routing-Steuerung in einem CS-Domänenanruf-Abschlussfluss verhindern lässt (vgl. VP-G, Abs. [0013], „An object of the invention is to provide a CS domain call terminating system, method and network device, which avoid repeated routing control in a CS domain call terminating flow”). Durch die im Anschluss folgende Beschreibung (vgl. VP-G, Abs. [0014] bis [0053]) werden die beanspruchten Erfindungsgegenstände näher erläutert und es wird nochmals dargelegt, dass dadurch eine wiederholte Routingsteuerung vermieden wird (vgl. VP-G, Abs. [0054], „As can be seen from the above descriptions of the solutions that in the invention, …, thereby avoiding the phenomenon of repeated routing control”, in Verbindung mit den Ansprüchen 11 bis 19). Die Merkmale gehen somit zur Überzeugung des Senats unmittelbar und eindeutig als zur Erfindung gehörig aus den ursprünglichen Unterlagen hervor.

89

1.2 Soweit die Klägerin vorträgt, das Streitpatent sei für nichtig zu erklären, da die Beschreibung des Streitpatents dahingehend erweitert sei, dass der Absatz [0012] aus dem Beschreibungsteil für den Stand der Technik der ursprünglichen Unterlagen als Absatz [0042] in den Beschreibungsteil der Patentschrift verschoben wurde, der mit der Überschrift „Detailed Description of the Invention“ gekennzeichnet ist, so kann dies nicht durchgreifen. Denn selbst eine Passage in der Beschreibung, die nicht Inhalt der ursprünglichen Unterlagen gewesen wäre, könnte nur dann den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung begründen, wenn deren Berücksichtigung bei der Auslegung der Patentansprüche des erteilten Patents zu einem veränderten Verständnis der darin verwendeten Begriffe oder des geschützten Gegenstands führt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 2009 - X ZR 28/06 – „Hubgliedertor II“). Da aber aus dem Wortlaut des Absatzes [0042] unmittelbar hervorgeht, dass hier die Nachteile der bisher vorgeschlagenen Lösung beschrieben werden, welche im Rufablauf zu einem wiederholten Routing führt, was ja gemäß der Aufgabenstellung gerade verhindert werden soll (s. o.), führt diese Passage zur Überzeugung des Senats bezüglich der Auslegung der Patentansprüche zu keiner Veränderung gegenüber der ursprünglichen Offenbarung.

90

Der Meinung der Klägerin, dass sich durch diese Verschiebung des Absatzes eine Auslegung der Patentansprüche dahingehend ergeben könnte, dass auch die Übermittlung der MSISDN als Routing-gesteuerte Information unter den Wortlaut des Patentanspruchs fallen könnte, kann sich der Senat jedoch nicht anschließen. In Absatz [0042] ist gerade die Übermittlung des MSISDN als nachteilig beschrieben, da für diesen Fall bei Empfang der IDP-Nachricht, die die MSISDN als Parameter enthält, von der Domain Selection Function (DSF) nicht festgestellt werden könne, dass der Anruf bereits verankert sei, was zu einer wiederholten Routing-Steuerung führe (vgl. Streitpatent Abs. [0042], Z. 37 bis 50).

91

1.3 Die Klägerin trägt im 3. Aspekt vor, dass im ursprünglichen Patentanspruch 19 die beiden Netzeinrichtungen nur zusammen und nicht jeweils für sich alleine beansprucht werden und auch in der Beschreibung (Absätze [0054] und [0031] bis [0034]) diese nur in Wechselwirkung beschrieben werden, so dass die Gegenstände der Patentansprüche 14 und 15 für sich nicht offenbart seien, da sie das beschriebene Problem alleine nicht lösen könnten. Entgegen der Ansicht der Klägerin geht durch die Bestimmung in den Patentansprüchen 14 und 15, dass die Vorrichtungen geeignet sein müssen, die Verfahrensschritte der Patentansprüche 1 bis 8 durchzuführen, unmittelbar hervor, dass zur Durchführung des Verfahrens beide Netzweinrichtungen vorhanden sein müssen und in Wechselwirkung stehen. Damit sind diese Netzeinrichtungen zur Überzeugung des Senats auch im Kontext der ursprünglichen Unterlagen offenbart (vgl. VP-G, Abs. [0054]).

92

2. Aus den obigen Ausführungen zur Offenbarung der Gegenstände der Patentansprüche 14 und 15 ergibt sich zur Überzeugung des Senats unmittelbar, dass die von der Klägerin angegriffene Ausführbarkeit der Erfindung zweifelsfrei gegeben ist.

93

3. Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 gilt als neu (Art. 54 EPÜ), denn keine der entgegengehaltenen Druckschriften lehrt ein Anrufabschlussverfahren mit allen Merkmalen des verteidigten Patentanspruchs 1.

94

3.1 Der Technische Bericht VP-2 („Technical Report TR 23.806 V1.3.0“), bei dem es sich, wie auch die Klägerin vorgetragen hat, um den nächstkommenden Stand der Technik handelt, offenbart ein Anrufabschlussverfahren der CS-Domäne zum Anruf-Routing (vgl. Seite 25, Abschnitt 6.2a.3.2, „CS termination“; Merkmal 1.1).

95

Das Ausführungsbeispiel nach der Figur 6.2a.3.2-5 (vgl. VP-2, S. 30) beschreibt, wie Signalisierungs- und Trägerpfade für Anrufe aus der CS-Domäne in Richtung CS-IMS Nutzern eingerichtet werden, wenn ein Roaming des Nutzers in der CS-Domäne stattfindet (vgl. VP-2, Seite 30, Kapitel 6.2a.3.2.3.2.2.3, 1. Absatz). Gemäß dem Ablauf nach Schritt 9 der Figur 6.2a.3.2-5 in Verbindung mit Seite 31, Aufzählungspunkt 10, empfängt eine GMSC eine Anrufeinleitungsnachricht (IAM; Merkmal 1.3 teilw ). Die Anrufeinleitungsnachricht beinhaltet eine dynamische Routing-Nummer CSRN, die zum Routen in die CS-Domäne verwendet wird (vgl. VP-2, Figur 6.2a.3.2-5, „IAM(CSRN)“; S. 28, 1. Abs. „CSNR: Dynamic routing number used for routing into CS Domain“), mithin eine Routing-gesteuerte Information (Merkmal 1.3 rest ). Bevor die GMSC im Anschluss an den Empfang der IAM-Nachricht eine SRI-Nachricht an das Home Location Register (HLR) sendet, nutzt die GMSC die Routing-Nummer CSRN um die eindeutige Rufnummer MSISDN aus dieser zu ermitteln (vgl. S. 31, Aufzählungspunkt 10).

96

Im Schritt 11 der Figur 6.2a.3.2-5 sendet die GMSC eine Nachricht (InitialDP) an eine gsmSCF, die Teil von CCCF/NeDS ist (vgl. auch Aufzählungspunkt 11 der Beschreibung S. 31; Merkmal 1.4 teilw ). Über den Inhalt dieser Nachricht enthält die VP-2 keine Angaben, insbesondere geht nicht hervor, dass Routing-gesteuerte Information enthalten wäre und an die gmsSCF gesendet würde (somit Merkmal 1.4 rest nicht). Im Folgenden wird ab Schritt 12 gemäß der Figur 6.2a.3.2-5 im gmsSCF eine entsprechende Service-Logik („appropriate service logic“) aufgerufen und ein nachfolgender Anruffluss ausgeführt (VP-2, S. 31, Aufzählungspunkt 11; Merkmal 1.5 teilw ). Bezüglich des anschließenden Ablaufs innerhalb der Service-Logik können der VP-2 keine Angaben entnommen werden, mithin ist auch nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass dieser Anruffluss gemäß empfangener Routing-gesteuerter Information erfolgt (Merkmal 1.5 Rest nicht), und dass die gsmSCF an Hand (von der GMSC empfangener) Routing-gesteuerter Information bestimmt, dass der Anruf Routing-Steuerung unterlag (Merkmal 1.5.1 nicht). Gemäß dem Anruffluss ab Schritt 12 sendet die gmsSCF eine Continue-Nachricht an die GMSC (vgl. Figur 6.2a.3.2-5, „12. Continue“; vgl. S. 31 Absatz nach Aufzählungspunkt 11; Merkmal 1.5.2), die in Reaktion auf den Empfang der Continue-Nachricht eine SRI-Nachricht mit einem Unterdrückungs-T-CSI-Parameter zu einem Home Location Register (HLR) sendet und als Antwort eine MSRN mittels Standard-Anrufabschlussprozeduren erhält (vgl. Figur 6.2a.3.2-5, „SRI(Suppress T-CSI)“; „PRN/PRNAck (MSRN)“; S. 31 Absatz nach Aufzählungspunkt 11: „…normal processings to route…“; Merkmal 1.5.3). Der Offenbarungsgehalt der Figuren 6.2a.3.2-3 und 6.2a.3.2-4 der VP-2 (vgl. S. 28 und 29) geht nicht über den der Figur 6.2a.3.2-5 hinaus.

97

Selbst wenn man das Merkmal 1.2 bei der Prüfung auf Patentfähigkeit nicht berücksichtigt, da es zur Überzeugung des Senats kein unmittelbares Merkmal des unter Schutz gestellten Verfahrens darstellt, welches dieses Verfahren bestimmt, sondern lediglich ein zu erreichendes Ziel bzw. einen Zweck beschreibt, so kann, abweichend vom Verfahren nach Patentanspruch 1 des Streitpatents, der Druckschrift VP-2 nicht unmittelbar und eindeutig entnommen werden, dass

98

· Routing-gesteuerte Information an die gsmSCF gesendet wird (Merkmal 1.4 rest ),

99

· der Anrufabfluss nach Merkmal 1.5 gemäß der Routing-gesteuerten Information durchgeführt wird, (Merkmal 1.5 rest ), und

100

· die gsmSCF gemäß der Routing-gesteuerten Information bestimmt, dass der Anruf einer Routing-Steuerung unterlag (Merkmal 1.5.1).

101

Entgegen dem Vortrag der Klägerin, der Fachmann würde an Hand des Ablaufes gemäß Schritt 12 der Figur 6.2a.3.2-5 (Senden der Continue-Nachricht von CCCF/NeDS an das GMSC) sofort unmittelbar und eindeutig erkennen, dass hierfür erforderlich sei, dass die gsmSCF mit der InitialDP-Nachricht Routing-gesteuerte Information erhalte, diese auswerte und somit der Verfahrensablauf genau gemäß dem Streitpatent erfolge, um damit ein wiederholtes Routing zu vermeiden, spricht die VP-2 an keiner Stelle das Problem des wiederholten Routings an. Es ist der Druckschrift lediglich zu entnehmen, dass die gsmSCF eine „Camel Continue message“ an das GMSC schickt, um zum normalen Prozessablauf zurückzukehren, um den Anruf zu routen (vgl. VP-2, S. 31, Absatz nach Aufzählungspunkt 11, „The gsmSCF function of NeDS returns a CAMEL Continue message to the GMSC to revert to normal processing to route the call …“). Auch der Verweis der Klägerin auf das für den Fachmann präsente Fachwissen, wonach die InitialDP-Nachricht die „Called Party Number“ aus der an die GMSC gerichteten IAM-Nachricht enthalte und es sich für den Fachmann bei der „Called Party Number“ zwangslos um die CSRN handeln müsse, kann nicht überzeugen, denn gemäß der VP-2 wird in diesem Zusammenhang in Schritt 10 der Figur 6.2a.3.2-5 (vgl. auch Seite 31 Aufzählungspunkt 10) die Ermittlung der für den weiteren Verfahrensablauf notwendigen MSISDN, mithin der weltweit eindeutigen Mobilfunknummer eines Anrufteilnehmers, beschrieben, was für den Fachmann auf die Verwendung dieser Information als „Called Party Number“ deutet. Aus der Sicht des Fachmanns ist es somit für die Ausführung der dort beschriebenen Lehre keinesfalls selbstverständlich, die CSNR in der InitialDP-Nachricht zu verwenden (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07 - Olanzapin). Das Verfahren gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 ist zur Überzeugung des Senats damit neu gegenüber der Druckschrift VP-2.

102

3.2 Gleiches gilt auch gegenüber dem Stand der Technik, wie er durch die Druckschrift VP-1 vermittelt wird (3GPP TSG SA WG2 Architecture - VCC Ad hoc), da die VP-1 in den wesentlichen Teilen denselben technischen Sachverhalt wie die VP-2 beschreibt. In dieser Druckschrift VP-1 wird sogar explizit darauf hingewiesen, dass in der GMSC, vor dem Senden der SRI-Abfrage in Schritt 5 des Ablaufes nach Figur 1, die CSRN durch die MSISDN ersetzt wird (vgl. S. 1, Tabelle 1, Spalte 4, „CSRN replaced at GMSC with MSISDN prior to SRI-Query“; S. 2, Fig. 1, Schritt 5).

103

3.3 Die Druckschriften VP-3 (Technische Spezifikation 3GPP TS 23.078 V6.6.0 (2005-06)) und VP-4 (Technische Spezifikation 3GPP TS 29.078 7.0.0 (2005-06)), offenbaren kein Anrufabschlussverfahren der leitungsvermittelten bzw. CS-Domäne zum Routen eines Anrufs. Sie wurden seitens der Klägerin im Rahmen des Verfahrens zudem lediglich zum Nachweis des präsenten Fachwissens des Fachmanns herangezogen.

104

Gemäß der Druckschrift VP-3 wird in einer InitialDP-Nachricht neben weiteren Parametern eine „Called Party Number“ übertragen, die dazu benutzt wird, den angerufenen Teilnehmer in Vorwärtsrichtung zu identifizieren (vgl. S. 458, „Called Party Number: This IE contains the number used to identify the called party in the forward direction.“).

105

Der Druckschrift VP-4 ist zu entnehmen, dass die „Called Party Number“ aus einer IAM-Nachricht auf den Parameter „Called Party Number“ der InitialDP-Nachricht gemapped wird (vgl. S. 210, Tabelle A.1).

106

Die Druckschrift VP-5 bzw. VP-6 betreffen den Informationsfluss für Rufumleitung („call deflection“) und Rufweiterleitung („call forwarding“) (vgl. jeweils Titel).

107

Diese Druckschriften VP-3 bis VP-6 stellen für sich die Neuheit des verteidigten Verfahrens nach Patentanspruch 1 daher nicht in Frage. Dies hat die Klägerin auch nicht geltend gemacht.

108

4. Das Anrufabschlussverfahren nach dem verteidigten Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ).

109

4.1 Ausgehend von der Druckschrift VP-2, der unterschiedliche Ausführungsbeispiele für das Verankern eines Anrufs in der CS-Domäne (vgl. Figuren 6.2a.3.2-3 bis 5) entnehmbar sind, stellt sich dem Fachmann das Problem, ein CS-Domänen-Verbindungsabschlussverfahren zur Verfügung zu stellen, mit dem sich eine wiederholte Routing-Steuerung verhindern lässt, nicht, denn es ist in der Druckschrift VP-2 an keiner Stelle davon die Rede, dass es zu diesem Problem kommen könnte und dies durch bestimmte Maßnahmen verhindert werden müsse. Der Fachmann hatte deshalb keine Veranlassung, von dem ihm auf Grund seines Fachwissens und dem Stand der Technik bekannten Vorgehen bei der Nachrichtenübermittlung für den Rufaufbau in einer CS-Domäne abzuweichen.

110

Das dem Fachmann diesbezüglich bekannte Vorgehen wird in den Druckschriften VP-3 und VP-4 beschrieben. Beide Druckschriften wurden ein Jahr vor der Druckschrift VP-2 veröffentlicht und befassen sich mit der reinen CS-Telefonie (vgl. z. B. VP-3, S. 20, Scope: „CAMEL applicability to IP-based multimedia Services is introduced in the fourth phase of the CAMEL. It is specified in 3GPP TS 23.278“). Ein Anrufabschluss zwischen der CS- und der IP-Domäne ist nicht Gegenstand dieser Druckschriften, mithin wird eine Routing-gesteuerte Information im Sinne des Streitpatents darin nicht erwähnt. Gemäß der Druckschrift VP-3 wird in einer InitalDP-Nachricht, beispielsweise in Schritt 2 und Schritt 11 des Ausführungsbeispiels für einen Anruf aus der CS-Domäne nach der Figur 6.2a.3.2-5 der Druckschrift VP-2, die „Called Party Number“, eine Nummer, die den Angerufenen in Vorwärtsrichtung eindeutig identifiziert, als Informationselement übergeben (vgl. VP-3, S. 457, „This IE contains the number used to identify the called party in the forward direction.“). Die „Called Party Number“ wird gemäß der Druckschrift VP-4 von der empfangenen IAM-Nachricht (vgl. VP-2, Schritt 1 in Fig. 6.2a.3.2-5) auf die InitialDP-Nachricht abgebildet (vgl. VP-4, S. 210, Tabelle 1 „Mapping between CAP and ISUP“). Mithin handelt es sich aus fachmännischer Sicht in Schritt 1 des Ausführungsbeispiels gemäß Figur 6.2a.3.2-5 der Druckschrift VP-2 bei der „Called Party Number“ um die MSISDN, die weltweit eindeutige Rufnummer, die ein Anrufer wählt, um einen Mobilfunkteilnehmer zu erreichen. Der Fachmann wird auch in Schritt 11 des Ablaufs nach der Figur 6.2a.3.2-5 der VP-2 auf die MSISDN als „Called Party Number“ zurückgreifen, da diese für den weiteren Verfahrensablauf notwendige MSISDN unmittelbar nach dem Empfang der IAM-Nachricht aus der CSRN ermittelt wird (vgl. VP-2, S. 31, Aufzählungspunkt 10, „GMSC uses the CSRN in the incoming IAM message to discover user's MSISDN via an Intelligent Network service or translation techniques prior to performing SRI Query toward the HLR.”). Ein Hinweis oder eine Anregung, von diesem Vorgehen abzuweichen und statt der MSISDN die CSRN zu übergeben, kann der Druckschrift VP-2 nicht entnommen werden.

111

Der Meinung der Klägerin, für den Fachmann sei klar, dass als „Called Party Number“ die CSRN aus der IAM-Nachricht und somit eine Routing-gesteuerte Information in die InitialDP-Nachricht übernommen werden müsse, da als Folge der InitialDP von der CCCF/NeDS (mit gsmSCF-Funktionalität) ansonsten eine Connect-Nachricht wie in Schritt 3 der Figur 6.2a.3.2-5 und keine Continue-Nachricht gesendet würde und es so zu einem wiederholten Routing käme, kann sich der Senat nicht anschließen. Denn selbst wenn der Fachmann erkennen würde, dass es mit der Verwendung der MSISDN als „Called Party Number“ zu wiederholtem Routing kommt, so kann er weder den einzelnen Druckschriften noch einer Zusammenschau derselben einen Hinweis oder eine Anregung entnehmen, dass die Übermittlung der CSRN dieses Problem lösen könnte.

112

Die weiteren Druckschriften VP-5 und VP-6 tragen in Bezug auf das Zugrundeliegen einer erfinderischen Tätigkeit nichts Zusätzliches bei und haben insoweit in der mündlichen Verhandlung auch keine Rolle gespielt.

113

Um ausgehend von der Druckschrift VP-2 zu dem Verfahren nach dem verteidigten Patentanspruch 1 zu gelangen, müsste der Fachmann zunächst erkennen, dass es bei Übertragung der InitialDP-Nachricht ohne routing-gesteuerte Information in Schritt 11 der Figur 6.2a.3.2-5 zwangsläufig zu einem wiederholten Routing kommt und weiter, dass dies – entsprechend dem verteidigten Patentanspruch 1 – durch die Übertragung der CSRN in der InitialDP-Nachricht und der Auswertung dieser Information in der gmsSCF verhindert werden kann. Die Realisierung eines derart dezidierten, wie dargelegt vom Stand der Technik nicht angeregten, Anrufabschlussverfahrens mit Übermittlung von routing-gesteuerter Information von der GMSC an die gsmSCF verlässt zur Überzeugung des Senats den Bereich fachmännischen Handelns und begründet eine erfinderische Tätigkeit.

114

4.2 Gleiches gilt auch gegenüber dem Stand der Technik, wie er nach der Druckschrift VP-1 vermittelt wird, da die VP-1 in den wesentlichen Teilen denselben technischen Sachverhalt wie die VP-2 beschreibt. Bezüglich eines über die Druckschrift VP-2 hinausgehenden Offenbarungsgehalts hat die Klägerin auch nichts vorgetragen. Ob die Druckschrift VP-1 im patentrechtlichen Sinn vorveröffentlicht ist, was von der Beklagten bestritten wird, kann dahinstehen, da sie sich selbst bei zugunsten der Klägerin unterstellter Vorveröffentlichung nicht als patenthindernd erweist.

115

5. Der Patentanspruch 9 hat in der Sache nichts anderes als die Formulierung der im Patentanspruch 1 als Verfahrensanspruch niedergelegten Lehre in Form eines Vorrichtungsanspruchs zum Gegenstand. Die Gesichtspunkte, die der Schutzfähigkeit von Patentanspruch 1 zugrunde liegen, gelten daher für Patentanspruch 9 gleichermaßen. Von der Patentfähigkeit der Ansprüche 1 und 9 werden auch die angegriffenen Unteransprüche mitgetragen. Da die Netzeinrichtungen gemäß der nebengeordneten Patentansprüche 14 und 15 dafür ausgelegt sein müssen, das Verfahren nach den verteidigten Patentansprüchen 1 bis 8 auszuführen, sind auch diese patentfähig.

III.

116

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 2 ZPO.

117

Der Senat hat der Klägerin die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt, da die Streichung des Patentanspruchs 12 den Gegenstand des Streitpatents nur geringfügig einschränkt und zwar in einem anteiligen Verhältnis kleiner als 1/10. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.