Entscheidungsdatum: 10.04.2013
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent 1 005 726
(DE 699 12 075)
hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2013 durch den Vorsitzenden Richter Gutermuth, die Richterin Martens sowie die Richter Dipl.-Ing. Gottstein, Dipl.-Ing. Kleinschmidt und Dipl.-Ing. Musiol
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 005 726 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 005 726 (Streitpatent), das am 31. März 1999 angemeldet wurde und die Bezeichnung „Turboenkoder/Dekoder und von der Servicequalität (QoS) abhängiges Rahmenverarbeitungsverfahren“ trägt. Das in der Verfahrenssprache Englisch abgefasste Streitpatent nimmt die Priorität der koreanischen Anmeldung KR 9811380 vom 31. März 1998 in Anspruch. Es wird vom Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen 699 12 075 geführt und umfasst 25 Patentansprüche, die alle mit der Nichtigkeitsklage angegriffen sind.
Die unabhängigen Vorrichtungsansprüche 1 und 20 sowie die nebengeordneten Verfahrensansprüche 14 und 25 haben nach der Streitpatentschrift EP 1 005 726 B1 in der Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:
Patentanspruch 1:
„1. An encoder for a mobile communication system comprising:
a central processing unit (46) for determining a number of consecutive input frames required to combine a super frame, according to quality of service QoS parameter which at least includes information that can define input frame length;
and
a turbo encoder for turbo encoding the determined number of consecutive input frames.“
Patentanspruch 14:
„14. A channel encoding method for a mobile communication system, comprising the steps of:
determining the number of consecutive input frames required to assemble a super frame, according to a quality of service QoS parameter;
and
turbo encoding the super frame data size units determined by combined input frame number of consecutive input frames.“
Patentanspruch 20:
„20. A decoder for a mobile communication system comprising:
a turbo decoder (116) for turbo decoding data being received as a super frame, wherein said super frame is combined as a plurality of consecutive original data frames; and
a frame recombiner (118) for recombining an output of the turbo decoder (116) into the plurality of data frames in accordance with message information about the number of original frames constituting said super frame.“
Patentanspruch 25:
„25. A Channel decoding method for a mobile communication system, comprising the steps of:
turbo decoding data being received by a super frame, wherein said super frame is combined as a plurality of consecutive original data frames; and
recombining the turbo decoded data into the plurality of consecutive original input data frames in accordance with message information about the number of the frames constituting said super frame.“
In der deutschen Übersetzung lauten die Ansprüche 1 und 14 wie folgt:
„1. Encoder für ein mobiles Kommunikationssystem, der umfasst:
eine Zentraleinheit (46) zum Bestimmen einer Anzahl von aufeinanderfolgenden Eingangs-Frames, die erforderlich ist um einen Super-Frame zu kombinieren, gemäß einem Quality-of-Service-QoS-Parameter, der mindestens eine Information aufweist, die eine Eingangs-Frame-Länge definieren kann; und
einen Turbo-Codierer für Turbo-Codieren der bestimmten Anzahl von aufeinanderfolgenden Eingangs-Frames.“
„14. Kanal-Codierungsverfahren für ein mobiles Kommunikationssystem, das die Schritte umfasst:
Bestimmen der Anzahl von aufeinanderfolgenden Eingangs-Frames, die erforderlich ist um einen Super-Frame zusammenzusetzen, gemäß einem Quality-of-Service-QoS-Parameter; und
Turbo-Codieren der Super-Frame-Daten-Größe-Einheiten, die durch eine kombinierte Eingangs-Frame-Anzahl von aufeinanderfolgenden Eingangs-Frames bestimmt sind.“
Wegen des Wortlauts der übrigen Patentansprüche wird auf die Streitpatentschrift (EP 1 005 726 B1) Bezug genommen.
Die Klägerin macht als Nichtigkeitsgründe geltend, das Streitpatent offenbare die Erfindung nicht in einer Weise ausreichend deutlich und vollständig, dass sie ein Durchschnittsfachmann ausführen könne. Sein Gegenstand sei zudem unzulässig über den Umfang der ursprünglichen Offenbarung hinaus erweitert. Ihm fehle auch im Hinblick auf Art. 52 bis 57 EPÜ die Patentfähigkeit, wobei zu berücksichtigen sei, dass das Streitpatent die Priorität der koreanischen Anmeldung nicht wirksam in Anspruch nehmen könne.
Die Klägerin stützt ihr Vorbringen auf folgende Unterlagen:
NK1 EP 1 005 726 B1 (Streitpatent)
NK1‘ markierte Version des Streitpatents
NK2 DE 699 12 075 T2
NK3 Merkmalstabellen gemäß den Ansprüchen 1, 14, 20 und 25
NK4 US 5,446,747
NK5 Valenti, Wörner: “Variable Latency Turbo Codes for Wireless Multimedia Applications”, Proceedings of the International Symposium on Turbo Codes & Related Topics, Brest, 1997
NK6 Woodard et. al: “Turbo Coded Orthogonal Frequency Division Multiplex Transmission of 8 kbps Encoded Speech”, Aalborg, 1997
NK7 Lettieri et. al., “Adaptive Frame Length Control for Improving Wireless Link Throughput, Range, and Energy Efficiency”, 1998
NK8 Jung et. al.: “Advances on the application of turbo-codes to data services in third generation mobile networks”, Proceedings of the International Symposium on Turbo Codes & Related Topics, Brest, 1997.
NK9 Narayanan et. al.: “Physical Layer Design for Packet Data over IS-136”, Vehicular Technology Conference, 1997
NK10 Rollenauszüge zum Streitpatent
NK11 TSGR#2(99)126, 3GPP (S1.12) V0.1.0 1999-2, „3GPP FDD, multiplexing, channel coding and interleaving description;“
NK11-2 Datenindex des ETSI FTP Server
NK12 englische Übersetzung vom 4. November 1999 der koreanischen Prioritätsanmeldung KR 9811380
NK12a‘ englische Übersetzung vom 18. Juni 2012 der koreanischen Prioritätsanmeldung KR 9811380
NK12‘ markierte Version der ursprünglichen Anmeldung WO 99/50963
NK12‘‘ markierte Version der NK12
NK13 Vergleich zwischen der Beschreibung der Priorität und Beschreibung des Patents
NK14 Bömer et. al.: “A CDMA Radio Link with ‘Turbo-Decoding': Concept and Performance Evaluation”, IEEE 1995
NK15 Almulhem et. al.: “Adaptive Error Correction for ATM Communications using Reed-Solomon Codes”, IEEE 1996
NK16 US 5,319,707
NK17 Erwiderung der Nichtigkeitsbeklagten im parallelen Verletzungsverfahren
NK18 NK8 mit Markierungen (Jung I)
NK19 Berrou et. al.: “NEAR SHANNON LIMIT ERROR – CORRECTING CODING AND DECODING. TURBO-CODES (1)” Proc. ICC'93. Geneva. 1993, Seiten 1064-1070 (“Berrou I”)
NK20 Hagenauer et. al.: “Iterative ("TURBO") Decoding of Systematic Convolutional Codes with MAP and SOVA Algorithms.” Proc. ITG-Fachtagung Codierung für Quelle, Kanal und Übertragung, München, Oktober 1994, Seiten 21-29 („Hagenauer“)
NK21 Berrou, et. al.: “Near Optimum Error Correcting Coding And Decoding: Turbo-Codes”, in IEEE Transactions on Communications, Vol. 44, No. 10., Oct. 1996, Seiten 1261-1271, (“Berrou II”)
NK22 Holma et. al.: “PERFORMANCE OF FRAMES NON-SPREAD MODE 1 (WB-TDMA) WITH TURBO CODES”; Vehicular Technology Conference 1998 (VTC’98), Seiten 840-844 (“Holma”)
NK23 Jung et. al.: “Comprehensive comparison of Turbo-Code decoders,” Vehicular Technology Conference, 1995, Seiten 624-628, (“Jung II”)
NK24 Auszüge aus: Technical Report TR 101 146 V3.0.0 (1997-12): Universal Mobile Telecommunications System (UMTS); UMTS Terrestrial Radio Access (UTRA); Concept evaluation (UMTS 30.06 version 3.0.0) (vollständige Version auf CD nachgereicht)
NK25 Fukasawa et. al.: “Wideband CDMA System for Personal Radio Communications”, in IEEE Communications Magazine, Oct. 1996 (“Fukasawa”)
NK26 Kim et. al.: „Development of Turbo Code for Transmitting Voice on FPLMTS”, Seiten 423-427 mit englischer Übersetzung (“Kim”)
NK27 Fujiwara et. al.: “Performance of Turbo codes applied to W-CDMA”, Technical Report of IEICE. SST97-77, SANE97-102 (1997-12), Seiten 19-24 mit englischer Übersetzung (“Fujiwara”)
NK28 Mouy et. al: “VOICE TRANSMISSION AT A VERY LOW BIT RATE ON A NOISY CHANNEL”, IEEE 1992, Seiten II-149 bis II-152, (“Mouy”),
NK29 EP 0 523 979 A2
NK30 EP 0 053 399 B1
NK31 Berufungsbegründung im parallelen Verletzungsverfahren vom 4. Juli 2012
NK32 Entscheidung des britischen High Court of Justice vom 7. März 2013, [2013] EWHC 467 (Pat)
NK33 Technische Erläuterung zur Verwendung eines Turbocoders in der Druckschrift NK14
NK34 Gutachten von Prof. Jung vom 17. März 2013 mit deutscher Übersetzung (Anlage NK34a)
NK35 Auszug aus „Third Expert Report of Dr. James Irvine“ v. 14. November 2012 (aus dem Verfahren HC11C02180 vor dem britischen High Court of Justice)
NK36 Auszug aus „OPENING SKELETON ARGUMENT OF SAMSUNG“ (aus dem Verfahren HC11C02180 vor dem britischen High Court of Justice)
NK37 Ergänzungsgutachten von Prof. Jung vom 31. März 2013 nebst Anlagen (OJ01, OJ02 sowie OJ04 bis OJ19) mit deutscher Übersetzung (Anlage NK37a)
A2 Auszüge aus der Klageschrift im parallelen Verletzungsverfahren (Seiten 1-27 und 50-53).
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 15. April 2013 Anlage OJ03 zum Dokument NK37 übersandt.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 1 005 726 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent gemäß Hilfsanträgen der Gruppen A bis C in den jeweiligen Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 4, entsprechend den Anlagen zum Schriftsatz vom 25. Februar 2013, und zwar in der Reihenfolge, dass jeweils der Hilfsantrag 1 der Gruppen A bis C vorrangig vor den weiteren Hilfsanträgen 2 bis 4 jeder Gruppe zur Entscheidung gestellt wird.
Im Verlauf der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte erklärt, sie streiche in allen zur Entscheidung gestellten Hilfsanträgen die Patentansprüche 1-13. Sie hat darüber hinaus einen weiteren Hilfsantrag eingereicht, diesen jedoch später durch Hilfsantrag 5 vom 10. April 2013 ersetzt.
Die verteidigten Fassungen des Patentanspruchs 14 gemäß den jeweiligen Hilfsanträgen der Gruppen A bis C in den jeweiligen Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 4 sowie dem Hilfsantrag 5, die in englischer Sprache eingereicht wurden, lauten (Änderungen gegenüber erteilter Fassung unterstrichen):
Hilfsantrag 1, Gruppe A:
“14. A channel encoding method for a mobile communication system, comprising the steps of:
determining an integer number of consecutive input frames required to assemble a super frame, according to a quality of service QoS parameter, the QoS parameter including a data rate of the input frames; and
turbo encoding the super frame data size units determined by combined input frame number of consecutive input frames.”
Hilfsantrag 1, Gruppe B:
“14. A channel encoding method for a mobile communication system, comprising the steps of:
determining an integer number of consecutive input frames required to assemble a super frame, according to a quality of service QoS parameter, the QoS parameter being a data rate of the input frames; and
turbo encoding the super frame data size units determined by combined input frame number of consecutive input frames.”
Hilfsantrag 1, Gruppe C:
“14. A channel encoding method for a mobile communication system, comprising the steps of:
determining an integer number of consecutive input frames required to assemble a super frame, according to a quality of service QoS parameter, the QoS parameter including a data rate and a service type of the input frames; and
turbo encoding the super frame data size units determined by combined input frame number of consecutive input frames.”
Hilfsantrag 2, Gruppe A:
“14. A channel encoding method for a mobile communication system, comprising the steps of:
determining a number of consecutive input frames of M-bit length required to assemble a super frame of N-bit length, according to a quality of service QoS parameter, the QoS parameter including a data rate of the input frames;
assembling the determined number of consecutive input frames of M-bit length into the super frame of N-bit length; and
variably turbo encoding the super frame data size units of N-bit length determined by combined input frame number of consecutive input frames of M-bit length.”
Hilfsantrag 2, Gruppe B:
“14. A channel encoding method for a mobile communication system, comprising the steps of:
determining a number of consecutive input frames of M-bit length required to assemble a super frame of N-bit length, according to a quality of service QoS parameter, the QoS parameter being a data rate of the input frames;
assembling the determined number of consecutive input frames of M-bit length into the super frame of N-bit length; and
variably turbo encoding the super frame data size units of N-bit length determined by combined input frame number of consecutive input frames of M-bit length.”
Hilfsantrag 2, Gruppe C:
“14. A channel encoding method for a mobile communication system, comprising the steps of:
determining a number of consecutive input frames of M-bit length required to assemble a super frame of N-bit length, according to a quality of service QoS parameter, the QoS parameter including a data rate and a service type of the input frames;
assembling the determined number of consecutive input frames of M-bit length into the super frame of N-bit length; and
variably turbo encoding the super frame data size units of N-bit length determined by combined input frame number of consecutive input frames of M-bit length.”
Hilfsantrag 3, Gruppe A:
“14. A channel encoding method for a mobile communication system, comprising the steps of:
determining a number of consecutive input frames of M-bit length required to assemble a super frame of N-bit length, according to a quality of service QoS parameter, the QoS parameter including a data rate of the input frames;
assembling the determined number of consecutive input frames of M-bit length into the super frame of N-bit length; and
variably turbo encoding the super frame data size units of N-bit length determined by combined input frame number of consecutive input frames of M-bit length by a programmable interleaver (16) having a size of N bits.”
Hilfsantrag 3, Gruppe B:
“14. A channel encoding method for a mobile communication system, comprising the steps of:
determining a number of consecutive input frames of M-bit length required to assemble a super frame of N-bit length, according to a quality of service QoS parameter, the QoS parameter being a data rate of the input frames;
assembling the determined number of consecutive input frames of M-bit length into the super frame of N-bit length; and
variably turbo encoding the super frame data size units of N-bit length determined by combined input frame number of consecutive input frames of M-bit length by a programmable interleaver (16) having a size of N bits.”
Hilfsantrag 3, Gruppe C:
“14. A channel encoding method for a mobile communication system, comprising the steps of:
determining a number of consecutive input frames of M-bit length required to assemble a super frame of N-bit length, according to a quality of service QoS parameter, the QoS parameter including a data rate and a service type of the input frames;
assembling the determined number of consecutive input frames of M-bit length into the super frame of N-bit length; and
variably turbo encoding the super frame data size units of N-bit length determined by combined input frame number of consecutive input frames of M-bit length by a programmable interleaver (16) having a size of N bits.”
Hilfsantrag 4, Gruppe A:
“14. A channel encoding method for a mobile communication system, comprising the steps of:
determining a number of consecutive input frames of M-bit length required to assemble a super frame of N-bit length, according to a quality of service QoS parameter, the QoS parameter including a data rate of the input frames;
assembling the determined number of consecutive input frames of M-bit length into the super frame of N-bit length; and
variably turbo encoding the super frame data size units of N-bit length determined by combined input frame number of consecutive input frames of M-bit length;
and transmitting Information about the data rate.”
Hilfsantrag 4, Gruppe B:
“14. A channel encoding method for a mobile communication system, comprising the steps of:
determining a number of consecutive input frames of M-bit length required to assemble a super frame of N-bit length, according to a quality of service QoS parameter, the QoS parameter being a data rate of the input frames;
assembling the determined number of consecutive input frames of M-bit length into the super frame of N-bit length; and
variably turbo encoding the super frame data size units of N-bit length determined by combined input frame number of consecutive input frames of M-bit length;
and transmitting Information about the data rate.”
Hilfsantrag 4, Gruppe C:
“14. A channel encoding method for a mobile communication system, comprising the steps of:
determining a number of consecutive input frames of M-bit length required to assemble a super frame of N-bit length, according to a quality of service QoS parameter, the QoS parameter including a data rate and a service type of the input frames;
assembling the determined number of consecutive input frames of M-bit length into the super frame of N-bit length; and
variably turbo encoding the super frame data size units of N-bit length determined by combined input frame number of consecutive input frames of M-bit length;
and transmitting Information about the data rate.”
Hilfsantrag 5:
“14. A channel encoding method for a mobile communication system, comprising the steps of:
determining a number of consecutive input frames of M-bit length required to assemble a super frame of N-bit length, according to a quality of service QoS parameter, the QoS parameter being a data rate of the input frames;
assembling the determined number of consecutive input frames of M-bit length into the super frame of N-bit length; and
turbo encoding the super frame data size units of N-bit length determined by the combined input frame number of consecutive input frames of M-bit length;
whereby the input data frames are variably encoded to super frames of appropriate length.”
Die Beklagte führt aus, die Nichtigkeitsklage könne nicht zum Erfolg führen, da die Angriffe gegen die Patentfähigkeit des Streitpatents in seinen verteidigten Fassungen ebenso wenig begründet seien wie gegen die angebliche nicht wirksame Inanspruchnahme der Priorität der koreanischen Voranmeldung. Dies gelte auch für die weiteren Nichtigkeitsgründe, denn die Erfindung sei ausführbar und der Gegenstand des Streitpatents gegenüber der ursprünglich eingereichten Fassung nicht unzulässig erweitert.
Zur Stützung ihres Vortrags hat die Beklagte eine Merkmalsgliederung des Anspruchs 14 des Streitpatents vorgelegt sowie folgende weitere Unterlagen:
D1 3GPP Technical Specification TS 25.211 V2.0.0 (1999-04)
NK12a: Prioritätsanmeldung KR 9811380 in koreanischer Sprache
D2 gutachterliche Stellungnahme von Prof. Valenti vom 24. Februar 2013 zur NK5
D3 Gutachten von Prof. Werner vom 15. März 2013 zur NK14
D4 Expert Report of Dr. James Irvine vom 15. März 2013
D5 Auszug aus ETSI Technical Report TR 101 146 V3.0.0 (1997-12), Seiten 1-2, 39-42, 201, 304, 371, 418, 548-550.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die gewechselten Schriftsätze samt allen Anlagen sowie auf den Hinweis des Senats nach § 83 Abs. 1 PatG vom 16. Januar 2013 Bezug genommen.
Die Klage, mit der der in Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Absatz 1 lit. a EPÜ i. V. m. Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit sowie der fehlende Ausführbarkeit der Erfindung (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1b EPÜ) und der unzulässigen Erweiterung des Gegenstands des europäischen Patents (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG) geltend gemacht werden, ist zulässig und in vollem Umfang begründet. Da das Streitpatent die Priorität der koreanischen Voranmeldung nicht wirksam in Anspruch nehmen kann, war es in der erteilten Fassung für nichtig zu erklären, denn diesem Gegenstand steht der Tagungsbeitrag der Technical Specification Group, Radio Access Network, vom 4. März 1999, vorgelegt als NK11, neuheitsschädlich entgegen. Das Streitpatent kann auch in der zulässigerweise beschränkten Fassung des Hilfsantrags 1 der Gruppe B keinen Bestand haben, da sein Gegenstand durch die NK11 nahe gelegt ist. Die übrigen Hilfsanträge stellen keine zulässige Verteidigung des Streitpatents dar.
I. Zur erteilten Fassung (Hauptantrag)
1. Das Streitpatent betrifft ausweislich der Bezeichnung einen Turboenkoder/dekoder und ein von der Servicequalität (QoS) abhängiges Rahmenverarbeitungsverfahren (Turbo encoding/decoding method for processing frame data according to QoS).
Bei einem Turbo-Codierer-Decodierer handelt es sich um eine Vorrichtung zum Codieren/Decodieren von Kanaldaten unter Verwendung eines Turbo-Codes. Turbo-Codes sind eine Gruppe von fehlerkorrigierenden Block- oder Faltungs-Codes, welche in der digitalen Signalverarbeitung zur gesicherten Datenübertragung verwendet werden. Die Turbo-Codierung ermöglicht eine Steigerung der Übertragungsrate dadurch, dass eine fehlerbehaftete Übertragung in der Regel nicht wiederholt werden muss, da mit der angewendeten Vorwärtsfehlerkorrektur (FEC) der Empfänger die Daten auf Übertragungsfehler hin überprüfen und diese korrigieren kann. Ein Turbo-Codierer besteht aus mindestens zwei parallel oder seriell geschalteten Codierern für die elementare Codierung, die jeweils für sich einen bestimmten Kanalcode darstellen. Die Struktur eines parallelen herkömmlichen Turbo-Codierers, wie er bspw. in der US 5,446,747 offenbart ist, wird in Fig. 1 des Streitpatents in Form des nachfolgenden Blockschaltbildes wiedergegeben.
Danach umfasst der Turbo-Codierer einen ersten Konstituenten-Codierer 12, einen zweiten Konstituenten-Codierer 14 und einen Interleaver (Verschachtelungseinrichtung) 16, über den die Eingangsdaten dem zweiten Konstituenten-Codierer 14 zugeführt werden. Die Ausgänge der beiden Konstituenten-Codierer werden üblicherweise einer Auswahlschaltung (nicht gezeigt, vgl. aber NK4, Fig. 2) zugeführt, an deren Ausgang dann der generierte Turbo-Code ausgegeben wird.
Ein herkömmlicher Turbo-Decodierer ist in der Fig. 2 der Streitpatentschrift wiedergegeben.
Der dort dargestellte Turbo-Decodierer umfasst einen Addierer 18, Subtrahierer 20 und 22, eine Soft-Entscheidungs-Schaltung 24, Verzögerungen 26, 28 und 30 und MAP (Maximum A Posterior Probability) Decodierer 32 und 34, des Weiteren einen Interleaver 36, der identisch zu dem Interleaver 16 der Fig. 1 ist, und Deinterleaver (Entverschachtelungseinrichtung) 38 und 40.
Das Streitpatent geht davon aus, dass aufgrund der Übertragungsanforderungen von Sprache und Daten in einem Kommunikationssystem Daten-Raten von einigen Kilobits pro Sekunde (Kbps) bis zu einigen Megabits pro Sekunde (Mbps) übertragen würden, folglich könne die Frame-Länge einer Daten-Eingabe zu einem Kanal-Codierer von einigen Millisekunden bis zu einigen hundert Millisekunden variieren. Dies habe zur Folge, dass bei Erhöhung der Datenrate zum Turbo-Codierer die Frame-Länge der Eingabe-Daten länger werde, wodurch sich der Aufwand für die Fehlerkorrektur-Funktion erhöhe, da dies einen Mehrbedarf an Speicher und Berechnungsaufwand nach sich ziehe, um die empfangenen Daten zu decodieren (vgl. Patentschrift [0007]).
Für den Fall aber, dass die Länge des Eingabe-Frames zu kurz sei, könne der Interleaver 16 in dem Turbo-Codierer nicht ausreichend die Korrelation unter den Eingabe-Daten vermindern, wodurch die Fehlerkorrektur-Funktion verschlechtert werde. Die Patentinhaberin zieht daraus den Schluss, dass dann, wenn die Frame-Länge der Eingabe-Daten länger ist (oder die Eingabe-Daten-Rate hoch ist), der Turbo-Codierer, nach der Fig. 1, und der Turbo-Decodierer nach der Fig. 2, umfangreiche Berechnungen und Speicherplatz erfordern, um ein Codieren und Decodieren durchzuführen. Demgegenüber könne der Turbo-Codierer, wenn die Frame-Länge der Eingabe-Daten kürzer ist oder die Daten-Rate der Eingabe-Daten niedriger ist, niedrigere Ausführungsergebnisse zeigen, verglichen mit einem herkömmlichen Codierer oder einen verketteten Codierer (konvolutionaler Codierer + RS Codierer), um dadurch die Bitfehlerrate (BER) zu erhöhen (vgl. Patentschrift [0008]).
Es eröffne sich also die Möglichkeit, die zum Codieren und Decodieren erforderlichen Berechnungen und Speicherkapazitäten durch geeignetes Variieren der Verarbeitungsgröße der dem Turbo-Codierer eingegebenen Daten zu verringern, und zwar unabhängig von der Daten-Rate für den entsprechenden Service, während vollständig die niedrige BER sichergestellt würde, die in dem Kommunikationssystem erforderlich sei (vgl. Patentschrift [0009]).
Die Patentinhaberin hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, eine Kanal-Codier-Vorrichtung und ein Verfahren zu schaffen, bei dem Eingabe-Daten-Frames zu Super-Frames einer geeigneten Länge gemäß einem QoS (Quality of Service – Qualität eines Dienstes) codiert werden (Patentschrift [0013]).
Der Encoder nach dem Patentanspruch 1 und das dazugehörige Kanal-Codierungsverfahren nach dem Patentanspruch 14 lassen sich in folgende Merkmale gliedern:
Patentanspruch 1
1. Encoder für ein mobiles Kommunikationssystem, der umfasst: (An encoder for a mobile communication System comprising:)
1.1 eine Zentraleinheit (46) zum Bestimmen einer Anzahl von aufeinanderfolgenden Eingangs-Frames, die erforderlich ist zur Kombination eines Super-Frame gemäß einem Quality-of-Service-QoS-Parameter, (a central processing unit (46) for determining a number of consecutive input frames required to combine a super frame, according to quality of service QoS parameter)
1.2 der mindestens eine Information aufweist, die eine Eingangs-Frame-Länge definieren kann; und (which at least includes Information that can define input frame length; and)
1.3 einen Turbo-Encoder für Turbo-Codieren der bestimmten Anzahl von aufeinanderfolgenden Eingangs-Frames. (a turbo encoder for turbo encoding the determined number of consecutive input frames.)
Patentanspruch 14
14. Kanal-Codierungsverfahren für ein mobiles Kommunikationssystem, das die Schritte umfasst: (A channel encoding method for a mobile communication system, comprising the steps of:)
14.1 Bestimmen der Anzahl von aufeinanderfolgenden Eingangs-Frames, die erforderlich ist um einen Super-Frame zusammenzusetzen, gemäß einem Quality-of-Service-QoS-Parameter; und (determining the number of consecutive input frames required to assemble a super frame, according to a quality of service QoS parameter; and)
14.2 Turbo-Codieren der Super-Frame-Daten-Größe-Einheiten, die durch eine kombinierte Eingangs-Frame-Anzahl von aufeinanderfolgenden Eingangs-Frames bestimmt sind. (turbo encoding the super frame data size units determined by combined input frame number of consecutive input frames.)
Des Weiteren hat es sich die Patentinhaberin zur Aufgabe gemacht, eine Kanal-Decodier-Vorrichtung und ein Verfahren zum Decodieren codierter Frame-Daten gemäß eine QoS (Quality of Service) der Daten zu schaffen, die übertragen werden sollen (vgl. Patentschrift [0014]).
Der Decoder nach dem Patentanspruch 20 und das dazugehörige Kanal-Decodierungsverfahren nach dem Patentanspruch 25 lassen sich in folgende Merkmale gliedern:
Patentanspruch 20
20. Decoder für ein mobiles Kommunikationssystem, der umfasst: (A decoder for a mobile communication system comprising:)
20.1 einen Turbo-Decodierer (116) für Turbo-Decodieren von Daten, die als ein Super-Frame empfangen werden, (a turbo decoder (116) for turbo decoding data being received as a super frame,)
20.2 wobei der Super-Frame als eine Vielzahl von aufeinanderfolgenden, originalen Daten-Frames kombiniert ist; und (wherein said super frame is combined as a plurality of consecutive original data frames; and)
20.3 einen Frame-Rekombinierer (118) zum Rekombinieren eines Ausgabeergebnisses des Turbo-Decodierers (116) in die Vielzahl von Daten-Frames entsprechend einer Nachrichteninformation über die Anzahl von originalen Frames, die den Super-Frame bilden. (a frame recombiner (118) for recombining an output of the turbo decoder (116) into the plurality of data frames in accordance with message information about the number of original frames constituting said super frame.)
Patentanspruch 25
25 Kanal-Decodierungsverfahren für ein mobiles Kommunikationssystem, das die Schritte umfasst: (A channel decoding method for a mobile communication system, comprising the steps of:)
25.1 Turbo-Decodieren von Daten, die als einen Super-Frame empfangen werden, (turbo decoding data being received by a super frame,)
25.2 wobei der Super-Frame als eine Vielzahl von aufeinanderfolgenden, originalen Daten-Frames kombiniert ist; und (wherein said super frame is combined as a plurality of consecutive original data frames; and)
25.3 Rekombinieren der turbo-decodierten Daten zu der Vielzahl von aufeinanderfolgenden, originalen Eingangs-Daten-Frames entsprechend einer Nachrichteninformation über die Anzahl der Frames, die den Super-Frame bilden. (recombining the turbo decoded data into the plurality of consecutive original input data frames in accordance with message information about the number of the frames constituting said super frame.)
2. Das Streitpatent richtet sich seinem sachlichen Inhalt nach an einen Diplom-Ingenieur der Nachrichtentechnik mit universitärer Ausbildung, der mit den in der mobilen Telekommunikation etablierten Codierungs- respektive Decodierungsverfahren, insbesondere der Kanalcodierung, und dem Aufbau der dafür geeigneten Gerätschaften vertraut ist. Dieser Fachmann verfügt auch über Kenntnisse der auf diesem eingegrenzten Fachgebiet existierenden Normungen und Standards.
Der so definierte Fachmann legt den in den Ansprüchen enthaltenen Begriffen folgendes Verständnis zugrunde.
Der Begriff „Frame“ (frame) ist, je nach Anwendungsgebiet in der Technik mit unterschiedlichen Wortbedeutungen belegt. In der Kommunikationstechnik wird damit ein Datenpaket bezeichnet, also z. B. eine bestimmte Anzahl konsekutiver Bits (Bit-Sequenz, vgl. auch die Ausführungen der Nichtigkeitsbeklagten im parallelen Verletzungsverfahren; NK17, S. 3, lit. c und S. 4, lit. e und f), das gemäß Streitpatent auch einen header haben kann (vgl. SP, [0026]).
Die „Frame-Länge“ (frame-length) gibt im Allgemeinen an, wie viele Bits der Frame umfasst (vgl. hierzu Streitpatent, PA 8). Das Streitpatent erwähnt in Absatz [0007] (Sp. 1, Z. 54) darüber hinaus einen zeitlichen Aspekt der „Frame-Länge“ (“…a frame length of data input to a channel encoder may vary from several ms (milliseconds) to several hundred ms.“).
Einzelne Frames lassen sich zu einem weiteren Datenpaket zusammenfassen, welches dann als „Super-Frame“ (super frame) bezeichnet wird.
Die Bedeutung des ausschließlich im Patentanspruch 14 enthaltenen Begriffs „Super-Frame-Daten-Größen-Einheiten“ (super frame data size units) erschließt sich dem Fachmann durch das sich dem Begriff anschließende funktionale Merkmal, in dem ausgeführt ist, dass diese durch eine kombinierte Eingangs-Frame-Anzahl von aufeinanderfolgenden Eingangs-Frames bestimmt sind. Ausgehend von der allgemeinen Definition, dass unter dem Begriff „Daten-Größen-Einheit“ (data size unit) die kleinste adressierbare Datenmenge eines bestimmten technischen Systems zu verstehen ist, sind „Super-Frame-Daten-Größen-Einheiten“ (super frame data size units) demnach die kleinsten adressierbaren Datenmengen, aus denen sich ein Super-Frame zusammensetzt.
Der sowohl in der deutschen als auch englischsprachigen Fassung gleichermaßen benutzte Begriff „Quality-of-Service-QoS-Parameter“ beschreibt einen Wert (Parameter) für die Güte eines Kommunikationsdienstes aus der Sicht der Anwender, wobei die Qualität des Verbindungsaufbaus und einer bestehenden Verbindung, im Kontext des Streitpatents bspw. Frame-Länge, Benutzer-Datenrate, Zeit- und Fehlertoleranz (vgl. Patentschrift, Absatz [0016]), Spalte 4, Zeilen 12 bis 15 und Spalte 6, Zeilen 12 bis 17) im Vordergrund stehen. Die Anforderungen im Einzelnen sind dabei oft netzspezifisch in entsprechenden Standards festgelegt.
Zusätzlich zu dem allgemeinen, dem Fachmann geläufigen Bedeutungsinhalt subsumiert das Streitpatent unter dem Begriff Quality-of-Service-QoS-Parameter auch noch Eigenschaften wie Empfängerkomplexität (insb. Empfängerspeichergröße) (vgl. Patentschrift, Spalte 3, Zeilen 24 bis 26) und Dienstklasse (der Basis- oder Mobilstation) (vgl. Patentschrift, Spalte 6, Zeilen 12 bis 17).
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des Begriffs Quality-of-Service-QoS-Parameter mehrmals ausdrücklich herausgestellt, dass darunter ausschließlich ein singulärer Qualitätswert, nicht aber eine Zusammenfassung mehrerer Qualitätskriterien zu einem repräsentativen Wert zu verstehen sei, eine Auslegung, die der Senat stets auch seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat.
Die Begriffe „Rekombinierer“ und „rekombinieren“ (recombiner und recombining) sind im Lichte der Beschreibung im Sinne von Neuanordnung und neuanordnen, respektive Wiederherstellung eines Ausgangszustands zu verstehen. Dies ergibt sich aus der Beschreibung des Streitpatents unmittelbar aus den funktionalen Zusammenhängen beim Decodiervorgang, die einmal für einen aus mehreren Eingangs-Frames zusammengesetzten turbo-codierten Super-Frame (vgl. Fig. 4), ein andermal für einen turbo-codierten segmentierten Frame (vgl. Fig. 5) beschrieben werden. Wie in der Patentschrift in den Absätzen [0052], [0055] und [0060] ausgeführt, decodiert der Decoder einen die Nutzerdaten enthaltenen Super-Frame (vgl. Fig. 4) und segmentiert diesen anschließend in Frames, die wieder die ursprüngliche Länge aufweisen. Für den Fall, dass ein segmentierter Frame, wie in der Fig. 5 dargestellt, übertragen worden ist, werden in einer Frame-Kombinierfunktion die Daten sequentiell abgespeichert, um anschließend den wieder zusammengestellten Eingangs-Frame auszugeben (vgl. Absatz [0061].
3. Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, das Streitpatent sei unzulässig erweitert, da in den ursprünglichen Unterlagen (vgl. WO 99/50963 A2) anspruchsgemäß kein Encoder mit den Schaltungskomponenten des erteilten Patentanspruchs 1 ausgewiesen sei, sondern ein mobiles Telekommunikationssystem, teilt der Senat diese Ansicht nicht. Dies gilt auch, soweit die Klägerin meint, in den ursprünglichen Unterlagen würde bestenfalls das Ausführungsbeispiel eines Kanalsenders (channel transmitter) (vgl. Fig. 3 i. V. m. S. 11, Zeile 23 ff.) beschrieben, der als Komponenten die in Rede stehenden zentrale Verarbeitungseinheit (central processing unit) und den Turbo-Encoder enthalte, und soweit die Klägerin dies auch für die beanspruchte Decodierschaltung annimmt.
Nach dem Verständnis des Senats sind in den ursprünglichen Unterlagen die Komponenten „zentrale Verarbeitungseinheit“ (central processing unit) und „Turbo-Encoder“ anspruchsgemäß zwar im mobilen Kommunikationssystem an sich (vgl. Patentanspruch 1), dem Ausführungsbeispiel nach aber im Kanalsender (channel transmitter) lokalisiert, der aber wiederum, für den Fachmann unmittelbar erkennbar, als Subsystem des mobilen Kommunikationssystems fungiert. Dem Fachmann bleibt es nach Auffassung des Senats dabei unbenommen, die zentrale Verarbeitungseinheit (central processing unit) und den Turbo-Encoder in noch weiter beschränkender Weise in einer Subkomponente des Telekommunikationssystems unter dem Begriff „Encoder“ zusammenzufassen. Nach wie vor umfasst damit auch das Telekommunikationssystem selbst eine zentrale Verarbeitungseinheit (central processing unit).
Die Decodiereinrichtung ergibt sich dagegen unmittelbar aus der in Fig. 6 ersichtlichen Zusammensetzung eines Turbokanaldecoders, der explizit die Komponente CPU 112 und Turbo-Decoder 116 umfasst, die zweifellos als Bestandteile eines Decoders zu werten sind.
Der nur im Patentanspruch 14 enthaltene Begriff „Super-Frame-Daten-Größen-Einheiten“ (super frame data size units) ist zwar weder den ursprünglich eingereichten Unterlagen noch den Prioritätsunterlagen (der koreanischen Patentanmeldung 98 11 380 vom 31. März 1998, vgl. NK12) zu entnehmen. In den ursprünglichen Unterlagen ist aber zur Überzeugung des Senats eine Turbo-Codierung der „Datengröße einer Super-Frame-Einheit“ (data size of a super frame unit) beschrieben, derart, dass die Datengröße einer Super-Frame-Einheit bestimmt ist durch eine kombinierte Eingangs-Frame-Anzahl von aufeinanderfolgenden Eingangs-Frames (vgl. PA 14, determined by combined input frame number of consecutive input frames). Die Begriffe „Super-Frame-Daten-Größen-Einheiten“ (super frame data size units) und „Datengröße einer Super-Frame-Einheit“ (data size of a super frame unit) sind damit mit derselben Funktionalität unterlegt und dadurch letztendlich austauschbar. Im Übrigen geht der Gegenstand des Patents nicht schon dadurch über den Inhalt der Anmeldung hinaus, dass er mit Begriffen gekennzeichnet ist, die in den Anmeldungsunterlagen als solche nicht verwendet worden sind, insbesondere, wenn damit längere Umschreibungen in den ursprünglich eingereichten Unterlagen zusammenfassend oder schlagwortartig umschrieben werden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 21. April 2009 – X ZR 153/04, GRUR 2009, 933 - Druckmaschinen-Temperierungssystem II).
4. Die Klägerin hält die in den Ansprüchen 14, 20 und 25 jeweils unter Schutz gestellten Gegenstände für nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
a) Dem Patentanspruch 14 entnimmt der Fachmann die Lehre, dass im Rahmen des beanspruchten Codierverfahrens zunächst (gemäß Merkmal 14.1) die Anzahl der Eingangsrahmen festzulegen ist, die zu einem Super-Frame zusammengesetzt werden. Die Anzahl wird dabei in Abhängigkeit eines QoS-Parameters, also abhängig von der gewünschten Qualität der Kommunikationsverbindung festgelegt. Nach dem weiteren Merkmal 14.2 wird dann die durch eine kombinierte Eingangs-Frame-Anzahl von aufeinanderfolgenden Eingangs-Frames bestimmte Datengröße einer Super-Frame-Einheit bzw. die Super-Frame-Daten-Größen-Einheiten turbocodiert.
Die Auslegung dieses Teilmerkmals durch die Klägerin, dass damit lediglich Informationen über die Datengröße eines Super-Frames, nicht jedoch der Super-Frame selbst, also der Dateninhalt, turbo-codiert werde, mag zwar unter ein rein semantisches Verständnis der Begriffe zu subsumieren sein. Aus der Sicht des auf dem Anwendungsgebiet der Kanalcodierung tätigen Fachmanns kann das Merkmals 14.2 aber nur dahingehend verstanden werden, dass die aus der festgelegten Anzahl von Einzelframes erzeugte Datenmenge des Super-Frames turbocodiert wird.
Selbst wenn man - entgegen den vorstehenden Ausführungen - der Interpretation des Merkmals 14.2 durch die Klägerin folgen würde, wäre die Ausführbarkeit nach Ansicht des Senats nicht in Frage gestellt, da die Codierung stets unabhängig vom Informationsgehalt der Daten durchgeführt wird.
b) Bezüglich der Patentansprüche 20 und 25 hält der Senat die Ausführungen der Beklagten (vgl. Klageerwiderung vom 10. Oktober 2012, Abs. V.1) unter Hinweis auf den Absatz [0060] der Patentschrift für schlüssig. Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu den Begriffen „Rekombinierer“ und „rekombinieren“ (recombiner und recombining) verwiesen.
5. Eine Priorität kann für eine Anspruchsfassung in einer europäischen Patentanmeldung gemäß Art. 88 EPÜ nur dann wirksam in Anspruch genommen werden, wenn der Fachmann den Gegenstand des Patentanspruchs unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig der früheren Anmeldung als Ganzes entnehmen kann; es muss sich um dieselbe Erfindung handeln. Für die Beurteilung einer identischen Offenbarung gelten die Prinzipien der Neuheitsprüfung (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2003 – X ZR 4/00, GRUR 2004, 133 - Elektronische Funktionseinheit). Demnach ist in einem Dokument als offenbart anzusehen, was der Fachmann unmittelbar und eindeutig den betrachteten Unterlagen entnehmen kann, nicht hingegen eine weitergehende Erkenntnis, zu der der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder durch Abwandlung der offenbarten Lehre gelangen kann (BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 – Xa ZR 124/07, GRUR 2010, 910 – Fälschungssicheres Dokument).
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die Priorität der koreanischen Voranmeldung nicht in Anspruch genommen werden könne, da das Prioritätsdokument NK12 weder den Begriff „Quality-of-Service-Parameter“ erwähne noch das Merkmal des „Bestimmen[s] der Anzahl von aufeinanderfolgenden Eingangs-Frames“ (sondern lediglich die Bestimmung einer Rahmenlänge) zeige und auch nicht offenbare, dass letzteres „gemäß QoS“ (sondern gemäß einem Datendiensttyp) durchzuführen wäre. Genauso wenig seien ein Decoder und Encoder mit den Merkmalen der entsprechenden Ansprüche sowie Überrahmen-Datengröße-Einheiten offenbart.
Den Ausführungen der Klägerin schließt sich der Senat insoweit an, als den Prioritätsunterlagen an keiner Stelle ein Hinweis auf einen allgemeinen „Quality-of-Service-Parameter“ (QoS) entnehmbar ist. Ein semantisch ähnlicher Ausdruck ist in den Prioritätsunterlagen zwar auf Seite 4, erster und zweiter Absatz, durch den Ausdruck „service quality of user data“ enthalten, der sich aber ausschließlich auf die Dienste-Qualität der Nutzerdaten bezieht. Im Weiteren wird in der NK12 der Begriff „service“ nur noch in den Wortkombinationen „user service characteristics“ (Eigenschaften des Nutzer-Dienstes) (Seite 5) und „service type“ (Dienste-Typ, wie Sprache, Beschaffenheit, Bilddaten und Datenrate) (Seite 5) verwendet.
Soweit die Beklagte geltend macht, dass in Würdigung einer möglichen Übersetzung des in der koreanischen Ursprungsanmeldung enthaltenen korrespondierenden koreanischen Begriffs in „user service quality parameter“ bereits ein allgemeiner QoS-Parameter offenbart sei, muss sie sich entgegenhalten lassen, dass dieser auch nur auf eine nutzerspezifische Datenrate (data rate) und einen nutzerspezifischen Diensttyp (service type) der Eingangsdaten-Frames gerichtet ist (vgl. NK12, Seite 5, erster Absatz). Selbst wenn die in der NK12 genannten Zeit- und Fehlerraten (delay, BER) (vgl. Seite 7, zweiter und dritter Absatz und Seite 11, erster Absatz) in den Begriff Qualitätsparameter - dessen Verständnis zum Prioritätszeitpunkt sich nach Hinweis der Beklagten noch im Fluss befand - mit einbezogen werden, beruht das dort offenbarte Verfahren immer noch auf einem klar abgegrenzten Wertevorrat für einen QoS-Parameter, der ausschließlich Qualitätsaspekte von Nutzereingangsdaten berücksichtigt.
Demgegenüber wird in der Patentschrift der Begriff „Quality-of-Service-QoS-Parameter“ in einer Weise verwendet, bei der zusätzlich zu den eine Übertragung charakterisierenden etablierten Qualitätswerten offensichtlich noch zusätzliche Werte berücksichtigt werden sollen, die Einfluss auf die Nutzerzufriedenheit mit einen Dienst nehmen können (vgl. einmal mehr Empfängerkomplexität, insb. Empfängerspeicher, Spalte 3, Zeilen 24 bis 26 und Dienstklasse (der Basis- oder Mobilstation), Spalte 6, Zeilen 12 bis 17). Für einen derartig breit angelegten Wertevorrat finden sich in den Prioritätsunterlagen auch bei sehr großzügiger Auslegung aber keinerlei Hinweise.
Da also gemäß Streitpatent unter dem Begriff „Quality-of-Service-QoS-Parameter“ nicht nur die allgemein üblichen Qualitätskriterien für den Verbindungsaufbau und eine bestehende Verbindung, sondern auch weitere die Nutzerzufriedenheit beeinflussende Parameter zusammengefasst werden, erweist sich der in Rede stehende Begriff seiner Bedeutung nach als wesentlich allgemeiner gegenüber den in der NK12 ausschließlich auf Teilaspekte gerichteten Qualitätskriterien für die Übertragung von Nutzerdaten in einer bestehenden Verbindung.
Auch das Merkmal des „Bestimmen[s] der Anzahl von aufeinanderfolgenden Eingangs-Frames“ ist der NK12 nicht unmittelbar entnehmbar. Soweit die Beklagte dieses Merkmal in der NK12 auf Seite 6, vorletzter Absatz und Seite 8, 3. Absatz offenbart sieht, ist dort lediglich ausgeführt, dass mit Hilfe einer CPU Codierungs-Kommandos für die Frame-Länge in Abhängigkeit eines Dienste-Typs der zu übertragenden Daten und eine dazugehörige Datenrate aus der Rahmen-Zerlegungs/Zusammenfügungs-Information-Speichereinheit ausgelesen werden (The CPU 46 reads, from a frame disassemble/assemble information storage unit 48, code commands for a frame length according to a service type of data to be transmitted and a corresponding data rate). Mit Hilfe des von der CPU ausgegebenen Steuersignals für die Frame-Länge zerlegt oder fügt dann der Bit-Zähler 50 die Eingangs-Rahmen zu einem Sub- oder Super-Rahmen einer bestimmten Länge zusammen (Therefore, it can be appreciated that the bit counter 50 disassembles or assembles the input frames into sub or super frames having a specific length, under the control of the CPU 46 according to the service type and the data rate of the input data) (vgl. Seite 8, 3. Absatz). Die Beklagte weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Vorgang des Bitzählens ein Rahmenzählen nicht ausschließe. Dies kann jedoch dahinstehen, denn der Senat gelangt zu der Überzeugung, dass aus diesen von der Beklagten herangezogenen Offenbarungsstellen der Fachmann unmittelbar und eindeutig nur die Lehre entnehmen kann, dass ein Super-Frame aus einer vorgegebene Anzahl von Bits gebildet wird. Dass bei Kenntnis der Bitlänge der einzelnen Eingangs-Frames und der Bitlänge N des Super-Frames ggfls. auch auf die Anzahl der zu einem Super-Frame zusammengefassten Eingangs-Frames rückgeschlossen werden kann, ist insofern bedeutungslos, als in der NK12 keinerlei Verfahrensmaßnahmen offenbart sind, aus denen unmittelbar die Bestimmung einer Anzahl von Eingangs-Frames ableitbar ist und diese Anzahl dann in irgendeiner Weise für die Bildung des Super-Frames herangezogen wird.
Auch mit ihrer Argumentation, dass der auf Seite 8, 3. Absatz beschriebene Vorgang, demgemäß der Bitzähler die Eingangs-Frames zu einem Super-Frame bestimmter Länge zusammenfüge (that the bit counter assembles the input frames into superframes having a specific length), beim Fachmann eine direkte Bestimmung der Anzahl der Eingangs-Frames induziere, kann die Beklagte nicht durchdringen.
Denn entsprechend der zitierten Textstelle ist die Bildung eines Super-Frames darauf abgestellt, dass der Bitzähler bis zu einem Wert N, der die Bitlänge des Super-Frames wiedergibt (vgl. hierzu Seite 8, 1. Absatz), die Eingangsdaten zählt (The bit counter 50 counts N bits of the input data according to an N-bit frame disassemble/assemble control signal) und bei Erreichen dieses Werts an die CPU ein Endesignal abgibt (The bit counter 50 also generates a bit count termination signal to the CPU 46 whenever it counts N bits of the input data), worauf die CPU den so generierten Super-Frame an den Interleaver weitergibt (provides the sub or super frames to the programmable interleaver 52). Die Bestimmung der Größe eines Super-Frames basiert damit ausschließlich auf dem Abzählen der Eingangsdatenbits. In Anbetracht dieses Sachverhalts ist sogar fraglich, ob überhaupt auf Rahmengrenzen der Eingangs-Frames Rücksicht genommen wird (was im Übrigen in Übereinstimmung mit den Ausführungen der hiesigen Beklagten im Verletzungsverfahren steht, dass der Anspruch 14 nicht die Anweisung enthalten würde, dass stets ganze Eingangs-Frames zu einem Super-Frame kombiniert werden dürfen [vgl. NK17, Seite 6, letzter Absatz]).
Im Ergebnis kann folglich die koreanische Priorität nicht wirksam in Anspruch genommen werden, so dass dem Streitpatent als Zeitrang das Anmeldedatum 31. März 1999 zukommt.
6. Die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 14 sind nicht patentfähig, da durch den Stand der Technik nach der NK11 Patentanspruch 1 dem Fachmann nahe gelegt (Art. 56 EPÜ) und Patentanspruch 14 neuheitsschädlich vorweggenommen (Art. 54 Abs. 1, 2 EPÜ) sind.
6.1 Bei der NK11 handelt es sich um einen Tagungsbeitrag der Technical Specification Group, Radio Access Network für das Treffen #2 des Standardisierungsgremiums 3GPP, in Fort Lauderdale, vom 2. bis 4. März 1999. Die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung die NK11 als Arbeitspapier und als nicht übliche Publikation von 3GPP qualifiziert. Sie hat daher in Frage gestellt, ob und inwieweit die Öffentlichkeit Zugang zu diesem Dokument hatte und deren Veröffentlichung zum angegebenen Zeitraum mit Nichtwissen bestritten.
Der Tagungsbeitrag NK11 ist in der eingereichten Form auf dem öffentlich zugänglichen 3GPP FTP-Server eingestellt und über den Dateiindex NK11-2 (vgl. dort RP-99126.PDF) auch in einer Version herunterladbar, die ausgewiesener maßen letztmalig am 4. März 1999 geändert wurde. Die von der Beklagten vorgebrachten Einwände gegen eine Vorveröffentlichung der NK11 greifen hingegen nicht durch. Sie bieten auch keinen Anlass, von der bisherigen Praxis des Senats, die durch den FTP-Server von 3GPP frei zugänglich gemachten Dokumente als veröffentlicht einzustufen, abzuweichen (vgl. 5 Ni 22/10, Urteil vom 23. Mai 2012 sowie 5 Ni 24/10, Urteil vom 1. August 2012, jeweils unter II 1b; sowie 5 Ni 47/10, Urteil vom 18. Dezember 12, unter II 2b).
Im Übrigen hat die Beklagte auf Nachfrage des Senats davon abgesehen, ihre Bedenken gegenüber der Veröffentlichung der NK11 in der mündlichen Verhandlung näher zu präzisieren.
6.2 Auf Seite 20 des Tagungsbeitrags NK11 wird eine QoS angepasste Bearbeitung eines Turbocodes (Adaptive QoS processing in Turbo Code) anhand von zwei Diagrammen (Figuren „Frame Combining“ und „Frame Segmentation“) dargestellt, die in augenfälliger Weise identisch mit den Ausführungsbeispielen in Fig. 4 und Fig. 5 der Patentschrift (NK1) sind und übereinstimmend mit der Patentschrift (vgl. NK1, [0048] und [0049]) dahingehend erläutert werden, dass in einem „high speed mode“ (im Sinne des Patents eine niedrige oder mittlere Datenrate) die Eingangs-Frames zu einem Super-Frame kombiniert (vgl. in NK11 Figure „Frame Combinin“ i. V. m. erstem Bullet), bzw. in einem „very high speed mode“ (im Sinne des Patents eine hohe Datenrate) segmentierte Eingangs-Frames (vgl. in NK11 Figure „Frame Segmentation“ i. V. m. zweitem Bullet) der Turbocodierung unterworfen werden.
Die NK11 offenbart mithin unmittelbar einen Turbo-Encoder für ein mobiles Kommunikationssystem (vgl. Seite 5, 3. Foreword) (Merkmale 1. und 14.), bei dem die Anzahl von aufeinanderfolgenden Eingangsrahmen, die erforderlich ist, um einen Super-Frame zusammenzusetzen, respektive deren Segmentierung abhängig von der variablen Datenrate (N x 64 kbps) der Eingangsrahmen, nach Lesart des Streitpatents ein QoS-Parameter, vorgegeben wird (Merkmal 1.2) - was sich auch unmittelbar aus den angegebenen möglichen Rahmenlängen 10 ms bis 80 ms und der möglichen Anzahl der Rahmen J = 1 bis 8 i. V. m. der Figur „Frame Combining“ (Merkmale 1.1teilw. und 14.1) ergibt - und die so erhaltenen Super-Frames turbocodiert werden (vgl. einmal mehr Figur „Frame Combining“) (Merkmale 1.3 und 14.2).
Aus der NK11 ist damit ein Verfahren entnehmbar, welches sämtliche Verfahrensmerkmale des erteilten Patentanspruchs 14 aufweist.
Das erteilte Verfahren gilt daher als nicht mehr neu.
6.3 Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 unterscheidet sich vom vorstehend abgehandelten technischen Inhalt der NK11 nur dadurch, dass eine Vorrichtung für das Bestimmen der Anzahl von aufeinanderfolgenden Eingangs-Frames in der NK11 nicht explizit ausgewiesen ist. Der Fachmann setzt diese aber aufgrund des vorgegebenen Verfahrensablaufs funktionsnotwendigerweise voraus und wird in fachüblicher Weise dafür auf eine CPU zurückgreifen (Merkmal 1.1Rest).
Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist dem Fachmann daher durch die NK11 in Anwendung seines Fachwissens nahe gelegt.
6.4 Die Merkmale der angegriffenen Patentansprüche 20 und 25 erschöpfen sich ausschließlich in fachgemäßen Maßnahmen, die sich allein schon aus der Tatsache ergeben, dass zur Wiederherstellung der ursprünglichen Information die kodierten Signale im Decoder mit jeweils zum Kodiervorgang inversen Funktionen bearbeitet werden müssen, d. h. der zuvor kombinierte Frame muss wieder in die ursprünglichen Einzel-Frames zerlegt und der zuvor segmentierte Frame muss wieder zu einem Ursprungsframe zusammengesetzt werden, so dass die Verfahrensabläufe der Frame-Kombination bzw. der Frame-Segmentierung auch auf einen Turbo-Decodierer anzuwenden sind (vgl. NK11 "turbo encoder/decoder"). Im Hinblick auf eine korrekte Funktionsweise ist folglich die Übertragung zusätzlicher Nachrichteninformation über die Anzahl und den Aufbau der Frames, die den Super-Frame bilden, an den Decoder unerlässlich.
Die Gegenstände der Patentansprüche 20 und 25 sind daher dem Fachmann, zur Überzeugung des Senats, durch die Lehre der NK11 nahe gelegt.
6.5 Mit den Patentansprüchen 1, 14, 20 und 25 in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben.
Dass in den jeweils rückbezogenen Unteransprüchen eigenständig erfinderische Gegenstände enthalten seien, hat die Beklagte weder geltend gemacht, noch ist dies für den Senat ersichtlich (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2006 - X ZR 131/02, GRUR 2007, 309 Rn. 42 – Schussfädentransport).
II. Zu den hilfsweise verteidigten Fassungen
1. Wie unter I. 5. bereits ausführlich dargelegt, basiert gemäß der Lehre der koreanischen Voranmeldung NK12 die Bestimmung der Größe eines Super-Frames ausschließlich auf dem Abzählen von Eingangsdatenbits. Da in den Fassungen des Patentanspruchs 14 gemäß den Hilfsanträgen Nr. 1 der Gruppen A bis C jeweils das Merkmal des „Bestimmen[s] einer ganzen Anzahl von aufeinanderfolgenden Eingangs-Frames“ (determininig an integer number of consecutive input frames), und in den Fassungen des Patentanspruchs 14 der übrigen Hilfsanträge Nr. 2 bis 4 der Gruppen A bis C sowie des Hilfsantrags 5 jeweils das Merkmal des „Bestimmen[s] einer Anzahl von aufeinanderfolgenden Eingangs-Frames“ (determininig a number of consecutive input frames) enthalten ist, können demzufolge sämtliche hilfsweise verteidigten Fassungen des Anspruchs 14 die Priorität aus der koreanischen Voranmeldung nicht in Anspruch nehmen.
2. Die verteidigten Fassungen des Patentanspruchs 14 der Hilfsanträge 1 bis 4 der Gruppen A und C genügen nicht den Anforderungen des Artikels 84 EPÜ.
2.1 Die Fassungen des Patentanspruchs 14 der Gruppe A enthalten durchgehend das Merkmal, „the QoS parameter including a data rate of the input frames“ („wobei der QoS Parameter eine Datenrate der Eingangs-Frames enthält.“). Der Begriff QoS-Parameter wird in der Patentschrift durchgehend im Zusammenhang mit mehreren Einzelwerten genannt. Vor diesem Hintergrund lässt das in Rede stehende Merkmal den Fachmann zur Überzeugung des Senats im Unklaren, ob eine Datenrate und wenn ja, welche Datenrate der Eingangs-Frames nur als zwingender Bestandteil eines Parametersatzes zu interpretieren ist, aus dem, wie auch immer, ein repräsentativer dezidierter QoS-Parameter gewonnen wird, oder ob ausschließlich die Datenrate als Einzelwert für eine Bestimmung der Anzahl der Eingangs-Frames heranzuziehen ist.
2.2 Die Fassungen des Patentanspruchs 14 der Gruppe C enthalten durchgehend das Merkmal, „the QoS parameter including a data rate and a service type of the input frames“ („wobei der QoS Parameter eine Datenrate und einen Diensttyp der Eingangs-Frames enthält.“) und includieren damit zusätzlich zu einer Datenrate noch einen Diensttyp (soweit sich dieser überhaupt parametrisieren lässt) als zwingenden Teilwert in den QoS-Parameter. Für den Fachmann lässt sich weder aus der Formulierung dieses Teilmerkmals noch unter Heranziehung der Beschreibung in der Patentschrift erschließen, ob beide Werte jeweils für sich, beide gemeinsam oder ein aus beiden gebildeter QoS-Parameter, respektive aus einem gesamten vorliegenden Parametersatz gebildeter QoS-Parameter für eine Bestimmung der Anzahl der Eingangs-Frames heranzuziehen ist.
2.3 Mit dem Patentanspruch 14 in den mit den Hilfsanträgen 1 bis 4 der Gruppe A und C verteidigten Fassungen kann das Patent somit keinen Bestand haben.
3. Mit den hilfsweise verteidigten Fassungen des Patentanspruchs 14 gemäß den Hilfsanträgen 2 bis 4 der Gruppe A bis C kann die Beklagte das Streitpatent nicht in zulässiger Weise verteidigen, da die Gegenstände dieser verteidigten Fassungen über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus gehen (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ).
3.1 Die Fassungen des Patentanspruchs 14 nach den Hilfsanträgen 2 bis 4 der Gruppe A bis C erweisen sich als unzulässig, weil das zusätzliche Merkmal „variably turbo encoding the super frame data size units of N-bit length“ (variable Turbocodierung der Super-Framedatengrößeneinheiten von N-bit Länge) in den ursprünglichen Unterlagen nicht unmittelbar und eindeutig als zur Erfindung gehörend offenbart ist (BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 – Xa ZR 124/07, GRUR 2010, 910 – Fälschungssicheres Dokument; BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 – Olanzapin).
Der Beklagten ist zwar insofern beizupflichten, als in den ursprünglichen Unterlagen die variable Codierung der Eingangsdatenframes zu Super-Frames offenbart ist (vgl. Offenlegungsschrift WO 99/50963 A2, Seite 5, Zeilen 13 bis 17). Eine variable Turbocodierung der Super-Frames in der allgemeinen Breite lässt sich daraus aber nicht ableiten.
3.2 Mit dem Patentanspruch 14 in den mit den Hilfsanträgen 2 bis 4 der Gruppe A bis C verteidigten Fassungen kann das Patent somit keinen Bestand haben.
4. Der hilfsweise verteidigte Patentanspruch 14 gemäß Hilfsantrag 1 der Gruppe B unterscheidet sich von der erteilten Fassung des Patentanspruchs 14 durch die Einschränkung des Begriffs „the number“ (die Anzahl) auf „an integer number“ (eine ganze Zahl) und die Konkretisierung „the QoS parameter being a data rate of the input frames“ (wobei der QoS Parameter eine Datenrate der Eingangs-Frames ist).
4.1 Der Patentanspruch 14 gemäß Hilfsantrag 1 der Gruppe B erweist sich als zulässig.
Der Begriff „integer“ (ganzzahlig) ist den ursprünglichen Unterlagen explizit zwar nicht entnehmbar, die Eigenschaft der Ganzzahligkeit ergibt sich für den Fachmann ebenso unmittelbar aus der Beschreibung zur Fig. 4, demgemäß ein Parameter J von 1 bis 8 gemäß der Zahl der Frames, die zusammengestellt werden sollen, variiert werden kann, wie die Konkretisierung des QoS Parameters auf eine Datenrate der Eingangs-Frames (vgl. WO 99/50963 A2, Fig. 4 i. V. m. S. 23, Z. 22 bis S. 24, Z. 5).
4.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 14 gemäß Hilfsantrag 1 der Gruppe B mag als neu gelten, er beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Soweit die Beklagte in Bezug auf die NK11 argumentiert, dass das dort gelehrte Verfahren für eine QoS adaptive Weiterverarbeitung von Daten in einem Turbocode aufgrund der dortigen Zeitangaben „10 ms to 80 ms“ auf die Berücksichtigung einer systemseitigen Verzögerungszeit abgestellt sei, mag dies dahinstehen. Jedenfalls wird durch diese Zeitangaben für den Fachmann aus der Figur „Frame Combining“ unmittelbar erkennbar, dass sich diese Angaben auf die Framelänge beziehen. Der weiteren Feststellung der Beklagten, dass aus den Ausführungen auf Seite 20 der NK11 ein expliziter Hinweis auf die Bestimmung der Anzahl der Eingangs-Frames in Abhängigkeit einer Datenrate als bestimmender QoS-Parameter nicht ausgewiesen sei, ist zwar zuzustimmen, der Fachmann schließt aber in fachlicher Würdigung des in der NK11 wiedergegebenen Sachverhalts allein schon aus der Vorgabe, dass anhand der Datenrate „high speed data mode“, die zudem mit N x 64 kbps variabel vorgegeben ist, und „very high speed data mode“ entschieden wird, ob mehrere Eingangs-Frames zu einem Super-Frame kombiniert oder segmentiert werden, dass als verfahrensentscheidender Qualitätsparameter die Datenrate heranzuziehen ist, die zum Anmeldezeitpunkt bereits als wichtiger QoS-Parameter bei Übertragungsdiensten etabliert war (vgl. bspw. NK18, S. 135, 2. Services, zweiter Absatz).
Unabhängig davon ist dem Fachmann aber auch bewusst, dass die in der NK11 angegebenen verschiedenen Framelängen unmittelbar auf unterschiedliche Datenraten zurückzuführen sind, die sich aus den bekanntermaßen unterschiedlichen Übertragungsanforderungen von Sprache und Daten in einem Kommunikationssystem herleiten und sich darin niederschlagen, dass bei Daten-Raten von einigen Kilobits pro Sekunde bis zu einigen Megabits pro Sekunde folglich die Frame-Längen einer Daten-Eingabe zu einem Kanal-Codierer von einigen Millisekunden bis zu einigen hundert Millisekunden variieren können.
4.3 Mit dem Patentanspruch 14 in der mit dem Hilfsantrag 1 der Gruppe B verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben.
5. Die mit Hilfsantrag 5 verteidigte Fassung des Patentanspruchs 14 enthält das Merkmal „whereby the input data frames are variably encoded to super frames of appropriate length.“ Aufgrund der Verwendung des Adverbs „whereby“ eröffnen sich im Deutschen mindestens die zwei Übersetzungsmöglichkeiten in „wodurch“ und „wobei“, so dass einmal in der Übersetzung „ wodurch die Eingangsdatenframes variabel zu Super-Frames entsprechender Länge codiert werden“ (von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung favorisiert) eine zusammenfassende Wirkungsbeschreibung der vorangehenden Verfahrensschritte verstanden werden kann, ein andermal in der Übersetzung „ wobei die Eingangsdatenframes variabel zu Super-Frames entsprechender Länge codiert werden“ ein zusätzlicher Zwischenschritt beansprucht wird.
5.1 Im Hinblick auf die in Betracht zu ziehende Übersetzungsvariante „ wobei die Eingangsdatenframes variabel zu Super-Frames entsprechender Länge codiert werden“, ist festzuhalten, dass eine derartige, sich auf die Eingangs-Frames erstreckende zusätzliche Codierungsmaßnahme in der erteilten Anspruchsfassung nicht enthalten war, so dass der Senat in diesem zusätzlichen Verfahrensschritt eine Maßnahme sieht, die dem Codierungsverfahren nach dem Patentanspruch 14 eine weitere Zielrichtung vorgibt, die unter den Schutzbereich des erteilten Verfahrens nicht mehr zu subsumieren ist, so dass bereits aus diesem Grund der Patentanspruch 14 gemäß Hilfsantrag 5 nicht bestandsfähig ist.
5.2 Da sich je nach Übersetzungsvariante vollkommen verschiedene Verständnismöglichkeiten des Anspruchswortlauts ergeben, in dessen Folge sich der jeweilige Schutzbereich entscheidend ändert und keine Übersetzungsmöglichkeit aus fachlicher Sicht ausscheidet, genügt der mit Hilfsantrag 5 verteidigte Patentanspruch 14 auch dem Gebot der Deutlichkeit (Klarheit) nicht, wie es in Art. 84 EPÜ niedergelegt und auch bei der Formulierung beschränkter Patentansprüche in Patentnichtigkeitsverfahren zu beachten ist.
5.3 Mit dem Patentanspruch 14 in der mit Hilfsantrag 5 verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben.
5.4 Die Patentansprüche 20 und 25 in den hilfsweise verteidigten Fassungen gehen zur Überzeugung des Senats über die für die Wiederherstellung der Ausgangsframes notwendigen fachgemäßen Maßnahmen, welche nur die zum Encoder inversen Funktionalitäten widerspiegeln, nicht hinaus (vgl. auch I. 6.4).
Dass in den jeweiligen Fassungen der Patentansprüche 20 und 25 oder in den rückbezogenen Unteransprüchen eigenständig erfinderische Gegenstände enthalten seien, hat die Beklagte weder geltend gemacht, noch ist dies für den Senat ersichtlich (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2006 - X ZR 131/02, GRUR 2007, 309 Rn. 42 - Schussfädentransport).
III.
Als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG, § 709 ZPO.