Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 23.05.2012


BPatG 23.05.2012 - 5 Ni 22/10 (EP)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – „Radio Communication System (europäisches Patent“ - zur Wirksamkeit der Inanspruchnahme einer Priorität


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsdatum:
23.05.2012
Aktenzeichen:
5 Ni 22/10 (EP)
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
nachgehend BGH, 11. Februar 2014, Az: X ZR 107/12, Urteil
Zitierte Gesetze
Art 88 EuPatÜbk

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 062 743

(DE 699 35 715)

hat der 5. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2012 durch den Vorsitzenden Richter Gutermuth, die Richterin Martens sowie die Richter Dipl.-Ing. Gottstein, Dipl.-Ing. Musiol und Dipl.-Ing. Univ. Albertshofer

für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 1 062 743 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und am 24. Dezember 1999 angemeldeten europäischen Patents 1 062 743 (Streitpatent), das in der Verfahrenssprache Englisch die Bezeichnung "RADIO COMMUNICATION SYSTEM" trägt. Das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 699 35 715 geführte Streitpatent nimmt die Prioritäten der vier britischen Patentanmeldungen GB 99 00 910 vom 16. Januar 1999, GB 99 11 622 vom 20. Mai 1999, GB 99 15 569 vom 2. Juli 1999 und GB 99 22 575 vom 24. September 1999 in Anspruch. Das Streitpatent umfasst sechs Patentansprüche, die alle mit der Nichtigkeitsklage angegriffen sind.

2

Die unabhängigen Patentansprüche 1 und 4 haben in der erteilten Fassung in der Verfahrenssprache Englisch folgenden Wortlaut:

3

"1. A radio station (100, 110) for use in a radio communication system having a communication channel between the radio station (100, 110) and a further station (100, 110), the channel comprising an uplink and a downlink control channel for transmission of control information, and a data channel for the transmission of data, wherein closed loop power control means (107, 118) are provided for adjusting the power of the control and data channels, characterized by means (102, 112) for delaying the initial transmission of the data channel until after the initial transmission of the control channels during which delay the closed loop power control means (107, 118) is operable to adjust the control channel power."

4

"4. A method of operating a radio station (100, 110) in a radio communication system having a communication channel between the radio station (100, 110) and a further station (100, 110), the channel comprising an uplink and a downlink control channel for transmission of control information, and a data channel for the transmission of data, the method comprising adjusting the power of the control and data channels by means of closed loop power control and characterized by delaying the initial transmission of the data channel until after the initial transmission of the control channels during which delay the closed loop power control is operable to adjust the control channel power."

5

Wegen der Patentansprüche 2 und 3 sowie 5 und 6 wird auf die Streitpatentschrift EP 1 062 743 B1 Bezug genommen.

6

Die Klägerin macht als Nichtigkeitsgrund mangelnde Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents gegenüber dem zu berücksichtigenden Stand der Technik geltend, wobei sie der Auffassung ist, dass lediglich die GB 9922575 (Priorität 4, NK6) der Voranmeldungen zu einem Prioritätsdatum 24. September 1999 führen könne.

7

Die Klägerin stützt ihr Vorbringen auf folgende Unterlagen:

8

NK3 GB 9900910 (Priorität 1)

9

NK4 GB 9911622 (Priorität 2)

10

NK5 GB 9915569 (Priorität 3)

11

NK6 GB 9922575 (Priorität 4)

12

NK7 US 5,841,768

13

NK8 Email von P…, verteilt über den Absender3GPP_TSG_RAN_WG1: TSG RAN Working Goup 1, vom 11. Juni 1999, 16:42 Uhr

14

NK9 Dokument TSGR1#5(99)680, Titel: "Proposed CPCH-related insertions into 25.211"

15

NK10 Email von P…, verteilt über den Absender3GPP_TSG_RAN_WG1: TSG RAN Working Goup 1, vom 6. Mai 1999

16

NK11 Dokument "Common Packet Channel Handover UE-Based-Firm Handover"

17

NK12 ETSI Directives, December 1997

18

NK13 ARIB, Volume 3 "Specifications of Air-Interface for 3G Mobile System", Ver.0.5, vom 21. Juli 1998

19

NK14 Dokument TSGR1-969/99, Titel: "Approved Minutes of 3GPP TSG RAN WG1 #5 Meeting" (C… in K…)

20

NK15 Dokument TSGR1#5(99)592, Titel: "CPCH Physical Layer Procedures"

21

NK16 Dokument TSGR1#5(99)593, Titel: "Firm Handover over CPCH"

22

NK17 Dokument TSGR1#5(99)753, Titel: "ad-hoc 14 report (revised and extended)"

23

NK18 Email von P…, verteilt über den Absender3GPP_TSG_RAN_WG1: TSG RAN Working Group 1 vom 11. Juni 1999, 16:29 Uhr, genannt "Reflectormail"

24

NK19 WO 00/57591 A1

25

NK20 Registerauszug zu EP 1 145 469

26

NK21 US 09/304,345 (Anmeldeunterlagen)

27

NK22 Anlagenkonvolut der Entgegenhaltungen aus dem parallelen Nichtigkeitsverfahren zu EP 1 062 745

28

NK22-1 JP H10-2242293 A

29

NK22-2 Englische Übersetzung von JP H10-224293 A

30

NK22-3 WO 97/18643 A1

31

NK22-4 Email von A…, verteilt über den Absender3GPP_TSG_RAN_WG1: TSG RAN Working Goup 1, vom 12. April 1999, 18:28 Uhr

32

NK22-5 Dokument TSGR1#4(99)342, Titel "Improved closed loop power control algorithm in slotted mode"

33

NK22-6 EP 1 045 528 A1

34

NK22-7 Standard 3G TS 25 214 Version 3.0.0, Oktober 1999

35

NK22-8 US 5,896,411

36

NK22-5a 3GPP-Serverliste "Index of /ftp/tsg_ran/WG1_RL1/TSGR1 04/Docs/Pdfs" vom 11. Mai 2012 (2 Seiten) mit Dokument TSGR1#4(99)342, Titel "Improved closed loop power control algorithm in slotted mode"

37

NK22-7a 3GPP-Serverliste "Index of/ftp/Specs/1999-10/25_series" vom 11. Mai 2012 (1 Seite)

38

NK23 Anlagenkonvolut der Entgegenhaltungen aus dem parallelen Nichtigkeitsverfahren zu EP 1 062 744

39

NK23-1 WO 97/17769 A2

40

NK23-2 Email von Tim Moulsley, verteilt über den Absender 3GPP_TSG_RAN_WG1: TSG RAN Working Goup 1, vom 26. August 1999, 11:29 Uhr

41

NK23-3 Dokument TSGR1#7(99)c25, Titel: "Initial Transmit Power Level after Transmission Gap in Compressed Mode"

42

NK23-4 Email von Tim Moulsley, verteilt über den Absender 3GPP_TSG_RAN_WG1: TSG RAN Working Goup 1, vom 29. September 1999, 14:45 Uhr

43

NK23-5 Dokument TSGR1#7(99)e74, Titel: "Proposal for initial transmit power level after transmission gap in compressed mode"

44

NK23-6 Standard 3G TS 25 214 Version 3.0.0, Oktober 1999

45

NK23-7 US 5 056 109

46

NK23-5a 3GPP-Serverliste "Index of /ftp/tsg_ran/WG1_RL1/TSGR1_07b/Docs/PDFs" vom 13. Mai 2012 (3 Seiten).

47

Die Klägerin beantragt,

48

das europäische Patent 1 062 743 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

49

Die Beklagte beantragt,

50

die Klage abzuweisen.

51

Hilfsweise beantragt sie, das Streitpatent in den Fassungen der Hilfsanträge I bis XVII vom 19. März 2012 aufrecht zu erhalten (in dieser Reihenfolge).

52

Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält das Streitpatent mit den beanspruchten Prioritäten für patentfähig. Die von der Klägerin herangezogenen Druckschriften gehörten entweder nicht zum Stand der Technik oder nähmen den Patentgegenstand weder neuheitsschädlich vorweg noch legten sie ihn dem Fachmann nahe.

53

Bei allen Unterlagen, die nach Angabe der Klägerin im Rahmen des 3GPP (3rd Generation Partnership Project) - Standardisierungsprogrammes vorveröffentlicht worden seien, fehle ein lückenloser Nachweis dieser Vorveröffentlichungen. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte dies auch für die Unterlagen NK14 bis NK18 vorgetragen, ein zumindest konkludentes Bestreiten sei insoweit schon ihrem früheren Vorbringen zu entnehmen.

54

Zur Stützung ihres Vorbringens legt die Beklagte folgende Unterlagen vor:

55

NB1 Merkmalsanalyse Anspruch 1

56

NB2 US 5,487,180

57

NB3 Kopie eines Emailauszug vom 22. November 2010

58

NB4 Examensarbeit "Utvärdering….", April 1999

59

NB5 WO 00/042716

60

NB6 Internetauszug http:// wiki.answers.com/Q/ Differentiate….. vom 21. Februar 2012

61

NB7 Wikipedia-Auszug "Regelkreis".

62

Die Klägerin ist der Auffassung, ein lückenloser Nachweis der Vorveröffentlichung sei, im Lichte der Rechtsprechung des Senats zu "ETSI" und "3GPP" in den Verfahren 5 Ni 31/09 und 5 Ni 32/09, durch die vorgelegten Unterlagen, die jedermann im Internet herunterladen könne, geführt. Hilfsweise hat sie als Beweismittel den mitgebrachten Zeugen P… angeboten, der Vorsitzender der Untergruppe "ad-hoc 14" der "Working-Group 1" der "3 GPP - TSG-RAN" im Jahr 1999 war.

63

Die Klägerin hält weiter die Fassungen der mit den Hilfsanträgen verteidigten Gegenstände für unzulässig, weil deren Gegenstände den ursprünglichen Unterlagen zum Streitpatent nicht entnehmbar bzw. nicht als zur Erfindung gehörend offenbart seien, wobei sie zum Teil die Patente EP 1 062 745 und EP 1 062 744 beträfen. Im Übrigen hält sie die Gegenstände des Streitpatents im Umfang der hilfsweisen Verteidigung für nicht patentfähig.

64

Wegen der jeweiligen Fassung der Hilfsanträge I bis XVII wird auf die Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten vom 19. März 2012 Bezug genommen.

65

Der Senat hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung von Herrn P… als Zeugen. Hinsichtlich des Inhalts seiner Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

66

Die Parteien haben zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen.

67

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die gewechselten Schriftsätze samt allen Anlagen sowie auf den Hinweis des Senats nach § 83 Abs. 1 PatG vom 16. Februar 2012 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

68

Die Klage, mit der der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ i. V. m. Art. 52 bis Art. 57 EPÜ) geltend gemacht wird, ist zulässig und begründet. Die verteidigte erteilte Fassung des Streitpatents ist nicht patentfähig. Die verteidigten Fassungen gemäß den Hilfsanträgen I bis IV und VI bis XVII stellen keine zulässigen Beschränkungen des Patentgegenstandes dar, eine Prüfung hinsichtlich der Patentfähigkeit war daher nicht veranlasst. Bei der Fassung gemäß Hilfsantrag V erscheint die Zulässigkeit fraglich, auch bei deren Unterstellung liegt aber Patentfähigkeit nicht vor.

69

Die durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, dass von der Vorveröffentlichung der Anlagen NK15 und NK16 auszugehen ist (s. u. II., b)), weswegen, soweit zulässig verteidigte Fassungen zu prüfen waren, schon aufgrund dieser Entgegenhaltungen unter Zugrundelegung der Auffassung des Senats zur Prioritätsfrage (s. u. II., a)) die Patentfähigkeit zu verneinen ist.

I.

70

1. Das in der Verfahrenssprache Englisch abgefasste Streitpatent betrifft ein Funkkommunikationssystem und weiterhin primäre und sekundäre Stationen zur Verwendung in einem derartigen System sowie Verfahren zum Betrieb eines derartigen Systems (vgl. Streitpatent, Abs. [0001]).

71

Wie der Streitpatentschrift zu entnehmen ist, gäbe es zwei grundlegende Arten von Kommunikation, die in einem Funkkommunikationssystem zwischen einer Basisstation (BS) und einer Mobilstation (MS) benötigt werden. Die erste sei der Benutzerverkehr, zum Beispiel Sprach- oder Paketdaten. Die zweite seien die Steuerinformationen, die erforderlich seien, um verschiedene Parameter des Übertragungskanals einzustellen und zu überwachen, um die Basisstation und die Mobilstation in die Lage zu versetzen, den erforderlichen Benutzerverkehr auszutauschen (vgl. Streitpatent, Abs. [0002]).

72

Das Streitpatent geht dabei von Kommunikationssystemen aus, bei denen eine der Funktionen der Steuerinformationen darin bestehe, eine Leistungsregelung zu ermöglichen. Die Leistungsregelung der von einer Mobilstation an die Basisstation übertragenen Signale sei erforderlich, damit die Basisstation Signale von unterschiedlichen Mobilstation mit ungefähr dem gleichen Leistungspegel empfange, während die von jeder Mobilstation erforderliche Sendeleistung minimiert werde. Die Leistungsregelung der von der Basisstation an die Mobilstation übertragenen Signale sei erforderlich, damit die Mobilstation Signale von der Basisstation mit einer geringen Fehlerrate empfange, während die Sendeleistung minimiert werde, um Interferenzen mit anderen Zellen und Funksystemen zu reduzieren. Das Streitpatent geht von einem Stand der Technik aus, wonach bei einem Zweiwege-Funkkommunikationssystem die Leistungsregelung normalerweise in einem geschlossenen Regelkreis erfolge, bei dem die Mobilstation die erforderlichen Änderungen an der Übertragungsleistung von der Basisstation bestimme und der Basisstation diese Änderungen signalisiere, und umgekehrt (vgl. Streitpatent, Abs. [0003]).

73

Dem Streitpatent liegt demgemäß das technische Problem zugrunde, dass die Leistungsregelkreise zu Beginn einer Übertragung oder nach einer Unterbrechung der Übertragung etwas Zeit benötigen, um zufriedenstellend zu konvergieren. Bis eine derartige Konvergenz erreicht sei, sei es wahrscheinlich, dass übertragene Daten in einem beschädigten Zustand empfangen würden, wenn der Leistungspegel der Übertragung zu niedrig ist, oder dass zusätzliche Störungen erzeugt werden, wenn der Leistungspegel zu hoch ist (vgl. Streitpatent, Abs. [0005]).

74

Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent eine Funkstation nach dem verteidigten Patentanspruch 1 vor, welche sich in folgende Merkmale gliedern lässt (mit eingefügten Gliederungszeichen, deutsche Übersetzung jeweils kursiv):

75

1a) A radio station (100, 110) for use in a radio communication system having a communication channel between the radio station (100, 110) and a further station (100, 110), Funkstation (100, 110) zur Verwendung in einem Funkkommunikationssystem mit einem Kommunikationskanal zwischen der Funkstation (100, 110) und einer weiteren Station (100, 110),

76

1b) the channel comprising an uplink and a downlink control channel for transmission of control information, and wobei der Kanal einen Uplink- und einen Downlink-Steuerkanal zur Übertragung von Steuerinformationen, und

77

1c) a data channel for the transmission of data, einen Datenkanal zur Übertragung von Daten umfasst,

78

1d) wherein closed loop power control means (107, 118) are provided for adjusting the power of the control and data channels, wobei geschlossene Leistungsregelkreismittel (107, 118) vorgesehen sind, um die Leistung der Steuer- und der Datenkanäle zu regeln, characterized by

79

gekennzeichnet durch

80

1e) means (102, 112) for delaying the initial transmission of the data channel until after the initial transmission of the control channels Mittel (102, 112) zum Verzögern der Anfangsübertragung des Datenkanals, bis die Anfangsübertragung der Steuerkanäle stattgefunden hat

81

1f) during which delay the closed loop power control means (107, 118) is operable to adjust the control channel power.wobei die geschlossenen Leistungsregelkreismittel (107, 118) während dieser Verzögerung so funktionieren, dass sie die Leistung des Steuerkanals justieren.

82

Die auf den Patentanspruch 1 direkt rückbezogenen Ansprüche 2 bis 3 bilden das Verfahren gemäß dem Hauptanspruch fort und zwar dadurch, dass

83

● the delay in transmission of the data channel is predetermined.die Verzögerung in der Übertragung des Datenkanals vorgegeben ist (Patentanspruch 2),

84

● the delay in transmission of the data channel is determined dynamically.

85

die Verzögerung in der Übertragung des Datenkanals dynamisch bestimmt wird (Patentanspruch 3).

86

Der nebengeordnete Verfahrensanspruch 4 lässt sich in Anlehnung an die zu Patentanspruch 1 verwendete Merkmalsgliederung sinnvoll wie folgt gliedern:

87

4a) A method of operating a radio station (100, 110) in a radio communication system having a communication channel between the radio station (100, 110) and a further station (100, 110), Verfahren zum Betreiben einer Funkstation (100, 110) in einem Funkkommunikationssystem mit einem Kommunikationskanal zwischen der Funkstation (100, 110) und einer weiteren Station (100, 110),

88

4b) the channel comprising an uplink and a downlink control channel for transmission of control information, and wobei der Kanal einen Uplink- und einen Downlink-Steuerkanal zur Übertragung von Steuerinformationen, und

89

4c) a data channel for the transmission of data, einen Datenkanal zur Übertragung von Daten umfasst,

90

4d) the method comprising adjusting the power of the control and data channels by means of closed loop power control and wobei das Verfahren das Justieren der Leistung der Steuer- und der Datenkanäle mittels eines geschlossenen Leistungsregelkreises umfasst und characterised by gekennzeichnet durch

91

4e) delaying the initial transmission of the data channel until after the initial transmission of the control channels das Verzögern der Anfangsübertragung des Datenkanals, bis die Anfangsübertragung der Steuerkanäle stattgefunden hat,

92

4f) during which delay the closed loop power control is operable to adjust the control channel power.wobei die Leistungsregelung im geschlossenen Leistungsregelkreis während dieser Verzögerung so funktioniert, dass sie die Leistung des Steuerkanals justiert.

93

Die auf den Patentanspruch 4 direkt rückbezogenen Ansprüche 5 bis 6 bilden das Verfahren gemäß dem nebengeordneten Patentanspruch 4 fort und zwar dadurch, dass

94

● the delay in transmission of the data channel is predetermined. die Verzögerung in der Übertragung des Datenkanals vorgegeben ist (Patentanspruch 5),

95

● the delay in transmission of the data channel is determined dynamically die Verzögerung in der Übertragung des Datenkanals dynamisch bestimmt wird (Patentanspruch 6).

96

2. Als Fachmann, auf dessen Kenntnisse vorliegend abzustellen ist, sieht der Senat einen Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik mit Hochschulausbildung, der schwerpunktmäßig mit der Funkkommunikation befasst ist und über besondere Kenntnisse bei der Entwicklung von (Mobil-)Funkgeräten und den bei ihnen zur Anwendung kommenden Leistungsregelungskonzepten verfügt, an. Bei diesem Fachmann sind Kenntnisse der zum Prioritätszeitpunkt etablierten Normen für Übertragungsverfahren der mobilen Kommunikation sowie der dafür zur Anwendung kommenden Standardgerätschaften als bekannt vorauszusetzen.

97

3. Ausgehend von dem Fach- und Erfahrungswissen dieses Fachmanns geht der Senat von folgendem, den einzelnen Begriffen zugrunde zu legenden Bedeutungsinhalt aus:

98

Unter einem "Funkkommunikationssystem" (radio communication system) ist ein System für die drahtlose Kommunikation zu verstehen, das auf Basis eines Mobilfunkstandards, beispielsweise GSM (Globales System für Mobilkommunikation) oder eines CDMA-Standards (Code Division Multiple Access) arbeitet (vgl. Streitpatent, Abs. [0004]). Gefordert wird gemäß Patentanspruch 1 lediglich, dass das Funkkommunikationssystem einen Kommunikationskanal zwischen einer Funkstation und einer weiteren Station aufweist, wobei der Kommunikationskanal einen Uplink- und einen Downlink-Steuerkanal und einen Datenkanal umfasst.

99

Unter einer "Funkstation" (radio station) versteht der Fachmann jedwede technische Vorrichtung, die in der Lage ist, elektromagnetische Wellen in Form von Funksignalen zu verarbeiten. Darunter fallen sowohl die Basis- als auch die Mobilstationen in einem Mobilfunksystem.

100

Mit dem Begriff "Kommunikationskanal" (communication channel) wird im übertragungstechnischen Sinn ein Übertragungsmedium bezeichnet, mit dem Daten, die gemeinhin Nutz- und/oder Steuerinformationen umfassen, über räumliche Distanz übermittelt werden können. Abhängig von der jeweiligen Übertragungsrichtung wird zwischen "Aufwärtskanälen" (uplink channel), bei denen Datenpakete von einer mobilen Station an eine Basisstation übertragen werden, und "Abwärtskanälen" (downlink channel), bei denen Datenpakete von einer Basisstation zu einer Mobilstation übertragen werden, unterschieden.

101

Während über einen "Datenkanal" (data channel) Daten jeglicher Art, also sowohl Steuer- wie auch Benutzerdaten, übertragen werden - das Streitpatent subsumiert unter dem Begriff "Daten" ebenfalls die Steuer- (control information) und die Benutzerdaten (user traffic), beispielsweise Sprache oder Datenpakete (vgl. Streitpatent, Abs. [0002]) -, werden über einen "Steuerkanal" (control channel) ausschließlich Steuerinformationen (control information) übertragen, die für den Aufbau, die Erhaltung und den Abbau von Kommunikationsverbindungen notwendig sind, damit die Basisstation und eine Mobilstation Nutzsignale auszutauschen können (vgl. Streitpatent, Abs. [0002]). Zu den Steuersignalen gehören unter anderem auch Leistungssteuerungssignale (vgl. Streitpatent, S. 2, Z. 16 bis 18).

102

II. Zur erteilten Fassung

103

1. Dem so verstandenen Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 steht der vorveröffentlichte Beitrag gemäß Anlage NK15 (Titel: "CPCH Physical Layer Procedures") neuheitsschädlich entgegen.

104

a) Das Streitpatent kann als Zeitrang lediglich den 24. September 1999 (Anmeldetag der vierten Priorität GB 9922575, Anlage NK6) in Anspruch nehmen.

105

Die englische Patentanmeldung GB 9900910 (im Weiteren erste Priorität NK3) betrifft wie das Streitpatent ein Funkkommunikationssystem bestehend aus einer Primärstation und mehreren Sekundärstationen, mit einem Kommunikationskanal zwischen der Primärstation und den Sekundärstationen, wobei der Kommunikationskanal einen Aufwärts- und einen Abwärts-Steuerkanal zum Übertragen von Steuerungsinformationen und einen Datenkanal zur Übertragung von Datenpaketen ("transmission of data packets") aufweist. Bei dem Funkkommunikationssystem weisen die Primär- und Sekundärstationen Mittel auf, um die Anfangsübertragung auf dem Datenkanal zu verzögern, bis die Anfangsübertragung der Steuerkanäle stattgefunden hat (NK3, S. 2, Z. 21 bis 29; Patentanspruch 5), wobei geschlossene Leistungsregelungsmittel ("closed loop") vorhanden sind, um die Leistung des Steuer- und des Datenkanals zu regeln (NK3, S. 1, Z. 18 bis 28).

106

Die erste Prioritätsanmeldung NK3 enthält für den Fachmann jedoch explizite Aussagen bezüglich der Ausgestaltung des Kommunikationskanals, wonach es sich um einen Frequenzaufteilungs-Duplex-Kommunikationskanal (frequency division duplex communication channel) handelt. Zudem werden über die Steuerkanäle explizit Leistungssteuerungs- und Bitrateninformation übertragen (NK3, S. 2. Z. 13 bis 16 und Z. 23 bis 26; S. 3, Z. 28 bis 30, S. 4 Z. 5 bis 8; Patentansprüche 1 und 5; "…the system having a frequency division duplex communication channel between the primary station and a secondary station…"; "… an uplink and a downlink control channel for transmission of power control and bit rate information…"). In dem erteilten Patentanspruch 1 wird demgegenüber ganz allgemein ein Kommunikationskanal (communication channel) ohne Beschränkung auf ein Frequenzaufteilungs-Duplex-Verfahren beansprucht und über die Steuerkanäle werden allgemein Steuerinformationen (control information) übertragen. Das Weglassen dieser beiden Merkmale im erteilten Patentanspruch 1 führt zur Überzeugung des Senats zu einer unzulässigen Verallgemeinerung, die in der Prioritätsanmeldung NK3 nicht offenbart ist.

107

Auch wenn zu Beginn des ersten Prioritätsdokuments und am Ende des Ausführungsbeispiels desselben darauf hingewiesen wird, dass das beschriebene Verfahren nicht auf CDMA-Systeme bzw. UMTS beschränkt sei (vgl. S. 1, Abs. 1; S. 6, Z. 24 bis 25), entnimmt der Fachmann sowohl den Ausführungsbeispielen in der Beschreibung als auch den Patentansprüchen nur Funk-Kommunikationssysteme, welche einen Frequenzaufteilungs-Duplex-Kommunikationskanal nutzen, worunter für den Fachmann neben UMTS beispielsweise auch GSM zählt, worauf auch in der Prioritätsschrift gezielt hingewiesen wird (vgl. NK3, S. 1, Z. 29 bis S. 2, Z. 2). Soweit die Beklagte meint, der wesentliche Inhalt der Erfindung bestehe darin, dass die Anfangsübertragung auf den Datenkanälen gegenüber der Anfangsübertragung der Steuerkanäle verzögert erfolge, und die Erfindung für einen Fachmann demgemäß weder auf einen Frequenzaufteilungs-Duplex-Kommunikationskanal noch auf bestimmte, über die Steuerkanäle zu übertragende Information beschränkt sei, kann der Senat dieser Auffassung nicht zustimmen. Die Beklagte weist hierzu zwar auf verschiedene, sehr kurze Textstellen der Prioritätsschrift hin (z. B. S. 3, Z. 8 bis 11; S. 4, Z. 15 bis 17; S. 5, Z. 21 bis 22), an denen jedoch keine Aussagen zum Aufbau des Kommunikationskanal und der Art der über den Steuerkanal zu übertragenden Information getroffen werden. Der zuständige Fachmann wird diese – wie von der Beklagten selbst zugestanden – sehr kurzen Textstellen aber nicht für sich alleine, sondern im Kontext der zugehörigen weiteren Beschreibung betrachten, wohl wissend, dass üblicherweise in der Beschreibung nicht an allen Stellen immer alle erfindungswesentlichen Merkmale wiederholt werden. Aus diesem Gesamtzusammenhang erschließt sich ihm unmittelbar und eindeutig, dass ein Frequenzaufteilungs-Duplex-Kommunikationskanal verwendet wird und Leistungssteuerungs- und Bitrateninformation über die Steuerkanäle übertragen wird. Auch handelt es sich bei dem Begriff "Steuerinformation" (control information) nicht um ein Synonym für "Leistungssteuerungs- und Bitrateninformation", denn für den Fachmann ist ersichtlich, dass er einen Kanal abhängig von der Art der zu übertragenden Daten ausbilden muss. So wird er einen Kanal, über den lediglich ein Leistungssteuerungsbefehl übertragen wird (was gemäß der allgemein gefassten Formulierung im erteilten Anspruch möglich ist), anders gestalten als einen Kanal, über den Leistungssteuerungs- und Bitrateninformation übertragen wird.

108

Eine Priorität kann für einen Anspruch in einer europäischen Patentanmeldung gemäß Art. 88 EPÜ nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Fachmann den Gegenstand des Patentanspruchs unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig der früheren Anmeldung als Ganzes entnehmen kann; es muss sich um dieselbe Erfindung handeln. Für die Beurteilung einer identischen Offenbarung gelten die Prinzipien der Neuheitsprüfung (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2003 - X ZR 4/00, "Elektronische Funktionseinheit"). Demnach ist in einem Dokument als offenbart anzusehen, was der Fachmann unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig den betrachteten Unterlagen entnehmen kann, nicht hingegen eine weitergehende Erkenntnis, zu der der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder durch Abwandlung der offenbarten Lehre gelangen kann (vgl. BGH GRUR 2010, 910 – Fälschungssicheres Dokument).

109

Das Weglassen der beiden aufgeführten Merkmale führt folglich zu keiner Abwandlung, die nach dem Gesamtzusammenhang der Schrift für den Fachmann derart nahe liegt, dass er sie in Gedanken gleich mitliest und der Schrift unmittelbar und eindeutig entnimmt, sondern zu einer Verallgemeinerung der technischen Lehre, zu der der Fachmann kraft seines Fachwissens zwar aus der erhaltenen technischen Information gelangen kann, wobei dies allerdings nicht zum Offenbarten gehört (vgl. einmal mehr BGH GRUR 2010, 910 – Fälschungssicheres Dokument).

110

Da die nach obigen Ausführungen in der beanspruchten Allgemeinheit nicht offenbarten Merkmale 1a und 1b auch aus den in Anspruch genommenen Prioritäten (GB 9911622, NK4 und; GB 9915569, NK5) für den Fachmann nicht unmittelbar und eindeutig hervorgehen, können auch diese Prioritäten im Hinblick auf den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht wirksam beansprucht werden.

111

In der vierten Prioritätsanmeldung vom 24. September 1999 (GB 9922575, NK6) wird erstmals das verallgemeinerte Konzept eines Funkkommunikationssystems bestehend aus einer Primärstation und mehreren Sekundärstationen, mit einem Kommunikationskanal zwischen der Primärstation und den Sekundärstationen, ohne eine Beschränkung auf Frequenzaufteilungs-Duplex-Kommunikationskanäle und die Übertragung von Leistungssteuerungs- und Bitrateninformation über die Steuerkanäle offenbart (vgl. NK6, Patentanspruch 1).

112

Dem Streitpatent kann daher lediglich der 24. September 1999, der Anmeldetag der vierten Priorität, als Zeitrang zu Grunde gelegt werden.

113

b) Die von der Klägerin entgegengehaltenen Druckschriften gemäß Anlagen NK15 und NK16, sind bei der Prüfung auf Patentfähigkeit zu berücksichtigen, weil sie vor dem der Streitpatenschrift zustehenden Zeitrang bzw. wirksamen Prioritätstag der Öffentlichkeit zugänglich waren.

114

Bezüglich der Entgegenhaltungen NK15 bzw. NK16 können nach der durchgeführten Beweisaufnahme nach Auffassung des Senats keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass diese vor dem wirksamen Prioritätsdatum 24. September 1999 den Mitgliedern der 3GPP-Gremien, zu denen auch die Beklagte gehörte, und damit einem Querschnitt der bedeutendsten Unternehmen auf diesem technischen Gebiet der Mobilfunktechnologie, ohne irgendeine Verpflichtung zur Geheimhaltung bekannt geworden sind.

115

Nachdem der Zeuge Herr P… präsent war und eine Vernehmung am Verhandlungstag möglich war, hat der Senat Bedenken, ob das Bestreiten der Vorveröffentlichung durch die Beklagte nicht verspätet im Sinne des § 83 Abs. 4 PatG war, ebenso zurückgestellt wie die Frage, in wieweit es für die Beklagte als damaligem Mitglied der 3GPP-Gremien überhaupt prozessualen Regeln entspricht, ohne konkreten eigenen Sachvortrag, inwieweit der Vortrag der Klägerin unzutreffend sei, die Veröffentlichung mit Nichtwissen zu bestreiten.

116

Der Zeuge hat "seine" Beiträge als damaliger Mitarbeiter der Firma G…Technology wiedererkannt und auch widerspruchsfrei dargelegt, wie die Beiträge einzelner Mitglieder den übrigen Mitgliedern und Teilnehmern an der Konferenz vom 1. Juni 1999 bis 4. Juni 1999 in C… I… in S… bekannt gemacht wurden. Er konnte sich an ausführliche Diskussionen über die Inhalte der NK15 und NK16 erinnern, die ohne vorherige Übermittlung per "Reflectormail" an die Konferenzteilnehmer so nicht möglich gewesen wären. Insbesondere an die jeweiligen Figuren 1 der NK15 und NK16 und die Diskussionen darüber konnte sich der Zeuge, der damals Vorsitzender der "ad hoc 14"-Gruppe, einer Untergruppe der "Working Group 1" (WG 1), die sich mit diesen Dokumenten auseinandersetzte, auf der Tagung in C… war, klar erinnern.

117

Für die von der Beklagten geltend gemachten Zweifel, ob NK15 bzw. NK16 wirklich in jedem Wort bzw. Inhaltsteil genauso damals veröffentlicht wurden, fehlt es angesichts der klaren und widerspruchsfreien Aussage des Zeugen an jeglichem Anhaltspunkt. Hinzu kommt, dass NK15 und NK16 von jedermann im Internet unter "http://www.3gpp.org/ftp/tsg_ran/WG1_RL1/TSGR1_04/Docs/Pdfs/" heruntergeladen werden können und einen "last modified" Eintrag aufweisen, der vor dem maßgeblichen Prioritätstag liegt. Der Senat ist der Auffassung, dass es vertretbar erscheine, allein schon deshalb von einer nachgewiesenen Vorveröffentlichung auszugehen. Angesichts des feststehenden Datums der Konferenz in C… und der klaren Aussage des Zeugen kann aber dahinstehen, ob trotz "last modified"-Datum theoretisch denkbar wäre, dass die heute gespeicherte Datei nach diesem Datum noch einmal verändert wurde, wie von der Beklagten als Möglichkeit vorgetragen wurde, weshalb sie einen lückenlosen Nachweis verneinte. Besonders überzeugend wirkte in diesem Zusammenhang die verwunderte Reaktion des Zeugen auf die Nachfragen der Beklagtenseite, worauf er nochmals klarstellte, dass, wenn der technische Inhalt von NK15 und NK16 den Mitgliedern der WG 1 nicht bekannt geworden sei, man keine Grundlage für die tatsächlich erfolgte Diskussion ihrer Inhalte gehabt hätte, an welche wiederum er sich genau erinnern konnte.

118

c) Die Druckschrift NK15 mit dem Titel "CPCH Physical Layer Procedures" nimmt alle Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung neuheitsschädlich vorweg.

119

Die Druckschrift NK15 befasst sich mit Funkstationen zur Verwendung in einem Funkkommunikationssystem zwischen einer Funkstation und einer weiteren Station (vgl. Fig. 1 mit zugehörigem Text, siehe Abschnitt "Description of the CPCH physical layer Procedures"; Merkmal 1a), und insbesondere mit dem Verbindungsaufbau nach einer Unterbrechung. Wie der Figur 1 weiter zu entnehmen ist, werden von einer Mobilstation über einen RACH-Kanal Ressourcenanfragen ("Power Ramping RACH Preambles") an eine Basisstation gestellt. Nachdem diese Anfragen von der Basisstation detektiert wurden, wird von dieser eine Bestätigung ("L1 ACK") an die Mobilstation geschickt und von dieser empfangen. Daraufhin werden Uplink- und Downlinksteuerkanäle eingerichtet, auf denen Steuerinformationen in Form von Leistungssteuerungssignalen ("Preamables for Closed Loop Power Control") übertragen werden (Merkmal 1b). Da über den Austausch von Steuerinformationen (preambles for closed loop) die Leistung auf diesen Kanälen zwischen den beiden Stationen eingestellt wird (vgl. Fig. 1), handelt es sich dabei um dedizierte Steuerkanäle zwischen der Mobilstation und der Basisstation. Ein RACH-Kanal, über den eine exklusive Zuweisung eines Nutzkanals zu einer dedizierten Mobilstation erfolgt, scheidet, wie auch von der Beklagten in der Verhandlung ausdrücklich bestätigt, hierfür aus. Nach einer Zeitdauer von 10 ms beginnt neben der Übertragung von Steuerinformationen die Übertragung von weiterer Information, worunter der Fachmann Nutzerdaten versteht, und von weiteren notwendigen Steuerinformationen (vgl. 2. Absatz nach Fig. 2; "After the completion of the BS-CLPC-Preamble and UE-CLPC-Preamble, both the BS and UE start transmission of information and other necessary control data. In case information data is not available for transmission from either the BS or UE, only control data is transmitted."), mithin ist ein Datenkanal zur Übertragung von Daten (vgl. oben Abschnitt 3) vorhanden (Merkmal 1c). Es sind geschlossene Leistungsregelkreismittel vorhanden, um die Leistung der Steuer- und der Datenkanäle zu regeln (vgl. 2. Absatz nach Fig. 2, letzter Satz, "TPC data are transmitted during the transmission of information and control data, is used to closed loop power control both the BS and RS signal transmissions."; Merkmal 1d). Wie der Figur 1 weiter zu entnehmen ist, findet nach dem Aufbau der Steuerkanäle auf diesen über einen Zeitraum von 10 ms eine Leistungsregelung mit geschlossenem Regelkreis statt, um die Leistung auf den Steuerkanälen einzuregeln ("Preamables for Closed Loop Power Control") und danach beginnt die Anfangsübertragung auf dem Datenkanal. Mithin sind Mittel vorhanden zum Verzögern der Anfangsübertragung des Datenkanals, bis die Anfangsübertragung der Steuerkanäle stattgefunden hat (Merkmal 1e), wobei die geschlossenen Leistungsregelkreismittel während dieser Verzögerung so funktionieren, dass sie die Leistung des Steuerkanals justieren (Merkmal 1f).

120

Soweit die Beklagte vorträgt, dass im Gegensatz zu der Druckschrift NK15, gemäß dem erteilten Anspruch 1 neben den Steuerungskanälen ein zusätzlicher, dedizierter Datenkanal vorliege, so kann dies nicht durchgreifen. Patentanspruch 1 erwähnt insoweit keine spezielle Form von Kanalaufbau, er verlangt lediglich, dass das Funkkommunikationssystem einen Kommunikationskanal hat, welcher Steuerungskanäle und einen Datenkanal umfasst. Weder dem Anspruch noch der ursprünglichen Beschreibung ist zu entnehmen, wann die einzelnen Kanäle vorhanden sind, oder wie sie entstehen. Unter den Schutzbereich des Patentanspruchs fallen daher auch solche Systeme, bei denen zunächst nur ein Steuerungskanal vorhanden ist, auf dem mittels geschlossener Regelschleife die Leistung eingestellt wird und nach einer Verzögerungszeit ein Datenkanal zum Übertragen von Daten (Steuerungs- und Benutzerdaten) eingerichtet wird.

121

d) Mit dem Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben. Dass in dem nebengeordneten Patentanspruch 4 bzw. in den rückbezogenen Unteransprüchen eigenständig erfinderische Gegenstände enthalten seien, hat die Beklagte weder geltend gemacht, noch ist dies für den Senat ersichtlich. Vielmehr hat die Beklagte im Rahmen ihrer Hilfsanträge versucht, zur Patentfähigkeit der dort beanspruchten Gegenstände zu gelangen.

122

III. Zu den Hilfsanträgen

123

1. Hilfsanträge I bis IV

124

a) Die hilfsweise verteidigten Fassungen des Patentanspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen I bis IV unterscheiden sich von der erteilten Fassung dadurch, dass sie unter anderem durchgehend das neu mitaufgenommene Merkmal

125

1c1) wherein the uplink and the downlink control channel and the data channel are established after transmission by the radio station (100, 110) of a request (202) for resources and receipt of an acknowledgement (204) from the further station (100, 110),

126

enthalten, das den ursprünglich eingereichten Unterlagen in der so beanspruchten Allgemeinheit nicht als zur Erfindung gehörig entnommen werden kann.

127

Soweit die Beklagte zur Offenbarung dieses Merkmals auf die Seite 5, Zeilen 3 bis 11 der ursprünglichen Anmeldung verweist, muss sie sich entgegenhalten lassen, dass dort lediglich mitgeteilt wird, dass der Uplink- und der Downlink Steuerkanal und der Datenkanal eingerichtet werden, nachdem eine Mobilstation eine Ressourcenanfrage auf dem Uplink-Kanal an eine Basisstation gestellt hat und von dieser eine Bestätigung über den Downlink-Kanal empfangen hat. Der umgekehrte Weg, dass eine Basisstation eine Ressourcenanfrage an eine Mobilstation stellt, die Mobilstation Ressourcen zur Verfügung stellt und die Basisstation ein entsprechendes Antwortsignal von der Mobilstation empfängt, was gemäß dem allgemein gehaltenen Anspruchswortlaut gemäß Merkmal 1c1 ebenfalls umfasst ist, ist dort nicht offenbart. Der zuständige Fachmann entnimmt dies den ursprünglichen Unterlagen auch nicht unter Berücksichtigung der von der Beklagten genannten Textstelle auf Seite 10, Zeilen 19 bis 21, wonach die zuvor beschriebenen Techniken nicht nur für den Uplink-Kanal, sondern auch für eine Übertragung auf dem Downlink-Kanal oder auch eine bidirektionale Übertragung angewendet werden können. Diese Aussage bezieht sich, für den Fachmann unmittelbar erkennbar, auf die verschiedenen Möglichkeiten der Leistungssteuerung und nicht auf den Verbindungsaufbau.

128

b) Mit dem Patentanspruch 1 in der mit den Hilfsanträgen I bis IV jeweils verteidigten Fassungen kann das Patent somit keinen Bestand haben. Der Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruchs 4 in den Fassungen der Hilfsanträge I bis IV verlässt aus den zum Patentanspruch 1 ausgeführten Gründen ebenfalls den Rahmen der ursprünglichen Offenbarung.

129

c) Bei dieser Sachlage brauchte der Frage, in wieweit die Neuaufnahme weiterer Merkmale in die jeweiligen Patentansprüche 1 gemäß den Hilfsanträgen II bis IV diese in unzulässiger Weise erweitern, nicht mehr nachgegangen zu werden.

130

2. Hilfsantrag V

131

a) Der hilfsweise verteidigte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag V sieht eine Funkstation zur Verwendung in einem Funkkommunikationssystem vor, die nach Merkmalen gegliedert wie folgt charakterisiert ist (Änderungen gegenüber dem Hauptantrag hervorgehoben):

132

1a)HV A radio mobile station (100, 110) for use in a UMTS radio communication system having a frequency division duplex communication channel between the radio mobile station (100, 110) and a further base station (100, 110), Funk Mobil station ( 100 , 110) zur Verwendung in einem UMTS Funkkommunikationssystem mit einem Frequenzaufteilungs-Duplex-Kommunikationskanal zwischen der Funk Mobil station ( 100 , 110) und einer weiteren Basis station (100, 110),

133

1b) the channel comprising an uplink and a downlink control channel for transmission of control information and wobei der Kanal einen Uplink- und einen Downlink-Steuerkanal zur Übertragung von Steuerinformationen und

134

1c) a data channel for the transmission of data, einen Datenkanal zur Übertragung von Daten umfasst,

135

1c0) HV wherein the data transmitted on the data channel is user traffic wobei die auf dem Datenkanal übertragenen Daten Benutzerverkehr ist

136

1c1) HV wherein the uplink and the downlink control channel and the data channel are established after transmission by the mobile station (110) of a request (202) for resources and receipt of an acknowledgement (204) from the base station (100), wobei der Uplink- und der Downlink Steuerkanal und der Datenkanal eingerichtet werden, nachdem die Mobilstation (110) eine Ressourcenanfrage (202) übermittelt und eine Bestätigung von der Basisstation (100) erhalten hat,

137

1d) wherein closed loop power control means (107, 118) are provided for adjusting the power of the control and data channels, wobei geschlossene Leistungsregelkreismittel ( 107 , 118) vorgesehen sind, um die Leistung der Steuer- und der Datenkanäle zu regeln,

138

characterized by

139

g ekennzeichnet durch

140

1e) means (102, 112) for delaying the initial transmission of the data channel until after the initial transmission of the control channels, Mittel ( 102 , 112) zum Verzögern der Anfangsübertragung des Datenkanals, bis die Anfangsübertragung der Steuerkanäle stattgefunden hat,

141

1f) during which delay the closed loop power control means (107, 118) is operable to adjust the control channel power.wobei die geschlossenen Leistungsregelkreismittel ( 107 , 118) während dieser Verzögerung so funktionieren, dass sie die Leistung des Steuerkanals justieren.

142

1g) wherein the delay in transmission of the data channel is predetermined. wobei die Verzögerung in der Übertragung des Datenkanals vorgegeben ist.

143

b) Es kann nach Ansicht des Senats dahingestellt bleiben, ob alle Merkmale des mit Hilfsantrag V verteidigten Patentanspruchs 1 in den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörig offenbart sind und dieser zulässig ist, da dieser durch Beschränkung mit den Merkmalen 1a)HV und 1c1)HV auf einen bestimmten Ablauf beim Verbindungsaufbau zwischen einer Mobil- und Basisstation gegenüber dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung eingeschränkte Gegenstand gegenüber der Druckschrift NK15 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

144

Auch mit diesem Anspruch kann nur die englische Priorität GB 9922575 vom 24. September 1999 (NK6) gemäß Art. 88 EPÜ in Anspruch genommen werden, da das Merkmal, dass über den Datenkanal "power control and bit rate information" übertragen werden, in dem Anspruch nicht enthalten ist. Es wird hierzu auf die Ausführungen zum Patentanspruch 1 der erteilten Fassung verwiesen (vgl. oben, Abschnitt II, 1a). Die Druckschrift NK15 ist daher auch bezüglich des Gegenstands nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag V vorveröffentlicht und zählt zum zu berücksichtigenden Stand der Technik.

145

Bezüglich der Merkmale 1b), 1c), 1d), 1e) und 1f) wird zunächst auf die Ausführungen zur erteilten Fassung verwiesen.

146

Wie dem Titel der NK15 zu entnehmen ist, betrifft diese "CPCH Physical Layer Procedures". Unter einem CPCH-Kanal (Common Packet Channel) versteht der zuständige Fachmann zwanglos einen Kanal der 3. Mobilfunkgeneration UMTS, der explizit für eine Paketübertragung optimiert und als Frequenzaufteilungs-Duplex Kanal ausgebildet ist. Für den zuständigen Fachmann geht aus der NK15 somit zwanglos eine Mobilstation zur Verwendung in einem UMTS Funkkommunikationssystem mit einem Frequenzaufteilungs-Duplex-Kommunikationskanal zwischen der Mobilstation und einer Basisstation hervor (Merkmal 1a) HV ). Wie der Figur 1 und der zugehörigen Beschreibung für einen Verbindungsaufbau zwischen einer Mobilstation und einer Basisstation der NK15 entnommen werden kann, werden ein Uplink- und ein Downlink Steuerkanal und ein Datenkanal (PDCH (DL/UL)) eingerichtet, nachdem eine Mobilstation eine Ressourcenanfrage ("Power Ramping RACH Preambles") an eine Basisstation übermittelt und von dieser eine Bestätigung erhalten hat ("When the preamble is detected, the base station transmits back an acknowledgement (L1 ACK)", "The acknowledgement signifies that a transmission of a preamble was received by the base station"; Merkmal 1c1) HV . Nach dem Aufbau der Kanäle findet, ohne dass Nutzdaten ("Information") übertragen werden, auf den Steuerkanälen eine Leistungsregelung mit geschlossener Schleife statt ("Preambles for Closed Loop Power Control"). Nach einer Verzögerung von 10 ms wird mit der Übertragung von Nutzdaten ("Information") auf dem Datenkanal begonnen (vgl. 2. Absatz nach Fig. 2, "After the completion of the BS-CLPC-Preamble and UE-CLPC-Preamble, both the BS and UE start transmission of information and other necessary control data. In case information data is not available for transmission from either the BS or UE, only control data is transmitted."), womit die Verzögerung der Anfangsübertragung des Datenkanals vorgegeben ist (Merkmal 1g).

147

Der Fachmann entnimmt der Druckschrift NK15 daher die Lehre, Benutzerdaten erst nach einer bestimmten Verzögerungszeit, während der die Leistung auf Steuerkanälen mittels eines geschlossenen Regelkreises eingestellt wird, zu übertragen. Bezüglich des Merkmals 1c0) HV , wonach über den Datenkanal Benutzerverkehr übertragen wird, ist daher festzustellen, dass sich der Fachmann beim Nacharbeiten der Lehre nach der Druckschrift NK15 für einen für ihn sinnvollen Aufbau der einzelnen Steuer- und Datenkanäle entscheiden muss. Ihm sind dabei verschiedenste Möglichkeiten der Kanalgestaltung bekannt. Er wird, je nach Bedarf, entweder Kanäle anlegen, über die Steuer- und Benutzerdaten übertragen werden, oder er wird – zusätzlich zu Steuerkanälen – Datenkanäle anlegen, über die nur Benutzerdaten übertragen werden. In erster Linie geht es ihm hierbei um die Lehre, die Benutzerdaten verzögert zu starten. Entscheidet sich der Fachmann in naheliegender Weise für einen Datenkanal, über den nur Nutzerdaten übertragen werden, z. B. um eine saubere Trennung von Steuer- und Benutzerdaten zu erreichen, wäre das Merkmal 1c0) HV bereits realisiert.

148

c) Mit dem Patentanspruch 1 in der mit dem Hilfsantrag V verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben. Dass in dem nebengeordneten Patentanspruch 2 eigenständig erfinderische Gegenstände enthalten seien, hat die Beklagte weder geltend gemacht, noch ist dies für den Senat ersichtlich.

149

3. Hilfsantrag VI

150

a) Der hilfsweise verteidigte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VI sieht eine Funkstation zur Verwendung in einem Funkkommunikationssystem vor, die nach Merkmalen gegliedert wie folgt charakterisiert ist (Änderungen gegenüber Hauptantrag unterstrichen):

151

1a)HVI A radio mobile station (100, 110) for use in a radio communication system having a communication channel between the radio mobile station (100, 110) and a further base station (100, 110), Funk Mobil station ( 100 , 110) zur Verwendung in einem Funkkommunikationssystem mit einem Kommunikationskanal zwischen der Funk Mobil station ( 100 , 110) und einer weiteren Basis station (100, 110 ),

152

1b) the channel comprising an uplink and a downlink control channel for transmission of control information, and wobei der Kanal einen Uplink- und einen Downlink-Steuerkanal zur Übertragung von Steuerinformationen und

153

1c) a data channel for the transmission of data, einen Datenkanal zur Übertragung von Daten umfasst,

154

1d) wherein closed loop power control means (107, 118) are provided for adjusting the power of the control and data channels, wobei geschlossene Leistungsregelkreismittel ( 107 , 118) vorgesehen sind, um die Leistung der Steuer- und der Datenkanäle zu regeln,

155

characterized by

156

gekennzeichnet durch

157

1e) means (102, 112) for delaying the initial transmission of the data channel until after the initial transmission of the control channels, Mittel ( 102 , 112) zum Verzögern der Anfangsübertragung des Datenkanals, bis die Anfangsübertragung der Steuerkanäle stattgefunden hat,

158

1f) during which delay the closed loop power control means ( 107 , 118) is operable to adjust the control channel power wobei die geschlossenen Leistungsregelkreismittel (107, 118) während dieser Verzögerung so funktionieren, dass sie die Leistung des Steuerkanals justieren.

159

1h1) VI wherein the power control means (118) is further adapted to adjust, in response to a sequence of received power control commands, the power of the control and data channels in a series of steps of variable size, wobei die Leistungssteuerungsmittel (118) weiter dazu geeignet sind, als Antwort auf eine Anzahl von empfangenen Leistungssteuerungsbefehlen, die Leistung der Steuer- und Datenkanäle in einer Reihe von Schritten mit veränderlicher Größe zu verändern,

160

1h2) VI wherein each step is made in response to the receipt of a corresponding power control command in the sequence, wobei jeder Schritt als Reaktion auf den Empfang eines entsprechenden Leistungssteuerungsbefehls in der Abfolge vorgenommen wird,

161

1h3) VI wherein the power control means (118) is adapted to reduce the step size from an initial step size at a predetermined time after the start or resumption of transmission. wobei das Leistungssteuerungsmittel (118) dazu geeignet ist, die Schrittgröße zu einer vorbestimmten Zeit nach dem Beginn oder der Wiederaufnahme der Übertragung von einer anfänglichen Schrittgröße zu verringern.

162

b) Der Gegenstand der im Rahmen des Hilfsantrages VI verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1 ist in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörig offenbart, denn diese offenbaren einen solchen Gegenstand nicht als mögliche Ausgestaltung der Erfindung. Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VI ist daher nicht zulässig.

163

Der Gegenstand mit den neu aufgenommenen Merkmalen 1h1)VI bis 1h3)VI betrifft eine Ausführungsform, welche den ursprünglichen Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörig entnommen werden kann. Zur Offenbarung der neuen Merkmale verweist die Beklagte zwar auf das Ausführungsbeispiel gemäß der Figur 4 in den ursprünglichen Unterlagen (NB5, S. 6, Z. 12 bis S. 7, Z. 11), jedoch entnimmt der zuständige Fachmann bereits aus der Formulierung zu Beginn der Beschreibung des Ausführungsbeispiels, dass es sich hierbei um eine komplett andere Lösungsmöglichkeit für das in der Anmeldung genannte Problem handelt (S. 6, Z. 12, "Figure 4 is a flow chart of another solution of the problem…"). Er würde eine Kombination dieser beiden Lösungsmöglichkeiten bei der Durchsicht der Anmeldung auch nicht in Betracht ziehen, da das Verfahren der zweiten Lösungsmöglichkeiten gemäß den Merkmalen 1h1)VI bis 1h3)VI erst dann startet, wenn nach einer Unterbrechung die Datenübertragung auf den Steuerkanälen und den Datenkanälen bereits begonnen hat (S. 6, Z. 17 bis 19, "The method starts 402 with the beginning of the transmissions of the control channels 206, 208 and the data channel 210 (or the beginning of their retransmission after an interruption).", Hervorhebung hinzugefügt). Zu diesem Zeitpunkt würde es für den Fachmann aber keinen Sinn machen, die beanspruchte Lösungsmöglichkeit anzuwenden, da bei der Verwendung der Lösungsmöglichkeit gemäß den Merkmalen 1e) und 1f) die Leistung bereits eingeregelt wäre.

164

Der mit Hilfsantrag VI verteidigte Patentanspruch kombiniert damit verschiedene Offenbarungsstellen, die für den Fachmann, der sich um ein sinnvolles Verständnis der Beschreibung bemüht, in keinem erkennbaren kausalen Zusammenhang miteinander stehen. Die Merkmale 1e, 1f und 1h1)VI bis 1h3)VI definieren in ihrer Kombination eine Ausführungsform, die in den Anmeldeunterlagen nicht unmittelbar und eindeutig als mögliche Ausgestaltung der Erfindung offenbart ist. Diese stellt sich vielmehr gegenüber den ursprünglichen Unterlagen als nicht offenbartes "Aliud" dar (BGH Urteil vom 14. Mai 2009 – Xa ZR 148/05 - Heizer).

165

c) Mit dem Patentanspruch 1 in der mit dem Hilfsantrag VI verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben. Der Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruchs 4 in der Fassung des Hilfsantrags VI verlässt aus den zum Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags VI ausgeführten Gründen ebenfalls den Rahmen der ursprünglichen Offenbarung.

166

4. Hilfsanträge VII bis XI

167

a) Die hilfsweise verteidigten Fassungen des Patentanspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen VII bis XI enthalten neben weiteren Änderungen, die bereits Gegenstand der Hilfsanträge I bis V sind, die bereits zum Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VI für nicht zulässig erachtete Ausführungsform, wonach die beanspruchte mobile Station gekennzeichnet sei, durch

168

1e) means (102, 112) for delaying the initial transmission of the data channel until after the initial transmission of the control channels, Mittel ( 102 ,112) zum Verzögern der Anfangsübertragung des Datenkanals, bis die Anfangsübertragung der Steuerkanäle stattgefunden hat,

169

1f) during which delay the closed loop power control means ( 107 , 118) is operable to adjust the control channel power wobei die geschlossenen Leistungsregelkreismittel (107, 118) während dieser Verzögerung so funktionieren, dass sie die Leistung des Steuerkanals justieren.

170

1h1)VI wherein the power control means (118) is further adapted to adjust, in response to a sequence of received power control commands, the power of the control and data channels in a series of steps of variable size, wobei die Leistungssteuerungsmittel (118) weiter dazu geeignet sind, als Antwort auf eine Anzahl von empfangenen Leistungssteuerungsbefehlen, die Leistung der Steuer- und Datenkanäle in einer Reihe von Schritten mit veränderlicher Größe zu verändern,

171

1h2)VI wherein each step is made in response to the receipt of a corresponding power control command in the sequence, wobei jeder Schritt als Reaktion auf den Empfang eines entsprechenden Leistungssteuerungsbefehls in der Abfolge vorgenommen wird,

172

1h3)VI wherein the power control means (118) is adapted to reduce the step size from an initial step size at a predetermined time after the start or resumption of transmission.wobei das Leistungssteuerungsmittel (118) dazu geeignet ist, die Schrittgröße zu einer vorbestimmten Zeit nach dem Beginn oder der Wiederaufnahme der Übertragung von einer anfänglichen Schrittgröße zu verringern.

173

b) Auch die jeweiligen Patentansprüche 1 der Hilfsanträge VII bis XI beanspruchen somit eine Kombination unterschiedlicher Ausführungsbeispiele, die für den Fachmann in keinem erkennbaren Zusammenhang stehen und sind aus denselben Gründen wie der Hilfsantrag VI unzulässig. Es wird hierzu auf die Ausführungen zum Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag VI verwiesen.

174

Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob die weiteren zusätzlichen Merkmale dieser Patentansprüche aus den ursprünglichen Unterlagen hervorgehen.

175

c) Mit dem Patentanspruch 1 in der mit den Hilfsanträgen VII bis XI verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben. Der Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruchs 4 in den Fassungen der Hilfsanträge VII bis VIII und des nebengeordneten Patentanspruchs 2 in den Fassungen der Hilfsanträge IX bis XI verlässt aus den zum Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags VI ausgeführten Gründen ebenfalls den Rahmen der ursprünglichen Offenbarung.

176

5. Hilfsantrag XII

177

a) Der hilfsweise verteidigte Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag XII sieht eine Funkstation zur Verwendung in einem Funkkommunikationssystem vor, die nach Merkmalen gegliedert wie folgt charakterisiert ist (Änderungen gegenüber dem Hauptantrag hervorgehoben):

178

1a)XII A radio mobile station (100, 110) for use in a radio communication system having a communication channel between the radio mobile station (100, 110) and a further base station (100, 110), Funk Mobil station ( 100 , 110) zur Verwendung in einem Funkkommunikationssystem mit einem Kommunikationskanal zwischen der Funk Mobil station ( 100 , 110) und einer weiteren Basis station (100, 110 ),

179

1b) the channel comprising an uplink and a downlink control channel for transmission of control information, and wobei der Kanal einen Uplink- und einen Downlink-Steuerkanal zur Übertragung von Steuerinformationen und

180

1c) a data channel for the transmission of data, einen Datenkanal zur Übertragung von Daten umfasst,

181

1d) wherein closed loop power control means (107, 118) are provided for adjusting the power of the control and data channels, wobei geschlossene Leistungsregelkreismittel ( 107 , 118) vorgesehen sind, um die Leistung der Steuer- und der Datenkanäle zu regeln, characterized by

182

1e) means (102, 112) for delaying the initial transmission of the data channel until after the initial transmission of the control channels, Mittel ( 102 , 112) zum Verzögern der Anfangsübertragung des Datenkanals, bis die Anfangsübertragung der Steuerkanäle stattgefunden hat,

183

1f) during which delay the closed loop power control means ( 107 , 118) is operable to adjust the control channel power wobei die geschlossenen Leistungsregelkreismittel ( 107 , 118) während dieser Verzögerung so funktionieren, dass sie die Leistung des Steuerkanals justieren.

184

1i1) XII wherein the mobile station (110) further contains means (118) for setting an initial transmission power after a pause in transmission to that before the pause adjusted by an offset, wobei die Mobilstation weiter Mittel (118) aufweist, um eine Anfangssendeleistung nach einer Pause in der Übertragung auf die vor der Pause einzustellen, um einen Versatz angepasst,

185

1i2) XII wherein said mobile station (110) further comprises mean s for determining the offset from a weighted sum of power control commands applied before the pause in transmission in accordance with the eguation ΔP(t) = P off + K 1 (ΔP(t-1)) - K 2 PC(t)PS(t), wobei die Mobilstation außerdem Mittel umfasst, um den Versatz aus einer gewichteten Summe der Leistungssteuerbefehle, die vor der Pause in der Übertragung angelegt wurden, der Gleichung ΔP(t) = P off + K 1 (ΔP(t-1)) - K 2 PC(t)PS(t) entsprechend zu bestimmen

186

1i3) XII where ΔP(t) is the offset which would be applied after the pause, computed at the time t of the last power control command before the pause, ΔP(t-1) is the previously determined offset, P off is an additional power offset, PC(t) is the power control command applied at time t, PS(t) is the size of the power control step applied at time t, K 1 and K 2 are constants, and ΔP(0) is set to zero at the start of a transmission or immediately after a pause, and wobei ΔP(t) der nach Pause anzulegende Versatz ist, der am Zeitpunkt t des letzten Leistungssteuerbefehls vor der Pause berechnet wurde, ΔP(t-1) der vorher bestimmte Versatz ist, P off ein zusätzlicher Leistungsversatz ist, PC(t) ein Leistungssteuerbefehl ist, der am Zeitpunkt t angelegt wird, PS(t) die Schrittweite der Leistungsregelung ist, die am Zeitpunkt t angelegt wird, K 1 und K 2 Konstanten sind, und ΔP(0) am Start der Übertragung oder direkt nach einer Pause auf null gesetzt wird, und

187

1i4) XII means (118) for quantisinq the offset ΔP(t) to an available power control step size supported by the mobile station (110). Mittel ( 118 ), um den Versatz ΔP(t) zu einer Leistungsregelungsschrittweite zu quantisieren, die von der Mobilstation unterst ützt wird.

188

b) Der Gegenstand der im Rahmen des Hilfsantrages XII verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1 ist in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörig offenbart, denn diese offenbaren einen solchen Gegenstand nicht als mögliche Ausgestaltung der Erfindung.

189

Die neu aufgenommene Merkmale 1i1)XII bis 1i4)XII betreffen eine Ausführungsform, welche gemäß den ursprünglichen Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörig entnommen werden kann. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich alle Merkmale des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag XII für sich aus den ursprünglichen Unterlagen entnehmen lassen, denn es fehlt auch hier an jedem Hinweis dafür, diese Merkmale zu kombinieren. Den Ausführungen zu den Merkmalen i1)XII bis 1i4)XII entnimmt der zuständige Fachmann den ursprünglichen Unterlagen (S. 8. Z. 16 bis S. 9, Z. 3), dass es sich um eine Lösungsmöglichkeit für die Einstellung der Anfangsübertragungsleistung handelt (S. 8, Z. 16, "In an alternative arrangement the initial power …"). Er erkennt dabei zwanglos, dass durch das Ausführungsbeispiel mit den Merkmalen 1i1)XII bis 1i4)XII das Ziel erreicht werden soll, nach einer Unterbrechung in der Übertragung die Differenz zwischen dem Anfangswert und dem optimalen Wert für die Übertragungsleistung zu minimieren (S. 8, Z. 3 bis 9; "This will then minimise the difference between the initial value and the optimum instantaneous value due to channel fluctuations."). Damit wird ihm eine Möglichkeit aufgezeigt, mit der die Anfangsübertragungsleistung sofort auf einem möglichst optimalen Wert eingestellt ist. Er würde deshalb nicht in Betracht ziehen, in diesem Fall zusätzlich eine Verzögerung der Anfangsübertragung auf den Datenkanälen gemäß den Merkmalen 1e und 1f durchzuführen.

190

Auch der mit Hilfsantrag XII verteidigte Patentanspruch 1 kombiniert damit verschiedene Offenbarungsstellen, die für den Fachmann, der sich um ein sinnvolles Verständnis der Beschreibung bemüht, in keinem erkennbaren kausalen Zusammenhang miteinander stehen. Die Merkmale 1e, 1f und 1i1)XII bis 1i4)XII definieren in ihrer Kombination eine Ausführungsform, die in den Anmeldeunterlagen nicht unmittelbar und eindeutig als mögliche Ausgestaltung der Erfindung offenbart ist. Diese stellt sich vielmehr gegenüber den ursprünglichen Unterlagen als nicht offenbartes "Aliud" dar (BGH Urteil vom 14. Mai 2009 – Xa ZR 148/05 - Heizer).

191

c) Mit dem Patentanspruch 1 in der mit dem Hilfsantrag XII verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben. Der Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruchs 4 in der Fassung des Hilfsantrags XII verlässt aus den zum Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags XII ausgeführten Gründen ebenfalls den Rahmen der ursprünglichen Offenbarung.

192

6. Hilfsanträge XIII bis XVII

193

a) Die hilfsweise verteidigten Fassungen des Patentanspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen XIII bis XVII enthalten neben weiteren Änderungen die bereits zum Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag XII für nicht zulässig erachtete Ausführungsform mit den Merkmalen 1e, 1f, 1i1, 1i1)XII, 1i2)XII, 1i3)XII und 1i4)XII.

194

b) Auch die jeweiligen Patentansprüche 1 der Hilfsanträge XIII bis XVII beanspruchen somit eine Kombination unterschiedlicher Ausführungsbeispiele, die in keinem erkennbaren kausalen Zusammenhang stehen und sind daher aus denselben Gründen wie der Hilfsantrag XII unzulässig. Es wird hierzu auf die Ausführungen zum Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag XII verwiesen.

195

Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob die zusätzlichen Merkmale der Patentansprüche XIII bis XVII gegenüber dem Patentanspruch XII aus den ursprünglichen Unterlagen hervorgehen.

196

c) Mit dem Patentanspruch 1 in den mit den Hilfsanträgen XIII bis XVII verteidigten Fassung kann das Patent somit keinen Bestand haben. Der Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruchs 4 in der Fassung des Hilfsantrags XIII, sowie des nebengeordneten Patentanspruchs 2 in den Fassungen der Hilfsanträge XIV bis XVII verlässt aus den zum Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags XII ausgeführten Gründen ebenfalls den Rahmen der ursprünglichen Offenbarung.

IV.

197

Als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG, § 709 ZPO.