Entscheidungsdatum: 27.10.2016
Die Pflicht zum Ersatz von Ausbildungsförderungsleistung nach § 47a Satz 1 BAföG erstreckt sich nicht auf den Teil der Leistung, der bei wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben gegenüber dem Auszubildenden hätte erbracht werden müssen.
Der Kläger wendet sich gegen seine Inanspruchnahme nach § 47a BAföG auf Ersatz von Ausbildungsförderung, die seinem Sohn geleistet wurde.
Das Amt für Ausbildungsförderung des Beklagten bewilligte dem Sohn des Klägers für das Jahr 2010 Ausbildungsförderung in Höhe von 326 € monatlich. Wie gesetzlich vorgesehen, rechnete es das Einkommen seiner Eltern im vorletzten Jahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums, hier also im Jahr 2008, an. Nachdem der Kläger unter Vorlage von Verdienstnachweisen mitgeteilt hatte, er werde im Jahr 2010 ein wesentlich niedrigeres Einkommen als 2008 beziehen, stellte der Sohn einen so genannten Aktualisierungsantrag nach § 24 Abs. 3 BAföG. In dem Feld "Abfindungen" der im Antragsformular enthaltenen Erklärung zu seinen voraussichtlichen Einnahmen im Jahr 2010 trug der Kläger einen Schrägstrich ein. Das Amt für Ausbildungsförderung hob daraufhin den Bewilligungsbescheid auf und setzte den Förderbetrag unter dem Vorbehalt der Rückforderung für das Jahr 2010 auf monatlich 448 € fest. Später wurde der Betrag auf 465 € erhöht.
Im Rahmen des Antrags auf weitere Ausbildungsförderung des Sohnes legte der Kläger im Januar 2012 u.a. einen Verdienstnachweis vor. Dem war zu entnehmen, dass ihm im September 2010 eine Abfindung in Höhe von 57 706,17 € gezahlt worden war. Die Zahlung dieses Betrages war mit seinem früheren Arbeitgeber bereits im Zeitpunkt des Aktualisierungsantrags vereinbart worden. Daraufhin berechnete das Amt für Ausbildungsförderung den Förderbetrag für das Jahr 2010 neu und setzte ihn abschließend auf Null fest. Mit Bescheid vom 16. März 2012 forderte das Amt für Ausbildungsförderung den Kläger zum Ersatz der seinem Sohn für das Jahr 2010 gezahlten Ausbildungsförderung in Höhe von 5 427 € auf.
Mit seiner dagegen erhobenen Klage hat der Kläger die Aufhebung des Bescheides insoweit beantragt, als mehr als 1 431 € gefordert werden. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Zwar bestehe nach § 47a BAföG dem Grunde nach ein Ersatzanspruch gegen den Kläger, nicht aber in der festgesetzten Höhe. Es sei nur der Betrag zu ersetzen, der sich aus der tatsächlich geleisteten Ausbildungsförderung abzüglich dessen ergebe, was der Beklagte rechtmäßig hätte leisten müssen.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen für eine Ersatzpflicht des Klägers nach § 47a BAföG lägen dem Grunde nach vor. Der Beklagte habe den vom Kläger zu ersetzenden Betrag auch zu Recht auf 5 427 € festgesetzt. Der Kläger habe die gesamte für das Jahr 2010 geleistete Förderung zu erstatten. Dieser Betrag sei nicht um die Förderung zu mindern, die bei vollständigen Angaben des Klägers hätte geleistet werden müssen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts führe zu einem Wertungswiderspruch, weil danach der Elternteil, der vorsätzlich falsche oder unvollständige Angaben gemacht habe, besser gestellt werde als der Auszubildende, den kein Verschulden treffe.
Hiergegen wendet sich die Revision des Klägers. Bei § 47a BAföG handele es sich um einen eigenständigen Schadensersatzanspruch. Die haftungsbegründende Kausalität sei unstreitig, es fehle aber an dem haftungsausfüllenden Ursachenzusammenhang. Der Geschädigte dürfe nicht besser gestellt werden, als er bei rechtmäßigem Handeln des Schädigers gestanden hätte. Dem Beklagten sei nur in der Höhe der Differenz zu den Leistungen ein Schaden entstanden, die der Sohn bei korrekten Angaben des Klägers erhalten hätte. Der vom Oberverwaltungsgericht für maßgeblich gehaltene Wertungswiderspruch sei keine Folge des Verhaltens des Schädigers. Zu einem Wertungswiderspruch komme es außerdem deshalb nicht, weil der Beklagte den Rückforderungsbescheid gegenüber dem Sohn zurückgenommen habe.
Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.
Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren. Er schließt sich dem Ergebnis und der Argumentation des Oberverwaltungsgerichts an.
Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es steht mit § 47a Satz 1 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 7. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1952; 2012 I S. 197), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 27. Juli 2015 (BGBl. I S. 1386), nicht in Einklang. Der entscheidungstragenden Annahme des Oberverwaltungsgerichts, von dem zu Unrecht geleisteten Förderbetrag, der nach dieser Vorschrift zu ersetzen sei, könne nicht das abgezogen werden, was dem Auszubildenden bei rechtmäßigem Verhalten des Auskunftspflichtigen nach § 24 Abs. 1 BAföG gewährt worden wäre, ist nicht zu folgen.
1. Die Revision hat nicht schon deshalb Erfolg, weil § 47a BAföG keine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des streitigen Leistungsbescheides enthält.
Der Erlass eines Bescheides, mit dem die Behörde den Bürger zur Leistung eines Geldbetrages verpflichtet, bedarf einer gesetzlichen Grundlage, die die Behörde gerade auch ermächtigt, durch Verwaltungsakt tätig zu werden (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2012 - 5 C 20.11 - BVerwGE 144, 306 Rn. 11 m.w.N.). Eine ausdrückliche Ermächtigung für den Erlass des hier streitigen Leistungsbescheides fehlt. Nach dem insoweit allein in Betracht kommenden § 47a Satz 1 BAföG sind auch die Eltern des Auszubildenden zum Ersatz des Betrages, der nach § 17 Abs. 1 und 2 BAföG für den Auszubildenden als Förderungsbetrag zu Unrecht geleistet worden ist, verpflichtet, wenn sie die Leistung von Ausbildungsförderung an den Auszubildenden unter anderem dadurch herbeigeführt haben, dass sie vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht haben. Dem ist keine ausdrückliche Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes zu entnehmen. Eine solche Ermächtigung besteht aber auch dann, wenn die Behörde und der Bürger gerade mit Blick auf den von ihr geltend gemachten Anspruch in einem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Über- und Unterordnungsverhältnis stehen. Das ist auch der Fall, wenn eine öffentlich-rechtlich begründete Ersatzpflicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer öffentlich-rechtlich ausgestalteten Auskunftspflicht des Ersatzpflichtigen steht (BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2012 - 5 C 20.11 - BVerwGE 144, 306 Rn. 11 und 13). So liegt es hier. Soweit § 47a Satz 1 BAföG voraussetzt, dass falsche oder unvollständige Angaben gemacht worden sind, nimmt er in der Sache Bezug auf die Pflicht des § 47 Abs. 4 i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I. Danach sind unter anderem die Eltern des Auszubildenden gehalten, alle leistungserheblichen Tatsachen wahrheitsgemäß und vollständig anzugeben. An diese öffentlich-rechtliche Pflicht knüpft § 47a Satz 1 BAföG an und begründet im Fall ihrer Verletzung die Ersatzpflicht. Für den Erlass eines Leistungsbescheides zur Durchsetzung der Ersatzpflicht besteht deshalb eine ausreichende Ermächtigung (so bereits BVerwG, Beschluss vom 29. Dezember 1981 - 5 B 18.81 - Buchholz 436.36 § 47a BAföG Nr. 1 S. 1 f. und Urteil vom 25. November 1992 - 11 C 4.92 - Buchholz 436.36 § 47a BAföG Nr. 2 S. 9 f.).
2. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist mit § 47a Satz 1 BAföG nicht vereinbar, weil sich der dort geregelte Ersatzanspruch gegen den Kläger nicht auf den Betrag erstreckt, den dessen Sohn als Förderungsleistung hätte erhalten müssen, wenn der Kläger vollständige Angaben über seine Einkommensverhältnisse gemacht hätte.
a) Die Voraussetzungen des Ersatzanspruchs nach § 47a Satz 1 BAföG sind erfüllt.
aa) Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat der Kläger vorsätzlich unvollständige Angaben über sein voraussichtliches Einkommen im Jahr 2010 gemacht, weil er die damals bereits vereinbarte Abfindung in dem Formular für den Aktualisierungsantrag nicht angegeben hat. Daran ist der Senat, soweit diese Feststellungen tatsächliche Elemente enthalten, gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden.
bb) Durch diese unvollständige Angabe hat der Kläger die Leistung von Ausbildungsförderung an seinen Sohn für das Jahr 2010 "herbeigeführt".
Der nach diesem Tatbestandsmerkmal erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der falschen oder unvollständigen Angabe und der Leistung bestimmt sich grundsätzlich nach den im zivilrechtlichen Deliktsrecht geltenden Kriterien. Dies folgt daraus, dass der Ersatzanspruch des § 47a BAföG - wie sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung ergibt - eine Sachnähe zu den deliktischen Schadensersatzansprüchen des bürgerlichen Rechts aufweist. Es handelt sich dabei nicht um einen Erstattungsanspruch, sondern um einen eigenständigen Schadensersatzanspruch des öffentlichen Rechts, der der Deliktshaftung nach §§ 823 ff. BGB nahesteht (BVerwG, Urteil vom 25. November 1992 - 11 C 4.92 - Buchholz 436.36 § 47a BAföG Nr. 2 S. 1, 5 f.). Deshalb finden im Rahmen des § 47a Satz 1 BAföG die Regeln über die Kausalität im zivilrechtlichen Deliktsrecht Anwendung, wenn und soweit Grundsätze des öffentlichen Rechts, insbesondere des Ausbildungsförderungsrechts, dem nicht entgegenstehen. Im Zivilrecht haftet der Schädiger für die adäquaten Folgen seines Verhaltens. Ein solcher haftungsbegründender adäquater Ursachenzusammenhang besteht, wenn eine Tatsache nicht nur im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach regelmäßigem Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges geeignet ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1997 - III ZR 4/97 - BGHZ 137, 11 <19> m.w.N.). Gesichtspunkte, die der Anwendung dieses Grundsatzes bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals "herbeigeführt" in § 47a Satz 1 BAföG entgegenstehen, liegen nicht vor.
Nach den den Senat bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist nicht zweifelhaft, dass das Verschweigen der Abfindung adäquat kausal dafür war, dass der Beklagte dem Sohn des Klägers nach Maßgabe des § 24 Abs. 3 BAföG für das Jahr 2010 Ausbildungsförderung geleistet hat. Während nach § 24 Abs. 1 BAföG für die Anrechnung des Einkommens der Eltern grundsätzlich deren Einkommensverhältnisse im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums, hier also im Jahr 2008, maßgeblich sind, ist gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 BAföG auf besonderen Antrag des Auszubildenden von den Einkommensverhältnissen im Bewilligungszeitraum auszugehen, wenn dieses Einkommen voraussichtlich wesentlich niedriger sein wird. Einem solchen Aktualisierungsantrag des Sohnes hat das Amt für Ausbildungsförderung stattgegeben und im Jahr 2010 auf der Grundlage von § 24 Abs. 3 BAföG Ausbildungsförderung in Höhe von insgesamt 5 427 € gezahlt, weil der Kläger in dem Antragsformular im Feld "Abfindungen" einen Strich eingetragen hatte.
b) Gemäß § 47a Satz 1 BAföG hat der Kläger dem Beklagten deshalb den zu Unrecht geleisteten Förderungsbetrag zu ersetzen. Dies ist hier nicht der gesamte Betrag, der dem Sohn des Klägers für das Jahr 2010 zugewandt wurde. Dieser ist vielmehr um die Ausbildungsförderungsleistung zu mindern, die der Auszubildende im Jahr 2010 bei vollständigen Angaben des Klägers über seine Einkommensverhältnisse erhalten hätte.
aa) Bereits der Wortlaut des § 47a Satz 1 BAföG weist sehr deutlich in die Richtung, dass die Ersatzleistung und die aufgrund der falschen oder unvollständigen Angaben geleistete Ausbildungsförderung nicht identisch sein müssen. Die Bestimmung umschreibt beide Leistungen in unterschiedlicher Weise. Zu ersetzen ist, was "als Förderungsbetrag zu Unrecht geleistet" wurde, nicht die durch die falschen oder unvollständigen Angaben herbeigeführte "Leistung von Ausbildungsförderung".
bb) Dass der "zu Unrecht geleistete" Förderungsbetrag nicht auch die Leistung umfasst, die der Sohn des Klägers bei vollständigen Angaben erhalten hätte, folgt aus Sinn und Zweck, Entstehungsgeschichte sowie Systematik des § 47a Satz 1 BAföG.
(1) Wie oben dargelegt, ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte des § 47a Satz 1 BAföG dessen Zweck, einen eigenständigen öffentlich-rechtlichen Schadensersatzanspruch zu begründen, der eine Sachnähe zu den deliktischen Schadensersatzansprüchen des Zivilrechts aufweist. Die insoweit geltenden zivilrechtlichen Maßstäbe sind deshalb auch aus systematischen Gründen im Zusammenhang mit der Auslegung des Merkmals "als Förderungsbetrag zu Unrecht geleistet" heranzuziehen, wenn und soweit öffentlich-rechtliche Gesichtspunkte keine Abweichung gebieten. Daraus folgt zunächst, dass der "zu Unrecht geleistete" Förderungsbetrag mit einem Vermögensschaden im Sinne des Deliktsrechts gleichzusetzen ist, für den nach §§ 249 und 251 BGB Schadensersatz zu leisten wäre. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 20. Januar 1997 - 5 B 123.96 - juris Rn. 3, "Vermögensschaden").
(2) Aus dem systematischen Zusammenhang zu den deliktsrechtlichen Maßstäben folgt weiter, dass die Bestimmung der Höhe des "zu Unrecht geleisteten Betrages" sich grundsätzlich nach den Kriterien richtet, die bei der Bestimmung der Höhe des Vermögensschadens im Zivilrecht Geltung beanspruchen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beurteilt sich die Frage, ob und in welcher Höhe ein zu ersetzender Vermögensschaden eingetreten ist, grundsätzlich nach der so genannten Differenzhypothese durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte. Der durch eine unerlaubte Handlung Geschädigte hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, besser zu stehen, als er stünde, wenn der Schädiger die unerlaubte Handlung nicht begangen hätte (BGH, Urteil vom 18. Januar 2011 - VI ZR 325/09 - BGHZ 188, 78 Rn. 8 f. m.w.N.). Gesichtspunkte des öffentlichen Rechts, die der grundsätzlichen Anwendung der Differenzhypothese entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.
c) Ein Absehen von dem Erfordernis einer Vermögensdifferenz kommt hier nicht in Betracht.
Die zivilrechtlichen Grundsätze sind hier auch insoweit heranzuziehen, als nach ihnen unter bestimmten Voraussetzungen die Differenzhypothese keine Anwendung findet. Das Ergebnis der Schadensermittlung anhand der Differenzmethode bedarf zur Ergebniskontrolle einer ergänzenden wertenden (normativen) Betrachtung unter dem Gesichtspunkt, ob aus gewichtigen Gründen ein Vermögensschaden auch ohne Vermögensdifferenz anzunehmen ist. Die Wertungsmaßstäbe dafür sind in erster Linie dem Sinn und Zweck aller in Betracht kommenden Rechtsnormen zu entnehmen (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1979 - V ZR 214/77 - BGHZ 75, 366 <372> m.w.N.). Der Anwendung dieser Einschränkung im Rahmen des § 47a Satz 1 BAföG stehen öffentlich-rechtliche Regelungen nicht entgegen. Gründe, die danach ein Abweichen von dem Erfordernis einer Vermögensdifferenz gebieten würden, sind nicht erkennbar.
aa) Gegen die Anwendung der Differenzhypothese sprechen nicht der Sinn und Zweck der Verpflichtung aus § 47 Abs. 4 i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Angabe leistungserheblicher Tatsachen, an die - wie aufgezeigt - § 47a Satz 1 BAföG anknüpft. Fraglich ist bereits, ob der Verletzung einer Pflicht, die Voraussetzung des Schadens ist, überhaupt eine Aussage über die auf der Rechtsfolgenseite angesiedelte Schadensermittlung entnommen werden kann. Jedenfalls ergibt sich aus dem Zweck der Mitteilungspflicht nichts für ein Absehen von der Differenzhypothese. Diese Pflicht ist Ausdruck des allgemeinen Gebots, auch die Behörde vor Schäden zu bewahren, die das Ausbildungsförderungsverhältnis betreffen (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 2013 - B 4 AS 42/12 R - BSGE 113, 177 Rn. 16 m.w.N.), und dient in Ergänzung des Amtsermittlungs- bzw. Untersuchungsgrundsatzes dazu, den Leistungsträger in die Lage zu versetzen, eine rechtmäßige Entscheidung über eine zu gewährende Leistung zu treffen. Dies steht der Anwendung der Ermittlung des Schadens auf der Grundlage der Differenzhypothese nicht entgegen.
Das gilt auch dann, wenn man mit in den Blick nimmt, dass die unvollständigen Angaben des Klägers die Grundlage für eine stattgebende Entscheidung über den Aktualisierungsantrag des Sohnes nach § 24 Abs. 3 BAföG waren, an den dieser jedenfalls ab dem Ende des Bewilligungszeitraums mit der Folge gebunden sein könnte, dass eine Berechnung der Ausbildungsförderung auf der Grundlage des § 24 Abs. 1 BAföG nicht mehr möglich ist. Abgesehen davon, dass eine hypothetische Annahme nicht mit einem tatsächlichen Befund entkräftet werden kann, ist die Bindung an den Aktualisierungsantrag bereits deshalb für den im Rahmen der Differenzhypothese vorzunehmenden Vermögensvergleich ohne Bedeutung, weil dieser die Vermögenslage nach der hypothetischen vollständigen und wahrheitsgemäßen Angabe durch den Kläger betrifft. Eine positive Bescheidung des Aktualisierungsantrags auf einer anderen Grundlage kann deshalb schwerlich als gewichtiger Grund für ein Absehen von der Differenzhypothese herangezogen werden.
bb) Das Ergebnis der Differenzhypothese ist nicht im Hinblick auf den Zweck des § 47a BAföG zu vernachlässigen. Mit § 47a BAföG sollte - wie dargelegt - ein eigenständiger öffentlich-rechtlicher Schadensersatzanspruch unter anderem gegen die Eltern des Auszubildenden geschaffen werden, wenn diese die Leistung von Ausbildungsförderung durch falsche oder unvollständige Angaben erreicht haben. Auch daraus folgt für die Einzelheiten der Schadensermittlung nichts.
cc) Die Anwendung der Differenzhypothese im Rahmen des § 47a Satz 1 BAföG bewirkt keinen Wertungswiderspruch zu der nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG bestehenden Erstattungspflicht des Auszubildenden. Ein Wertungswiderspruch liegt vor, wenn wertungsmäßig gleichgelagerte Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 334).
Der Betrag, den ein Elternteil nach § 47a Satz 1 BAföG zu ersetzen hat, und die Summe, die der Auszubildende nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG erstatten muss, wenn mehr Ausbildungsförderung geleistet wurde, als ihm tatsächlich zusteht, können zwar bei Anwendung der Differenzhypothese voneinander abweichen. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG ist der Bewilligungsbescheid aufzuheben und der Förderungsbetrag vom Auszubildenden zu erstatten, wenn die Voraussetzungen für die Leistung von Ausbildungsförderung an keinem Tag des Kalendermonats vorgelegen haben, für den sie gezahlt worden ist, und die Ausbildungsförderung - wie hier nach § 24 Abs. 3 Satz 3 BAföG - unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet worden ist. Sollte dieser Erstattungsanspruch gegenüber dem Sohn des Klägers in voller Höhe der ihm aufgrund seines Aktualisierungsantrags nach § 24 Abs. 3 BAföG geleisteten Ausbildungsförderung bestehen, wäre dieser Rückerstattungsanspruch im vorliegenden Fall höher als der Schadensersatzanspruch, den der Beklagte nach § 47a BAföG gegen den Vater bei Anwendung der Differenzhypothese hat, weil ihm in dem Umfang, in dem ohne die unvollständigen Angaben nach § 24 Abs. 1 BAföG Ausbildungsförderung hätte geleistet werden müssen, kein Schaden entstanden wäre. Die Annahme eines Wertungswiderspruchs scheidet aber aus, weil der Erstattungsanspruch nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG und der Ersatzanspruch nach § 47a Satz 1 BAföG wertungsmäßig unterschiedliche Sachverhalte betreffen, was auch in den unterschiedlichen Regelungen seinen Ausdruck findet.
§ 47a Satz 1 BAföG und § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG beziehen sich auf unterschiedliche Rechtsverhältnisse. Während § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG das Verhältnis zwischen dem Auszubildenden und der Behörde betrifft, hat § 47a BAföG - soweit hier von Interesse - das Verhältnis zwischen Elternteil und Behörde im Blick.
Die beiden Bestimmungen regeln auch unterschiedliche Rechtsinstitute. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG begründet eine Pflicht zur Erstattung erhaltener Leistungen, § 47a BAföG verleiht einen Schadensersatzanspruch wegen der Gewährung von Leistungen an einen Dritten. Dass der Schadensersatzpflichtige leisten muss, obwohl er keine Leistungen erhalten hat, kann als gewichtiger Grund angesehen werden, ihn nicht für den Betrag in Anspruch zu nehmen, den der Schadensersatzberechtigte auch bei zutreffenden Angaben hätte aufbringen müssen.
Darüber hinaus beruhen der Erstattungsanspruch und der Schadensersatzanspruch auf unterschiedlichen Voraussetzungen, die auch die wesensmäßige Differenz der ihnen zugrunde liegenden Sachverhalte spiegeln. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG verlangt, dass eine Leistung ohne Vorliegen der Voraussetzungen unter Vorbehalt erbracht wurde. Die Leistungserbringung unter Vorbehalt beruht hier gemäß § 24 Abs. 3 Satz 3 BAföG auf einem positiv beschiedenen Aktualisierungsantrag, den der Auszubildende in eigener Verantwortung gestellt hat. Damit ist er auch das Risiko einer Pflicht zur möglicherweise vollständigen Rückerstattung des unter Vorbehalt gezahlten Betrages eingegangen, falls das Elterneinkommen höher als erwartet ausfällt. Für die Erstattungspflicht nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG macht es keinen Unterschied, ob die Prognose über die künftigen Einkünfte sich wegen schuldhaft falscher oder unvollständiger Angaben als unrichtig erweist oder ob sich vollständige und in gutem Glauben gemachte Angaben aufgrund nicht absehbarer Entwicklungen später als unzutreffend herausstellen. Der besonderen Situation der Auszubildenden, bei denen aufgrund falscher oder defizitärer Angaben Dritter eine Leistung erbracht wurde, hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass er der Behörde in diesen Fällen mit § 47a BAföG einen parallelen Schadensersatzanspruch eingeräumt hat. Dessen Voraussetzungen unterscheiden sich von denjenigen des Erstattungsanspruchs grundlegend.
d) In Anwendung der Differenzhypothese hat der Kläger dem Beklagten gemäß § 47a Satz 1 BAföG den Unterschied zwischen der auf der Grundlage von § 24 Abs. 3 BAföG für das Jahr 2010 gewährten Ausbildungsförderung in Höhe von 5 427 € und der Förderungsleistung zu ersetzen, die sein Sohn für das Jahr 2010 erhalten hätte, wenn er zu seinem voraussichtlichen Einkommen im Bewilligungszeitraum 2010 vollständige und zutreffende Angaben gemacht hätte. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hätte der Beklagte in diesem Fall den Aktualisierungsantrag gemäß § 24 Abs. 3 BAföG ablehnen und dem Sohn gemäß § 24 Abs. 1 BAföG Ausbildungsförderung auf der Grundlage der Einkommensverhältnisse des Klägers im Jahr 2008 in Höhe von 3 996 € leisten müssen. Zu ersetzen ist danach ein Betrag in Höhe von 1 431 €.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.