Entscheidungsdatum: 20.11.2014
In der Regel ist davon auszugehen, dass ein Betriebsgrundstück in dem vor der Schädigung zuletzt festgestellten Einheitswert für ein Unternehmen im Sinne des § 2 Satz 4 NS-VEntschG berücksichtigt wird. Anders liegt es, wenn es sich im Einzelfall auf Grund gewichtiger Anhaltspunkte gleichsam aufdrängt, dass das Grundstück bei der Ermittlung des Einheitswertes außer Betracht gelassen wurde und dieser infolgedessen seinem Anspruch, den Wert des Unternehmens in seiner Gesamtheit abzubilden, offensichtlich nicht gerecht wird.
Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine gesonderte Entschädigung für den Verlust eines vormals im Eigentum einer offenen Handelsgesellschaft stehenden Betriebsgrundstücks zu gewähren.
Der Kläger ist Erbeserbe nach seinem Großvater mütterlicherseits. Dieser gehörte der jüdischen Glaubensgemeinschaft an. Er war einer von zuletzt zwei Gesellschaftern des im Jahre 1871 gegründeten Bankhauses B. & F., das seit 1924 in der Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft geführt wurde. An dem Gesellschaftsvermögen war er zuletzt zu 50 v.H. beteiligt. Durch Auseinandersetzungsvertrag vom 29. April 1937 wurde die offene Handelsgesellschaft aufgelöst und das Bankhaus mit Aktiva und Passiva zum 1. Januar 1937 von einer Einzelfirma des vormaligen Mitgesellschafters übernommen. Der Rechtsvorgänger des Klägers schied zum gleichen Zeitpunkt aus der Gesellschaft aus. Die Aufgabe seiner Beteiligung an der Gesellschaft war im Zuge der nationalsozialistischen Arisierungspolitik durch Maßnahmen im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG erzwungen. Im Jahr 1942 wurde er von der Gestapo getötet.
Mit Bescheid des Finanzamtes D. vom 7. Mai 1936 wurde der Einheitswert des „Bankgeschäft[s] B. + F.“ auf 202 600 RM festgestellt. Dabei wurden die inländischen Betriebsgrundstücke und Anteile an diesen bei der Feststellung des Einheitswertes für den gewerblichen Betrieb mit Einheitswerten (Einheitswertanteilen) in Höhe von insgesamt 5 600 RM angesetzt. Das Betriebsvermögen wurde auf 202 600 RM geschätzt. Unter anderem Grundvermögen im Wert von 319 273 RM und Hypotheken im Wert von 261 580 RM blieben unberücksichtigt. Gegen die Nichtberücksichtigung „des größten Teils des Grundvermögens“ und der „in der Bilanz enthaltenen Hypotheken“ erhob die Gesellschaft zugleich im Namen ihrer beiden Gesellschafter Einspruch. Unter dem 25. Mai 1937 führte das Finanzamt D. im Rahmen einer formularmäßigen „Mitteilung über die Änderung eines Einheitswerts“ aus, dass „der auf den 1. Januar 1935 festgestellte Einheitswert für das Bankgeschäft B. & F., D., nach § 94 der Reichsabgabenordnung vom 22. Mai 1931 (Reichsgesetzblatt I S. 161) auf 176 300 RM anderweit festgestellt“ worden sei und der zuvor erteilte Einheitswertbescheid entsprechend geändert werde. Zu dem Vermögen der offenen Handelsgesellschaft gehörten seit dem 4. Dezember 1933 unter anderem die streitgegenständlichen Altflurstücke Nr. 130, 134, 135, 140, 140a, 143, 149, 150, 151 und 153 der Gemarkung S., die später gemeinsam mit den Flurstücken 106, 125, 126, 127 und 129 zu dem Grundstück B.er Straße 81 in D. (Gemarkung D.-S., Flurstück 143/10) zusammengefasst wurden. Das Grundstück erstreckt sich über eine Fläche von 121 131 m2.
Im August 1994 entschied der Kläger, hinsichtlich dieses Grundstücksteils sein Restitutionsbegehren nicht weiterzuverfolgen und stattdessen unwiderruflich Entschädigung in Geld zu wählen.
Das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen stellte fest, dass der Kläger Berechtigter hinsichtlich des hälftigen Miteigentumsanteils an den vorbezeichneten Altflurstücken sei und ihm dem Grunde nach für den Verlust dieses hälftigen Miteigentumsanteils eine Entschädigung nach dem NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz zustehe.
Im September 2010 hat der Kläger Untätigkeitsklage mit dem Ziel erhoben, „den Beklagten zu verpflichten, unverzüglich einen gesonderten Entschädigungsbescheid bezüglich der Berechnung der Höhe der Entschädigung für das Grundstück B.er Straße 81 in D.-S., Flurstücks-Nr. 143/10 zu erlassen“. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf gesonderte Feststellung einer Entschädigung für den Verlust eines Bruchteilseigentums an den vorbezeichneten Altflurstücken. Entschädigung könne der Kläger nur für den Verlust des Unternehmensanteils seines Rechtsvorgängers beanspruchen. Gemäß § 2 Satz 4 NS-VEntschG werde zu der Entschädigung für das Vermögen keine gesonderte Entschädigung für das Betriebsgrundstück gewährt, wenn dieses in der Bemessungsgrundlage für die Entschädigung des Unternehmens berücksichtigt werde. Hiervon sei auszugehen, wenn der konkrete Vermögensgegenstand, für den eine Einzelentschädigung begehrt werde, bei einer künftigen Unternehmensentschädigung zu berücksichtigen sei. Dies sei hier der Fall, da es sich um Flächen handele, die im Zeitpunkt der Schädigung im Eigentum des Unternehmensträgers, der offenen Handelsgesellschaft, gestanden hätten. Für den Verlust des Anteils an dieser Gesellschaft stehe dem Kläger eine Entschädigung zu. Daher bestehe die Gefahr einer Doppelentschädigung. Dieser Situation habe die Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass sie keine gesonderte Entschädigung für den Verlust des Bruchteilseigentums an dem Grundstücksteil gewährt habe, weil der Grundstücksteil in der Bemessungsgrundlage für die Unternehmensentschädigung berücksichtigt werde. Etwas anderes ergebe sich auch nicht, weil der festgestellte Einheitswert nach Auffassung des Klägers die streitgegenständlichen vormaligen Flurstücke nicht berücksichtige. Wenn der betreffende Grundstücksteil tatsächlich von dem Einheitswert nicht erfasst würde, was an dieser Stelle unterstellt werde, wäre der Einheitswertbescheid nicht verwertbar und die Bemessungsgrundlage nach Maßgabe des § 2 Satz 5 NS-VEntschG i.V.m. § 4 Abs. 2 bis 4 EntschG zu ermitteln. Es stehe mit dem Gesetz nicht im Einklang, einen erkennbar fehlerhaft festgestellten Einheitswert, der größere Teile des Unternehmens nicht erfasse, als Bemessungsgrundlage für den von ihm erfassten Teil des Betriebsvermögens heranzuziehen und für die nicht erfassten Vermögenswerte Einzelentschädigungen zu gewähren. Hier bedürfe es keiner Klärung, ob der festgestellte Einheitswert den verfahrensgegenständlichen Betriebsgrundstückanteil tatsächlich nicht erfasse, was nicht feststehe. Dass nicht nur der Einheitswertbescheid vom 7. Mai 1936, sondern auch der im Jahr 1937 ergangene Änderungsbescheid auf der Grundlage einer Schätzung und ohne Berücksichtigung sämtlicher Betriebsgrundstücke und Hypotheken ergangen sei, könne ohne Weiteres nicht angenommen werden. Dies ergebe sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass der geänderte Einheitswert um 26 300 RM auf 176 300 RM reduziert worden sei. Steuerrechtliche Schätzungen seien in aller Regel mit dem Ziel überhöht, den Steuerpflichtigen künftig zu einem ordnungsgemäßen Verhalten anzuhalten. Es sei daher nicht auszuschließen, dass in dem geänderten Einheitswert auch das Grundvermögen (319 273 RM) und die darauf wohl ruhenden Hypotheken (261 580 RM) berücksichtigt worden seien.
Zur Begründung seiner Revision führt der Kläger aus, die Annahme des Verwaltungsgerichts, der festgestellte Einheitswert sei nicht verwertbar, wenn er den streitgegenständlichen Grundstücksteil - wie von dem Verwaltungsgericht unterstellt - nicht erfasse, verstoße gegen § 2 Satz 2 NS-VEntschG. Das Verwaltungsgericht stelle bereits nicht fest, warum der Einheitswert erkennbar fehlerhaft gewesen sei. Die Nichtberücksichtigung des Einheitswertes laufe zudem der mit § 2 Satz 2 NS-VEntschG verbundenen Zielsetzung und der darin vorgesehenen Pauschalierung zuwider, den Geschädigten nicht Jahrzehnte nach der Schädigung diffizile Entschädigungsberechnungen zuzumuten. Die Gefahr einer Doppelentschädigung bestünde nur, wenn der Einheitswert nicht als Bemessungsgrundlage heranzuziehen wäre. Der Gesetzgeber habe in § 2 Satz 4 NS-VEntschG deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es in Anbetracht der nationalsozialistischen Strategie, möglichst „Wenig für Viel“ zu zahlen, Fälle gebe, in denen ein Betriebsgrundstück in der Bemessungsgrundlage nicht enthalten sei. Ein solches von dem Einheitswert nicht erfasstes Grundstück sei daher nach dem Willen des Gesetzgebers gesondert zu entschädigen. Dass eine Einzelentschädigung nur für solche Grundstücke gefordert werden könne, die im Anschluss an die Unternehmensschädigung angeschafft worden seien und deshalb in der Bemessungsgrundlage nicht hätten berücksichtigt werden können, lasse sich weder den Materialien zu § 2 Satz 4 NS-VEntschG noch der höchstrichterlichen Rechtsprechung entnehmen. Die mit einer solchen Annahme verbundene Ungleichbehandlung zwischen Grundstücken, die bei Schädigung schon dem Unternehmen gehört hätten, jedoch nicht in der Bemessungsgrundlage berücksichtigt worden seien, und Grundstücken, die erst später angeschafft worden seien, sei im Licht von Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu rechtfertigen. Dessen ungeachtet sei das angegriffene Urteil verfahrensfehlerhaft ergangen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts.
Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil steht mit Bundesrecht nicht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es beruht auf einem unrichtigen Verständnis des § 2 des NS-Verfolgtenentschädigungsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 13. Juli 2004 (BGBl I S. 1671), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. September 2005 (BGBl I S. 2809), - NS-VEntschG -. Da dem Bundesverwaltungsgericht eine Entscheidung in der Sache (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO) mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen verwehrt ist, ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
1. Die Klage ist zulässig. Sie ist als Untätigkeitsverpflichtungsklage statthaft. Das Begehren, die Beklagte zu verpflichten, „unverzüglich einen gesonderten Entschädigungsbescheid bezüglich der Berechnung der Höhe der Entschädigung für das Grundstück B.er Straße 81 in D.-S., Flurstücks-Nr. 143/10, zu erlassen“, zielt nicht auf eine bloße „Bescheidung schlechthin“ (vgl. Urteil vom 23. Juli 1991 - BVerwG 3 C 56.90 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 91 S. 24 f.), sondern auf die positive Bescheidung des bei dem Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen zuvor gestellten Antrages auf Durchführung eines gesonderten Entschädigungsverfahrens wegen des Verlustes des Miteigentumsanteils an dem bezeichneten Teil des Grundstücks B.er Straße 81 in D.-S. Auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Über den Antrag ist im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht noch nicht entschieden worden. Bedenken hinsichtlich des allgemeinen Rechtsschutzinteresses bestehen nicht, da der Bescheidungsantrag der mangelnden Spruchreife des komplexen Verfahrens Rechnung trägt (vgl. Urteil vom 23. Juli 1991 a.a.O. S. 25).
2. Die Begründetheit der Klage hängt maßgeblich davon ab, ob ein Anspruch des Klägers auf eine gesonderte Entschädigung für den Verlust eines Bruchteilseigentums an den bezeichneten Altflurstücken gemäß § 2 Satz 4 NS-VEntschG ausgeschlossen ist.
Nach dieser Vorschrift wird unter anderem für den Fall, dass die Restitution von Bruchteilseigentum ausgeschlossen ist, zu der Entschädigung für das Unternehmen keine gesonderte Entschädigung für das Betriebsgrundstück gewährt, wenn dieses in der Bemessungsgrundlage für die Entschädigung des Unternehmens berücksichtigt wird. § 2 Satz 4 NS-VEntschG findet unabhängig davon Anwendung, ob die Bemessungsgrundlage nach dem Einheitswert, nach einem Ersatzeinheitswert oder durch eine Reinvermögensermittlung zu bestimmen ist (Heise/Leiner, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Stand: Januar 2014, § 2 NS-VEntschG Rn. 15). Die Norm regelt das Aufeinandertreffen eines Anspruchs auf Unternehmens(anteils)entschädigung und eines Anspruchs auf grundstücksbezogene Entschädigung in der Person ein und desselben Berechtigten (Urteil vom 11. Dezember 2008 - BVerwG 5 C 3.08 - BVerwGE 132, 330 = Buchholz 428.42 § 2 NS-VEntschG Nr. 7, jeweils Rn. 13).
a) Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit darüber, dass die betroffenen Flurstücke als Betriebsgrundstück des Bankhauses dienten und dass der Anspruch des Klägers auf Einräumung von Bruchteilseigentum hinsichtlich der betreffenden Altflurstücke mit der wirksamen Ausübung des Rechts nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) i.d.F. der Bekanntmachung vom 9. Februar 2005 (BGBl I S. 205), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. Oktober 2013 (BGBl I S. 3719), - VermG -, Entschädigung anstelle von Restitution nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 Satz 4 Teils. 2 VermG zu wählen, untergegangen ist. Zudem steht fest, dass der Kläger hinsichtlich der bezeichneten Altflurstücke dem Grunde nach einen Anspruch auf Singularentschädigung besitzt und dass er als Erbeserbe nach einem der Gesellschafter der Betreiberin des Bankhauses gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 NS-VEntschG i.V.m. § 1 Abs. 6 VermG ebenfalls dem Grunde nach einen Anspruch auf Entschädigung für den Verlust des Kapitalanteils seines Rechtsvorgängers an der offenen Handelsgesellschaft als Trägerin des Unternehmens hat.
b) Gemäß § 2 Satz 4 NS-VEntschG setzt der Ausschluss der gesonderten Entschädigung für das Betriebsgrundstück des Weiteren voraus, dass dieses in der Bemessungsgrundlage für die Entschädigung des Unternehmens berücksichtigt wird. Dies steht hier nicht fest.
aa) Bemessungsgrundlage für die Entschädigung eines Unternehmens ist - wie sich aus § 2 Satz 2 bzw. § 2 Satz 5 NS-VEntschG i.V.m. § 4 Abs. 2 bis 4 des Gesetzes über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Entschädigungsgesetz - EntschG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 13. Juli 2004 (BGBl I S. 1658), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Mai 2011 (BGBl I S. 920), ergibt - in erster Linie der vor der Schädigung zuletzt festgestellte Einheitswert (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2011 a.a.O., jeweils Rn. 16). So liegt es auch hier. Mithin ist auf den im Jahr 1937 auf den 1. Januar 1935 festgestellten Unternehmenseinheitswert abzustellen.
bb) Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der für ein Unternehmen festgestellte Einheitswert auch alle etwa vorhandenen Betriebsgrundstücke in Ansatz bringt. Maßgeblich ist insoweit, dass der Einheitswert beansprucht, den Wert des Unternehmens in seiner Gesamtheit abzubilden. Dementsprechend wird in der Regel ein Betriebsgrundstück in der Bemessungsgrundlage im Sinne des § 2 Satz 4 NS-VEntschG berücksichtigt, wenn auf einen vor der Schädigung zuletzt festgestellten Einheitswert für ein Unternehmen zurückzugreifen ist.
Diesem im Grundsatz abstrakt-normativen Verständnis des „Berücksichtigtwerdens“ steht der Wortlaut des § 2 Satz 4 NS-VEntschG nicht entgegen. Die Wörter „berücksichtigt wird“ zwingen nicht zu einer konkreten Betrachtung dahingehend, dass das Merkmal nur dann erfüllt ist, wenn das betroffene Betriebsgrundstück bei der Bemessung der Entschädigung tatsächlich Berücksichtigung gefunden hat. Sie lassen vielmehr auch die Auslegung zu, dass ein Grundstück unabhängig davon, ob das tatsächlich der Fall ist, dann „berücksichtigt wird“, wenn dies nach bewertungsrechtlichen Maßstäben hätte erfolgen müssen.
Für dieses abstrakt-normative Verständnis der Wörter „berücksichtigt wird“ spricht maßgeblich die Systematik des § 2 NS-VEntschG und der mit dem vorrangigen Abstellen auf einen vorhandenen Einheitswert verfolgte Zweck.
Die Entscheidung über die Nichtgewährung einer gesonderten Entschädigung für das Betriebsgrundstück ergeht im Rahmen des Verfahrens zur Bestimmung der Höhe der Entschädigung. Wie § 2 Satz 2 NS-VEntschG zum Ausdruck bringt, hat sich der Gesetzgeber dabei für ein „Entschädigungskonzept“ entschieden, das maßgeblich an die vor der Schädigung festgestellten Einheitswerte anknüpft und dem großen zeitlichen Abstand zur Schädigung sowie der gebotenen Gleichbehandlung mit anderen Betroffenen durch Multiplikation mit einem angemessenen Faktor Rechnung trägt (vgl. Urteil vom 27. Mai 2002 - BVerwG 3 C 2.02 - Buchholz 428.41 § 4 EntschG Nr. 1 S. 3). Der Rückgriff auf einen festgestellten Einheitswert soll dabei dem Interesse der Berechtigten an einer zeitnahen Entschädigung gerecht werden und eine möglichst schnelle Erledigung der Masse der Entschädigungsfälle gewährleisten. Einheitswerte sollen in aller Regel, so wie sie festgestellt wurden, ohne jede weitere Prüfung, Gewichtung oder Korrektur als Faktor in die Bemessungsgrundlage einfließen können. Der Rückgriff auf sie bezweckt, anderenfalls durchzuführenden langwierigen Ermittlungen des Wertes der verlorenen Einheitswertvermögen vorzubeugen, deren Fehlschlagen zu Lasten der Geschädigten ginge (Urteile vom 27. Mai 2002 a.a.O. und vom 30. Juni 2011 - BVerwG 5 C 23.10 - Buchholz 428.42 § 2 NS-VEntschG Nr. 9 Rn. 16 und 18). Konsequenz dieser Pauschalierung ist es, dass Bewertungsungenauigkeiten hinzunehmen sind. Durch ein generelles Erfordernis, die konkrete Berücksichtigung des betroffenen Betriebsgrundstücks bei der Einheitswertfeststellung zu überprüfen, würde dieses Ziel der Vereinfachung und Beschleunigung des Verwaltungsvollzuges in Frage gestellt.
Dieser Würdigung steht nicht die Verweisung in § 2 Satz 5 NS-VEntschG auf § 4 Abs. 2 EntschG entgegen. § 4 Abs. 2 Satz 1 EntschG sieht eine Reinvermögensermittlung nur für den Fall vor, dass ein „verwertbarer Einheitswert oder Ersatzeinheitswert“ nicht vorhanden ist. Es kommt für die hier in Rede stehende Frage nicht darauf an, ob § 4 Abs. 2 Satz 1 EntschG nur die ab dem Jahr 1953 in der DDR festgestellten Einheitswerte als nicht verwertbar ansieht oder ob nach dieser Bestimmung oder unabhängig von ihr eine darüber hinausgehende Korrektur eines Einheitswertes aus den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts zulässig und geboten sein kann (vgl. Urteil vom 27. Mai 2002 a.a.O. S. 3 ff.). Denn die streitgegenständliche Frage der Berücksichtigung eines Betriebsgrundstücks in dem Unternehmenseinheitswert ist nicht Teil der Prüfung der Verwertbarkeit dieses Einheitswertes. Während Gegenstand einer solchen Prüfung insbesondere die Frage ist, in welcher Höhe die Vermögenswerte des Unternehmens bei der Feststellung des Einheitswertes wertmäßig in Ansatz gebracht wurden und ob ihr realer Wert hierdurch zutreffend abgebildet wird, ist die vorgelagerte Frage, ob ein Betriebsgrundstück des Unternehmens (überhaupt) in dem Einheitswert berücksichtigt wurde, allein Gegenstand der Prüfung des § 2 Satz 4 NS-VEntschG.
Sinn und Zweck des § 2 Satz 4 NS-VEntschG stehen diesem maßgeblich von der Gesetzessystematik getragenen Verständnis nicht entgegen. Ziel der Vorschrift ist es, unzulässige Doppelentschädigungen zumindest der Höhe nach zu vermeiden (Urteil vom 11. Dezember 2008 - BVerwG 5 C 3.08 - BVerwGE 132, 330 = Buchholz 428.42 § 2 NS-VEntschG Nr. 7, jeweils Rn. 13). Die grundsätzliche abstrakte Betrachtung trägt dem in § 2 Satz 4 NS-VEntschG angelegten Vorrang der Unternehmens- vor der Singularentschädigung angemessen Rechnung.
Gemessen an dem Vorstehenden steht der von dem Verwaltungsgericht sinngemäß aufgestellte Rechtssatz, ein Einheitswert, der größere Teile des zu bewertenden Unternehmens nicht erfasse, scheide als Faktor der Bemessungsgrundlage nach § 2 Satz 2 NS-VEntschG mit der Folge aus, dass für die Entschädigung des Unternehmens(anteils) eine andere geeignete Bemessungsgrundlage heranzuziehen sei (UA S. 5), nicht im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
cc) Von einer Berücksichtigung des Betriebsgrundstücks im vorstehenden Sinne kann indes dann nicht ohne Weiteres ausgegangen werden, wenn es sich im Einzelfall auf Grund gewichtiger tatsächlicher Anhaltspunkte gleichsam aufdrängt, dass das Betriebsgrundstück bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage außer Betracht gelassen wurde und infolgedessen diese ihrem Anspruch, den Wert des Unternehmens in seiner Gesamtheit abzubilden, offensichtlich nicht gerecht wird. In einer solchen Konstellation hätte die abstrakt-normative Betrachtungsweise zur Folge, dass die übergreifende Zielsetzung des NS-Verfolgtenentschädigungsgesetzes, dem Berechtigten eine angemessene Entschädigung zu gewähren, die unter anderem darin zum Ausdruck gelangt, dass der Gesetzgeber in § 2 Satz 3 und 4 NS-VEntschG auch die Singularrestitution und die Singularentschädigung grundsätzlich zugelassen hat, verfehlt würde.
dd) Daran gemessen erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Schluss rechtfertigen, dass die betreffenden Flurstücke bei der Ermittlung des Unternehmenseinheitswertes außer Betracht gelassen wurden. So wurde der Einheitswert des Bankgeschäfts von ursprünglich geschätzten 202 600 RM auf 176 300 RM vermindert. Angesichts der Fläche des vormaligen Betriebsgrundstücks von 121 131 m2 erscheint es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass dieses zu den inländischen Betriebsgrundstücken und Anteilen zählt, die ursprünglich mit einem Wert von insgesamt 5 600 RM berücksichtigt wurden. Feststellungen zu der Frage, ob das zunächst unberücksichtigt gebliebene weitere Grundvermögen im Wert von 319 273 RM sowie Hypotheken im Wert von 261 580 RM bei der geänderten Einheitswertfeststellung Berücksichtigung gefunden haben, hat das Verwaltungsgericht nicht getroffen. Ebenso wenig vermag in Ermangelung entsprechender tatrichterlicher Feststellungen im revisionsgerichtlichen Verfahren ausgeschlossen zu werden, dass der Einheitswert seinem Anspruch, den Wert des Unternehmens in seiner Gesamtheit in etwa abzubilden, offensichtlich nicht gerecht wird.
c) Die Sache ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO), um dem Verwaltungsgericht Gelegenheit zu geben, die betreffenden tatsächlichen Feststellungen nachzuholen.
Für den Fall, dass das Verwaltungsgericht das Vorliegen gewichtiger tatsächlicher Anhaltspunkte, auf Grund derer es sich gleichsam aufdrängt, dass das Betriebsgrundstück bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage außer Betracht gelassen wurde und infolgedessen diese ihrem Anspruch, den Wert des Unternehmens in seiner Gesamtheit abzubilden, offensichtlich nicht gerecht wird, verneint, stünde § 2 Satz 4 NS-VEntschG der Verpflichtung der Beklagten zur Bewilligung einer Singularentschädigung entgegen. Bejahte das Verwaltungsgericht hingegen das Vorliegen entsprechender gewichtiger Anhaltspunkte, so hätte es aufzuklären, ob die betreffenden Flurstücke konkret bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage berücksichtigt wurden. Stünde als Ergebnis einer solchen Prüfung fest, dass eine Berücksichtigung erfolgt ist, so schlösse § 2 Satz 4 NS-VEntschG eine Singularentschädigung aus. Führte die Aufklärung demgegenüber zu dem Ergebnis, dass eine Berücksichtigung nicht erfolgt ist, so stünde jedenfalls § 2 Satz 4 NS-VEntschG einer gesonderten Entschädigung nicht entgegen. Im Falle eines non liquet trüge der Kläger die Feststellungslast.
3. Nach alledem bedarf es keiner Entscheidung, ob die geltend gemachten Verfahrensfehler vorliegen und das angefochtene Urteil auf ihnen beruht, da für diesen Fall die Sache ebenfalls nur an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen wäre.