Entscheidungsdatum: 11.07.2013
1. Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 Nr. 1 GVG ist das gesamte (verwaltungs-)gerichtliche Verfahren; nicht aber das behördliche Vorverfahren.
2. Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen Normen folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist.
3. Mit § 198 Abs. 1 GVG ist weder die Zugrundelegung fester Zeitvorgaben vereinbar, noch lässt es die Vorschrift grundsätzlich zu, für die Beurteilung der Angemessenheit von bestimmten Orientierungs- oder Richtwerten für die Laufzeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren auszugehen, und zwar unabhängig davon, ob diese auf eigener Annahme oder auf statistisch ermittelten durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten beruhen.
4. Die Erkrankung eines Richters kann als Fall höherer Gewalt eine kurzfristige Verzögerung des Rechtsstreits rechtfertigen.
Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer.
Die Klägerin ist Polizeiobermeisterin und leistete ihren Dienst in der Revierstation B. S. Wegen des Vorwurfs der unrichtigen Abrechnung privater Telefonate wurde sie an die Revierstation G. umgesetzt. Ein erster Verwaltungsprozess wurde im Hinblick auf die Ankündigung des Beklagten, die Klägerin Ende 2008 wieder in ihre frühere Revierstation umzusetzen, für erledigt erklärt. Nachdem der Beklagte entgegen dieser Ankündigung die Umsetzung aus dienstlichen Gründen verlängerte, erhob die Klägerin nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens am 8. Juni 2009 erneut Klage. Dieses zweite Klageverfahren endete etwa zwei Jahre später am 22. Juni 2011 damit, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nach entsprechendem Hinweis des Gerichts die streitgegenständlichen Bescheide aufhob.
Am 22. Dezember 2011 hat die Klägerin Entschädigung wegen unangemessener Dauer des zweiten Klageverfahrens begehrt. Das Oberwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 25. Juli 2012 teilweise stattgegeben. Die Klägerin habe infolge unangemessener Dauer des Gerichtsverfahrens materielle und immaterielle Nachteile erlitten, die zu entschädigen seien. Ein Gerichtsverfahren sei als unangemessen lang anzusehen, wenn eine Abwägung aller Umstände ergebe, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit abzuschließen, verletzt sei. Im vorliegenden Fall ergebe eine Gesamtbetrachtung, dass das Verfahren in zwölf Monaten erledigt werden konnte. Der Fall sei nicht sonderlich komplex gewesen und als eher einfach einzustufen. Die Klägerin habe nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als Arbeitnehmerin ein erhebliches Interesse an einem schnellen Abschluss des Verfahrens gehabt. Sie habe den Rechtsstreit in keiner Weise verzögert. Das Verfahren habe in einer mündlichen Verhandlung erledigt werden können. Auch ergebe sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte als grober Anhaltspunkt, dass eine Verfahrensdauer von einem Jahr pro Instanz als angemessen anzusehen sei. Das am 8. Juni 2009 eingeleitete Verfahren sei nach drei Monaten "ausgeschrieben" gewesen. Spätestens am 25. Oktober 2009 hätte Veranlassung bestanden, das Verfahren weiter mit dem Ziel einer Erledigung konkret zu fördern. Der nächste Bearbeitungsgang sei aber erst am 16. September 2010 erfolgt. Der Umstand, dass der Verhandlungstermin am 24. November 2010 wegen Erkrankung des Vorsitzenden aufgehoben worden sei, sei zwar nicht zu beanstanden. Dass nach der Rückkehr des Vorsitzenden die Akte erneut auf Abruf gelegt worden sei, habe indes wiederum zu einer vermeidbaren Verzögerung vom 16. Februar bis 12. April 2011 geführt. Mithin sei das Verfahren für etwas mehr als 12 Monate nicht ausreichend gefördert worden. Für diesen Zeitraum stehe der Klägerin wegen der zusätzlichen Fahrt- und Wartungskosten ein Betrag von 1 864,87 € sowie wegen der immateriellen Nachteile ein Ausgleich in Höhe von 1 200 € zu.
Mit seiner Revision rügt der Beklagte, das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht eine einjährige Bearbeitungsdauer als im Allgemeinen ausreichend angesehen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe die Faustregel von einem Jahr pro Instanz nur vereinzelt und eher beiläufig ins Spiel gebracht. Dies spiegele dessen sonstige Rechtsprechung nicht zutreffend wider. Eine Verfahrensdauer von zwei Jahren pro Instanz käme der Lösung näher. Außerdem habe der Gesetzgeber bewusst auf feste Richtwerte für die Fallerledigung verzichtet. Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts sei im konkreten Einzelfall der Zeitraum vom 25. Oktober 2009 bis 16. September 2010 nicht unangemessen gewesen. Die Verfügung "Wiedervorlage 3 Monate" sei am 10. September 2009 vertretbar gewesen. Eine besondere Eilbedürftigkeit habe für die Klägerin nicht bestanden. Sie sei auch nicht im Hinblick auf eine Beschleunigung aktiv geworden. Für den Zeitraum nach der Erkrankung des Vorsitzenden sei ebenfalls keine unangemessene Verzögerung erkennbar. Die Annahme sei unrealistisch, dass nach der Rückkehr aus dem Krankenstand alle Prozessakten gleichzeitig bearbeitet werden könnten. Daher sei die angeordnete "Wiedervorlage auf Abruf" ebenfalls nicht zu beanstanden. Hilfsweise wird geltend gemacht, dass ein immaterieller Schadensausgleich durch eine reine Feststellungsentscheidung ausreichend sei und dass die Schätzung der Fahrtkosten auf einer unrichtigen Ermittlung der Diensttage und Kraftstoffpreise beruhe.
Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil. Der Vertreter des Bundesinteresses tritt der Auffassung des Beklagten bei, dass der Gesetzgeber keinen Richtwert für die Verfahrensdauer von einem Jahr pro Instanz vorgegeben habe.
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht angenommen, dass die Klägerin einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe von insgesamt 3 064,87 € hat. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO).
1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ausgleich ihres immateriellen Nachteils in Höhe von 1 200 €.
Der Anspruch folgt aus § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl I S. 1077), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl I S. 2582). Diese Bestimmungen sind im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbar (§ 173 Satz 2 VwGO). Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Der durch eine unangemessene Verfahrensdauer eingetretene immaterielle Nachteil wird nach Maßgabe des § 198 Abs. 2 GVG entschädigt.
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Dauer des von der Klägerin in Bezug genommenen Gerichtsverfahrens (a) war unangemessen (b). Hierdurch hat sie einen immateriellen Nachteil erlitten, der nicht auf andere Weise wiedergutgemacht werden kann (c) und in der von ihr geltend gemachten Höhe zu entschädigen ist (d).
a) Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass bei der Prüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer das Widerspruchsverfahren nicht einzubeziehen ist.
Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Bezugsrahmen des von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsanspruchs ist danach das gesamte - hier abgeschlossene - verwaltungsgerichtliche Verfahren im Ausgangsrechtsstreit, und zwar vom Zeitpunkt der Klageerhebung bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft einer Entscheidung (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris Rn. 24 m.w.N.). Erfasst ist hier mithin die Gesamtdauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht.
Das Verwaltungsverfahren und das dem gerichtlichen Verfahren vorausgegangene Vorverfahren bei einer Behörde (Widerspruchsverfahren) sind nicht Bestandteil des Gerichtsverfahrens im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 und § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG.
Die Ausklammerung des Verwaltungs- und Vorverfahrens ist mit der Begrenzung auf das "Gerichtsverfahren" bereits unmissverständlich im Wortlaut des Gesetzes angelegt. Sie entspricht überdies dem Willen des Gesetzgebers, wie er in den Gesetzesmaterialien seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 17).
Das vorstehende Auslegungsergebnis ist mit Art. 6 und Art. 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) in der Fassung vom 22. Oktober 2010 (BGBl II S. 1198) vereinbar. Dem steht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die über den jeweils entschiedenen Fall hinaus Orientierungs- und Leitfunktion für die Auslegung der EMRK hat (vgl. Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - ZBR 2013, 257 Rn. 46), nicht entgegen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat zwar für die Ermittlung, wann die Verfahrensdauer in verwaltungsgerichtlichen Verfahren unangemessen ist, die Dauer des Vorverfahrens mit einbezogen. Sofern die Einlegung dieses Rechtsbehelfs ein notwendiger erster Schritt ist, bevor das gerichtliche Verfahren anhängig gemacht werden kann, hat der Gerichtshof den Zeitraum, der für die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach Art. 6 Abs. 1 EMRK maßgeblich ist, mit dem Tag beginnen lassen, an dem der Beschwerdeführer den behördlichen Rechtsbehelf (Widerspruch) eingelegt hat (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 28. Juni 1978 - C 78/31, König/Deutschland - NJW 1979, 477 <478 f.>, vom 30. Juni 2011 - Nr. 11811/10 - juris Rn. 21 und vom 24. Juni 2010 - Nr. 25756/09 - juris Rn. 21 m.w.N.).
Allerdings beziehen sich diese Entscheidungen auf einen Zeitraum, in welchem das deutsche Recht keinen wirksamen Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK vorsah, der geeignet war, Abhilfe für die unangemessene Dauer von Verfahren zu schaffen (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 24. Juni 2010 a.a.O. Rn. 30 m.w.N.). Mit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜblVfRSchG) vom 24. November 2011 (BGBl I S. 2302) steht jedoch nunmehr ein solcher Rechtsbehelf gegen Verzögerungen gerichtlicher Verfahren im Sinne des Konventionsrechts zur Verfügung, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Grund zu der Annahme gibt, dass die damit verfolgten Ziele nicht erreicht werden (EGMR, Urteil vom 29. Mai 2012 - Nr. 53126/07, Taron/Deutschland - NVwZ 2013, 47
b) Die Dauer des Gerichtsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht war unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG.
Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Wie die Verwendung des Wortes "insbesondere" zeigt, werden damit die Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind, beispielhaft und ohne abschließenden Charakter benannt (BTDrucks 17/3802 S. 18).
aa) Das Oberverwaltungsgericht hat sich bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer mit Recht weder von festen Zeitvorgaben ((1)) noch von Orientierungs- oder Anhaltswerten ((2)) leiten lassen.
(1) Mit der gesetzlichen Festlegung, dass sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles richtet (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG), hat der Gesetzgeber bewusst von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen. Die Ausrichtung auf den Einzelfall folgt nicht nur in deutlicher Form aus dem Wortlaut des Gesetzes ("Umstände des Einzelfalles"), sondern wird durch seine Entstehungsgeschichte bestätigt und entspricht dem in den Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 18). Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber schematische zeitliche Vorgaben für die Angemessenheit ausgeschlossen hat. Er hat sich insoweit daran ausgerichtet, dass weder die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte noch die des Bundesverfassungsgerichts feste Zeiträume vorgibt, sondern jeweils die Bedeutung der Einzelfallprüfung hervorhebt. Dem Grundgesetz lassen sich keine allgemeingültigen Zeitvorgaben dafür entnehmen, wann von einer überlangen, die Rechtsgewährung verhindernden und damit unangemessenen Verfahrensdauer auszugehen ist; dies ist vielmehr eine Frage der Abwägung im Einzelfall (BVerfG, Beschlüsse vom 20. September 2007 - 1 BvR 775/07 - NJW 2008, 503; vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris Rn. 11 und vom 1. Oktober 2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12, NVwZ 2013, 789 <790>). Gleiches gilt im Ergebnis für die Europäische Menschenrechtskonvention. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalles sowie unter Berücksichtigung der Komplexität des Falles, des Verhaltens des Beschwerdeführers und der zuständigen Behörden sowie der Bedeutung des Rechtsstreits für den Beschwerdeführer zu beurteilen (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 28. Juni 1978 a.a.O. <479> und vom 11. Januar 2007 - Nr. 20027/02, Herbst/Deutschland - NVwZ 2008, 289 Rn. 75; Entscheidung vom 22. Januar 2008 - Nr. 10763/05 - juris Rn. 43 m.w.N.).
(2) Für die Beurteilung, ob die Verfahrensdauer angemessen ist, verbietet es sich in der Regel auch, von Orientierungs- oder Richtwerten für die Laufzeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren auszugehen, und zwar unabhängig davon, ob diese auf eigener Annahme oder auf statistisch ermittelten durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten beruhen. Dabei macht es im Ergebnis keinen Unterschied, ob solche Werte - in Rechtsprechung und Literatur werden Zeitspannen von ein bis drei Jahren genannt - als "normale", "durchschnittliche" oder "übliche" Bearbeitungs- oder Verfahrenslaufzeiten bezeichnet und - im Hinblick auf die Angemessenheit der Verfahrensdauer - als Indiz (Regelfrist), Hilfskriterium oder "erster grober Anhalt" herangezogen werden (vgl. etwa Stahnecker, Entschädigung bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, Rn. 76; Roderfeld, in: Marx/Roderfeld a.a.O. § 198 GVG Rn. 38 f.; im Ergebnis zu Recht ablehnend OVG Bautzen, Urteil vom 15. Januar 2013 - 11 F 1/12 - LKV 2013, 230 <232>; Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. § 198 GVG Rn. 69, 86 f. m.w.N.).
Die Entscheidung des Gesetzgebers, keine zeitlichen Festlegungen zu treffen, ab wann ein Verfahren "überlang" ist, schließt für den Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit grundsätzlich einen Rückgriff auf Orientierungs- oder Richtwerte aus. Dies gilt auch, soweit in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - allerdings obiter und deshalb die jeweilige Entscheidung nicht tragend - eine Verfahrenslaufzeit von etwa einem Jahr pro Instanz als grober Anhalt ("rough rule of thumb") genannt wird (vgl. Urteile vom 26. November 2009 - Nr. 13591/05, Nazarov/Russland - Rn. 126, vom 9. Oktober 2008 - Nr. 62936/00, Moiseyev/Russland - Rn. 160
Angesichts der Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren stießen solche Festlegungen an eine Komplexitätsgrenze. Sie könnten letztlich für die Angemessenheit im Einzelfall nicht aussagekräftig sein. Die Bandbreite der Verwaltungsprozesse reicht von sehr einfach gelagerten Verfahren bis zu äußerst aufwändigen Großverfahren (etwa im Infrastrukturbereich), die allein einen Spruchkörper über eine lange Zeitspanne binden können. Der Versuch, dieser Bandbreite mit Mittel- oder Orientierungswerten Rechnung zu tragen, ginge nicht nur am Einzelfall vorbei, sondern wäre auch mit dem Risiko belastet, die einzelfallbezogenen Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu verfehlen. Die Bestimmung einer Regeldauer brächte zudem - entgegen der Intention des Gesetzes - die Gefahr mit sich, dass sie die Verwaltungsgerichte als äußerstes Limit ansehen könnten, bis zu welchem ein Verfahren zulässigerweise ausgedehnt werden dürfte.
Gemessen daran ist das angegriffene Urteil nicht zu beanstanden. Zwar nimmt das Oberverwaltungsgericht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu der "Faustformel", nach der eine Verfahrenslaufzeit von einem Jahr pro Instanz als angemessen anzusehen sei, in Bezug. Es stützt hingegen seine Annahme, die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht erweise sich als unangemessen, nicht tragend auf eine Überschreitung jenes Jahreszeitraumes.
Dem Oberverwaltungsgericht ist darin beizupflichten, dass die statistischen Durchschnittslaufzeiten für amtsgerichtliche oder verwaltungsgerichtliche Verfahren im Land Sachsen-Anhalt nicht zu einer Objektivierung des Angemessenheitsmaßstabs herangezogen werden können (vgl. zur Heranziehung statistischer Durchschnittswerte im sozialgerichtlichen Verfahren: BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris Rn. 28 ff.). Die vorgenannten Bedenken greifen nämlich in gleicher Weise für den Ansatz, bestimmte (durchschnittliche) Laufzeiten, die durch eine Auswertung anderer Gerichtsverfahren statistisch ermittelt wurden, als ergänzende oder indizielle Werte heranzuziehen. Zum einen ist auch dieser Ansatz mit der Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren nicht in Einklang zu bringen. Zum anderen ist ein gesichertes Indiz für eine "normale" bzw. durchschnittliche Laufzeit in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren schon deshalb kaum möglich, weil die Verfahrenslaufzeiten der Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte in den Ländern - wie aus allgemein zugänglichen Quellen ersichtlich und zwischen den Beteiligten unstreitig ist - sehr unterschiedlich ausfallen. Im Hinblick auf die verfassungsmäßige Gewährleistung eines Gerichtsverfahrens in angemessener Zeit kann die Effektivität des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) für die verfahrensbeteiligten Bürger nicht (mit) davon abhängen, in welchem Land sie Rechtsschutz suchen und wie sich die durchschnittliche Verfahrensdauer dort ausnimmt.
Es verbietet sich gleichfalls, statistische Erhebungen für Verwaltungsstreitverfahren auf Bundesebene heranzuziehen. Abgesehen davon, dass solche statistischen Werte über Verfahrenslaufzeiten im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren für den Einzelfall kaum aussagekräftig sind, müssten die Durchschnittswerte ihrerseits wieder daraufhin überprüft werden, ob sie als solche angemessen sind.
Die Orientierung an einer - wie auch immer ermittelten - (statistisch) durchschnittlichen Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren erweist sich auch deshalb als bedenklich, weil eine solche Laufzeit stets auch Ausdruck der den Gerichten jeweils zur Verfügung stehenden Ressourcen ist, also insbesondere von den bereitgestellten personellen und sächlichen Mitteln abhängt. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf eine angemessene Verfahrensdauer darf hingegen grundsätzlich nicht von der faktischen Ausstattung der Justiz abhängig gemacht werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 1973 - 2 BvR 558/73 - BVerfGE 36, 264 <274 f.>). Dies wäre aber im Ergebnis der Fall, wenn für die Ermittlung der angemessenen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 GVG auf eine durchschnittliche Laufzeit abgestellt würde (vgl. Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. Rn. 87; Ziekow, DÖV 1998, 941 <942>).
Die Ausrichtung an einer durchschnittlichen Verfahrensdauer begegnet auch mit Blick darauf Bedenken, dass statistische Werte zumeist schwankend und über die Jahre hinweg in ständigem Fluss sowie von dem abhängig sind, was jeweils wie erfasst wird. Schließlich ersparten sie in keinem Einzelfall die Prüfung, ob und in welchem Umfange über die gesamte Laufzeit eines als überlang gerügten Gerichtsverfahrens Verzögerungen eingetreten und diese sachlich gerechtfertigt sind.
bb) Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen Normen folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Dabei ist vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die durch die Verfahrensführung des Gerichts eintreten, bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraumes sachlich gerechtfertigt sind. Dieser Maßstab erschließt sich aus dem allgemeinen Wertungsrahmen, der für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unangemessenheit vorgegeben ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 25 ff.), und wird durch diesen weiter konkretisiert.
(1) Der unbestimmte Rechtsbegriff der "unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens" (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG) wie auch die zu seiner Ausfüllung heranzuziehenden Merkmale im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG sind unter Rückgriff auf die Grundsätze näher zu bestimmen, wie sie in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK und des Bundesverfassungsgerichts zum Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG und zum Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG entwickelt worden sind. Diese Rechtsprechung diente dem Gesetzgeber bereits bei der Textfassung des § 198 Abs. 1 GVG als Vorbild (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 18). Insgesamt stellt sich die Schaffung des Gesetzes als innerstaatlicher Rechtsbehelf gegen überlange Gerichtsverfahren als Reaktion auf eine entsprechende Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dar (vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 2. September 2010 - Nr. 46344/06, Rumpf/Deutschland - NJW 2010, 3355). Haftungsgrund für den gesetzlich normierten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer in § 198 Abs. 1 GVG ist mithin die Verletzung des in Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK verankerten Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 25 m.w.N.).
(2) Die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs aus § 198 Abs. 1 GVG an den aus Art. 19 Abs. 4 GG, dem verfassungsrechtlichen Justizgewährleistungsanspruch sowie dem Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK folgenden Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verdeutlicht, dass es darauf ankommt, ob der Beteiligte durch die Länge des Gerichtsverfahrens in seinem Grund- und Menschenrecht beeinträchtigt worden ist. Damit wird eine gewisse Schwere der Belastung vorausgesetzt; es reicht also nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung des Gerichts aus (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 26). Vielmehr muss die Verfahrensdauer eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12 - NVwZ 2013, 789 <791 f.>). Dabei haben die Gerichte auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen, weshalb sich mit zunehmender Verfahrensdauer die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen, verdichtet (stRspr des BVerfG, vgl. etwa Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris Rn. 11 und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790> jeweils m.w.N.).
(3) Die Angemessenheit der Dauer eines Gerichtsverfahrens bemisst sich auch danach, wie das Gericht das Verfahren geführt hat und ob und in welchem Umfang ihm Verfahrensverzögerungen zuzurechnen sind.
Ist infolge unzureichender Verfahrensführung eine nicht gerechtfertigte Verzögerung eingetreten, spricht dies für die Annahme einer unangemessenen Verfahrensdauer im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Dabei ist die Verfahrensführung zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien in Bezug zu setzen. Zu prüfen ist also, ob das Gericht gerade in Relation zu jenen Gesichtspunkten den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer gerecht geworden ist. Maßgeblich ist insoweit - genauso wie hinsichtlich der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG aufgeführten Umstände -, wie das Gericht die Lage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte (vgl. Ott, in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott a.a.O. § 198 GVG Rn. 81 und 127).
Im Zusammenhang mit der Verfahrensführung durch das Gericht ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensdauer in einem gewissen Spannungsverhältnis zur richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) und zum rechtsstaatlichen Gebot steht, eine inhaltlich richtige, an Recht und Gesetz orientierte Entscheidung zu treffen (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 a.a.O. Rn. 27). Ebenso fordert Art. 6 Abs. 1 EMRK zwar, dass Gerichtsverfahren zügig betrieben werden, betont aber auch den allgemeinen Grundsatz einer geordneten Rechtspflege (EGMR, Urteil vom 25. Februar 2000 - Nr. 29357/95, Gast und Popp/Deutschland - NJW 2001, 211 Rn. 75). Die zügige Erledigung eines Rechtsstreits ist kein Selbstzweck; vielmehr verlangt das Rechtsstaatsprinzip die grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstands durch das dazu berufene Gericht (stRspr des BVerfG, vgl. etwa Beschlüsse vom 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - BVerfGE 85, 337 <345> und vom 26. April 1999 - 1 BvR 467/99 - NJW 1999, 2582 <2583>; ebenso BGH, Urteil vom 4. November 2010 - III ZR 32/10 - BGHZ 187, 286 Rn. 14 m.w.N.). Um den verfahrenrechtlichen und inhaltlichen Anforderungen gerecht werden zu können, benötigt das Gericht eine Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen ist. Dabei ist die Verfahrensgestaltung in erster Linie in die Hände des mit der Sache befassten Gerichts gelegt (BVerfG, Beschlüsse vom 30. Juli 2009 - 1 BvR 2662/06 - NJW-RR 2010, 207 <208> und vom 2. Dezember 2011 - 1 BvR 314/11 - WM 2012, 76 <77>). Dieses hat, sofern der Arbeitsanfall die alsbaldige Bearbeitung und Terminierung sämtlicher zur Entscheidung anstehender Fälle nicht zulässt, zwangsläufig eine zeitliche Reihenfolge festzulegen (BVerfG, Beschluss vom 30. Juli 2009 a.a.O.). Es hat dabei die Verfahren untereinander zu gewichten, den Interessen der Beteiligten - insbesondere im Hinblick auf die Gewährung rechtlichen Gehörs und eines fairen Verfahrens - Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu geboten sind. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist dem Gericht - auch im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit - ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29. März 2005 - 2 BvR 1610/03 - NJW 2005, 3488 <3489> und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <791> jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 4. November 2010 a.a.O.). Verfahrenslaufzeiten, die durch die Verfahrensführung des Gerichts bedingt sind, führen nur zu einer unangemessenen Verfahrensdauer, wenn sie - auch bei Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums - sachlich nicht mehr zu rechtfertigen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 a.a.O. m.w.N.).
Im Hinblick auf die Rechtfertigung von Verzögerungen ist der auch in den Gesetzesmaterialien (BTDrucks 17/3802 S. 18) deutlich zum Ausdruck gekommene Grundsatz zu berücksichtigen, dass sich der Staat zur Rechtfertigung einer überlangen Verfahrensdauer nicht auf Umstände innerhalb seines Verantwortungsbereichs berufen kann (stRspr des BVerfG, vgl. Beschlüsse vom 7. Juni 2011 - 1 BvR 194/11 - NVwZ-RR 2011, 625 <626>, vom 24. September 2009 - 1 BvR 1304/09 - EuGRZ 2009, 699 Rn. 14 und vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790>; vgl. auch BFH, Urteil vom 17. April 2013 - X K 3/12 - BeckRS 2013, 95036 = juris Rn. 43). Eine Zurechnung der Verfahrensverzögerung zum Staat kommt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte insbesondere für Zeiträume in Betracht, in denen das Gericht ohne rechtfertigenden Grund untätig geblieben, also das Verfahren nicht gefördert oder betrieben hat (vgl. EGMR, Urteile vom 26. Oktober 2000 - Nr. 30210/96, Kud³a/Polen - NJW 2001, 2694 Rn. 130 und vom 31. Mai 2001 - Nr. 37591/97, Metzger/Deutschland - NJW 2002, 2856 Rn. 41). Soweit dies auf eine Überlastung der Gerichte zurückzuführen ist, gehört dies zu den strukturellen Mängeln, die der Staat zu beheben hat (EGMR, Urteil vom 25. Februar 2000 a.a.O. Rn. 78). Strukturelle Probleme, die zu einem ständigen Rückstand infolge chronischer Überlastung führen, muss sich der Staat zurechnen lassen; eine überlange Verfahrensdauer lässt sich damit nicht rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2012 a.a.O. <790>).
cc) Unter Berücksichtigung der zuvor erörterten Grundsätze erweist sich hier, dass die Verfahrensdauer unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG war, weil eine an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles - insbesondere der Schwierigkeit des Verfahrens ((1)), seiner Bedeutung für die Klägerin ((2)) sowie des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten ((3)) und der Verfahrensführung des Gerichts ((4)) - ergibt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt worden ist.
(1) Mit Blick auf die vom Oberverwaltungsgericht insoweit getroffenen Feststellungen handelte es sich um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht sehr einfach gelagerten Fall.
Streitgegenstand war der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch, im Einklang mit einer Zusage der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost der Revierstation B. S. zugewiesen zu werden. Die damit einhergehenden rechtlichen Fragen waren bereits für sich genommen nicht besonders komplex. Sie erwiesen sich hier insbesondere deshalb als einfach, weil die dem Rechtsstreit vorgelagerte Frage, ob die Umsetzung von der Revierstation B. S. nach derjenigen in G. rechtswidrig war, bereits in dem Einstellungsbeschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 1. August 2008 in dem Verfahren 1 L 165/07 bejaht worden war. Dem hier im Streit stehenden Folgeverfahren lag eine im Wesentlichen unveränderte Sach- und Rechtslage zugrunde. In tatsächlicher Hinsicht war keine Beweisaufnahme, sondern nur eine Würdigung der vorhandenen Akten und der im vorangegangenen Verfahren von Seiten der Beklagten abgegebenen Zusage, die Umsetzung zu beenden, erforderlich. Dass der Rechtsstreit nicht durch Urteil entschieden und in einer mündlichen Verhandlung einvernehmlich zur Erledigung gebracht wurde, bestätigt den sehr geringen Schwierigkeitsgrad des Prozesses.
(2) Dem Oberverwaltungsgericht ist auch darin beizupflichten, dass die Klägerin ein berechtigtes erhebliches Interesse an einem schnellen Abschluss des Verfahrens hatte.
Zwar ist zweifelhaft, ob dies - wie das Oberverwaltungsgericht meint - bereits aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur besonders hohen subjektiven Bedeutung bei Streitigkeiten über ein Dienstverhältnis folgt (vgl. Urteile vom 27. Juni 2000 - Nr. 30979/96, Frydlender/Frankreich - Rn. 45 und vom 23. April 2009 - Nr. 1479/08, Ballhausen/ Deutschland - Rn. 65). Diese Rechtsprechung dürfte sich auf Fallgestaltungen beschränken, bei denen - wie bei einer Beendigung des Dienstverhältnisses - die wirtschaftliche Grundlage des Betroffenen berührt ist. Im vorliegenden Fall muss ein hohes Interesse der Klägerin an einer zügigen Erledigung des Rechtsstreits insbesondere deswegen angenommen werden, weil sie sich bereits in einem vorangegangenen Prozess gegen die Umsetzung erfolgreich zur Wehr gesetzt hatte und im vorliegenden Prozess letztlich nur die Einlösung der gegebenen Zusage einer Rückgängigmachung der Umsetzung begehrte. Das Oberverwaltungsgericht hat ferner zutreffend ausgeführt, dass die zusätzliche Wegstrecke zum Dienstort und zurück für die Klägerin eine nicht unerhebliche zeitliche Belastung darstellte. Hinzu kommt, dass die Umsetzung der Klägerin aufgrund eines angenommenen dienstlichen Fehlverhaltens nach den tatrichterlichen Feststellungen eine belastende Wirkung hatte.
(3) Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, dass die Klägerin durch ihr Verhalten keine Verzögerung des Rechtsstreits bewirkt hat. Vielmehr hat sie sich zu Beginn des Rechtsstreits zur Beschleunigung des Verfahrens mit einer Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter einverstanden erklärt. Soweit der Beklagte vorträgt, die Klägerin hätte im weiteren Verlauf des Prozesses nachdrücklicher auf eine Beschleunigung hinarbeiten müssen, kann dies ihr aus Rechtsgründen nicht angelastet werden. Die Verpflichtung des Gerichts, das Verfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen, ergibt sich - wie aufgezeigt - unmittelbar aus der dem Staat obliegenden Justizgewährleistungspflicht, aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes und aus Art. 6 Abs. 1 EMRK. Daher bedarf es grundsätzlich keines entsprechenden Hinweises der Prozessbeteiligten. Eine besondere gesetzliche Verpflichtung zur Erhebung einer Verzögerungsrüge bestand bei Abschluss des Verfahrens im Juni 2011 nicht. Nach Art. 23 Satz 5 ÜblVfRSchG gilt bei abgeschlossenen Verfahren das Erfordernis der Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 GVG nicht.
(4) Das Oberwaltungsgericht hat schließlich zutreffend ausgeführt, dass das Verfahren im Zeitraum vom 25. Oktober 2009 bis zum 16. September 2010 und vom 16. Februar 2011 bis zum 12. April 2011 - zusammengerechnet mehr als 12 Monate - ohne rechtfertigenden Grund nicht gefördert worden ist.
Die Revision stellt hinsichtlich des ersten Zeitraums nicht infrage, dass die am 8. Juni 2009 eingegangene Klage am 18. September 2009 "ausgeschrieben" war. Klagebegründung, Klageerwiderung und Replik der Klägerin lagen vor. Die Revision meint jedoch, dass der Vorsitzende weitere drei Monate auf den Eingang einer Duplik der Beklagten habe warten dürfen. Eine solche Entscheidung sei vertretbar gewesen. Demgegenüber hat das Oberverwaltungsgericht unter Berücksichtigung des richterlichen Gestaltungsspielraums zutreffend ausgeführt, dass der Vorsitzende auf die ungewisse und tatsächlich auch nicht eingegangene weitere Erwiderung des Beklagten zwar einen Monat habe warten dürfen. Insbesondere mit Blick auf den sehr geringen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens und dessen Bedeutung für die Klägerin war ein weiteres Zuwarten hingegen nicht gerechtfertigt. Eine Förderung im Sinne eines Hinwirkens auf eine Erledigung des Prozesses ist nach Ablauf dieses Monats nicht mehr erkennbar. Da die Akte vom 25. Oktober 2009 bis zum 16. September 2010 nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts unbearbeitet blieb, muss für diesen Zeitraum von einer nicht gerechtfertigten Verzögerung des Rechtsstreits ausgegangen werden.
Das Gleiche gilt für den rund zweimonatigen Zeitraum nach Rückkehr des Vorsitzenden aus dem Krankenstand. Zwar ist eine unvorhersehbare Erkrankung des berichterstattenden Vorsitzenden als ein Fall höherer Gewalt anzusehen, der grundsätzlich eine vorübergehende Terminsverschiebung rechtfertigen kann (vgl. EGMR, Urteil vom 16. Juli 2009 - Nr. 8453/04, Bayer/Deutschland - NVwZ 2010, 1015 Rn. 53). Das Oberverwaltungsgericht hat aber zu Recht darauf hingewiesen, dass die Erkrankung eines Richters im Hinblick auf die in der Geschäftsverteilung des Gerichts vorzusehenden Vertretungsregelungen nur eine kurzfristige Verzögerung rechtfertigen könne. Erkrankt ein Richter, sind grundsätzlich die zur Vertretung berufenen Richter zur Förderung des Verfahrens verpflichtet. Im vorliegenden Fall hat das Verfahren in den drei Monaten, in denen der Vorsitzende krankheitsbedingt abwesend gewesen ist, keine Förderung erfahren. Selbst wenn dies nicht als unangemessene Verzögerung angesehen wird, war es nicht angemessen, dass der Vorsitzende nach seiner Rückkehr am 16. Februar 2011 die Akte erneut auf Abruf gelegt und bis zum 12. April 2011 nicht bearbeitet hat. Hierfür sind vom Tatsachengericht keine rechtfertigenden Gründe festgestellt worden. Solche sind auch nicht erkennbar. Auch in diesem Zusammenhang ist von Gewicht, dass das Verfahren einfach gelagert war und Bedeutung für die Klägerin hatte. Deshalb ist dem Beklagten auch nicht darin zu folgen, dass dem Vorsitzenden nach der Rückkehr aus dem Krankenstand eine mehrwöchige Übergangsfrist für die Dezernatsaufarbeitung nach Prioritätsgesichtspunkten eingeräumt werden müsse. Mithin kann auch bei Berücksichtigung eines richterlichen Gestaltungsspielraums im Zeitraum vom 16. Februar 2011 bis zum 12. April 2011 kein Rechtfertigungsgrund für die erneute Zurückstellung des bereits vor der Erkrankung geladenen und damit priorisierten Verfahrens festgestellt werden.
Berücksichtigt man im Rahmen einer Gesamtabwägung den geringen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens, die hohe subjektive Bedeutung, das zu keiner Verzögerung führende Verhalten der Klägerin und die gerichtliche Prozessleitung, dann erweist sich die Annahme des Oberverwaltungsgerichts als überzeugend, dass der Rechtsstreit in einem Jahr hätte erledigt werden müssen und die zweijährige Prozessdauer nicht angemessen war.
c) Die Klägerin hat durch die überlange Verfahrensdauer einen immateriellen Nachteil im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG erlitten, der nicht auf andere Weise wieder gutgemacht werden kann.
Dass die Klägerin Nachteile nichtvermögensrechtlicher Art erlitten hat, ergibt sich aus der Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG. Danach wird ein immaterieller Nachteil vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren - wie hier - unangemessen lange gedauert hat. Diese Vermutung ist hier nicht widerlegt.
Entschädigung kann gemäß § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise ist gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Ob eine solche Feststellung ausreichend im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ist, beurteilt sich auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles. In diese ist regelmäßig einzustellen, ob das Ausgangsverfahren für den Verfahrensbeteiligten eine besondere Bedeutung hatte, ob dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verzögerung beigetragen hat und ob er weitergehende immaterielle Schäden erlitten hat oder ob die Überlänge den einzigen Nachteil darstellt (BTDrucks 17/3802 S. 20). Darüber hinaus kann zu berücksichtigen sein, von welchem Ausmaß die Unangemessenheit der Dauer des Verfahrens ist und ob das Ausgangsverfahren für den Verfahrensbeteiligten eine besondere Dringlichkeit aufwies oder ob diese zwischenzeitlich entfallen war (vgl. EGMR, Urteil vom 29. September 2011 - Nr. 854/07 - juris Rn. 41). Es kann hier dahingestellt bleiben, ob im Fall einer unangemessenen Verfahrensdauer die Entschädigung die Regel und die bloße Feststellung im Sinne von § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG die Ausnahme ist (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris Rn. 45 f.) oder ob weder ein Vorrang der Geldentschädigung noch eine anderweitige Vermutungsregel gilt (vgl. BFH, Urteil vom 17. April 2013 - X K 3/12 - BeckRS 2013, 95036 Rn. 57). Unabhängig von einer Vermutungs- oder Vorrangregel ergibt hier eine Einzelabwägung, dass eine bloße Feststellung der unangemessenen Dauer nicht ausreicht.
Das Oberverwaltungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass ihr durch die Hintergründe der Umsetzung und durch den höheren Zeitaufwand für die Fahrten von und zum Dienstort (täglich eine Stunde) eine zusätzliche immaterielle Belastung entstanden ist. Diese weiteren und spürbaren immateriellen Nachteile werden durch eine schlichte Feststellungsentscheidung nicht aufgewogen.
Entgegen der Auffassung des Beklagten besteht ein Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils unabhängig davon, ob die Klägerin auch Entschädigung für einen materiellen Nachteil beanspruchen kann. Die Entschädigung für materielle und diejenige für immaterielle Nachteile stehen grundsätzlich nebeneinander (vgl. BTDrucks 17/3802 S. 19) und können nicht im Rahmen einer Gesamtabwägung gleichsam gegeneinander aufgerechnet werden.
d) Der Entschädigungsbetrag beträgt 1 200 €.
Die Bemessung der immateriellen Nachteile richtet sich nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG. Danach sind diese in der Regel in Höhe von 1 200 € für jedes Jahr der Verzögerung zu entschädigen. Nur wenn dieser Betrag nach den Umständen des Einzelfalles unbillig ist, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG). Das Oberverwaltungsgericht hat in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass hier eine Abweichung vom Pauschalbetrag nicht veranlasst ist. Da die nicht gerechtfertigte Verzögerung etwa ein Jahr betrug, steht der Klägerin ein Entschädigungsbetrag in Höhe von 1 200 € zu.
2. Die Klägerin hat für den ihr durch die Verzögerung entstandenen materiellen Nachteil einen Entschädigungsanspruch in der vom Oberverwaltungsgericht angenommenen Höhe.
Anspruchsgrundlage ist insoweit § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, der im Fall des Vorliegens seiner Voraussetzungen - wie hier - gebietet, (auch) für einen vermögensrechtlichen Nachteil angemessene Entschädigung zu leisten. Mit dieser Entschädigung wird kein Schadensersatz im Sinne der §§ 249 ff. BGB gewährt, sondern in Anlehnung an § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB lediglich ein Schadensausgleich nach enteignungs- und aufopferungsrechtlichen Grundsätzen geleistet (BTDrucks 17/3802 S. 34). Es findet damit nur ein Ausgleich der erlittenen Vermögenseinbuße, aber grundsätzlich keine Naturalrestitution statt (vgl. BGH, Urteile vom 23. Februar 2001 - V ZR 389/99 - BGHZ 147, 45 <53> und vom 14. November 2003 - V ZR 102/03 - BGHZ 157, 33 <47>).
Davon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen und hat der Klägerin für die mit den zusätzlichen Wegekosten konkret verbundenen Vermögenseinbußen (zusätzlicher Kraftstoff, erhöhte Wartungskosten und wegebedingter Wertverlust) einen Nachteilsausgleich gewährt. Ferner hat es entsprechend dem in der Enteignungsentschädigung anerkannten Prinzip des Vorteilsausgleichs den im Wege der Einkommensteuerrückerstattung für die der Klägerin entstandenen Fahrtkosten (Werbungskosten) erlangten Vorteil abgezogen. Gegen diese Vorgehensweise bestehen keine rechtlichen Bedenken. Soweit der Beklagte einwendet, dass für die Entschädigung der Fahrtkosten die im Sozialhilferecht oder im Zeugenentschädigungsrecht maßgeblichen Bestimmungen entsprechend heranzuziehen seien, findet dies im Gesetz keine Stütze.
Die Entschädigungssumme beläuft sich auf 1 864,87 €. Der vom Oberverwaltungsgericht hinsichtlich des Mehraufwandes für Fahrtkosten angesetzte Betrag hält einer revisionsgerichtlichen Kontrolle Stand. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang die tatsächlichen Grundlagen der Berechnung, insbesondere die Anzahl der bei der Fahrtkostenberechnung zugrunde gelegten Diensttage und die Höhe des angesetzten Kraftstoffpreises angreift, sind diese Tatsachenfeststellungen nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und daher nach § 137 Abs. 2 VwGO für das Revisionsgericht bindend.
Soweit das Oberverwaltungsgericht den für die Wertminderung des Kraftfahrzeugs angesetzten Betrag im Wege der Schätzung nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 287 Abs. 1 ZPO ermittelt hat, erweist sich dies als fehlerfrei. Gegen die Anwendung dieser Vorschriften bei der Ermittlung der Höhe der nach § 198 Abs. 1 GVG geschuldeten Entschädigung bestehen keine Bedenken, weil die Schätzvorschriften auch ansonsten bei Entschädigungsansprüchen Anwendung finden (vgl. Urteil vom 20. Januar 2005 - BVerwG 3 C 15.04 - Buchholz 418.6 TierSG Nr. 18 S. 10). Auch hinsichtlich der Höhe der geschätzten wegebedingten Wertminderung des klägerischen Fahrzeugs bestehen keine begründeten Zweifel. Das Oberverwaltungsgericht hat insoweit die Grundlagen seiner Schätzung nachvollziehbar dargelegt. In diesem Fall ist das Revisionsgericht regelmäßig auf die Prüfung beschränkt, ob die vorinstanzliche Schätzung auf grundsätzlich fehlerhaften Erwägungen beruht, ob wesentliche Tatsachen außer Acht gelassen oder sonstige Rechtsvorschriften oder Denk- und Erfahrungssätze verletzt worden sind (Urteile vom 1. März 1995 - BVerwG 8 C 36.92 - Buchholz 303 § 287 ZPO Nr. 3 S. 11 und vom 20. Januar 2005 a.a.O.). Solche Mängel liegen nicht vor.
Die vom Oberverwaltungsgericht angenommene Höhe der Wartungskosten wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig gestellt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Billigkeitsentscheidung nach der kostenrechtlichen Spezialregelung des § 201 Abs. 4 GVG i.V.m. § 173 Satz 2 VwGO ist nicht zu treffen.