Entscheidungsdatum: 01.03.2012
Grundstücksbezogene Verbindlichkeiten (hier: Grundschuld), die in der Zeit vom 15. September 1935 bis 8. Mai 1945 entstanden sind, bleiben auch dann gemäß § 2 Satz 5 Teilsatz 3 NS-VEntschG unberücksichtigt, wenn sie an einem sog. "zugeschwommenen" (im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG später angeschafften) Grundstück von dem Nachfolgeunternehmen eingegangen wurden.
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Entschädigung nach dem NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz für ein sog. "zugeschwommenes" Betriebsgrundstück.
Der Kläger zu 2 ist Rechtsnachfolger zu ein Halb des jüdischen Alleingesellschafters einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der seine Geschäftsanteile Anfang März 1934 zwangsverkaufte und auswanderte.
Mit Kaufvertrag vom 4. Januar 1939 erwarb das nach dem Verkauf in eine offene Handelsgesellschaft umgewandelte Unternehmen von der jüdischen Eigentümerin das Grundstück, auf dem das von ihm betriebene Textilkaufhaus stand. Der Kaufpreis betrug 238 000 RM. Der Einheitswert des Grundstücks wurde im Kaufvertrag mit 183 400 RM angegeben. Unter Anrechnung auf den Kaufpreis übernahm das Unternehmen die auf dem Grundstück lastenden Hypotheken in Höhe von insgesamt 133 500 RM. Zur Finanzierung des Restkaufpreises in Höhe von 104 500 RM nahm es einen Kredit auf, zu dessen Sicherheit es eine Grundschuld in Höhe von 100 000 RM bestellte. Die Eintragung des Unternehmens als Grundstückseigentümer sowie die Eintragung der Grundschuld zugunsten des Kreditinstituts erfolgten am 22. Dezember 1939.
Im März 1942 wurden die beiden Gesellschafter persönlich als Eigentümer des Betriebsgrundstücks eingetragen. 1949 erfolgte die Überführung des Grundstücks in Volkseigentum.
Unter dem 2. Oktober 1990 meldete die Rechtsvorgängerin des Klägers zu 2 vermögensrechtliche Ansprüche in Bezug auf das Unternehmen nebst dazugehörigem Betriebsgrundstück an.
In der Folgezeit wurde das Eigentum an dem Grundstück der Conference on Jewish Material Claims against Germany Inc. - JCC - als Rechtsnachfolgerin der ehemaligen jüdischen Grundstückseigentümerin zurückübertragen.
Mit Bescheid vom 7. Mai 2001 wurde der Antrag der Rechtsvorgängerin des Klägers zu 2 auf Rückübertragung der Eigentumsrechte an dem Grundstück sowie des Betriebsvermögens des Unternehmens abgelehnt. Zugleich wurde festgestellt, dass ihr in Erbengemeinschaft mit der JCC aufgrund des Eigentumsverlusts an dem Unternehmen dem Grunde nach ein Anspruch auf Entschädigung nach Maßgabe des NS-Verfolgtenentschädigungsgesetzes zusteht. In dem anschließenden Klageverfahren änderte die Beklagte den Bescheid in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 4. Mai 2006 dahin ab, dass auch für das Betriebsgrundstück dem Grunde nach ein Anspruch auf Entschädigung nach Maßgabe des NS-Verfolgtenentschädigungsgesetzes bestehe.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 17. Dezember 2008 hob die Beklagte die Feststellung der Entschädigungsberechtigung für das Grundstück dem Grunde nach auf und setzte für das Unternehmen eine Entschädigung in Höhe von 86 528,89 € nebst Zinsen gemäß § 2 Satz 9 bis 11 NS-VEntschG fest. Von diesem Betrag wurde an die Rechtsvorgängerin des Klägers zu 2 nach Abzug des von ihr zurückzufordernden Lastenausgleichs von 5 256,08 € ein Betrag von 40 636,41 € ausgezahlt.
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Abänderung dieses Bescheides verpflichtet, zugunsten des Klägers zu 2 über den bereits festgestellten Entschädigungsbetrag hinaus eine weitere Entschädigung in Höhe von 99 704,26 € nebst Zinsen gemäß § 2 Satz 9 bis 11 NS-VEntschG festzusetzen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Rücknahme der Feststellung, dass für das Betriebsgrundstück dem Grunde nach ein Anspruch auf Entschädigung nach Maßgabe des NS-Verfolgtenentschädigungsgesetzes bestehe, sei rechtswidrig und damit aufzuheben. Demzufolge sei bei der Berechnung der Entschädigung der Wert des Grundstücks zu dem Wert des Unternehmens hinzuzuaddieren. Bezüglich des Grundstücks sei von dem im Kaufvertrag angegebenen Einheitswert auszugehen. Vor diesem sei neben den Hypotheken auch die Grundschuld mit der Hälfte ihres Nennwertes abzuziehen. Letzteres beruhe darauf, dass bei einem mit Mitteln des Unternehmens erworbenen Grundstück davon auszugehen sei, dass die für den Erwerb eingesetzten Mittel bereits im Zeitpunkt der Unternehmensschädigung im Unternehmen vorhanden gewesen seien.
Mit seiner Revision verfolgt der Kläger zu 2 sein Klagebegehren weiter. Er ist der Ansicht, der Abzug der Grundschuld sei nicht gerechtfertigt. Er rügt insoweit eine Verletzung des § 2 Satz 5 Teilsatz 3 NS-VEntschG i.V.m. § 3 Abs. 4 EntschG. Bei der gesonderten Entschädigung für sog. "zugeschwommene" Betriebsgrundstücke handele es sich um eine Unternehmensentschädigung, deren Bemessungsgrundlage sich nicht nach § 3 Abs. 4 EntschG, sondern nach § 4 EntschG bestimme. Die Behandlung dieser Fälle als solche der Unternehmensentschädigung entspreche dem Sinn und Zweck der Entschädigungsvorschriften. Zudem sei die Anrechnung der Grundschuld mit ihrem hälftigen Nennwert mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz unvereinbar.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die Revision des Klägers zu 2 ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht, weil das Verwaltungsgericht § 2 Satz 2 NS-VEntschG sowie § 2 Satz 5 Teilsatz 3 NS-VEntschG i.V.m. § 3 Abs. 4 EntschG rechtsfehlerhaft angewandt hat. Der Senat kann auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts abschließend entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein das Verpflichtungsbegehren des Klägers zu 2 auf Festsetzung einer (weiteren) Entschädigung für das sog. "zugeschwommene" Betriebsgrundstück (als Folge einer sog. erweiterten Singularrestitution) in Höhe von 51 404,02 € nebst Zinsen gemäß § 2 Satz 9 bis 11 NS-VEntschG.
Der Kläger zu 2 hat die Revision auf dieses Begehren beschränkt. Er hat - wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat - die Revision nur in dem Umfang eingelegt und begründet, als er durch den klageabweisenden Teil des verwaltungsgerichtlichen Urteils materiell beschwert ist.
Die Beschränkung der Revision auf die - zwischen den Beteiligten auch nur noch streitige - Festsetzung der Höhe der grundstücksbezogenen Entschädigung ist zulässig. Die Revision kann auf einen von mehreren selbstständigen Streitgegenständen einer Klage (objektive Klagehäufung nach § 44 VwGO) oder auf einen abtrennbaren Teil des Streitgegenstandes begrenzt werden. Der Streitgegenstand wird durch die erstrebte, im Klageantrag umschriebene Rechtsfolge und den Klagegrund, d.h. den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll, bestimmt (stRspr, z.B. Urteil vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 16.10 - IÖD 2011, 247).
Das besagte Verpflichtungsbegehren stellt der erstrebten Rechtsfolge nach gegenüber dem erstinstanzlich noch verfolgten Anfechtungsbegehren auf Rücknahme der Feststellung, dass dem Kläger zu 2 dem Grunde nach eine gesonderte Entschädigung nach dem NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz für das Betriebsgrundstück zusteht, einen eigenständigen Streitgegenstand dar. Dieser ist gegenüber dem Anspruch auf Festsetzung der Entschädigungshöhe für das Unternehmen als selbstständiges (Teil-)Begehren zu qualifizieren. Zwar beantragt der Kläger zu 2 die Festsetzung einer konkret bezifferten weiteren Entschädigung, ohne dabei zwischen der gesonderten Entschädigung für das Betriebsgrundstück und der Entschädigung für das Unternehmen zu unterscheiden. Die beiden Entschädigungen bilden aber ungeachtet der Tatsache, dass die Entschädigung für das Betriebsgrundstück dem von § 1 Abs. 6 VermG erfassten Personenkreis nur als Folge einer Unternehmensschädigung gewährt wird (Urteil vom 13. Februar 1997 - BVerwG 7 C 54.96 - BVerwGE 104, 92 <96> = Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 25 S. 49), dem Klagegrund nach erkennbar abtrennbare Teile eines Streitgegenstandes. Denn die Höhe der grundstücksbezogenen Entschädigung und die Höhe der Entschädigung für das Unternehmen sind nach unterschiedlich ausgestalteten Regelungen zu berechnen (Urteil vom 13. Dezember 2007 - BVerwG 5 C 11.07 - BVerwGE 130, 122 = Buchholz 428.42 § 2 NS-VEntschG Nr. 6 Rn. 12), die verschiedene Lebenssachverhalte widerspiegeln. Daher ist, jedenfalls in den Fällen, in denen - wie hier durch bestandskräftigen Bescheid vom 7. Mai 2001 - die Unternehmensschädigung nach § 1 Abs. 6 VermG unanfechtbar feststeht, die Festsetzung einer (weiteren) Entschädigung für das sog. "zugeschwommene" Betriebsgrundstück einer selbstständigen Prüfung und Entscheidung zugänglich.
Die Revision ist auch in zulässiger Weise auf die Höhe des geforderten Betrages begrenzt worden. Ein bezifferter Antrag kann nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist (§ 139 Abs. 3 Satz 1 und 4 VwGO) nicht erweitert werden. Er legt die Grenzen, innerhalb derer der Rechtsstreit vor dem Revisionsgericht zu verhandeln und zu entscheiden ist, verbindlich fest (vgl. zur vergleichbaren Problematik bei der Berufung: Urteil vom 17. Juli 2009 - BVerwG 5 C 25.08 - Buchholz 436.511 § 74 KJHB/SGB VIII Nr. 6 Rn. 10 m.w.N.).
2. Der Kläger zu 2 hat einen Anspruch auf Festsetzung einer höheren Entschädigung für das Betriebsgrundstück, der den eingeklagten Mehrbetrag von 51 404,02 € nebst Zinsen gemäß § 2 Satz 9 bis 11 NS-VEntschG umfasst.
2.1 Aufgrund der gegenständlichen Beschränkung der Revision steht rechtskräftig fest, dass dem Kläger zu 2 dem Grunde nach gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 NS-VEntschG ein gesonderter Anspruch auf Entschädigung in Geld gegen den Entschädigungsfonds für das sog. "zugeschwommene" Betriebsgrundstück zusteht. Im Revisionsverfahren ist daher davon auszugehen, dass das Grundstück gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 Teilsatz 1 und 2, § 3 Abs. 1 Satz 6 VermG mit Mitteln des Unternehmens erworben wurde und ungeachtet dessen auch seine Rückgabe ausgeschlossen ist.
2.2 Der Anspruch auf gesonderte Entschädigung für das Betriebsgrundstück ist nicht gemäß § 2 Satz 4 NS-VEntschG der Höhe nach ausgeschlossen.
Danach ist in den Fällen, in denen für ein und denselben Berechtigten dem Grunde nach sowohl ein Anspruch auf Entschädigung des Unternehmens als auch ein Anspruch auf gesonderte Entschädigung für das Betriebsgrundstück besteht, zu der erfolgten oder erfolgenden Entschädigung für das Unternehmen keine gesonderte Entschädigung für das Betriebsgrundstück zu gewähren, wenn dieses in der Bemessungsgrundlage für die Entschädigung des Unternehmens berücksichtigt wird. Das ist hier nicht der Fall.
Zwar steht durch bestandskräftigen Bescheid vom 7. Mai 2001 sowie durch das insoweit in Teilrechtskraft erwachsene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig fest, dass der Kläger zu 2 dem Grunde nach sowohl eine Entschädigung für das Unternehmen als auch eine gesonderte Entschädigung für das später angeschaffte Betriebsgrundstück verlangen kann. Nach den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurde das Betriebsgrundstück allerdings erst im Jahr 1939 und damit nach der Schädigung des Unternehmens Anfang März 1934 von dem Nachfolgeunternehmen erworben. Dementsprechend ist es nicht in der Bemessungsgrundlage für die Entschädigung des Unternehmens berücksichtigt.
2.3 Für die Berechnung der grundstücksbezogenen (Singular-)Entschädigung gelten gemäß § 2 Satz 5 Teilsatz 1 NS-VEntschG die Vorschriften des § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 und § 3 Abs. 2 bis 4 EntschG entsprechend, wobei die Modifikationen in § 2 Satz 2 und § 2 Satz 5 Teilsatz 3 NS-VEntschG zu berücksichtigen sind (a). Das Verwaltungsgericht hat zwar im Einklang mit § 2 Satz 5 Teilsatz 1 NS-VEntschG i.V.m. § 3 Abs. 4 Satz 1 EntschG als Ausgangswert der Berechnung auf den im Grundstückskaufvertrag angegebenen Einheitswert von 183 400 RM abgestellt. Ihm ist aber - infolge der nicht gesondert berechneten Entschädigung für das Betriebsgrundstück - insoweit ein Bundesrechtsverstoß unterlaufen, als es diesen Wert nicht gemäß § 2 Satz 2 NS-VEntschG vor einem etwaigen Abzug langfristiger Verbindlichkeiten vervierfacht hat (b). Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht dadurch Bundesrecht verletzt, dass es die an dem Grundstück anlässlich seiner Anschaffung im Jahr 1939 als Kreditsicherheit bestellte Grundschuld als abzugsfähige Verbindlichkeit berücksichtigt hat (c).
a) Die Entschädigung für ein nach § 3 Abs. 1 Satz 4 Teilsatz 4 VermG später angeschafftes Betriebsgrundstück als Folge der erweiterten Singularrestitution ist eine gesonderte Entschädigung, die in Durchbrechung des § 3 Abs. 1 Satz 3 Teilsatz 1 VermG zusätzlich zu einer etwaigen Unternehmensrestitution bzw. Unternehmensentschädigung (s. insoweit Urteil vom 26. Juni 1997 - BVerwG 7 C 53.96 - VIZ 1997, 687 = Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 18 S. 18) zu gewähren ist. Sie ist entsprechend ihres Gegenstandes der Art nach eine (reine) Grundstücksentschädigung. Ihre Berechnung ist daher nach den Regeln über die Entschädigung für Grundvermögen durchzuführen. Dass die Einzelgegenstandsrestitution bzw. Einzelgegenstandsentschädigung nur als Folge einer Unternehmensschädigung gewährt wird, ändert daran nichts (Urteil vom 11. Dezember 2008 - BVerwG 5 C 3.08 - BVerwGE 132, 330 Rn. 22; s.a. Urteile vom 13. Dezember 2007 - BVerwG 5 C 11.07 - a.a.O. jeweils Rn. 9 f. und - BVerwG 5 C 9.07 - Buchholz 428.42 § 2 NS-VEntschG Nr. 5 Rn. 15).
b) Nach § 2 Satz 2 NS-VEntschG ist Bemessungsgrundlage der Entschädigung bei Vermögensgegenständen, für die ein Einheitswert festgestellt wird, das Vierfache (s. insoweit Urteil vom 30. Juni 2011 - BVerwG 5 C 23.10 - ZOV 2011, 218 m.w.N.) des vor der Schädigung zuletzt festgestellten Einheitswertes.
Maßgeblicher Schädigungszeitpunkt im Sinne des § 2 Satz 2 NS-VEntschG für ein sog. "zugeschwommenes" Betriebsgrundstück ist der Zeitpunkt, in dem das Grundstück erworben wurde. Denn dieser Zeitpunkt ist nach der vermögensrechtlichen Wertung ("später angeschafft") für die Zugriffsmöglichkeit der Geschädigten auf den Gegenstand rechtlich entscheidend (Urteil vom 11. Dezember 2008 a.a.O.). Die Bemessungsgrundlage beträgt somit 733 600 RM.
c) Nach § 2 Satz 5 Teilsatz 1 NS-VEntschG i.V.m. § 3 Abs. 4 Satz 1 EntschG sind langfristige Verbindlichkeiten, die mit dem Grundstück im Zeitpunkt der Schädigung in wirtschaftlichem Zusammenhang standen oder an ihm dinglich gesichert waren, von der Bemessungsgrundlage abzuziehen. Zwar gilt für Entschädigungen grundsätzlich das in § 2 Satz 5 Teilsatz 1 NS-VEntschG zum Ausdruck kommende sog. Nettoprinzip (aa). § 2 Satz 5 Teilsatz 3 NS-VEntschG, der grundsätzlich auch bei der Berechnung der Entschädigung für sog. "zugeschwommene" Betriebsgrundstücke Anwendung findet (Urteil vom 11. Dezember 2008 a.a.O. Rn. 24), schränkt dieses Prinzip jedoch ein, indem er nach seinem klarem Wortlaut den Abzug von Verbindlichkeiten untersagt, die in der Zeit vom 15. September 1935 bis 8. Mai 1945 entstanden sind (bb). Die Anrechnung der Grundschuld kann nicht über eine teleologisch einschränkende Auslegung dieser Vorschrift erreicht werden (cc). Eine entsprechende Anwendung der Fiktion des § 3 Abs. 1 Satz 4 Teilsatz 4 VermG scheidet aus (dd).
aa) Der Gesetzgeber hat mit der Verweisung in § 2 Satz 5 Teilsatz 1 NS-VEntschG auf § 3 Abs. 4 EntschG unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass auch die Entschädigung durch NS-verfolgungsbedingte Zwangsmaßnahmen nach dem sog. Nettoprinzip zu erfolgen hat (Urteile vom 27. Juli 2006 - BVerwG 5 C 2.06 - Buchholz 428.42 § 2 NS-VEntschG Nr. 2 Rn. 14 und vom 18. Februar 1999 - BVerwG 3 C 8.98 - VIZ 1999, 476). Nur der tatsächlich bei dem Geschädigten im Zeitpunkt der Schädigung vorhandene wirtschaftliche Wert des geschädigten Vermögensgegenstandes soll Gegenstand einer Entschädigungsleistung sein. Denn wirtschaftlich betrachtet waren die Geschädigten nur in diesem Umfang entreichert. Dementsprechend sind langfristige, im Zusammenhang mit dem zu entschädigenden Grundstück stehende Verbindlichkeiten entschädigungsmindernd zu berücksichtigen, da sie die entschädigungsfähige Substanz minderten. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EntschG, der anordnet, dass diese Verbindlichkeiten von der Bemessungsgrundlage - im Fall der Entschädigung für Grundvermögen also von einem Vielfachen (hier: dem Vierfachen) des Grundstückseinheitswertes - abzuziehen sind, hat insoweit lediglich klarstellende Funktion. Daher ist es unschädlich, dass auf diese Vorschrift in § 2 Satz 5 Teilsatz 1 NS-VEntschG nicht ausdrücklich Bezug genommen wird, zumal sich ihre Anwendbarkeit über § 3 Abs. 4 EntschG erschließt.
bb) Allerdings modifiziert § 2 Satz 5 Teilsatz 3 NS-VEntschG das sog. Nettoprinzip im Hinblick auf die entschädigungsmindernde Berücksichtigung langfristiger Verbindlichkeiten. Danach findet § 3 Abs. 4 EntschG mit der Maßgabe Anwendung, dass die in der Zeit vom 15. September 1935 bis 8. Mai 1945 entstandenen Verbindlichkeiten unberücksichtigt bleiben und die übrigen Verbindlichkeiten vorbehaltlich des Nachweises eines höheren verfolgungsbedingten Anteils mit der Hälfte ihres zum Zeitpunkt der Schädigung valutierenden Nennwertes abgezogen werden. Diese Privilegierung trägt dem zeitgeschichtlichen Erfahrungswissen Rechnung, dass schon seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 Verbindlichkeiten häufig verfolgungsbedingt entstanden waren und außerdem die wirtschaftliche Betätigung jüdischer Bürger massiv behindert wurde, sodass sie häufig nicht in der Lage waren, bestehende Verbindlichkeiten zu tilgen. Dies gilt umso mehr für Verbindlichkeiten, die nach dem Inkrafttreten der Nürnberger Gesetze am 15. September 1935 entstanden sind (Urteil vom 11. Dezember 2008 a.a.O.). Hinsichtlich Letzterer ist daher die entschädigungsmindernde Berücksichtigung vollständig ausgeschlossen. Für davor entstandene Verbindlichkeiten wird vorbehaltlich des Nachweises eines höheren verfolgungsbedingten Anteils pauschalierend davon ausgegangen, dass solche Verbindlichkeiten zur Hälfte verfolgungsbedingt waren und deshalb nur zur Hälfte entschädigungsmindernd berücksichtigt werden können (Urteil vom 18. Februar 1999 a.a.O.).
cc) Die Gerichte sind nur ausnahmsweise befugt, den Wortlaut einer Vorschrift zu korrigieren, wenn die gesetzliche Regelung nach ihrem Wortsinn Sachverhalte erfasst, die sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll. In einem solchen Fall ist eine zu weit gefasste Regelung im Wege der teleologischen Reduktion auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten Anwendungsbereich zurückzuführen (Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 10.11 - Umdruck S. 6 m.w.N., zur Veröffentlichung vorgesehen). Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich des § 2 Satz 5 Teilsatz 3 NS-VEntschG nicht vor.
Gemessen an dem aufgezeigten Zweck kann § 2 Satz 5 Teilsatz 3 NS-VEntschG nicht dahin eingeschränkt werden, dass die Privilegierung der in der Zeit vom 15. September 1935 bis zum 8. Mai 1945 entstandenen Verbindlichkeiten hinsichtlich solcher Verbindlichkeiten entfällt, die - wie hier - im Zusammenhang mit oder nach dem Erwerb des später angeschafften Betriebsgrundstücks bestellt wurden. Von der Privilegierung werden vielmehr auch Verbindlichkeiten erfasst, die nach der verfolgungsbedingten Schädigung aufgenommen wurden, ohne dass der Geschädigte dies zu beeinflussen vermochte (Urteil vom 11. Dezember 2008 a.a.O.). Die Privilegierung derartiger Verbindlichkeiten kann mit Rücksicht auf den Normzweck insbesondere auch nicht von der Feststellung abhängig gemacht werden, dass - was hier nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts zweifelhaft sein mag - der für den Erwerb des Grundstücks eingesetzte Betrag aus dem entzogenen Unternehmen stammte. Denn die Frage der Privilegierung stellt sich erst, wenn der Anspruch auf gesonderte Entschädigung für das Betriebsgrundstück dem Grund nach bejaht wurde. Ist dies - wie im vorliegenden Fall bindend festgestellt - der Fall, steht damit zugleich fest, dass der Grundstückserwerb gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 Teilsatz 1 und 2 VermG mit Mitteln des Unternehmens erfolgte. Dies kann daher im Verfahren über die Festlegung der Höhe der Entschädigung nicht (erneut) geprüft werden.
Der Anspruch auf gesonderte Entschädigung für das Betriebsgrundstück erweitert den ergänzend zur Unternehmensrestitution bzw. Unternehmensentschädigung gewährten Anspruch auf Einzelrestitution dieses Grundstücks nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG. Infolgedessen setzt er - wie der Anspruch auf Einzelrestitution - dem Grunde nach voraus, dass das sog. "zugeschwommene" Betriebsgrundstück gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 Teilsatz 1 und 2, § 3 Abs. 1 Satz 6 VermG mit Mitteln des Unternehmens erworben wurde. Ist dies der Fall, erstreckt sich der verfolgungsbedingte Charakter der (Unternehmens-)Anteilsschädigung nicht nur auf den Erwerb des später angeschafften Betriebsgrundstücks, der als solcher in der Regel ebenfalls keinen diskriminierenden oder sonst benachteiligenden Charakter aufweist, sondern auch auf die an dem Grundstück im Zusammenhang mit oder nach seinem Erwerb bestellten Verbindlichkeiten. Es würde auf einen Wertungswiderspruch hinauslaufen, diese Verbindlichkeiten bei der grundstücksbezogenen Entschädigung mangels eines eigenständigen verfolgungsbedingten Zusammenhangs von dem Anwendungsbereich des § 2 Satz 5 Teilsatz 3 NS-VEntschG auszunehmen mit der Folge, dass sie gegebenenfalls nach § 2 Satz 5 Teilsatz 1 NS-VEntschG i.V.m. § 3 Abs. 4 Satz 1 EntschG in vollem Umfang abzuziehen wären, diese aber bei der Rückübertragung des Grundstücks im Rahmen der Festsetzung des Ablösebetrages gemäß § 18 Abs. 2 Satz 6 VermG nur eingeschränkt oder gegebenenfalls gar nicht zu berücksichtigen, weil sie dem Grundstück nach der (Unternehmens-)Anteilsschädigung auferlegt wurden und nicht der Sicherung einer Verpflichtung des Berechtigten im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG dienten. Der Privilegierung derartiger Verbindlichkeiten bei der Singularrestitution nach § 18 Abs. 2 Satz 6 VermG liegt die Überlegung zugrunde, dass dem Berechtigten mit dem verfolgungsbedingten Entzug seiner Anteile am Unternehmen die damit verbundene Möglichkeit genommen wird, das Handeln des Unternehmens - insbesondere das Eingehen von Verpflichtungen und die Bestellung von Grundpfandrechten zu deren Sicherung - zu beeinflussen. Für die lediglich als Erweiterung der Singularrestitution gewährte Einzelgegenstandsentschädigung kann nichts anderes gelten (Urteil vom 11. Dezember 2008 a.a.O., s.a. Urteil vom 24. September 2003 - BVerwG 8 C 8.03 - Buchholz 428 § 18 VermG Nr. 18 S. 38 f.).
dd) Eine entsprechende Anwendung der Fiktion des § 3 Abs. 1 Satz 4 Teilsatz 4 VermG dahin, dass bei einem später angeschafften Betriebsgrundstück der Zeitpunkt der Entziehung des Unternehmens (hier Anfang März 1934) zugleich auch als Zeitpunkt der Entstehung der an dem Grundstück bestellten Grundpfandrechte gilt, scheitert bereits daran, dass der maßgebliche Schädigungszeitpunkt für die Berechnung der gesonderten grundstücksbezogenen Entschädigung - wie unter 2.3 b) dargelegt - der Zeitpunkt ist, zu dem das Grundstück konkret angeschafft wurde.
d) Die gesonderte Entschädigung für das Betriebsgrundstück ist nicht in entsprechender Anwendung des § 2 Satz 3 NS-VEntschG um die Entschädigung für das Unternehmen zu mindern. Es fehlt an der hierfür erforderlichen Regelungslücke.
§ 2 Satz 4 NS-VEntschG enthält eine abschließende Regelung für die Fälle, dass - wie hier - eine gesonderte Entschädigung für das Betriebsgrundstück als Folge der sog. erweiterten Singularrestitution ansteht und in eine tatsächliche wie rechtliche Beziehung zu einer bereits erfolgten, gleichzeitig erfolgenden oder künftigen Entschädigung für das Unternehmen tritt (Urteil vom 11. Dezember 2008 a.a.O. Rn. 13).
3. In Anwendung der aufgezeigten Rechtsgrundsätze steht - schon wenn die Grundschuld nicht berücksichtigt wird - dem Kläger zu 2 die gesondert zu berechnende Entschädigung für das sog. "zugeschwommene" Betriebsgrundstück in einer Höhe zu, die unter Berücksichtigung der ihm bereits zugesprochenen Entschädigung die weitergehende Klageforderung abdeckt. Dieser Mehrbetrag ist gemäß § 2 Satz 9 bis 11 NS-VEntschG zu verzinsen.