Entscheidungsdatum: 26.05.2011
Schmerzensgeld ist im Rahmen der Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht als Vermögen einzusetzen.
Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Die Revision kann dem Senat Gelegenheit zur Klärung der Rechtsfrage geben, ob bei der Berechnung von Wohngeld (§ 14 WoGG) Zinseinnahmen aus angelegtem Schmerzensgeld als Einkommen berücksichtigt werden dürfen.
Dem Kläger ist Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ein Anwalt beizuordnen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet - was hier bereits aus der Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache folgt (vgl. Beschluss vom 26. März 2009 - BVerwG 2 PKH 1.09
Auch die übrigen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts liegen vor (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 115, 117 und 121 Abs. 1 ZPO). Nach der Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 166 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2 ZPO) ist sein um die monatlichen Ausgaben bereinigtes Einkommen so gering, dass ihm Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu gewähren ist.
Zwar verfügt der Kläger über ein nicht unbeträchtliches Bankguthaben (ca. 97 000 €), das nach seinen Angaben wie auch den zwischen den Beteiligten nicht im Streit stehenden Feststellungen der Vorinstanzen aus einer Schmerzensgeldzahlung wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers stammt. Der Einsatz dieses Vermögens ist dem Kläger aber nicht zumutbar (§ 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO), weil dies für ihn eine Härte bedeuten würde (§ 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII entsprechend).
Die einen Härtefall begründende Atypik der Fallgestaltung ergibt sich daraus, dass der Einsatz des Schmerzensgeldes im Rahmen der Prozesskostenhilfe seiner besonderen Zwecksetzung zuwider liefe; das Schmerzensgeld stünde dem Betroffenen nicht mehr zu den Zwecken zur Verfügung, für die es bestimmt ist (Urteil vom 18. Mai 1995 - BVerwG 5 C 22.93 - BVerwGE 98, 256 <258 f.> zur sozialhilferechtlichen Freistellung des Schmerzensgeldes durch die Härtefallregelung des § 88 Abs. 3 BSHG
Der Senat folgt nicht der hiervon abweichenden Auffassung, bei hohen Schmerzensgeldzahlungen und geringem Streitwert könne der teilweise Einsatz zumutbar sein, wenn der Partei der wesentliche Teil des Schmerzensgeldes verbliebe bzw. die Funktion des Schmerzensgeldes nicht wesentlich beeinträchtigt werde (so OLG Hamm, Beschluss vom 16. Juni 1987 - 10 WF 278/87 - FamRZ 1987, 1283; OLG Jena, Beschluss vom 29. Februar 2000 - 4 W 81/00 - OLGR Jena 2000, 185; vgl. auch OLG Zweibrücken, Beschluss vom 30. Dezember 1998 - 2 WF 139/97 - FamRZ 1998, 758 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2010 - 14 W 85/09 - VersR 2011, 88 f.; offenlassend LSG München, Beschluss vom 30. September 2008 - L 13 B 657/08 R - juris). Das Schmerzensgeld ist nämlich - um zur Erreichung der mit ihm verfolgten Zwecke weiterhin zur Verfügung zu stehen - nicht nur mit einem bestimmten Anteil, sondern in seiner ganzen noch vorhandenen Höhe geschützt. Weil seine Höhe von der Schwere der Schädigung und dem Gewicht des erlittenen Unrechts abhängt, ist es nicht gerechtfertigt, die freie Verfügbarkeit des zu deren Ausgleich und Genugtuung erhaltenen Schmerzensgeldes in Teilen einzuschränken (Urteil vom 18. Mai 1995 a.a.O. <260>).
Demgegenüber bedarf es hier im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe keiner Entscheidung darüber, ob Zinseinnahmen aus angelegtem Schmerzensgeld als Einkommen im Sinne von § 115 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO einzusetzen sind. Auch wenn die diesbezüglichen Zinseinkünfte des Klägers, die er mit monatlich ca. 135 € angegeben hat, als Einkommen berücksichtigt werden, liegt sein nach den Abzügen verbleibendes und insgesamt einzusetzendes Einkommen unter 15 €, so dass dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungen zu bewilligen ist (vgl. § 115 Abs. 2 ZPO).