Entscheidungsdatum: 05.06.2013
Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die behaupteten Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO nicht ausreichend dargelegt sind oder nicht vorliegen.
1. Die Beschwerde legt die grundsätzliche Bedeutung des Falles nicht ausreichend dar. Eine den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügende Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Frage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (Beschlüsse vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
a) Die Klägerin hält es für grundsätzlich klärungsbedürftig,
"ob § 100 Abs. 2 BVFG dadurch, dass er nur noch dann eine Feststellung der Vertriebeneneigenschaft vorsieht, wenn dies von einer leistungsgewährenden Behörde beantragt wird und deshalb dem Betroffenen keine Möglichkeit der eigenen Antragstellung und gerichtlichen Überprüfung gewährt, verfassungsgemäß ist oder nicht."
Damit wird zwar eine abstrakte Rechtsfrage aufgeworfen. Es wird aber nicht dargelegt, inwieweit sie im vorliegenden Fall entscheidungserheblich ist und aus welchen Gründen die angegriffene Regelung verfassungswidrig sein soll. Die Beschwerde lässt in diesem Zusammenhang jede Befassung mit den Ausführungen des Berufungsurteils zur Verfassungsmäßigkeit des § 100 Abs. 2 BVFG (UA S. 24 f.) vermissen, in denen ausführlich auf die Entstehungsgeschichte der Norm und deren Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG eingegangen wird. Schließlich erläutert die Beschwerde auch nicht, aus welchen Gründen die mittlerweile zwei Jahrzehnte alte Übergangsvorschrift heute noch für eine größere Zahl von Fällen klärungsbedürftig sein soll. Fragen auslaufenden oder ausgelaufenen Rechts verleihen einer Rechtssache regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil dieser Zulassungsgrund die Revision eröffnen soll, um Fragen zur Auslegung des geltenden Rechts mit Blick auf die Zukunft richtungweisend zu klären (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 5. Oktober 2009 - BVerwG 6 B 17.09 - Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 4 und vom 22. Februar 2012 - BVerwG 5 B 3.12 - juris Rn. 3). Soweit ausgeführt wird, dass eine Kontroverse darüber bestehe, welche Behörden ausnahmsweise weiterhin antragsberechtigt seien, fehlt erkennbar jeder Bezug zum vorliegenden Revisionsverfahren.
b) Die Klägerin hält es weiterhin für grundsätzlich klärungsbedürftig,
"ob das gem. § 15 BVFG zur Entscheidung über die Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung berufene Gericht dann, wenn es im Laufe des Verfahrens zum Ergebnis kommt, die Voraussetzung 'im Wege des Aufnahmeverfahrens das Aussiedlungsgebiet verlassen' liege nicht vor, dennoch darüber entscheiden kann, ob der Kläger Spätaussiedler ist oder ob es das Verfahren bis zur Entscheidung gem. § 27 Abs. 2 BVFG aussetzen muss."
Insofern fehlt es bereits an der Formulierung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage, weil die für die Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens maßgebliche Vorschrift des § 94 VwGO nicht erörtert wird und nicht aufgezeigt wird, inwieweit bei der Auslegung dieser Vorschrift ein grundsätzlicher Klärungsbedarf besteht. Ferner mangelt es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der Frage und an der erforderlichen Befassung mit den Urteilsgründen des Berufungsgerichts. Aus § 94 VwGO ergibt sich eindeutig, dass ein Rechtsstreit nur dann bis zur Entscheidung einer Verwaltungsbehörde ausgesetzt werden kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von den Feststellungen der Verwaltungsbehörde abhängt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Frage jedoch offengelassen, ob die Klägerin im Sinne des § 27 BVFG "Aufnahme" gefunden hat, weil die auf Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung gerichtete Klage schon mangels deutscher Volkszugehörigkeit im Sinne des § 6 BVFG a.F. keinen Erfolg haben könne (UA S. 18 Rn. 61). Es bedarf jedoch keiner grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren, dass eine auf Erteilung einer Spätaussiedlerbescheinigung gerichtete Verpflichtungsklage nicht zur Durchführung eines Aufnahmeverfahrens auszusetzen ist, wenn sie bereits aus anderen Gründen keinen Erfolg haben kann.
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Ein Verfahrensmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ausreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Die Pflicht zur Bezeichnung des Verfahrensmangels erfordert die schlüssige Darlegung einer Verfahrensrüge (vgl. Beschlüsse vom 19. August 1997 a.a.O., vom 1. Dezember 2000 - BVerwG 9 B 549.00 - Buchholz 310 § 133
a) Soweit die Klägerin in der unterbliebenen Aussetzung des Prozesses einen Verfahrensfehler sieht, wird der behauptete Mangel schon deswegen nicht substantiiert dargelegt, weil die Beschwerde sich weder mit der maßgeblichen Vorschrift des § 94 VwGO noch mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts befasst, dass ein Verstoß gegen § 94 VwGO als solcher im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht als Verfahrensmangel rügefähig ist (Urteil vom 31. März 2011 - BVerwG 10 C 2.10 - BVerwGE 139, 272 Rn. 15 f. = Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 11). Die behauptete Verletzung des Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und der von der Klägerin ebenfalls herangezogenen Art. 2 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG wird gleichfalls nicht schlüssig dargelegt, weil durchgreifende Gesichtspunkte für die Notwendigkeit einer Aussetzung des Verfahrens nicht vorgetragen werden.
b) Ein Verfahrensfehler wird ebenfalls nicht dargelegt, soweit die Klägerin eine unterbliebene Prüfung ihrer Volkszugehörigkeit am Maßstab des § 6 Abs. 1 BVFG rügt. Denn der von ihr behauptete Mangel betrifft nicht die fehlerhafte Anwendung prozessualer Vorschriften, sondern die inhaltliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Eine Verfahrensrüge kann jedoch nicht auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt werden (vgl. Beschluss vom 4. Juli 1968 - BVerwG 8 B 110.67 - BVerwGE 30, 111 <113> = Buchholz 448.0 § 34 WPflG Nr. 7). Abgesehen davon hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass es zugunsten der Klägerin eine Prüfung der Volkszugehörigkeit an dem für die Klägerin günstigeren § 6 Abs. 2 BVFG a.F. durchgeführt habe (UA S. 18 Rn. 61). Daher hätte die Klägerin substantiiert ausführen müssen, inwieweit das Urteil auf dem Rechtsfehler der unterbliebenen Prüfung des § 6 Abs. 1 BVFG beruhen kann. Dabei hätte sich die Klägerin insbesondere mit der vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts befassen müssen, dass § 6 Abs. 2 BVFG a.F. die günstigere Regelung darstellt (Urteil vom 13. September 2007 - BVerwG 5 C 38.06 - BVerwGE 129, 265 Rn. 16 ff. = Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 111).
c) Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt auch nicht darin, dass der Verwaltungsgerichtshof dem Hilfsbeweisantrag der Klägerin auf erneute persönliche Anhörung und auf erneute Vernehmung ihres Ehemanns als Zeugen nicht nachgekommen ist. Der verfassungsrechtlich durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Er gebietet in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines von den Fachgerichten als erheblich angesehenen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 30. Januar 1985 - 1 BvR 393/84 - BVerfGE 69, 141 <143 f.>; BVerwG, Beschluss vom 12. April 2006 - BVerwG 6 PB 1.06 - Buchholz 251.7 § 72 NWPersVG Nr. 35). Dafür ist hier nichts ersichtlich.
Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorbringen der Klägerin, dass sie sich bereits vor der Passänderung im Jahr 1992 bei Volkszählungen zum deutschen Volkstum bekannt habe, zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Er hat dieses Vorbringen im Hinblick darauf, dass solche Angaben von der Klägerin im gesamten bisherigen Verfahren nicht behauptet worden sind, nicht für glaubhaft erachtet (UA S. 22 Rn. 82). Soweit der Anwalt der Klägerin eine persönliche Anhörung seiner Mandantin beantragt hat, macht die Beschwerde schon nicht deutlich, ob damit eine informatorische Anhörung oder eine Parteivernehmung beantragt worden ist. Eine informatorische Anhörung kann nicht zum Gegenstand eines förmlichen Beweisantrags gemacht werden, weil die rein informatorische Anhörung nur der Klarstellung oder Ergänzung des Beteiligtenvorbringens dient und keinen darüber hinausgehenden Beweiswert besitzt (vgl. Beschluss vom 23. Januar 1981 - BVerwG 4 C 88.77 - Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 179). Ein hierauf gerichteter Beweisantrag kann daher als unzulässig abgelehnt werden. Soweit eine Parteivernehmung beantragt worden ist, ist die Vernehmung eines Beteiligten nach § 96 VwGO auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur subsidiär zulässig. Die Parteivernehmung dient als letztes Hilfsmittel zur Aufklärung des Sachverhalts, wenn trotz Ausschöpfung aller anderen Beweismittel noch Zweifel bestehen. Sie kann unterbleiben, wenn - wie hier - nichts an Wahrscheinlichkeit für die Behauptung der Partei erbracht ist (Urteil vom 22. August 1974 - BVerwG 3 C 15.73 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 17) oder Zeugen zur Verfügung stehen.
Die Ablehnung einer erneuten Vernehmung des Ehemanns der Klägerin als Zeugen findet ebenfalls im Prozessrecht eine ausreichende Stütze. Eine in der Vorinstanz durchgeführte Beweisaufnahme braucht vom Rechtsmittelgericht grundsätzlich nicht wiederholt zu werden. Namentlich für den Zeugenbeweis folgt aus § 98 VwGO i.V.m. § 398 Abs. 1 ZPO, wonach die erneute Zeugenvernehmung im Ermessen des Gerichts steht, dass ein bereits in der ersten Instanz gehörter Zeuge nicht stets in der Berufungsinstanz erneut zu vernehmen ist. Das Berufungsgericht darf seine Entscheidung vielmehr grundsätzlich ohne erneute Vernehmung auf das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme stützen (vgl. Beschlüsse vom 11. November 1991 - BVerwG 7 B 123.91 - juris Rn. 3 und vom 7. September 2011 - BVerwG 9 B 61.11 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 61). Zur erneuten Beweisaufnahme verpflichtet ist das Berufungsgericht dagegen, wenn es an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen der Vorinstanz zweifelt, insbesondere wenn es die Glaubwürdigkeit eines Zeugen abweichend vom Erstrichter beurteilen will (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. November 2004 - 1 BvR 1935/03 - NJW 2005, 1487). Das ist hier nicht der Fall. Der Verwaltungsgerichtshof hat weder die Richtigkeit noch die Vollständigkeit der Feststellungen des Verwaltungsgerichts in Zweifel gezogen. In der Beschwerdeschrift werden auch sonst keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs für eine Verwertung des Sitzungsprotokolls ohne erneute Zeugenvernehmung eindeutig ermessensfehlerhaft gewesen wäre.
4. Dem Kläger kann auch keine Prozesskostenhilfe bewilligt und kein Rechtsanwalt beigeordnet werden, weil das eingelegte Rechtsmittel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und aussichtslos erscheint (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).