Entscheidungsdatum: 12.12.2012
1. Die Rüge des Klägers gegen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Juni 2012 - 5 AZR 496/11 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
I. Die Parteien haben über die Höhe der geschuldeten Vergütung gestritten. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers der Klage teilweise stattgegeben. Der Senat hat auf die Revision der Beklagten mit Urteil vom 27. Juni 2012 (- 5 AZR 496/11 -), das dem Kläger am 6. September 2012 zugestellt worden ist, die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt. Dagegen richtet sich die auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gestützte Rüge des Klägers.
II. Die nach § 78a Abs. 2 ArbGG zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet. Der Senat hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessparteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die vom Fachgericht zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (BAG 14. Dezember 2010 - 6 AZN 986/10 - Rn. 25 mwN, AP ArbGG 1979 § 72a Rechtliches Gehör Nr. 16 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 126). Außerdem darf das Gericht seine Entscheidung nicht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellen, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung der Vielzahl von vertretbaren Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (BVerfG 17. Februar 2004 - 1 BvR 2341/00 - zu III 2 a der Gründe, DStRE 2004, 1050). Denn die Parteien müssen bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt erkennen können, auf welche Gesichtspunkte es für die Entscheidung ankommt. Ansonsten ist das Gericht vor Schluss der mündlichen Verhandlung grundsätzlich nicht zur Offenlegung seiner Rechtsauffassung verpflichtet. Ein Prozessbevollmächtigter muss, auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und bei seinem Sachvortrag berücksichtigen (vgl. BAG 31. Mai 2006 - 5 AZR 342/06 (F) - Rn. 5, BAGE 118, 229; 31. Juli 2007 - 3 AZN 326/07 - Rn. 16, AP ArbGG 1979 § 77 Nr. 11 = EzA GG Art. 103 Nr. 9; 20. März 2008 - 8 AZN 1062/07 - Rn. 10, EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 38). Ferner muss er schon in den Tatsacheninstanzen bedenken, dass das Bundesarbeitsgericht als Revisionsgericht den Bindungen des Revisionsrechts unterliegt und neuer Sachvortrag in der Revisionsinstanz nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 559 ZPO grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig ist (vgl. statt aller BAG 22. Mai 2012 - 1 AZR 94/11 - Rn. 23 f., NZA 2012, 1234).
2. Der Senat hat in der angegriffenen Entscheidung an die subjektiven Voraussetzungen des Lohnwuchers und des wucherähnlichen Rechtsgeschäfts keine neuen oder - zulasten klagender Arbeitnehmer - strengeren Anforderungen gestellt als in dem Urteil vom 22. April 2009 (- 5 AZR 436/08 - Rn. 26 f. mwN, BAGE 130, 338). Dort hat der Senat insbesondere nicht erkannt, bereits ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung indiziere die subjektiven Voraussetzungen des § 138 BGB. Der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter wären deshalb gehalten gewesen, Tatsachenvortrag zu den im Urteil vom 22. April 2009 (- 5 AZR 436/08 - Rn. 26 f., aaO) bezeichneten subjektiven Voraussetzungen von Lohnwucher und wucherähnlichem Geschäft zu halten, zumal die Beklagte bereits erstinstanzlich das Fehlen entsprechenden Sachvortrags gerügt hatte.
3. Aus der angezogenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durfte der Kläger bzw. ein kundiger und gewissenhafter Prozessbevollmächtigter nicht folgern, das Bundesarbeitsgericht werde bereits aus einem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung einen tatsächlichen Schluss auf die subjektiven Voraussetzungen des § 138 BGB ziehen (vgl. dazu auch BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 268/11 - Rn. 36, NZA 2012, 974). In der vom Senat in seinem Urteil vom 22. April 2009 (- 5 AZR 436/08 - Rn. 27, BAGE 130, 338) zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. Juni 2001 (- XII ZR 49/99 - zu 4 b der Gründe, NJW 2002, 55) heißt es ausdrücklich, ein Vertrag sei als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stünden und weitere sittenwidrige Umstände hinzuträten, wie zB eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten. Ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spreche für eine verwerfliche Gesinnung.
In der vom Kläger in der Rügeschrift nur auszugsweise zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. Januar 2001 (- V ZR 437/99 - BGHZ 146, 298) heißt es unter II 1 c und II 2 b der Gründe wörtlich: „Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, so kann dies den Schluss auf die bewusste oder grob fahrlässige Ausnutzung eines den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstandes rechtfertigen.“ Und: „Allein das besonders grobe Äquivalenzverhältnis erlaubt es, auf die verwerfliche Gesinnung als subjektives Merkmal des § 138 Abs. 1 BGB zu schließen.“ Dass für den Schluss auf die verwerfliche Gesinnung bereits ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ausreichen würde, sagt der Bundesgerichtshof nicht.
Auch in seiner neueren Rechtsprechung nimmt der Bundesgerichtshof eine tatsächliche Vermutung auf eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag Begünstigten - wie der Senat - erst bei einem groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung an (vgl. zB BGH 9. Oktober 2009 - V ZR 178/08 - zu II 2 b der Gründe, NJW 2010, 363; 8. März 2012 - IX ZR 51/11 - zu II 2 a der Gründe, NJW 2012, 2099). Es bedarf deshalb keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob für einen kundigen und gewissenhaften Prozessbevollmächtigten die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein schützenswertes Vertrauen darauf begründen kann, das für Arbeitsrechtssachen letztinstanzlich allein zur Entscheidung berufene Bundesarbeitsgericht werde eine Rechtsfrage auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten eines Arbeitsverhältnisses wie der Bundesgerichtshof für die von ihm zu beurteilenden Rechtsverhältnisse beantworten.
III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rügeverfahrens zu tragen.
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