Entscheidungsdatum: 15.10.2012
1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. Februar 2012 - 20 Sa 2058/11 - wird als unzulässig verworfen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 13.079,94 Euro festgesetzt.
I. Die Parteien streiten - soweit für das Beschwerdeverfahren von Belang - über diverse Entgeltansprüche und die Feststellung, dass zwischen ihnen vom 1. November 2008 bis 28. Februar 2009 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das Arbeitsgericht hat insoweit die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 10. August 2011 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen. Nachdem der Kläger sich auf den Standpunkt gestellte hatte, der Rechtsstreit sei durch den Vergleich nicht erledigt, hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen und festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 10. August 2011 erledigt ist. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 72a Abs. 3 Satz 2 ArbGG.
1. Der Kläger hat eine entscheidungserhebliche Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht dargelegt.
a) Wird mit einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht, muss nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG die Beschwerdebegründung die Darlegung der Verletzung dieses Anspruchs und deren Entscheidungserheblichkeit enthalten. Die bloße Benennung eines Zulassungsgrundes genügt nicht. Der Beschwerdeführer hat vielmehr zu dessen Voraussetzungen substantiiert vorzutragen (BAG 20. Januar 2005 - 2 AZN 941/04 - BAGE 113, 195; 22. März 2005 - 1 ABN 1/05 - BAGE 114, 157). Das Revisionsgericht muss dadurch in die Lage versetzt werden, allein anhand der Lektüre der Beschwerdebegründung und des Berufungsurteils die Voraussetzungen für die Zulassung prüfen zu können.
b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger zeigt kein Verhalten des Landesarbeitsgerichts auf, das überhaupt geeignet wäre, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör zu verletzen.
Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (st. Rspr. seit BVerfG 14. Juni 1960 - 2 BvR 96/60 - BVerfGE 11, 218). Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die vom Fachgericht zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (BVerfG 20. April 1982 - 1 BvR 1242/81 - zu B der Gründe, BVerfGE 60, 247; BAG 14. Dezember 2010 - 6 AZN 986/10 - Rn. 25, AP ArbGG 1979 § 72a Rechtliches Gehör Nr. 16 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 126). Der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt aber nicht davor, dass den Gerichten Rechtsfehler unterlaufen (BAG 19. Februar 2008 - 9 AZN 1085/07 - Rn. 5, AP ArbGG 1979 § 72a Nr. 60 = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 37) oder sie dem Vortrag der Parteien in materiellrechtlicher Hinsicht nicht die aus deren Sicht richtige Bedeutung beimessen (BAG 31. Mai 2006 - 5 AZR 342/06 (F) - Rn. 6, BAGE 118, 229).
Aus dem Vorbringen des Klägers in der Beschwerdebegründung ergibt sich, dass das Landesarbeitsgericht seine in der mündlichen Verhandlung vom 29. Februar 2012 gestellten Sachanträge zur Kenntnis genommen und deshalb nicht darüber entschieden hat, weil der Vergleich vom 10. August 2011 das Verfahren erledigt hat und die Anträge des Klägers erst danach gestellt wurden. Ob dem Landesarbeitsgericht dabei Rechtsfehler unterlaufen sind, könnte erst im Rahmen einer zugelassenen Revision überprüft werden.
Soweit der Kläger geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe über die Anfechtung des Vergleichs nicht entschieden, trägt er auf S. 12 der Beschwerdebegründung selbst vor, die Anfechtung erst am 5. März 2012 und damit nach Verkündung der anzufechtenden Entscheidung erklärt zu haben.
2. Der Kläger hat eine Divergenz nicht aufgezeigt.
a) Zur ordnungsgemäßen Begründung einer Divergenzbeschwerde gehört, dass der Beschwerdeführer einen abstrakten Rechtssatz aus der anzufechtenden Entscheidung sowie einen hiervon abweichenden abstrakten Rechtssatz aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte anführt und darlegt, dass das anzufechtende Urteil auf dieser Abweichung beruht (BAG 6. Dezember 1994 - 9 AZN 337/94 - zu II 1 der Gründe, BAGE 78, 373). Nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG müssen diese Voraussetzungen in der Begründung der Beschwerde dargelegt und die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, bezeichnet werden (BAG 14. April 2005 - 1 AZN 840/04 - BAGE 114, 200). Allein die Darlegung einer fehlerhaften Rechtsanwendung bzw. fehlerhaften oder unterlassenen Anwendung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen der im Gesetz genannten Gerichte reicht zur Begründung einer Divergenzbeschwerde nicht aus (vgl. BAG 23. Juli 1996 - 1 ABN 18/96 - AP ArbGG 1979 § 72a Divergenz Nr. 33 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 76). Zur ordnungsgemäßen Begründung einer Divergenzbeschwerde, die sich auf die Aufstellung eines scheinbar fallbezogenen Rechtssatzes bezieht, ist ferner in der Regel erforderlich, dass konkret und im Einzelfall begründet wird, warum das Landesarbeitsgericht von dem betreffenden Rechtssatz ausgegangen sein muss. Der Beschwerdeführer muss die Gesichtspunkte und Schlussregeln für die Ableitung des behaupteten abstrakten Rechtssatzes („Deduktion“) aus den fallbezogenen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts darlegen (BAG 6. Dezember 2006 - 4 AZN 529/06 - AP ArbGG 1979 § 72a Divergenz Nr. 51 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 111).
b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger hat einen abstrakten fallübergreifenden Rechtssatz aus der anzufechtenden Entscheidung, der von solchen der angezogenen Entscheidungen (BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - BAGE 120, 251; 5. August 1982 - 2 AZR 199/80 - BAGE 40, 17) divergieren könnte, nicht aufgezeigt.
3. Der Kläger hat eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht dargelegt.
a) Nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werden, dass eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und die Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt (BAG 14. April 2005 - 1 AZN 840/04 - zu 2 c aa der Gründe, BAGE 114, 200). Die aufgeworfene Rechtsfrage muss sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen können und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren (vgl. BVerfG 4. November 2008 - 1 BvR 2587/06 - Rn. 19, NZA 2009, 53; BAG 5. Oktober 2010 - 5 AZN 666/10 - Rn. 3, AP ArbGG 1979 § 72a Nr. 74 = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 43). Der Beschwerdeführer hat nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG die von ihm darzulegende entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung konkret zu benennen und ihre Klärungsfähigkeit, Klärungsbedürftigkeit, Entscheidungserheblichkeit und allgemeine Bedeutung für die Rechtsordnung und ihre Auswirkungen auf die Interessen jedenfalls eines größeren Teils der Allgemeinheit aufzuzeigen. Unzulässig ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt (BAG 5. November 2008 - 5 AZN 842/08 - EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 119; 23. Januar 2007 - 9 AZN 792/06 - BAGE 121, 52).
b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Soweit der Kläger überhaupt Rechtsfragen konkret benennt, zeigt er - unbeschadet des Erfordernisses der Klärungsfähigkeit und Klärungsbedürftigkeit - jedenfalls deren Entscheidungserheblichkeit nicht ausreichend auf.
Entscheidungserheblich ist eine Rechtsfrage, wenn sich das Landesarbeitsgericht in der anzufechtenden Entscheidung mit ihr befasst und sie beantwortet hat und bei einer anderen Beantwortung möglicherweise eine für den Beschwerdeführer günstige Entscheidung getroffen hätte (BAG 22. Mai 2012 - 1 ABN 27/12 - Rn. 3; 13. Juni 2006 - 9 AZN 226/06 - Rn. 11, BAGE 118, 247). Das ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht. Das Landesarbeitsgericht hat die Erledigung des Rechtsstreits durch Prozessvergleich vom 10. August 2011 angenommen. Damit können sämtliche Fragen zu einzelnen Ansprüchen oder der nach Verkündung der anzufechtenden Entscheidung erklärten Anfechtung des Prozessvergleichs nicht mehr entscheidungserheblich sein.
III. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG.
IV. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
V. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 GKG.
|
Müller-Glöge |
|
Laux |
|
Biebl |
|
|
|
|
|
|