Entscheidungsdatum: 19.02.2014
Mitwirkender Vertreter II
Keine Kostenerstattung bei Doppelvertretung wegen verfahrensübergreifender Tätigkeit.
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent … (…)
(hier: Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 19. Februar 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Engels, der Richterin Kopacek und des Richters Dipl.-Ing. Univ. Schmidt-Bilkenroth beschlossen.
I. Die Erinnerung der Klägerin zu 1) vom 10.06.2013 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin zu 1) trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.
III. Der Gegenstandswert des Erinnerungsverfahrens beträgt 22.510,00 €.
I.
Im Patentnichtigkeitsverfahren 4 Ni 15/10 (EP) wurde durch Urteil des 4. Senats des Bundespatentgerichts vom 03.07.2012 das europäische Patent … (… ) mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt. Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Beklagten auferlegt. Der Streitwert für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht wurde durch Beschluss vom selben Tage auf 2.500.000,00 € festgesetzt.
Die Klägerin zu 1) hat Kostenfestsetzung beantragt, wobei von dem insgesamt geltend gemachten Betrag auf die mitwirkenden Rechtsanwälte ein Betrag von insgesamt 22.510,00 € entfiel.
Die Klägerin zu 1) ist der Ansicht, die geltend gemachten Kosten für die mitwirkenden Rechtsanwälte seien als Doppelvertretungskosten festzusetzen. Zwar habe es zwischen den Parteien basierend auf dem Streitpatent der Nichtigkeitsklage kein paralleles Verletzungsverfahren gegeben. Allerdings seien auf demselben technischen Gebiet zwischen den Parteien diverse andere Verletzungsstreitigkeiten und parallele Nichtigkeitsverfahren anhängig, z.B. hinsichtlich der Patente …, …, … Diese und das vorliegende Verfahren lägen technisch so nahe beieinander, dass die Zusammenarbeit zwischen Rechts- und Patentanwälten in allen Verfahren verfahrensübergreifend unverzichtbar gewesen sei. Die Beklagte sei im vorliegenden Verfahren ebenfalls mit einem Rechts- und Patentanwalt bei der Nichtigkeitsverhandlung erschienen und habe dies auch bei allen anderen Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien so gehandhabt. Es habe außer Frage zwischen den Parteien gestanden, dass die Vertretung durch Rechts- und Patentanwälte in allen Verfahren zwingend notwendig gewesen sei.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 20.09.2012 dem Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin zu 1) bezüglich des Tages- und Abwesenheitsgeldes, das die Klägerin zu 1) für ihren Rechtsanwalt und für ihren Patentanwalt geltend gemacht hat, sowie der geltend gemachten Taxi- und Hotelkosten widersprochen.
Mit Beschluss vom 13.05.2013 hat die Rechtspflegerin die zu erstattenden Kosten der Klägerin zu 1) auf 63.458,52 € festgesetzt und den weitergehenden Antrag zurückgewiesen. Die Zurückweisung betraf insbesondere die geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 22.510,00 €.
Zur Begründung des angefochtenen Beschlusses ist unter Bezugnahme auf den Beschluss des BGH vom 18.12.2012, X ZB 11/12 ausgeführt worden, die Mitwirkung eines Rechtsanwalts neben dem Patentanwalt sei im Sinne von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht notwendig gewesen. Ein das Streitpatent betreffender Verletzungsrechtsstreit sei vorliegend nicht anhängig. Die Anhängigkeit von Verletzungsstreitigkeiten zwischen den Parteien auf demselben technischen Gebiet genüge nicht. Auch wenn die betreffenden Patente technisch nahe beieinander lägen, sei eine verfahrensübergreifende Koordination weder erforderlich noch kostenrechtlich dem Nichtigkeitsverfahren anzulasten. Der Angriff oder die Verteidigung auch technisch nah verwandter Patente erfordere eine differenzierende Begründung, sodass ein enger Abstimmungsbedarf nicht gegeben sei.
Mit Schriftsatz vom 10.06.2013, per Telefax am gleichen Tag bei Gericht eingegangen, hat die Klägerin zu 1) Erinnerung gegen den Beschluss der Rechtspflegerin vom 13.05.2013, bei ihr eingegangen am 27.05.2013, eingelegt und diese damit begründet, dass zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig gewesen sei. Der BGH habe in seinen Entscheidungen vom 18.12.2012 X ZB 6/12 und X ZB 11/12 dargelegt, dass im Nichtigkeitsverfahren die Kosten für die Zuziehung eines Rechtsanwalts zur entsprechenden Rechtsverfolgung typischerweise bei Vorliegen eines Verletzungsverfahrens als notwendig anzusehen seien. Daraus könne aber nicht geschlossen werden, dass die Hinzuziehung bei Fehlen eines parallelen Verletzungsverfahrens nicht als notwendig anzusehen sei. Auch wenn vorliegend kein paralleles Verletzungsverfahren geführt werde, gebe es mehrere Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren zwischen denselben Parteien basierend auf dem Streitpatent technisch nahestehenden Patenten auf dem Gebiet der Wundbehandlung mit Unterdrucktherapie. In drei solchen Nichtigkeitsverfahren würden parallele Verletzungsverfahren geführt. Es handele sich dabei um multinationale Streitigkeiten, die auch die Abstimmung mit ausländischen Rechts- und Patentanwaltskollegen erforderten. Die Beklagte habe in ihrer Erwiderung auf den Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin zu 1) – auch nach mehrfachen Hinweisen der Rechtspflegerin - die beantragte Festsetzung der Kosten für einen Rechts- und Patentanwalt nicht beanstandet und habe insbesondere in ihrem Schriftsatz vom 20.09.2012 keine Einwände gegen die Erstattung der Doppelkosten erhoben.
Für den Fall der Nichterstattung der Rechtsanwaltskosten hat die Klägerin zu 1) die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeregt.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Erstattung von Rechtsanwaltskosten – zusätzlich zu den Kosten eines Patentanwalts – seien vorliegend nicht gegeben, weshalb die Erinnerung zurückzuweisen sei. Zwar sei die Erstattung von Doppelvertretungskosten in Nichtigkeitsverfahren nicht in jedem Fall davon abhängig, ob ein paralleler Verletzungsstreit geführt werde. Jedoch sei hierfür stets das Vorliegen besonderer Umstände erforderlich, die im vorliegenden Fall nicht gegeben seien. Es sei unbeachtlich, ob sich die hiesige Beklagte gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltskosten gewandt habe oder nicht, da die Kostenfestsetzung von Amts wegen erfolge. Auch in der Beauftragung von Rechtsanwälten in der Vergangenheit für die Vertretung vor dem BPatG durch die Beklagte liege keine ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung zur Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltskosten. Die von der Klägerin zu 1) geltend gemachte notwendige internationale Abstimmung könne zudem auch durch einen Patentanwalt erfolgen; es gebe darüber hinaus keine Anhaltspunkte für Verletzungsstreitigkeiten im Ausland, die sich auf das Streitpatent gründeten. Die Notwendigkeit der Einschaltung eines Rechtsanwalts werde vorliegend daher bestritten. Der Umstand, dass zwischen der Beklagten und der Nichtigkeitsklägerin zu 2) ein Verletzungsstreit anhängig sei, könne in Bezug auf die Klägerin zu 1) nicht berücksichtigt werden.
Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache mit Beschluss vom 26.08.2013 dem Senat vorgelegt.
1. Die Erinnerung ist gem. §§ 84 Abs. 2. S. 2 2. HS, 99 Abs. 1 PatG, 104 Abs. 3 ZPO i. V. m. 11 Abs. 2 S. 1 RPflG zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt.
2. Die Erinnerung ist jedoch unbegründet.
Zur Begründung wird insoweit zunächst auf den zutreffenden Nichtabhilfebeschluss der Rechtspflegerin Bezug genommen.
Die Zuziehung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt ist im Nichtigkeitsverfahren typischerweise als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzusehen, wenn zeitgleich mit dem Nichtigkeitsverfahren ein das Streitpatent betreffender Verletzungsrechtsstreit anhängig ist, an dem die betreffende Partei oder ein mit ihr wirtschaftlich verbundener Dritter beteiligt ist (BGH, Beschl. v. 18.12.2012 – X ZB 11/12, GRUR 2013, 427 – Rn. 26 – Doppelvertretung im Nichtigkeitsverfahren; Beschl. v. 18.12.2012 – X ZB 6/12, GRUR 2013, 430 - Rn. 26; Beschl. v. 21.01.2013 – X ZB 12/12 – Rn. 7). Begründet wird dies u. a. damit, dass die gleichzeitige Anhängigkeit eines Verletzungsrechtsstreits und einer dasselbe Patent betreffenden Nichtigkeitsklage an eine Partei, die unmittelbar oder mittelbar an beiden Verfahren beteiligt ist, besondere Anforderungen stelle (a. a. O., GRUR 2013, 430 – Rn. 27).
Zugleich hat der Bundesgerichtshof (a. a. O., GRUR 2013, 430 – Rn. 32, m. w. N.) aber auch festgestellt, dass es eine nicht unerhebliche Anzahl von Nichtigkeitsverfahren gebe, mit denen kein paralleler Verletzungsrechtsstreit einhergehe und in denen die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Doppelvertretung in der ersten Instanz regelmäßig zu verneinen sei. Dies ist auch im vorliegenden Fall anzunehmen.
Zwischen der Klägerin zu 1) und der Beklagten wird bzw. wurde unstreitig kein paralleles Verletzungsverfahren geführt. Die Anhängigkeit von mehreren – auch multinational verflochtenen - Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren, die auf technisch nah verwandte Streitpatente gestützt sind, vermag das Fehlen eines parallelen Verletzungsverfahrens ebensowenig aufzuwiegen wie der Umstand, dass die Beklagte ihrerseits selbst eine Doppelvertretung in Anspruch genommen hat und zunächst der Festsetzung der Rechtsanwaltskosten nicht widersprochen hat.
Die Anhängigkeit von Verletzungsverfahren, die auf andere Streitpatente gegründet sind, begründet, selbst wenn es sich um technisch eng verwandte Gebiete handelt, per se noch keinen unmittelbaren Abstimmungsbedarf in Bezug auf das vorliegende Nichtigkeitsverfahren, da jedes Verfahren grundsätzlich selbständig geführt wird. Die Klägerin zu 1) hat vorliegend diesbezüglich nur auf allgemeine, rein abstrakte Erwägungen abgestellt, aber keine konkreten Zusammenhänge aufzeigen können.
Der Umstand, dass die Beklagte der Festsetzung von Rechtsanwaltskosten ursprünglich nicht entgegengetreten ist – wobei sie jedenfalls im Erinnerungsverfahren einer Erstattung dieser Kosten deutlich widersprochen hat (vgl. Schriftsatz vom 13.08.2013), kann ebenfalls keine Erstattungsfähigkeit begründen, da die Vorschriften der Kostenfestsetzung nicht zur Disposition der Parteien stehen, sondern vielmehr allein den kostenrechtlichen Vorschriften unterliegen. Daher ist es auch nicht möglich, dass eine Partei durch ihr eigenes Verhalten – vorliegend die Beauftragung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt – einen Erstattungstatbestand in Bezug auf die gegnerische Partei begründen kann. Vorliegend nicht unmittelbar relevant und daher unbeachtlich ist auch, dass zwischen der Klägerin zu 2) und der Beklagten ein Verletzungsverfahren basierend auf dem Streitpatent anhängig ist; die Notwendigkeit der Doppelvertretung ist – wie der BGH dargelegt hat (vgl. a.a.O.) – für jede am Verfahren beteiligten Partei gesondert festzustellen.
Die Rechtsbeschwerde war nach § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 574 Abs. 2. Nr. 2. Abs. 3 ZPO nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen der Kostenfestsetzung für die Doppelvertretung im Nichtigkeitsverfahren durch die vorstehend genannten Entscheidungen des BGH höchstrichterlich geklärt worden sind.
3. Die Kosten des Erinnerungsverfahrens waren der Klägerin zu 1) gem. §§ 84 Abs. 2, 99 Abs. 1 PatG i. V. m. §§ 104 Abs. 3, 91 Abs. 1 ZPO aufzuerlegen.
4. Der Wert des Erinnerungsverfahrens ergibt sich aus dem mit der Erinnerung zur Überprüfung gestellten Betrag.