Entscheidungsdatum: 25.04.2012
Auf die Revision der Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 30. November 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat gegen die Beschuldigte im Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Ihre hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision hat Erfolg.
1. Grundlage für die Anordnung der Maßregel gegen die wegen Diebstahls, Betrugs und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln vorbestrafte, an einer paranoid-halluzinatorischen schizophrenen Psychose leidende Beschuldigte sind vorsätzliche Körperverletzungen zum Nachteil von Krankenpflegerinnen im Januar und im April 2011 während einer auf der Grundlage von Betreuungsrecht angeordneten Unterbringung auf einer geschlossenen Station der LWL-Klinik in P. .
Hinsichtlich der Beurteilung der Gefährlichkeit der Beschuldigten hat sich die Strafkammer den Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen, wonach angesichts des chronisch-kontinuierlichen Verlaufs der Erkrankung und des eingetretenen Residuums die Gefahr bestehe, dass die Beschuldigte in Zukunft weitere gleichartige strafrechtlich relevante Handlungen begehen werde.
2. Die bisherigen Feststellungen und Wertungen rechtfertigen die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht.
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn die Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Dabei sind zu erwartende Gewalt- und Aggressionsdelikte regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen (BGH, Urteil vom 17. Februar 2004 – 1 StR 437/03, Beschlüsse vom 3. April 2008 – 1 StR 153/08 und vom 10. August 2010 – 3 StR 268/10). Dies trifft auf die Anlasstaten zu, die für sich betrachtet gewichtige Straftaten sind. Jedoch sind solche Verhaltensweisen innerhalb einer Einrichtung gegenüber dem Pflegepersonal nicht ohne weiteres denjenigen Handlungen gleichzusetzen, die ein Täter außerhalb einer Betreuungseinrichtung begeht (BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 – 4 StR 354/97, NStZ 1998, 405; Beschlüsse vom 6. November 2003 – 4 StR 456/03, StV 2005, 21; vom 17. Februar 2009 – 3 StR 27/09, NStZ-RR 2009, 169, Rn. 9 und vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202, Rn. 13; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2011 – 2 BvR 2181/11, NJW 2012, 513, Rn. 27). Soweit die Strafkammer in diesem Zusammenhang darauf abstellt, dass es sich bei den geschädigten Zeuginnen gerade nicht um im Umgang mit schwierigen und aggressiven Patienten erfahrenes besonders geschultes Personal, sondern um einfache Krankenpflegerinnen gehandelt habe, rechtfertigt dies keine Gleichsetzung der Taten mit solchen außerhalb der Einrichtung. Es kann von einer psychisch schwer erkrankten Person nicht erwartet werden, das Krankenpflegepersonal nach entsprechend geschulten und ungeschulten Personen zu unterscheiden.
b) Auf dieser Grundlage vermag allein die Gefahr, dass die Beschuldigte künftig den Anlasstaten gleich gelagerte Straftaten begehen wird, die Maßregelanordnung nicht zu begründen. Damit ist die vom Gesetz vorausgesetzte bestimmte Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer erheblicher rechtswidriger Taten nicht hinreichend belegt. Die Beschuldigte ist vor den Anlasstaten nicht mit Gewalt- oder Aggressionsdelikten strafrechtlich in Erscheinung getreten, obwohl die Erkrankung spätestens seit 2002 besteht. Unbegleitete Ausgänge hat sie zum Konsum von Drogen und hochprozentigen Alkoholika, aber offenbar nicht zu Gewalttaten genutzt. Aggressive Verhaltensweisen sind erst nach der Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung im Jahr 2009 aufgetreten, was einen Zusammenhang zwischen den Gewalttaten und der Unterbringung möglich erscheinen lässt. Bei dieser Sachlage durfte sich die Strafkammer nicht darauf beschränken, die Wahrscheinlichkeit weiterer erheblicher Taten allein aus der aktuellen Beurteilung des Krankheitszustandes durch den Sachverständigen herzuleiten. Vielmehr hätte das Verhalten der Beschuldigten vor und nach der Tat, insbesondere die im Urteil erwähnten weiteren aggressiven Auffälligkeiten (UA 4 und 7), eingehender dargestellt und erörtert werden müssen. Auch hätte die in der Hauptverhandlung erklärte Absicht der Beschuldigten, im Falle verfügbarer Waffen auf diese zurückgreifen zu wollen, näher hinterfragt werden müssen. Sind aufgrund der krankheitsbedingten wahnhaften Realitätsverkennung auch Angriffe auf unbeteiligte Personen oder ist eine Steigerung der Intensität und Gefährlichkeit der Angriffe auf das Pflegepersonal mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten, könnte dies die Anordnung der Unterbringung der Beschuldigten gemäß § 63 StGB rechtfertigen.
Ernemann Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin