Entscheidungsdatum: 12.10.2016
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 15. Oktober 2015 mit den zugehörigen Feststellungen – ausgenommen die Feststellungen zu den Tatgeschehen, die aufrecht erhalten bleiben – aufgehoben,
a) soweit die Angeklagte in den Fällen A.II.2. (2), (4) bis (7) der Urteilsgründe freigesprochen worden ist, sowie
b) im Maßregelausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung, unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu der Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 60 € verurteilt und sie im Übrigen freigesprochen. Ferner hat es die Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die auf die Maßregelanordnung beschränkte Revision der Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat ganz überwiegend Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen leidet die Angeklagte spätestens ab Sommer 2000 an einer paranoiden Schizophrenie, die in der Folgezeit gut medikamentös eingestellt war. Nachdem sich im Sommer 2013 ihr langjähriger Lebensgefährte von ihr getrennt hatte und sie gegen Ende des Jahres gegen ihren Willen als Lehrerin in den Ruhestand versetzt worden war, vernachlässigte die Angeklagte zunehmend ihre Lebensführung und isolierte sich.
Am 23. Dezember 2013 befuhr die Angeklagte nach vorangegangenem Alkoholgenuss mit ihrem Pkw die Straße vor ihrem Wohnanwesen. Infolge der für sie erkennbaren alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit (Blutalkoholkonzentration 0,46 ‰) missachtete sie an einer Kreuzung die Vorfahrt eines anderen Pkws und stieß mit diesem zusammen, wodurch ein Fremdschaden in Höhe von 7.082,62 € entstand. Als der Unfallgegner trotz des Schuldeingeständnisses der Angeklagten dazu ansetzte, die Polizei zu verständigen, entschloss sich die Angeklagte, den Unfallort zu verlassen. Nachdem sie auf Nachfrage ihre Wohnanschrift, nicht aber ihren Namen genannt hatte, fuhr sie unter dem Vorwand, ihr Auto aus dem Weg räumen zu wollen, mit ihrem stark beschädigten Pkw von der Unfallstelle zu ihrem ca. 50 m entfernten Wohnhaus, wobei sie sich aufgrund des vorangegangen Unfalls ihrer Fahruntüchtigkeit nunmehr bewusst war. Gegenüber einem sie wenig später in der Wohnung aufsuchenden Polizeibeamten trat sie aufgebracht und cholerisch auf (A.II.2. (1) der Urteilsgründe). Obwohl ihr Führerschein im Anschluss an den Unfall sichergestellt worden war, befuhr die Angeklagte am 3. Januar 2014 mit einem Mietwagen eine öffentliche Straße in K. (A.II.2. (3) der Urteilsgründe).
In zwei Telefonaten am 27. Dezember 2013 und 17. Januar 2014 beschimpfte die Angeklagte ihren Schulleiter als „Arschloch“ bzw. „Mörder“ (A.II.2. (2) und (4) der Urteilsgründe). Als ihr am 28. März 2014 von einer Mitarbeiterin des Straßenverkehrsamts die Zulassung eines Pkws verwehrt wurde, äußerte sie aus Verärgerung in aggressivem Ton gegenüber der Mitarbeiterin: „Ihr seid doch bescheuert“ (A.II.2. (5) der Urteilsgründe).
Nachdem die Angeklagte weiterhin vergeblich versucht hatte, an ein Fahrzeug zu gelangen, beabsichtigte sie am 8. April 2014, bei ihrem Bruder ein Fahrzeug zu entwenden. Zu diesem Zweck ließ sie sich zu dem Haus ihres Bruders fahren und klingelte dort. Als die Haushaltshilfe die Haustür öffnete, stürmte die Angeklagte hinein und ergriff den in der Küche liegenden Fahrzeugschlüssel und die Geldbörse der Ehefrau ihres Bruders, um diese für sich zu verwenden. Anschließend wollte sie das Haus wieder verlassen, wobei es der Haushaltshilfe gelang, ihr die Geldbörse aus der Hand zu schlagen. Als sie von der Ehefrau und dem Sohn ihres Bruders, die ihr den in der Hand gehaltenen Fahrzeugschlüssel wieder abnehmen wollten, festgehalten wurde, widersetzte sich die Angeklagte, indem sie unter erheblicher Kraftentfaltung durch nicht gegen eine Person gerichtetes Umsichschlagen, Sperren und Winden versuchte sich loszureißen, um sich den Besitz des Fahrzeugschlüssels zu erhalten. Für Ehefrau und Sohn bedeutete dies einen erheblichen Kraftaufwand. Schließlich gelang es der Ehefrau, die Angeklagte zu Boden zu drücken, woraufhin der Sohn ihr den Schlüssel entreißen konnte (A.II.2. (6) der Urteilsgründe). Am 6. Juni 2014 wurde der Angeklagten in den Räumlichkeiten der Sparkasse K. wegen einer zwischenzeitlich eingerichteten Betreuung die Umbuchung von Geld für den Kauf eines Autos verwehrt, worüber sich die Angeklagte lautstark aufregte. Als eine Mitarbeiterin der Sparkasse sie beruhigen wollte, schlug die Angeklagte ihr unvermittelt mit der flachen Hand heftig auf die linke Gesichtshälfte, so dass deren Gesicht zurückschnellte. Die Geschädigte erlitt eine Rötung und Schwellung der linken Wange (A.II.2. (7) der Urteilsgründe).
Aufgrund der psychischen Erkrankung der Angeklagten war deren Fähigkeit, entsprechend der vorhandenen Unrechtseinsicht zu handeln, bei den Taten am 23. Dezember 2013 und 3. Januar 2014 (A.II.2. (1) und (3) der Urteilsgründe) erheblich gemindert. Bei den übrigen Taten (A.II.2. (2), (4) bis (7) der Urteilsgründe) war die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten sicher erheblich beeinträchtigt, nicht ausschließbar auch gänzlich aufgehoben.
II.
1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Die Revision ist entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts gemäß § 344 Abs. 2 Satz 1 StPO formwirksam mit der Sachrüge begründet, weil den Ausführungen in der Begründungsschrift vom 14. Dezember 2015 mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, dass die Beschwerdeführerin den Maßregelausspruch in materiell-rechtlicher Hinsicht beanstandet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. August 1997 – 2 StR 386/97, NStZ-RR 1998, 18; vom 21. August 1991 – 3 StR 296/91, NStZ 1991, 597; vom 17. Januar 1992 – 3 StR 475/91, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 1 Revisionsbegründung 2). So macht die Revisionsbegründung eine unzureichende Darlegung der Gefährlichkeitsprognose im Urteil und die Unverhältnismäßigkeit der Unterbringungsanordnung geltend.
2. Die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil der von der Strafkammer angenommene symptomatische Zusammenhang zwischen der psychotischen Erkrankung der Angeklagten und der von ihr begangenen Straftaten nicht tragfähig begründet ist.
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Der Defektzustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein. Daneben ist eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades erforderlich, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (§ 63 Satz 1 StGB in der am 1. August 2016 in Kraft getretenen Neufassung durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 6. Juli 2016, BGBl. I 1610). Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Juli 2016 – 4 StR 210/16 Rn. 5; vom 15. Januar 2015 – 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394, 395; vom 29. April 2014 – 3 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 243, 244).
b) Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des angefochtenen Urteils zum Vorliegen eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen der psychotischen Erkrankung der Angeklagten und den festgestellten Taten nicht gerecht.
Die Diagnose einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis führt für sich genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit. Erforderlich ist vielmehr stets die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306; vom 23. August 2012 – 1 StR 389/12, NStZ 2013, 98; vom 24. April 2012 – 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239; vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307). Feststellungen dazu, ob und in welcher Weise die paranoide Schizophrenie der Angeklagten Auswirkungen auf die Begehung der festgestellten Taten hatte, hat das Landgericht nicht getroffen. Die von der Strafkammer allein mitgeteilte Erwägung des Sachverständigen, wonach es für psychisch erkrankte Personen typisch sei, wütend zu werden, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen, ist nicht geeignet, eine Beeinflussung der von der Angeklagten begangenen Taten durch deren psychotische Erkrankung tragfähig zu belegen. Soweit sich das Landgericht im Übrigen der gutachterlichen Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen angeschlossen hat, lässt das Urteil schließlich die gebotene, für ein Verständnis des Gutachtens und die Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderliche Wiedergabe der wesentlichen Anknüpfungspunkte und Darlegungen des Sachverständigen vermissen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14 aaO; vom 30. Juli 2013 – 4 StR 275/13, NStZ 2014, 36, 37).
c) Die Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB kann daher nicht bestehen bleiben. Mit Blick auf die Vorschrift des § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO sind auch die Freisprüche der Angeklagten in den Fällen A.II.2. (2) und (4) bis (7) der Urteilsgründe aufzuheben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. August 2014 – 3 StR 271/14, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Satz 2 Freispruch 1; vom 30. Juli 2013 – 4 StR 275/13 Rn. 18 insoweit in NStZ 2014, 36 nicht abgedruckt). In diesem Umfang ist die Beschränkung der Revision auf die Maßregelanordnung wegen des untrennbaren Zusammenhangs zwischen der Entscheidung über die Unterbringung nach § 63 StGB und den auf § 20 StGB gestützten Freisprüchen unwirksam (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12, NStZ 2013, 424; vom 21. Mai 2013 – 2 StR 29/13, NStZ-RR 2014, 54).
Die zu den Tatgeschehen in objektiver und subjektiver Hinsicht getroffenen tatsächlichen Feststellungen beruhen auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung und können daher bestehen bleiben.
d) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat zur Tat A.II.2. (6) der Urteilsgründe auf Folgendes hin:
Der räuberische Diebstahl gemäß § 252 StGB ist bereits mit dem auf Gewahrsamssicherung gerichteten Einsatz eines Nötigungsmittels vollendet, ohne dass es darauf ankommt, ob es dem Täter gelingt, sich den Besitz des gestohlenen Guts zu erhalten (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 1984 – 3 StR 203/84, StV 1985, 13; Sander in MK-StGB, 2. Aufl., § 252 Rn. 18). Bei der Entwendung von Geldbörse und Fahrzeugschlüssel handelt es sich um eine einheitliche Diebstahlstat (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – 4 StR 487/15, NJW 2016, 2349, 2350 mwN), die wegen des Fehlens des nach § 247 StGB erforderlichen Strafantrags nicht verfolgt werden kann. Da zwischen dem räuberischen Diebstahl und dem vorangegangenen Diebstahl Gesetzeseinheit besteht (vgl. Vogel in LK-StGB, 12. Aufl., § 252 Rn. 77) und eine Verfahrenseinstellung innerhalb einer materiell-rechtlichen Tat nicht in Betracht kommt (vgl. Stuckenberg in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 260 Rn. 116 mwN), ist insoweit für eine Teileinstellung des Verfahrens kein Raum.
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