Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 13.04.2017


BGH 13.04.2017 - 4 StR 581/16

Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr: Eintritt der Tatvollendung; Mindestwert für eine "Sache von bedeutendem Wert"


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
4. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
13.04.2017
Aktenzeichen:
4 StR 581/16
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2017:130417B4STR581.16.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Darmstadt, 18. Juli 2016, Az: 500 Js 43485/15 - 11 Ks
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 18. Juli 2016 – unter Aufrechterhaltung sämtlicher Feststellungen sowie mit Ausnahme des den Nebenkläger    T.    betreffenden Adhäsionsausspruchs – aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit versuchtem Totschlag und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Ferner hat es zugunsten des Neben- und Adhäsionsklägers    T.    eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat im Wesentlichen Erfolg.

2

1. Die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 StGB) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

3

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne dieser Vorschrift erst dann vor, wenn durch eine der in § 315b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese abstrakte Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert verdichtet hat (vgl. nur Senatsurteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 122; Senatsbeschluss vom 9. September 2014 – 4 StR 251/14, NStZ 2015, 278). Dabei liegt die Wertgrenze für die Annahme der Gefährdung einer Sache von bedeutendem Wert bei mindestens 750 €, wobei die Gefährdung des vom Täter geführten Fahrzeugs außer Betracht zu bleiben hat (Senatsbeschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, BGHR StGB § 315b Abs. 1 Gefährdung 5; vgl. auch SSW-StGB/Ernemann, 3. Aufl., § 315c Rn. 25 mwN).

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b) Gemessen daran ist weder die konkrete Gefährdung von Leib und Leben noch die einer Sache von bedeutendem Wert hinreichend belegt. Aus den Urteilsgründen ergibt sich nicht, welchen Wert das von der Zeugin K.   geführte Fahrzeug hatte, in welcher Höhe ein Sachschaden entstand und ob für die Zeugin K.   die konkrete Gefahr des Eintritts von Verletzungen bestand. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann der Senat die insoweit erforderlichen Feststellungen auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen.

5

Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des gesamten Urteils. Zwar hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass sich der Angeklagte eines versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gemacht hat; diese Delikte stehen jedoch jeweils in Tateinheit mit dem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, sodass die Aufhebung auf diese zu erstrecken war (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2011 – 3 StR 231/11, NJW 2012, 325, 328). Zudem hat das Landgericht die tateinheitliche Verwirklichung von drei Straftatbeständen ausdrücklich straferschwerend berücksichtigt, weshalb der Senat auch ein Beruhen des Strafausspruchs auf dem aufgezeigten Mangel nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen konnte. Die vom Landgericht insgesamt rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können aufrechterhalten bleiben. Der neue Tatrichter kann zum Wert des betreffenden Kraftfahrzeugs ergänzende Feststellungen treffen.

6

2. Da dem Senat eine Entscheidung gemäß § 354 Abs. 1a StPO in Verbindung mit einer Verfolgungsbeschränkung im Sinne von § 154a Abs. 2 StPO in der vorliegenden Fallkonstellation verwehrt ist (vgl. BVerfGE 118, 212, 242), obgleich die Angemessenheit der verhängten Strafe angesichts des Tatbildes hier auf der Hand liegt, bedarf die Sache im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.

7

Auch die – ersichtlich nicht angefochtene, auf der Grundlage eines Anerkenntnisses des Angeklagten getroffene – Adhäsionsentscheidung bleibt von der Aufhebung unberührt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2010 – 3 StR 265/10, StV 2011, 160 mwN).

Sost-Scheible      

        

Roggenbuck      

        

Franke

        

Quentin      

        

Feilcke