Entscheidungsdatum: 10.02.2011
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 2. August 2010 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe der Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes, zur Vergewaltigung und zur Körperverletzung schuldig ist.
Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die dadurch der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
I.
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in drei Fällen (Fälle II. 2 bis 4 der Urteilsgründe) und wegen Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes in Tateinheit mit sexueller Nötigung (Vergewaltigung) und mit Körperverletzung (Fall II. 1 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten ist hinsichtlich der Fälle II. 2 bis 4 der Urteilsgründe unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Aber auch die Verurteilung im Fall II. 1 der Urteilsgründe hält entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Das Landgericht hat im Fall II. 1 der Urteilsgründe folgende Feststellungen getroffen: An einem Tag im Jahr 2007 versetzte der Lebensgefährte der Angeklagten, der gesondert Verfolgte K., ihr in Gegenwart ihrer zehnjährigen Tochter Saskia mehrere Schläge. Während er die Angeklagte schlug, forderte K. Saskia auf, sich zu entkleiden. Unter dem Eindruck der Misshandlungen entkleidete sie sich vollständig. K. warf Saskia sodann auf die Couch und zog sich selbst die Hose aus. Der Angeklagten war in diesem Moment bewusst, dass K. im Begriff war, Saskia zu deflorieren. Saskia weinte, schrie und wehrte sich durch Strampeln mit ihren Armen und Beinen. Die Angeklagte legte sich nun neben ihre Tochter auf die Couch, umschloss sie mit ihren Armen und hielt sie fest. Sie wollte ihrer Tochter dadurch Trost spenden, nahm aber billigend in Kauf, dass sie die Abwehrmöglichkeiten von Saskia gegen K. verringerte und das Mädchen dessen Zugriff Preis gab. K., der Saskias Alter kannte, vollzog dann einige Minuten lang den vaginalen Geschlechtsverkehr, während die Angeklagte Saskia festhielt und ihre Gegenwehr einschränkte.
2. Bei der rechtlichen Würdigung und der Strafzumessung hat das Landgericht hinsichtlich der Tat II. 1 im Wesentlichen ausgeführt: Die Angeklagte habe sich in diesem Fall der Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes nach §§ 176a Abs. 2 Nr. 1, 27 StGB schuldig gemacht. Sie habe einen objektiv wesentlichen Beitrag zum Taterfolg geleistet, denn K. wäre es ansonsten nicht ohne Weiteres möglich gewesen, mit seinem Geschlechtsteil in die Geschädigte einzudringen. Für eine Mittäterschaft fehle es aber an einem eigenen Wollen bzw. am Willen zur Tatherrschaft. Auch habe sich die Angeklagte nicht der Beihilfe zur sexuellen Nötigung schuldig gemacht. K. habe schon den objektiven Tatbestand des § 177 Abs. 1 StGB nicht verwirklicht. Er habe Saskia weder geschlagen noch gedroht oder sonst körperlichen Zwang ausgeübt. Das Festhalten der Geschädigten durch die Angeklagte könne ihm aufgrund der nicht vorhandenen Mittäterschaft nicht zugerechnet werden. Desgleichen habe K. durch den nicht einverständlichen Geschlechtsverkehr nicht den objektiven Tatbestand der Körperverletzung verwirklicht, auch wenn die Geschädigte dabei Schmerzen erlitten habe.
Die versehentlich im Fall 1 ausgeurteilte Beihilfe zur sexuellen Nötigung (Vergewaltigung) in Tateinheit mit Körperverletzung habe sich bei der Strafzumessung nicht strafschärfend ausgewirkt.
II.
Die Feststellungen des Landgerichts im Fall II. 1 der Urteilsgründe tragen die Verurteilung wegen einer Beihilfe zu den tateinheitlich begangenen Delikten des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes, der Vergewaltigung und der Körperverletzung. Die rechtsirrigen Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Würdigung nötigen daher nicht zur Aufhebung der Verurteilung in diesem Fall. Da der Tenor des angefochtenen Urteils missverständlich formuliert ist, hat der Senat den Schuldspruch entsprechend geändert.
1. Das mit nicht ganz unerheblicher Krafteinwirkung verbundene Festhalten des Opfers ist ebenso wie die Überwindung von geringfügiger Gegenwehr als Gewalt zu qualifizieren (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2002 – 2 StR 153/02, NStZ-RR 2003, 42 mwN); ausreichend sein kann je nach den Umständen des Falles auch das Packen an der Hand, das auf das Bett Stoßen oder das sich auf das Opfer Legen bzw. der Einsatz überlegener Körperkraft (BGH aaO). Nach den Urteilsfeststellungen hat hier bereits K. selbst Gewalt angewendet, indem er Saskia auf die Couch geworfen hat. Die Feststellungen belegen weiter, dass sich Saskia schon vor dem Eingreifen der Angeklagten durch Strampeln mit Armen und Beinen gegen K. gewehrt hat. Aber auch das Festhalten durch die Angeklagte muss sich K. zurechnen lassen. Angesichts der Umstände ist auszuschließen, dass er sich der Ursächlichkeit der Handlung der Angeklagten für die Überwindung des Widerstands von Saskia nicht bewusst gewesen sein könnte. Ein mittäterschaftliches Handeln des Nötigenden ist für die Zurechnung der Nötigungshandlung bei dem die sexuellen Handlungen ausübenden Täter weder bei § 177 Abs. 1 noch bei § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erforderlich (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl. § 177 Rn. 17).
2. Die im Vollzug des Geschlechtsverkehrs selbst liegende Körperverletzung des Opfers (üble und unangemessene Behandlung) mag zwar als notwendige, jedenfalls regelmäßige Erscheinungsform der Vergewaltigung in dieser aufgehen. Sonstige Verletzungen, die der Täter dem Opfer beibringt, z. B. durch Schläge, rohe Griffe, Defloration, oder Folgen der Tat (Schockwirkung) fallen aber nicht unter die Gesetzeseinheit, denn sie sind kein Merkmal, das der Tatbestand des § 177 StGB begrifflich in sich schließt (BGH, Urteil vom 2. Juli 1963 - 1 StR 156/63, NJW 1963, 1683). Der Tatbestand der Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB ist hier jedenfalls durch die in den Urteilsgründen festgestellte Defloration Saskias erfüllt.
3. Angesichts dessen ist auch die Strafzumessung im Fall II. 1 der Urteilsgründe nicht zu beanstanden.
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender