Entscheidungsdatum: 13.02.2019
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 27. August 2018 aufgehoben und das Verfahren eingestellt.
2. Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.000 EUR angeordnet; im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Die gegen seine Verurteilung gerichtete und auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des angegriffenen Urteils, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist und zur Einstellung des Verfahrens (§ 206a StPO). Hinsichtlich des abgeurteilten Betrugs fehlt es an der Verfahrensvoraussetzung einer wirksamen Anklageschrift und demzufolge an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss.
1. a) Durch die mit Beschluss des Landgerichts Detmold vom 8. März 2018 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Detmold vom 18. Januar 2018 ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, am 20. April 2017 ein Verbrechen des besonders schweren Raubes (§ 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) begangen zu haben. Hierzu ist im konkreten Anklagesatz ausgeführt, dass der Angeklagte mit einem bisher unbekannt gebliebenen Mittäter am 20. April 2017 maskiert und mit einer silberfarbenen geladenen Gaspistole einen Überfall auf ein Lebensmittelgeschäft durchgeführt und neben Bargeld auch eine Armbanduhr erbeutet haben soll. Darüber hinaus ist im Anklagesatz festgehalten, dass „der Angeschuldigte und sein Mittäter“ die Uhr „an den B. er Hells-Angels-Präsidenten Y. “ verkauften.
b) Das Landgericht hat den Angeklagten vom Tatvorwurf des besonders schweren Raubes freigesprochen. Es hat sich weder von seiner Tatbeteiligung am Raub noch davon zu überzeugen vermocht, dass er sich der Hehlerei schuldig gemacht hat. Es hat ihn jedoch wegen Betrugs (§ 263 Abs. 1 StGB) verurteilt, weil der Angeklagte die durch den verfahrensgegenständlichen Überfall am 20. April 2017 erbeutete Armbanduhr zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 25. April 2017 und dem 9. Mai 2017 an den – gutgläubigen – Y. zum Preis von 1.000 EUR verkauft und ihm dabei vorgespiegelt habe, dass die Uhr nicht aus einer rechtswidrigen Tat stamme, sondern er sie legal erworben habe. Die Armbanduhr wurde später bei Y. sichergestellt und an den Berechtigten herausgegeben.
2. Es fehlt an der Identität zwischen der abgeurteilten Tat und dem von der Anklageschrift erfassten Lebenssachverhalt.
a) Gegenstand der Urteilsfindung ist gemäß § 264 Abs. 1 StPO die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt. Tat im Sinne dieser Vorschrift ist ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang, der sich von anderen ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet und innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 22. Juni 2006 – 3 StR 79/06, NStZ-RR 2006, 316, 317; Beschluss vom 1. Dezember 2015 – 1 StR 273/15, NJW 2016, 1747). Die Tat als Prozessgegenstand ist dabei nicht nur der in der Anklage umschriebene und dem Angeklagten darin zur Last gelegte Geschehensablauf; vielmehr gehört dazu das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorgang nach der Auffassung des Lebens ein einheitliches Vorkommnis bildet (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 1999 – 1 StR 262/99, NStZ 1999, 523, 524; Urteil vom 29. September 1987 – 4 StR 376/87, BGHSt 35, 60, 62). Verändert sich im Verlaufe des Verfahrens das Bild des Geschehens, wie es in der Anklageschrift und dem Eröffnungsbeschluss umschrieben ist, so ist die Prüfung der Frage, ob die Identität der prozessualen Tat trotz Veränderung des Tatbildes noch gewahrt ist, nach dem Kriterium der „Nämlichkeit“ der Tat zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 16. August 2018 – 4 StR 200/18, NStZ-RR 2018, 353, 354; Urteil vom 22. Juni 2006 – 3 StR 79/06, NStZ-RR 2006, 316). Dies ist – ungeachtet gewisser Unterschiede – dann der Fall, wenn bestimmte Merkmale die Tat weiterhin als ein einmaliges und unverwechselbares Geschehen kennzeichnen (BGH, Urteile vom 20. November 2014 – 4 StR 153/14, StraFo 2015, 68, 69; vom 22. Juni 2006 – 3 StR 79/06, aaO; siehe auch BGH, Beschluss vom 27. Februar 2018 – 2 StR 390/17, Rn. 18). Die prozessuale Tat wird in der Regel durch Tatort, Tatzeit und das Tatbild umgrenzt und insbesondere durch das Täterverhalten sowie die ihm innewohnende Angriffsrichtung sowie durch das Tatopfer bestimmt (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1987 – 4 StR 376/87, BGHSt 35, 60, 64).
b) Gemessen hieran ist der abgeurteilte Betrug zum Nachteil des Tatopfers Y. nicht Gegenstand der zugelassenen Anklage. Insoweit handelt es sich nicht um die nämliche Tat im Sinne des § 264 StPO. Beide Lebensvorgänge unterscheiden sich nicht nur im Hinblick auf Tatzeit und Tatort, sondern insbesondere in Bezug auf das Tatbild, das Tatopfer sowie die Angriffsrichtung. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der abgeurteilte Betrug auf einen aus dem Raub stammenden Beutegegenstand bezogen ist. Anders als in der Fallkonstellation einer sich an den Raub anschließenden Hehlerei, in denen der Tatbestand der Hehlerei als ein mit dem vorangegangenen Raub einheitliches geschichtliches Vorkommnis bildender Vorgang angesehen worden ist, wenn und soweit sich der Angeklagte „als Glied in der sich an diese Tat anschließenden ‚Verwertungskette‘ für das Raubgut hehlerisch betätigte“ (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 1999 – 1 StR 262/99, NStZ 1999, 523, 524; siehe aber auch BGH, Urteil vom 22. Dezember 1987 – 1 StR 423/87, BGHSt 35, 172, 174; Beschluss vom 16. Oktober 1987 – 2 StR 258/87, BGHSt 35, 80, 82), fehlt es in der vorliegenden Fallkonstellation schon aufgrund der unterschiedlichen Angriffsrichtung an einem in diesem Sinne engen Zusammenhang mit der Vortat.
Anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Staatsanwaltschaft die Tatsache der Veräußerung der Uhr durch den Angeklagten in den Anklagesatz aufgenommen und im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen erwähnt hat. Die in der Anklageschrift enthaltenen Hinweise erfolgten ersichtlich nicht zum Zwecke einer Ausdehnung des Anklagevorwurfs auf dieses Geschehen, sondern sind im Sinne eines Beweisanzeichens zur Stützung des Verdachts einer Beteiligung des Angeklagten an der Tat in die Anklageschrift aufgenommen worden (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 1987 – 2 StR 258/87, BGHSt 35, 80, 81). Anhaltspunkte dafür, dass die Veräußerung eines Teils der Tatbeute deliktisch erfolgt sein und der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft sich auch auf dieses Geschehen erstrecken könnte, sind weder dem konkreten Anklagesatz noch dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen, das zur Ergänzung und Auslegung des Anklagesatzes herangezogen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 16. August 2018 – 4 StR 200/18, NStZ-RR 2018, 353; Urteile vom 17. August 2000 – 4 StR 245/00, BGHSt 46, 130, 133; und vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09, NStZ 2010, 159, 169), zu entnehmen.
c) Da eine Nachtragsanklage nicht erhoben ist, muss das Verfahren wegen eines von Amts wegen zu beachtenden Verfahrenshindernisses fehlender Anklage eingestellt werden.
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