Entscheidungsdatum: 01.08.2018
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 14. Juli 2017
a) im Schuldspruch dahingehend berichtigt, dass der Angeklagte im Fall II. 2. a. ff. der Urteilsgründe der Beihilfe zur versuchten gewerbsmäßigen Hehlerei schuldig ist;
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in vier Fällen, wobei es in zwei Fällen beim Versuch blieb, Diebstahls, Bedrohung und versuchter gewerbsmäßiger Hehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und wegen Diebstahls in fünf Fällen und Computerbetrugs in drei Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Daneben hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass die im Strafbefehl des Amtsgerichts Moers vom 16. Dezember 2014 und im Urteil des Amtsgerichts Essen-Steele vom 30. April 2015 verhängten Strafen gesondert bestehen bleiben. Ferner hat es angeordnet, dass von der zuerst genannten Gesamtfreiheitsstrafe zwei Monate wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Im Fall II. 2. a. ff. der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts nicht wegen täterschaftlich begangener versuchter gewerbsmäßiger Hehlerei, sondern nur wegen Beihilfe zur versuchten gewerbsmäßigen Hehlerei schuldig gemacht.
a) Nach den Feststellungen entwendeten nicht näher bekannte Personen am 16. Oktober 2014 bei zwei verschiedenen Gelegenheiten die Mobiltelefone der Geschädigten K. und W. . Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt nach diesen Vorfällen nahm der Angeklagte diese Mobiltelefone von dem gesondert verfolgten Ka. mit dem Auftrag entgegen, diesem für die Telefone Käufer zu vermitteln. Hierfür sollte der Angeklagte 20 bis 30 Euro pro Mobiltelefon erhalten. Dieses Geld wollte der Angeklagte wie zuvor in anderen Fällen zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verwenden. Die Herkunft der Mobiltelefone war dem Angeklagten dabei bekannt.
b) Danach hat sich der Angeklagte nur wegen Beihilfe zur versuchten gewerbsmäßigen Hehlerei gemäß § 260 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 259 Abs. 1 (Absatzhilfe), § 27 StGB, nicht aber wegen einer täterschaftlich begangenen versuchten gewerbsmäßigen Hehlerei schuldig gemacht.
aa) Wegen versuchter Hehlerei in der Variante der Absatzhilfe macht sich strafbar, wer den Vortäter, der die bemakelte Sache durch einen Diebstahl, eine andere Vermögensstraftat oder als Zwischenhehler erlangt hat, bei seinen nicht erfolgreichen Verwertungsbemühungen unterstützt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juni 2008 - 5 StR 145/08, NStZ 2009, 161; Beschluss vom 20. Januar 1999 - 3 StR 571/98, NStZ 1999, 351 mwN). Lediglich Beihilfe zur versuchten Hehlerei leistet, wer nicht dem Vortäter, sondern einem Absatzhelfer bei dessen erfolglosen Bemühungen behilflich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 3 StR 402/07, NStZ 2008, 215).
bb) Die Feststellungen belegen nicht, dass der gesondert verfolgte Ka. als Zwischenhehler tätig war und eigene Verfügungsmacht über die Mobiltelefone hatte. Vielmehr lassen sie auch die Annahme zu, dass er die unbekannt gebliebenen Vortäter nur unselbstständig bei deren Absatzbemühungen unterstützte. Dann aber hat sich der Angeklagte - da kein Absatzerfolg eingetreten ist - nur wegen Beihilfe zur versuchten Hehlerei strafbar gemacht.
Da weitere Sachaufklärung nicht zu erwarten ist, ändert der Senat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da nicht ersichtlich ist, wie sich der geständige Angeklagte anders als geschehen hätte verteidigen können.
2. Der gesamte Strafausspruch hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Die Strafkammer hat dem Angeklagten bei der konkreten Strafbemessung für die in der Zeit zwischen dem 10. Oktober 2014 und dem 14. November 2014 begangenen Taten jeweils besonders angelastet, dass er bereits mehrfach und fast ausschließlich auch einschlägig vorbestraft ist und „eingeräumte Bewährungschancen nicht nutzen konnte“ (UA 38). Diese Erwägung wird durch die Feststellungen nicht belegt. Danach war der Angeklagte im Zeitpunkt der Begehung dieser Taten erst einmal wegen Diebstahls vorbestraft und stand deshalb unter einer laufenden Bewährung (Urteil des Amtsgerichts Essen vom 26. März 2014). Alle weiteren Verurteilungen erfolgten nach diesen Taten. Soweit in den Feststellungen zur Person auch von einer Verurteilung durch ein „französisches Gericht“ zu einer Bewährungsstrafe die Rede ist (UA 5), fehlen genaue Daten.
b) Die für die Tat im Fall II. 2. a. ff. der Urteilsgründe (Beihilfe zur versuchten gewerbsmäßigen Hehlerei) verhängte Einzelstrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe kann nicht bestehen bleiben, weil die Strafkammer aufgrund der fehlerhaften rechtlichen Bewertung (Täterschaft statt Beihilfe) eine Strafmilderung nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB nicht in den Blick genommen und darüber hinaus § 47 Abs. 1 StGB nicht erörtert hat.
c) Bei der Bestimmung der Einzelstrafe für die Tat im Fall II. 2. b. der Urteilgründe (versuchter Computerbetrug am 13. Oktober 2015) hat die Strafkammer ein Absehen von der Regelwirkung des § 263a Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB nicht erkennbar geprüft, obgleich ein vertypter Milderungsgrund (§ 23 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB) vorlag (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2003 - 4 StR 94/03, NStZ-RR 2003, 297; Beschluss vom 12. November 2015 - 2 StR 369/15, StV 2016, 565 zu § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB). Auch wurde § 47 Abs. 1 StGB nicht ausdrücklich in die Erwägungen einbezogen, obwohl eine Strafe von weniger als sechs Monaten Freiheitsstrafe festgesetzt worden ist.
d) Im Hinblick auf die zweite Gesamtstrafe in Höhe von einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe hat das Landgericht eine Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 StGB nicht erörtert. Auch wurde das durch die Verhängung von zwei Gesamtstrafen eintretende Gesamtstrafenübel nicht erkennbar in den Blick genommen.
e) Der Senat hebt den gesamten Strafausspruch einschließlich der Kompensationsentscheidung mit den zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatrichter eine einheitliche neue Strafbemessung zu ermöglichen. Dabei wird er auch Gelegenheit haben, für die unter II. 2. a. bb. der Urteilsgründe rechtsfehlerfrei festgestellte Bedrohung eine Einzelstrafe festzusetzen. Soweit minder schwere Fälle und vertypte Milderungsgründe in Betracht kommen, wird die gesetzliche Prüfungsreihenfolge zu beachten sein (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Februar 2013 - 4 StR 430/12, NStZ-RR 2013, 168; Beschluss vom 8. August 2012 - 2 StR 279/12, NStZ-RR 2013, 7, 8 mwN).
3. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat keinen Bestand, weil das Vorliegen einer hinreichend konkreten Behandlungsaussicht nach § 64 Satz 2 StGB nicht belegt ist. Auch hat das Landgericht nicht geprüft, ob unter hier gegebenen Umständen von der Maßregelanordnung unter Ermessensgesichtspunkten abzusehen ist.
a) Das Landgericht hat seine positive Behandlungsprognose damit begründet, dass der Angeklagte Therapiebereitschaft geäußert und seine „mehrschichtige Betäubungsmittelabhängigkeit bisher noch nicht therapiert worden“ sei. Da er angegeben habe, auch in der Justizvollzugsanstalt Betäubungsmittel zu konsumieren, halte der Sachverständige eine therapeutische Behandlung in einem gesicherten Umfeld für erforderlich. Obgleich bei dem Angeklagten eine Krankheitseinsicht teilweise fehle, er der deutschen Sprache nicht mächtig und sein aufenthaltsrechtlicher Status ungeklärt sei, seien Erfolgsaussichten gegeben. Den Sprachhemmnissen könne unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers begegnet werden. Zudem sei „nicht auszuschließen“, dass der Angeklagte eine begonnene Therapie in seinem Heimatland (Marokko) fortsetzen könne.
b) Damit wird die Strafkammer den Anforderungen an die Begründung einer positiven Behandlungsprognose nicht gerecht.
aa) Nach § 64 Satz 2 StGB ergeht diese Anordnung nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Angeklagten durch die Behandlung innerhalb der Frist des § 67d Abs. 1 Satz 1 oder 3 StGB zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf seinen Hang zurückgehen. Sofern sich dies nicht von selbst versteht, ist es daher erforderlich, unter Berücksichtigung der Art und des Stadiums der Sucht sowie bereits eingetretener physischer und psychischer Veränderungen und Schädigungen in der Persönlichkeit und den Lebensumständen des Angeklagten konkrete Anhaltspunkte zu benennen, die dafür sprechen, dass es innerhalb eines zumindest „erheblichen“ Zeitraums nicht (mehr) zu einem Rückfall kommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 2014 - 4 StR 496/13, NStZ 2014, 203, 205; Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 3 StR 516/07, NStZ-RR 2009, 48 f. mwN). Die bloße Möglichkeit einer therapeutischen Veränderung vermag die Prognose eines hinreichend konkreten Therapieerfolgs nicht zu stützen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2018 - 1 StR 51/18, NStZ-RR 2018, 275, 276 mwN).
bb) Hinreichend konkrete Anhaltspunkte für einen derartigen Therapieerfolg hat das Landgericht nicht festgestellt. Die angeführte „geäußerte“ Therapiebereitschaft und das Fehlen einer Therapie in der Vergangenheit, weisen allenfalls auf die Möglichkeit eines Therapieerfolges hin. Auch hätte sich die Strafkammer damit auseinandersetzen müssen, inwieweit der eingeräumte Betäubungsmittelkonsum in der Justizvollzugsanstalt die lediglich „geäußerte“ Therapiebereitschaft in Frage stellt. Der Umstand, dass bisher noch keine Therapie stattgefunden hat, besagt lediglich, dass das für eine Behandlungsprognose ungünstige Indiz eines bereits gescheiterten Behandlungsversuchs nicht vorliegt. Für eine mögliche Fortsetzung der Therapie in Marokko fehlt jeder Beleg.
c) Schließlich hätte sich das Landgericht auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob ausnahmsweise von einer Unterbringungsanordnung abzusehen war.
aa) Durch die Umwandlung in eine Soll-Vorschrift ist § 64 StGB zwar noch keine Ermessensvorschrift im engeren Sinn geworden. Ein Absehen von einer Maßregelanordnung kommt aber - trotz gegebener Voraussetzungen - in Ausnahmefällen in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2017 - 4 StR 124/17, BGHR StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 4; Beschluss vom 29. Juni 2010 - 4 StR 241/10, NStZ-RR 2010, 307). Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll dies insbesondere bei Angeklagten möglich Fall sein, denen „gerade noch“ eine positive Behandlungsprognose gestellt werden kann, bei denen aber im Übrigen sehr ungünstige Ausgangsbedingungen vorliegen, etwa weil eine Ausweisung droht oder vorhandene Sprachdefizite nur schwer auszugleichen sind (vgl. BT-Drucks. 16/1344, S. 12 f. und BT-Drucks. 16/5137, S. 10; BGH, Urteil vom 6. Juli 2017 - 4 StR 124/17, BGHR StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 4). Geben die Feststellungen danach Anlass, die Nichtanordnung der Unterbringung nach § 64 StGB in Erwägung zu ziehen, hat der Tatrichter die für seine Entscheidung maßgeblichen Umstände im Urteil für das Revisionsgericht nachprüfbar darzulegen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2018 - 1 StR 132/18 Rn. 11, NStZ-RR 2018, 273, 274; Urteil vom 6. Juli 2017 - 4 StR 124/17, BGHR StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 4 mwN).
bb) Daran gemessen hätte die Strafkammer näher darlegen müssen, warum sie nicht von einer Maßregelanordnung absieht. Der Angeklagte ist der deutschen Sprache nicht mächtig; sein aufenthaltsrechtlicher Status ist ungeklärt. Die ihm gestellte - ihrerseits nicht rechtsfehlerfrei begründete - positive Behandlungsprognose ist erkennbar grenzwertig.
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