Entscheidungsdatum: 06.12.2018
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 1. Juni 2018 wird das vorbezeichnete Urteil
a) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
aa) soweit der Angeklagte im Fall II.1.a) der Urteilsgründe verurteilt worden ist;
bb) im Gesamtstrafenausspruch;
cc) im Adhäsionsausspruch betreffend die Adhäsionsklägerin M. ; insoweit wird von einer Entscheidung abgesehen.
b) im Adhäsionsausspruch betreffend die Adhäsionsklägerin G. dahingehend geändert, dass Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. April 2018 zu zahlen sind.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Endscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und versuchten sexuellen Übergriffs unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Leipzig vom 17. November 2017 nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und zwei Adhäsionsentscheidungen getroffen. Seine auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision hat den in der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
I.
Soweit der Angeklagte im Fall II.1.a) der Urteilsgründe wegen Vergewaltigung verurteilt worden ist, kann das Urteil nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht den Beweisantrag auf Einvernahme des Zeugen T. mit unzutreffender Begründung abgelehnt hat und die Verurteilung hierauf beruht.
1. Nach den hierzu getroffenen Feststellungen sprach der Angeklagte die zu diesem Zeitpunkt erkennbar betäubungsmittelabhängige Nebenklägerin G. in den frühen Morgenstunden des 3. Mai 2017 im Hauptbahnhof H. an und stellte sich ihr unter einem falschen Namen vor. Er fragte sie, ob sie Betäubungsmittel konsumiere. Nachdem die Nebenklägerin dies bejaht hatte, bot ihr der Angeklagte ein „Geschäft“ an, bei dem es um den Verkauf von Betäubungsmitteln gehen sollte. Um Genaueres zu besprechen, müsse sie mit in seine Wohnung kommen. Die Nebenklägerin vertraute dem Angeklagten und ging mit ihm in dessen Wohnung. Als der Angeklagte sie dort aufforderte, ihn mit der Hand zu befriedigen, war sie „total überrascht“ und sagte ihm deutlich, dass sie das nicht wolle. Als sie die Wohnung verlassen wollte, schloss der Angeklagte die Wohnungstür ab. Die Nebenklägerin begann nun zu schreien, woraufhin ihr der Angeklagte den Mund zuhielt. Der Angeklagte hielt die Nebenklägerin fest, drückte sie rücklings aufs Bett, zog ihr die Jogginghose herunter und drang mit seinem Glied in sie ein. Die Nebenklägerin konnte sodann die Wohnung verlassen. Einige Tage später traf die Nebenklägerin anlässlich des Verkaufs eines Fernsehers durch eine Freundin nochmals mit dem Angeklagten zusammen. Am 17. November 2017 kam es zu einer weiteren Begegnung, bei der ein Bekannter der Nebenklägerin den Angeklagten in ihrem Auftrag zu fotografieren versuchte. Dabei kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen dem Bekannten und dem Angeklagten. Bei der sich anschließenden polizeilichen Anzeigenaufnahme wegen der Körperverletzung zum Nachteil des Angeklagten zeigte die Nebenklägerin die Vergewaltigung an.
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung angegeben, die Nebenklägerin im Hauptbahnhof getroffen zu haben und von ihr gebeten worden zu sein, sie bei ihm übernachten zu lassen. In den nächsten drei Tagen sei sie bei ihm geblieben, und es sei mehrfach zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gekommen. Als seine Freundin ihm telefonisch ihr Kommen angedroht habe, habe er der Nebenklägerin erklärt, dass sie gehen müsse. Sie habe zunächst nicht gehen wollen, weil sie seine Geliebte habe sein wollen. Die Vergewaltigung behaupte sie nur aus Rache.
Das Landgericht hat seine Überzeugung hinsichtlich des Tatgeschehens und der Begleitumstände auf die Angaben der Nebenklägerin gestützt.
2. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung am 24. Mai 2018 den Antrag gestellt, den Zeugen T. zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass der Angeklagte mit der Nebenklägerin Anfang Mai 2017 in der Wohnung des Zeugen gewesen sei. Dadurch werde bewiesen, dass die Angaben der Nebenklägerin zum Tatablauf nicht stimmen könnten.
Das Landgericht hat diesen Antrag nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt und ausgeführt, dass die zu beweisende Tatsache aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung ohne Bedeutung sei. Selbst wenn der Zeuge die Beweisbehauptung bestätigen würde, lasse dies keinen Schluss darauf zu, ob die Vergewaltigung stattgefunden habe. Auch wäre die Beweistatsache im Fall ihres Nachweises nicht geeignet, die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin G. zu beeinflussen, denn die Frage, ob der Angeklagte mit der Zeugin G. in der Wohnung des Zeugen T. gewesen sei, betreffe nicht das eigentliche Tatgeschehen und damit den Kernbereich der Aussage der Zeugin G. .
3. Diese Begründung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sie die Beweistatsache in ihrer Bedeutung als Indiztatsache für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin G. nicht umfassend in den Blick nimmt.
a) Eine unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache ist aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung bedeutungslos, wenn sie in keinem Zusammenhang mit der Urteilsfindung steht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihrer Bestätigung keinen Einfluss auf die richterliche Überzeugung vom entscheidungserheblichen Sachverhalt hätte, weil sie nur einen möglichen Schluss auf das Vorliegen oder Fehlen einer Haupttatsache oder den Beweiswert eines anderen Beweismittels ermöglicht und das Gericht der Überzeugung ist, dass dieser Schluss in Würdigung der gesamten Beweislage nicht gerechtfertigt wäre. Ob der Schluss gerechtfertigt wäre, hat das Tatgericht nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen. Hierzu hat es die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache so, als sei sie erwiesen, in ihrem vollen Umfang ohne Umdeutung, Einengung oder Verkürzung in das bisherige Beweisergebnis einzustellen und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zu der potentiell berührten Haupttatsache bzw. zum Beweiswert des anderen Beweismittels in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2018 - 3 StR 342/17, NStZ-RR 2018, 188 [Ls]; Beschluss vom 5. Februar 2013 - 1 StR 553/12, NStZ 2013, 352, 353; weitere Nachweise bei Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 220). Der Beschluss, mit dem die Erhebung eines Beweises wegen Unerheblichkeit der Beweistatsache abgelehnt wird, ist mit konkreten Erwägungen zu begründen. Aus ihnen muss sich ergeben, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2015 - 1 StR 300/15, NStZ-RR 2015, 315 [Ls]; Beschluss vom 5. Februar 2013 - 1 StR 553/12, NStZ 2013, 352, 353; weitere Nachweise bei Trüg/Habetha in MünchKommStPO, § 244 Rn. 260 i.V.m. Fn. 1547).
b) Vor diesem Hintergrund greift die Begründung, mit der die Strafkammer die beantragte Beweisaufnahme abgelehnt hat, unter den hier gegebenen Umständen zu kurz. Soweit sie dabei - im Ansatz zutreffend - die Beweistatsache auch im Hinblick auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin in den Blick genommen hat, hat sie nur darauf abgestellt, inwieweit diese Tatsache Rückschlüsse auf das Tatgeschehen als solches zulässt. An dieser Stelle hätte aber auch erwogen werden müssen, ob und inwieweit hierdurch die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin zu den Kontakten mit dem Angeklagten außerhalb des Tatgeschehens (nach ihrer Aussage nur beim Verkauf des Fernsehers wenige Tage später und im November 2017) erschüttert wird und - sofern dies der Fall sein sollte - ob sich daraus ein Rückschluss auf eine Aussagesteuerung ergibt, die auch ihre Bekundungen zu dem das Tatgeschehen ausmachenden unfreiwilligen Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten in Frage stellt. Dies gilt umso mehr, als sich der Angeklagte mit der Einlassung verteidigt hat, ein mehrtägiges Verhältnis zu der Zeugin gehabt zu haben, bei dem es zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr gekommen sei.
c) Auf dieser Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO beruht die Verurteilung des Angeklagten wegen Vergewaltigung im Fall II.1.a) der Urteilsgründe. Die dadurch begründete Teilaufhebung des Schuldspruchs zieht auch die Aufhebung der hierfür verhängten Einzelstrafe und der Gesamtstrafe nach sich. Auf die weiteren hierzu erhobenen Verfahrensrügen kommt es nicht mehr an.
4. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen der Tat zum Nachteil der Zeugin G. führt nicht zur Aufhebung der zu ihren Gunsten ergangenen Adhäsionsentscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 - 3 StR 470/14, Rn. 56 [insoweit in NJW 2016, 513 nicht abgedruckt]; Urteil vom 18. November 2007 - 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96, 98). Jedoch bedarf diese insoweit einer Änderung, als nach § 404 Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB Zinsen erst ab dem auf die Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs folgenden Tag zugesprochen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2018 - 4 StR 292/18, Rn. 2 mwN).
II.
1. Die Verurteilung wegen versuchten sexuellen Übergriffs im Fall II.2.a) der Urteilsgründe und der Ausspruch über die Einzelstrafe für diese Tat weisen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Die hierzu erhobene Verfahrensrüge ist jedenfalls unbegründet. Der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass der Angeklagte die weitere Tatausführung nicht freiwillig aufgab und ein strafbefreiender Rücktritt deshalb ausscheidet.
2. Der an diese Tat anknüpfende Adhäsionsausspruch zugunsten der Nebenklägerin M. kann dagegen nicht bestehen bleiben, weil der zugrunde liegende, auf Zahlung eines „angemessenen“ Schmerzensgeldes gerichtete Adhäsionsantrag nicht den Zulässigkeitsanforderungen gemäß § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO genügt.
a) § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO verlangt die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag. Bei einem unbezifferten Antrag müssen die tatsächlichen Grundlagen für die Ermessensausübung des Gerichts mitgeteilt werden. Wenn der Umfang der Leistung im richterlichen Ermessen steht, muss zwar kein konkreter Betrag geltend gemacht werden. Das Bestimmtheitsgebot verlangt aber zumindest die Angabe der Größenordnung des begehrten Betrages, um das Gericht und den Gegner darüber zu unterrichten, welchen Umfang der Streitgegenstand haben soll (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2018 - 3 StR 618/17, Rn. 11; Beschluss vom 14. März 2018 - 4 StR 516/17, NStZ-RR 2018, 223, 224; Beschluss vom 25. August 2016 - 2 StR 585/15, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 9; Urteil vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341, 350 f.).
b) Diesen Anforderungen wird der Adhäsionsantrag der Nebenklägerin vom 4. Januar 2018 nicht gerecht. Der Antrag ist nicht beziffert und enthält auch sonst keinen Hinweis auf eine Größenordnung oder einen Mindestbetrag. Eine von der Nebenklägerin hingenommene gerichtliche Streitwertangabe, die als eine entsprechende Wertangabe ihrerseits angesehen werden könnte, ist nicht erfolgt. Von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag war daher abzusehen.
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