Entscheidungsdatum: 22.11.2011
1. Auf die Revision des Angeklagten W. wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 25. Mai 2011
a) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass
aa) der Angeklagte W. des besonders schweren Raubes und der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung,
bb) der Mitangeklagte S. der besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung, des besonders schweren Raubes, der räuberischen Erpressung und des Betrugs schuldig ist,
b) hinsichtlich des Angeklagten W. in den Fällen II. 1 bis II. 4 und II. 7 der Urteilsgründe im Ausspruch über die Einzelstrafen und im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben.
c) hinsichtlich des Mitangeklagten S. in den Fällen II. 1 bis II. 4 der Urteilsgründe im Ausspruch über die Einzelstrafen und im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen
Das Landgericht hat den Angeklagten W. wegen räuberischer Erpressung in drei Fällen, versuchter räuberischer Erpressung, besonders schweren Raubes und vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung unter Einbeziehung einer rechtskräftigen Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Den nicht revidierenden Mitangeklagten S. hat das Landgericht der besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung, der räuberischen Erpressung in drei Fällen, der versuchten räuberischen Erpressung, des besonders schweren Raubes und des Betrugs schuldig gesprochen und gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verhängt. Außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass die Maßregel vor der Strafe zu vollziehen ist. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten W. hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie nach § 349 Abs. 2 StPO offensichtlich unbegründet.
1. Nach den Feststellungen verlangte der Angeklagte W. am 31. März 2010 zusammen mit dem nicht revidierenden Mitangeklagten S. von dem Zeugen Sch. die Zahlung von 180 Euro, wobei er bewusst wahrheitswidrig behauptete, einen Anspruch in dieser Höhe aus einem Betäubungsmittelgeschäft zu haben. Als der Zeuge erklärte, kein Bargeld mit sich zu führen, forderte ihn S. auf, dann eben Geld zu besorgen und drohte für den Weigerungsfall Schläge an. Der Zeuge Sch. hob daraufhin 50 Euro von seinem Girokonto ab und händigte sie dem Angeklagten W. aus (Fall II. 1). In der Zeit bis zum 14. April 2010 erschienen der Angeklagte und S. noch mehrmals bei dem Zeugen Sch. , um die vermeintlich noch offene Restforderung von 130 Euro beizutreiben. Dabei wiederholten sie ihre Drohung, Sch. zu schlagen, falls er nicht zahle. Aus Angst vor körperlichen Übergriffen übergab der Zeuge Sch. dem Angeklagten und S. deshalb einmal 30 und einmal 20 Euro (Fälle II. 2 und II. 3). Am 14. April 2010 suchten der Angeklagte und S. den Zeugen Sch. an seiner Arbeitsstelle im Lagerbereich eines Baumarktes auf. Dabei fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw zur Ladezone an der Rückseite des Gebäudes. Dort rief der auf dem Beifahrersitz sitzende S. dem Zeugen Sch. durch das geöffnete Seitenfenster zu, dass er zusehen solle, dass er das Geld besorge. Andernfalls würde man ihn „aus dem Laden rausziehen“ und es gäbe „tierisch auf die Fresse“. Da der Zeuge Sch. , der kein Geld bei sich hatte, der Aufforderung zur Herausgabe von Geld nicht nachkam und auch sonst nicht auf die Drohung reagierte, verließen der Angeklagte und S. mit dem Pkw das Gelände des Baumarktes (Fall II. 4). Am 17. Mai 2010 schlug der Angeklagte dem Zeugen Sch. bei einem zufälligen Zusammentreffen auf der Straße mit der Faust ins Gesicht und warf ihm vor, ihn bei der Polizei angezeigt zu haben. Anschließend fragte er den Zeugen, was mit „seinem Geld“ sei und versetzte ihm zwei weitere Faustschläge, wobei er seine Forderung nach Geld wiederholte. Als der Zeuge Sch. erklärte, kein Geld zu haben, erwiderte der Angeklagte, dass er dann Geld besorgen und am nächsten Tag in den Briefkasten der Wohnung des S. werfen solle. Der Zeuge Sch. erstattete am 18. Mai 2010 Strafanzeige gegen den Angeklagten. Zu weiteren Geldzahlungen kam es nicht mehr (Fall II. 7).
Das Landgericht hat den Angeklagten und den nicht revidierenden Mitangeklagten S. insoweit wegen räuberischer Erpressung in drei Fällen (Fälle II. 1 bis II. 3), sowie versuchter räuberischer Erpressung (Fall II. 4) und den Angeklagten zusätzlich wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (Fall II. 7) schuldig gesprochen.
2. Die Bewertung des Landgerichts, wonach sich der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte S. der (versuchten) räuberischen Erpressung in mehreren Fällen schuldig gemacht haben, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Mehrere natürliche Handlungen können als eine Tat im Rechtssinne anzusehen sein (sog. rechtliche Bewertungseinheit), wenn sie sich als Teilakte einer sukzessiven Tatausführung zur Erreichung eines einheitlichen Erfolges darstellen (BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 - 5 StR 467/06, NStZ 2007, 578; SSW-StGB/Eschelbach § 52 Rn. 36; Rissing-van Saan in: LK 12. Aufl., vor § 52 Rn. 36; Puppe in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 3. Aufl., § 52 Rn. 18). Eine sukzessive Tatausführung kann auch dann gegeben sein, wenn der Täter zunächst davon ausgeht, den angestrebten Taterfolg durch eine Handlung erreichen zu können, sich dann aber umgehend zu weiteren Tathandlungen entschließt, nachdem die ins Auge gefasste Handlung keinen oder nur einen Teilerfolg erbracht hat (vgl. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., 32. Abschn. Rn. 8). Dabei ist es jedoch erforderlich, dass die weiteren Tathandlungen auf die vorhergehende Handlung aufsetzen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2000 - 3 StR 551/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 5) und sich nicht als neuer Anlauf zur (vollständigen) Erreichung des ursprünglich angestrebten Taterfolges darstellen. Ein Wechsel des Angriffsmittels, räumliche Trennungen oder längere zeitliche Intervalle zwischen den jeweiligen Einzelakten stellen die Annahme einer Bewertungseinheit nicht grundsätzlich in Frage (BGH, Urteil vom 24. Mai 2000 – 3 StR 551/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 5; SSW-StGB/Eschelbach § 52 Rn. 36; Puppe JR 1996, 513, 514), können aber ein Indiz für einen neuerlichen Tatbeginn sein. Für die Erpressung ist anerkannt, dass mehrere Angriffe auf die Willensentschließung des Opfers als eine Tat im Rechtsinne zu werten sind, wenn dabei die anfängliche Drohung lediglich den Umständen angepasst und aktualisiert (BGH, Urteil vom 1. März 1994 - 1 StR 33/94, BGHSt 40, 75, 77; Beschluss vom 3. April 2008 - 4 StR 81/08, NStZ-RR 2008, 239; vgl. Beschluss vom 22. Oktober 1997 - 3 StR 415/97, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 4), im Übrigen aber nach wie vor dieselbe Leistung gefordert wird (vgl. Puppe JR 1996, 513, 514). Die rechtliche Bewertungseinheit endet in diesen Fällen erst dann, wenn der Täter sein Ziel vollständig erreicht hat oder nach den insoweit entsprechend heranzuziehenden Wertungen des Rücktrittsrechts von einem fehlgeschlagenen Versuch auszugehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369; Urteil vom 24. Mai 2000 - 3 StR 551/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 5; Beschluss vom 3. April 2008 - 4 StR 81/08, NStZ RR 2008, 239; SSW-StGB/Eschelbach § 52 Rn. 37; Beulke/Satzger NStZ 1996, 432, 433).
b) Danach ist der Angeklagte in den Fällen II. 1 bis II. 4 und II. 7 nur einer räuberischen Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung schuldig. Wie sich aus den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ergibt, haben der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte S. in den Fällen II. 1 bis II. 4 jeweils die von Anfang an geltend gemachte Forderung von 180 Euro weiterverfolgt und dabei ihre ursprüngliche Drohung, den Zeugen Sch. zu schlagen, jeweils erneuert und bekräftigt. Dabei lagen zwischen der ersten Einwirkung auf die Willensfreiheit des Zeugen Sch. am 31. März 2010 (Fall II. 1) und dem Vorfall vom 14. Mai 2010 (Fall II. 4) neben den beiden zu weiteren Teilzahlungen führenden Treffen (Fälle II. 2 und II. 3) noch weitere Drohungen, die ersichtlich einer Aufrechterhaltung des Drucks auf den Zeugen dienen sollten. Auch der allein von dem Angeklagten begangene Erpressungsversuch vom 17. Mai 2010 (Fall II. 7) stellt eine Weiterführung des Vorhabens dar, den Zeugen zu einer Zahlung von insgesamt 180 Euro zu zwingen. Der Umstand, dass es sich hierbei nur um ein zufälliges Zusammentreffen gehandelt hat, steht der Annahme einer rechtlichen Bewertungseinheit nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 2000 - 4 StR 599/99; NStZ-RR 2000, 234, 235).
Das Urteil war nach § 357 Satz 1 StPO in den Fällen II. 1 bis II. 4 im Umfang der Aufhebung auf den nicht revidierenden Mitangeklagten S. zu erstrecken, weil ihn der in Rede stehende Rechtsfehler in gleicher Weise betrifft. Der Senat ändert jeweils den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen.
3. Die Änderung des Schuldspruchs hat bei dem Angeklagten W. die Aufhebung der in den Fällen II. 1 bis II. 4, sowie II. 7 verhängten Einzelfreiheitsstrafen zur Folge. Bei dem nicht revidierenden Angeklagten S. sind die in den Fällen II. 1 bis II. 4 verhängten Einzelfreiheitsstrafen aufzuheben. Dies entzieht jeweils auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
Ernemann Cierniak Franke
Mutzbauer Quentin