Entscheidungsdatum: 13.02.2014
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 19. Juli 2013
a) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
aa) im Fall II. 8 der Urteilsgründe,
bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und
cc) im gesamten Maßnahmenausspruch;
b) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in fünf Fällen, in drei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Jugendlichen, wegen sexuellen Missbrauchs eines Jugendlichen und wegen Erpressung verurteilt ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
a) soweit sie den Fall II. 8 der Urteilsgründe betrifft, an das Amtsgericht Coesfeld verwiesen,
b) soweit aus den Einzelstrafen der Fälle II. 1 bis 7 der Urteilsgründe eine neue Gesamtstrafe zu bilden und über die Einziehung des Mobiltelefons des Angeklagten zu entscheiden ist, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen, die auch über die Kosten des Rechtsmittels zu entscheiden haben wird.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in fünf Fällen, in drei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Jugendlichen, sowie wegen sexuellen Missbrauchs eines Jugendlichen, wegen Erpressung sowie wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt." Zudem hat es Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer Revision das Fehlen einer Prozessvoraussetzung, soweit der Angeklagte im Fall II. 8 der Urteilsgründe wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden ist. Im Übrigen wendet sie sich zu Ungunsten des Angeklagten gegen die Gesamtstrafenbildung und das Unterbleiben der Einziehung seines Mobiltelefons. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf die vorgenannten Teile des Urteils beschränkt. Zwar ergibt sich dies nicht aus dem Revisionsantrag, der die Aufhebung des Urteils „im Rechtsfolgenausspruch" begehrt. Allerdings folgt aus der Revisionsbegründung, dass die Revisionsführerin das angefochtene Urteil nur hinsichtlich der genannten Punkte für rechtsfehlerhaft hält (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 2013 - 1 StR 476/12, NStZ-RR 2013, 279, 280 mwN). Soweit die Staatsanwaltschaft nur die Bemessung der Gesamtstrafe beanstandet, steht der Beschränkung ihres Rechtsmittels nicht entgegen, dass sie mit der Einziehung des Mobiltelefons die Verhängung einer Nebenstrafe anstrebt. Selbst wenn man unterstellt, dass es sich um einen Gegenstand von nicht unerheblichem Wert handeln sollte, genügt es hier, die Einziehung erst bei der Bemessung der Gesamtstrafe zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. September 1998 - 4 StR 367/98, und vom 6. Juni 2001 - 2 StR 205/01, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 39).
II.
Die Verurteilung im Fall II. 8 der Urteilsgründe wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr kann wegen eines von Amts wegen zu beachtenden Verfahrenshindernisses (vgl. BGH, Beschluss vom 8. August 2001 - 2 StR 285/01, bei Becker, NStZ-RR 2002, 257) nicht bestehen bleiben. Das Landgericht Essen war für die Entscheidung nicht zuständig.
Diese Tat hat die Staatsanwaltschaft Münster am 26. März 2013 bei dem - zum Bezirk des Landgerichts Münster gehörenden - Amtsgericht (Strafrichter) Coesfeld angeklagt, das die Sache dem Landgericht Essen zur Übernahme vorgelegt hat. Dieses Landgericht hat die Anklage durch Beschluss vom 10. Juni 2013 zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Mit weiterem Beschluss vom selben Tag hat es das Verfahren mit dem bei ihm anhängigen, bereits eröffneten Verfahren wegen der weiteren abgeurteilten Straftaten verbunden. Die Eröffnung ist gegenstandslos und die Verbindung unwirksam (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. April 2005 - 3 StR 347/04, NStZ 2005, 464, und vom 26. Juli 1995 - 2 StR 74/95, BGHR StPO § 4 Verbindung 9, jew. mwN):
Die Verbindung von Strafsachen, die nicht nur die örtliche, sondern auch die sachliche Zuständigkeit betrifft, kann nicht durch eine Vereinbarung der beteiligten Gerichte nach § 13 Abs. 2 Satz 1 StPO geschehen. Eine solche Verbindung kann vielmehr in den Fällen, in denen - wie hier - die verschiedenen Gerichte nicht alle zu dem Bezirk des ranghöheren gehören, nur durch Entscheidung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts herbeigeführt werden (§ 4 Abs. 2 Satz 2 StPO). Daran fehlt es. Die Sache ist insoweit nicht bei dem Landgericht Essen rechtshängig geworden. Der Bundesgerichtshof kann die Verbindung nicht nachholen, da nicht er, sondern das Oberlandesgericht Hamm für eine solche Entscheidung zuständig wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. November 1996 - 2 StR 585/96, BGHR StPO § 4 Verbindung 12, und vom 8. August 2001 - 2 StR 285/01, bei Becker, NStZ-RR 2002, 257). Es besteht hinsichtlich der unter II. 8 der Urteilsgründe abgeurteilten Tat ein Verfahrenshindernis, das zwar zu einer entsprechenden Teilaufhebung des Urteils, nicht jedoch zur Verfahrenseinstellung führt, da die Rechtshängigkeit des Verfahrens bei dem Amtsgericht Coesfeld fortbesteht (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 1995 - 2 StR 74/95, BGHR StPO § 4 Verbindung 9). Die Sache ist daher insoweit entsprechend § 355 StPO an dieses Gericht zu verweisen, das wegen der Gegenstandslosigkeit des Eröffnungsbeschlusses des Landgerichts Essen auch noch über die Eröffnung des Verfahrens zu entscheiden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2013 - 3 StR 166/13, NStZ-RR 2013, 378).
Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert.
III.
Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht es unterlassen hat, über die - bereits in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Essen vom 18. Februar 2013 angestrebte - Einziehung des sichergestellten Mobiltelefons des Angeklagten zu entscheiden. Dabei kommt es auf die Frage, inwieweit die Beanstandung der Nichtanwendung des § 74 StGB einer Verfahrensrüge bedarf, nicht an, da jedenfalls der Revisionsbegründung eine solche Rüge, welche die Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erfüllen würde, entnommen werden kann.
Nach den Feststellungen zum Fall II. 2 der Urteilsgründe fertigten die minderjährigen Opfer auf Nachfrage des gesondert verfolgten B. jeweils Fotos von ihrem entblößten Oberkörper und Geschlechtsteil mit dem Mobiltelefon des Angeklagten; diese Fotos verschickten sie an B. . Darüber hinaus zeigte der Angeklagte in diesem Fall und im Fall II. 4 den jeweils betroffenen minderjährigen Jungen einen pornographischen Film auf seinem Mobiltelefon, um ihnen zu einer Erektion bei der Vornahme homosexueller Handlungen zu verhelfen. Danach hätte das Landgericht über die Einziehung des sichergestellten Mobiltelefons des Angeklagten befinden müssen. Zwar richtet sich die Entscheidung nicht nach der zwingenden Vorschrift des § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB, weil eine Strafbarkeit nach § 184b Abs. 2 oder 4 StGB im Fall II. 2 gemäß § 154a Abs. 1 StPO aus der Strafverfolgung ausgeschieden worden ist. Jedoch liegt es nach den vorgenannten Feststellungen nahe, dass die Voraussetzungen der Ermessensvorschrift des § 74 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllt sind. Hierzu verhält sich das Urteil weder ausdrücklich noch ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass das Landgericht die Voraussetzungen einer solchen Entscheidung geprüft und von dem ihm zustehenden Ermessen in der Art und Weise Gebrauch gemacht hat, dass es eine entsprechende Anordnung nicht treffen wollte. Dies wird nachzuholen sein.
IV.
Die Aufhebung des Urteils, soweit der Angeklagte im Fall II. 8 der Urteilsgründe verurteilt worden und in den Fällen II. 2 und 4 eine Entscheidung über die Einziehung des Mobiltelefons des Angeklagten unterblieben ist, entzieht der Gesamtfreiheitsstrafe - insoweit zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) - die Grundlage. Auf der anderen Seite erscheint der bei der Bildung der Gesamtstrafe angeführte Strafmilderungsgrund, der Angeklagte habe sich in einer „verhängnisvolle(n) Verstrickung ... gefangen" gesehen, nicht tatsachenfundiert; immerhin nutzte der Angeklagte die Nähe zu seinem gesondert verfolgten Auftraggeber B. dazu aus, diesen nach Anfertigung kompromittierender Fotos mit einer Forderung von zunächst 150.000 € zu erpressen (Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren). Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass das Landgericht die Gesamtstrafe höher oder milder bemessen hätte. Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren Einwendungen der Revisionsführerin und des Generalbundesanwalts gegen die Bemessung der Gesamtstrafe auseinanderzusetzen.
V.
Zur Klarstellung hat der Senat auch den auf die §§ 69, 69a StGB gestützten Maßregelausspruch aufgehoben, da dieser seine Grundlage in der Tat II. 8 der Urteilsgründe (fahrlässige Trunkenheit im Verkehr) hat.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Mutzbauer Bender