Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 08.11.2011


BGH 08.11.2011 - 4 StR 468/11

Gemeinschaftliche Vergewaltigung: Abgrenzung zwischen Vergewaltigung und sexueller Nötigung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
4. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
08.11.2011
Aktenzeichen:
4 StR 468/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Dessau-Roßlau, 16. Mai 2011, Az: 2 KLs 181 Js 2585/10, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten F.      gegen das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 16. Mai 2011 wird das Urteil hinsichtlich dieser Angeklagten sowie der früheren Mitangeklagten K.      dahin geändert, dass diese der sexuellen Nötigung schuldig sind.

2. Auf die Revision des Angeklagten W.     gegen das vorbezeichnete Urteil wird dessen Tenor hinsichtlich dieses Angeklagten dahin geändert, dass im Schuldspruch das Wort "gemeinschaftlichen" entfällt.

3. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

4. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe

1

Das Landgericht hat die Angeklagten der "gemeinschaftlichen Vergewaltigung" schuldig gesprochen und sie - teils unter Einbeziehung früher verhängter Strafen - zu (Gesamt-)Freiheitsstrafen verurteilt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten F.    und W.        mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen; die Verteidigerin des Angeklagten W.    hat zudem eine als Verfahrensrüge bezeichnete Beanstandung erhoben. Die Rechtsmittel führen zu einer Änderung des Schuldspruchs, die - soweit sie auf die Revision der Angeklagten F.    hin erfolgt - gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die frühere Mitangeklagte K.    zu erstrecken ist.

2

1. Das Rechtsmittel des Angeklagten W.         ist aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 22. September 2011 dargelegten Gründen erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO). Jedoch gehört die - wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, zudem nicht zutreffende - Kennzeichnung der Vergewaltigung als "gemeinschaftlich" begangen nicht in die Urteilsformel (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 260 Rn. 24 mwN). Der Senat lässt sie daher entfallen.

3

2. Das Rechtsmittel der Angeklagten F.     führt ebenfalls zu einer Änderung des Schuldspruchs. Sie ist der sexuellen Nötigung (nicht der "gemeinschaftlichen Vergewaltigung") schuldig. Diese Änderung ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die Mitangeklagte K.      zu erstrecken. Im Übrigen hat die Revision der Angeklagten F.    aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

4

Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat lediglich der Angeklagte W.     an dem Tatopfer eine mit dem Eindringen in dessen Körper verbundene sexuelle Handlung (Oralverkehr) vorgenommen. Zu dem vom Opfer erzwungenen "Lecken" der Angeklagten F.    hat die Strafkammer ein Eindringen in deren Körper nicht festgestellt; das Einführen der Zahnbürste und der Weinflasche erfolgte durch das Opfer selbst und erfüllt deshalb nicht den Tatbestand des § 177 Abs. 1 StGB (vgl. SSW-StGB/Wolters § 177 Rn. 7 mwN). Eine Verurteilung wegen "gemeinschaftlicher Vergewaltigung" scheidet daher aus (vgl. SSW-StGB/Wolters § 177 Rn. 50 mwN).

5

Jedoch ist die Strafkammer rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Angeklagte F. und die frühere Mitangeklagte K.    den Tatbestand des § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB verwirklicht haben. Dieser ist indes - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - im Urteilstenor als "sexuelle Nötigung" zu bezeichnen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 21. April 2009 - 4 StR 531/08). Die Urteilsformel war daher entsprechend zu berichtigen.

6

Angesichts der Besonderheiten des Falles (Misshandlung und Demütigung des behinderten, die Freundschaft insbesondere der Angeklagten F. suchenden Opfers über den Zeitraum etwa einer Woche mit erheblicher Gewaltanwendung und Drohungen) und der milden (Einzel-)Strafen für die Angeklagten F.    (zwei Jahre sieben Monate) und K.     (zwei Jahre acht Monate) schließt der Senat aus, dass die gegen diese Angeklagten verhängten Strafen auf der Bejahung von § 177 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 StGB beruhen, zumal das Landgericht bei der Strafzumessung auf das Vorliegen dieser beiden Alternativen des § 177 Abs. 2 StGB nicht abgestellt, sondern sie lediglich in Zusammenhang mit der Benennung des Strafrahmens angeführt hat.

Ernemann                                           Cierniak                                      Franke

                            Mutzbauer                                        Quentin