Entscheidungsdatum: 23.10.2013
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 16. Mai 2013 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des versuchten Mordes in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung und mit schwerer Brandstiftung sowie der Brandstiftung in vier Fällen schuldig ist.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung und wegen Brandstiftung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von einem Jahr und neun Monaten der Freiheitsstrafe angeordnet. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs im Fall II. 5 der Urteilsgründe, im Übrigen ist es unbegründet.
1. Nach den Feststellungen zu Fall II. 5 der Urteilsgründe verließ der Angeklagte am 24. Oktober 2012 gegen 23.00 Uhr angetrunken und in aggressiver Stimmung seinen Arbeitsplatz in einem Getränkezelt auf der H. -Kirmes in P. und begab sich zu Fuß über den hell erleuchteten M. zu der Jugendherberge, in der er übernachtete. Er entschloss sich, ein in einem speziell für Wohnmobile gekennzeichneten Bereich des Parkplatzes abgestelltes Wohnmobil anzuzünden, um seine Aggressionen abzubauen, wobei er damit rechnete, dass in dem Wohnmobil Menschen schliefen, die durch Rauchgase oder Flammen zu Tode kommen könnten. Er hielt mindestens 30 Sekunden lang eine offene Feuerquelle an eine Stelle im Bereich des hinteren rechten Radkastens nahe der links oberhalb gelegenen Schlafkabine, bis die Kunststoffverkleidung des Radkastens in Brand geriet und selbständig weiterbrannte. Im Schlafbereich des Wohnmobils schliefen zu dieser Zeit der Besitzer des Wohnmobils, H. und seine Lebensgefährtin L. . Aufgrund der Rauchentwicklung und des penetranten Geruchs erwachte H. gegen 1.30 Uhr. Weil sich der unangenehme Geruch intensivierte, stand er auf und öffnete die Eingangstür, um dessen Ursache zu ergründen. Dabei stellte er fest, dass die Außenverkleidung des Wohnmobils brannte und die Flammen schon bis zum Dach schlugen. H. weckte seine Lebensgefährtin; beiden gelang es, mit einer Decke und Wasser aus dem Kühlschrank die Flammen nach etwa fünf Minuten zu ersticken. Ohne das Löschen des Feuers wäre es in einer viertel bis einer halben Stunde zu einem Vollbrand des Wohnmobils gekommen.
2. Die Feststellungen belegen die Vollendung einer besonders schweren Brandstiftung gemäß § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht.
a) § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt die konkrete Gefahr des Todes eines anderen Menschen voraus. Wann eine solche Gefahr gegeben ist, entzieht sich exakter wissenschaftlicher Umschreibung (BGH, Beschluss vom 15. Februar 1963 – 4 StR 404/62, BGHSt 18, 271, 272). Die Tathandlung muss aber jedenfalls über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus im Hinblick auf einen bestimmten Vorgang in eine kritische Situation für das geschützte Rechtsgut geführt haben; in dieser Situation muss – was nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person so stark beeinträchtigt worden sein, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (BGH, Urteile vom 25. Oktober 1984 – 4 StR 567/84, NStZ 1985, 263 mit Anm. Geppert und vom 15. September 1998 – 1 StR 290/98, NStZ 1999, 32, 33; Wolff in LK-StGB, 12. Aufl., § 306a Rn. 29; Heine in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., Vorbem. §§ 306 ff. Rn. 5/6). Allein der Umstand, dass sich Menschen in enger räumlicher Nähe zur Gefahrenquelle befinden, genügt noch nicht zur Annahme einer konkreten Gefahr. Umgekehrt wird die Annahme einer Gefahr aber auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Schaden ausgeblieben ist, weil sich der Gefährdete noch in Sicherheit bringen konnte. Erforderlich ist ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, dass "das noch einmal gut gegangen sei".
b) Dass das in Brand setzen des Wohnmobils bereits zu einer konkreten Gefahr in diesem Sinne geführt hat, lässt sich den Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht hinreichend entnehmen. Der Geschädigte H. ist durch den Brandgeruch frühzeitig erwacht. Beide Geschädigten konnten den Brand der Außenverkleidung mit 1,5 Liter Wasser und einer Decke innerhalb von fünf Minuten löschen. Zu einem Vollbrand des Wohnmobils wäre es erst nach einer viertel bis einer halben Stunde gekommen. Zwar lag der Brandherd zwischen der Schlafkabine und der Außentür des Wohnmobils, so dass den Insassen bei einer Fortentwicklung der Flammen der Fluchtweg abgeschnitten gewesen wäre, doch hat das Landgericht zum Zeitpunkt des zu erwartenden Wegfalls der Fluchtmöglichkeit keine näheren Feststellungen getroffen. Solche sind auch nicht in einer neuen Hauptverhandlung zu erwarten. Angesichts dieser Umstände bestand zwar eine abstrakte, aber noch keine konkrete Todesgefahr für die Geschädigten.
c) Nach den Feststellungen liegt aber ein Versuch der besonders schweren Brandstiftung vor. Der Angeklagte rechnete damit, dass in dem Wohnmobil Menschen schliefen, die durch die sich entwickelnden Rauchgase und Flammen zu Tode kommen könnten. Den Eintritt der Todesgefahr hatte er billigend in Kauf genommen. In Tateinheit mit dem Versuch der besonders schweren Brandstiftung steht die vollendete schwere Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2000 – 1 StR 438/00, NJW 2001, 765, 766; Urteil vom 12. Juni 2008 – 4 StR 78/08, NStZ-RR 2008, 309; vgl. auch BGH, Beschluss vom 31. August 2004 – 1 StR 347/04, NStZ-RR 2004, 367 zum Konkurrenzverhältnis von §§ 306c und 306a; Wolff, aaO, § 306b Rn. 34).
Der Senat hat den Schuldspruch aus verfahrensökonomischen Gründen selbst geändert. Er hat außerdem im Schuldspruch zum Ausdruck gebracht, dass sich der – rechtsfehlerfrei festgestellte – versuchte Mord gegen zwei Tatopfer gerichtet hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 260 Rn. 26).
d) Der Senat schließt aus, dass der Tatrichter bei zutreffendem Schuldspruch auf eine mildere Strafe erkannt hätte. Die Strafkammer hat die Strafe im Fall II. 5 der Urteilsgründe dem doppelt gemilderten Strafrahmen des § 211 StGB entnommen, der hinsichtlich der Strafuntergrenze derjenigen des doppelt gemilderten Strafrahmens des § 306b Abs. 2 StGB entspricht. Der von der Strafkammer berücksichtigte Strafschärfungsgrund der tateinheitlichen Verwirklichung von zwei Straftatbeständen liegt auch nach der Schuldspruchänderung vor.
Sost-Scheible |
Roggenbuck |
Franke |
||
RiBGH Dr. Quentin ist urlaubsbedingt |
||||
Mutzbauer |
Sost-Scheible |