Entscheidungsdatum: 15.02.2017
Führt das Opfer einer Nachstellung den tödlichen Erfolg im Sinne des § 238 Abs. 3 StGB durch ein selbstschädigendes Verhalten (Suizid) herbei, ist der tatbestandsspezifische Zusammenhang zwischen Grunddelikt und tödlichem Erfolg bereits dann zu bejahen, wenn das Verhalten des Opfers motivational auf die Verwirklichung des Grundtatbestandes zurückzuführen ist und diese Motivation für sein selbstschädigendes Verhalten handlungsleitend war.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21. März 2016 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Sachbeschädigung in drei Fällen, Bedrohung in drei tateinheitlichen Fällen, falscher Verdächtigung, wegen Nachstellung mit Todesfolge in Tateinheit mit Beleidigung, mit Bedrohung und mit Sachbeschädigung in vier tateinheitlichen Fällen und wegen vier Fällen des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr, sowie wegen versuchter Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Sperre von drei Jahren für die Erteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet.
Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Verfahrensrüge ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts jedenfalls unbegründet. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben.
Näherer Erörterung bedarf lediglich die (tateinheitliche) Verurteilung des Angeklagten wegen Nachstellung mit Todesfolge gemäß § 238 Abs. 3 StGB.
I.
Insoweit hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. a) Der Angeklagte und das spätere Tatopfer, die 1970 geborene B. , nahmen im Spätsommer 2014 eine Beziehung auf. Zu diesem Zeitpunkt war B. gesund und litt nicht an einer psychischen Erkrankung. Die zunächst glückliche B. störte sich im weiteren Verlauf der Beziehung am übermäßigen Alkoholkonsum des Angeklagten und seinem zunehmend kontrollierenden, eifersüchtigen Verhalten ihr gegenüber. Am 23. Februar 2015 sprach sie ihn in einem Telefonat versehentlich mit dem Vornamen ihres früheren Freundes an, was der Angeklagte zum Anlass nahm, ihr Untreue vorzuwerfen und die Beziehung umgehend zu beenden.
Daraufhin versandte der während des gesamten Tatzeitraums voll schuldfähige Angeklagte bis zum 5. März 2015 u.a. zahllose Textnachrichten mit hasserfüllten Beleidigungen und Bedrohungen an B. , verfolgte sie, ihre Eltern und Freunde mit Telefonanrufen sowie Sachbeschädigungen und versuchte ferner, B. bei ihrem Arbeitgeber durch erfundene Mitteilungen in ein ungünstiges Licht zu rücken. Hinsichtlich der Einzelheiten ist den Urteilsfeststellungen u.a. Folgendes zu entnehmen:
Allein innerhalb eines Zeitraums von etwa achtzehn Stunden nach dem Telefonat am Mittag des 23. Februar 2015, das Anlass für die Beendigung der Beziehung durch den Angeklagten war, schickte der Angeklagte B. 111 WhatsApp-Nachrichten, die Beleidigungen und Drohungen bis hin zur Ankündigung ihrer baldigen Tötung enthielten, so in einer Nachricht am 24. Februar 2015 um 00.47 Uhr, die sie, wie spätere, ähnliche Drohungen, auch ernst nahm, was dem Angeklagten bewusst war. Ferner hinterließ er eine Vielzahl von Nachrichten ähnlichen Inhalts auf ihrem Anrufbeantworter. Sofort unternommene Bemühungen von B. , ihm das Missverständnis am Telefon zu erklären, blieben erfolglos. Die Übersendung zahlloser Textnachrichten setzte der Angeklagte – nunmehr per SMS und E-Mail – auch fort, nachdem B. ihn einige Zeit später bei WhatsApp gesperrt und ihren FacebookAccount geändert hatte. Er unterstellte ihr – tatsächlich haltlos – die Begehung diverser Straftaten und drohte ihr unter Fristsetzung für den Fall, dass sie ihm nicht „700 Dollar“ zahle, mit der Erstattung einer Strafanzeige wegen Diebstahls bzw. Betruges. Weiter gab er vor, im Internet alles sehen zu können, was sie mache, da er sie und ihre Kommunikation in sozialen Netzwerken überwache. Ab dem 25. Februar 2015 sandte er mehrere E-Mails mit beleidigenden und teilweise obszönen Mitteilungen über B. an die Geschäftsleitung des Unternehmens, in dem sie beschäftigt war. In regelmäßigen Abständen erreichten B. tagsüber und auch in den Nachtstunden weiterhin zahlreiche Telefonanrufe des Angeklagten, so dass diese sich nur dadurch zu helfen wusste, dass sie ihr Telefon dauerhaft abstellte.
Auch persönlich suchte der Angeklagte mehrfach Kontakt zu B. . Nachdem er schon wenige Stunden nach dem Telefonat am 23. Februar 2015 in ihrer Abwesenheit seine Sachen aus ihrer Wohnung geholt hatte, ließ diese das Wohnungsschloss austauschen; ein weiterer Versuch des Angeklagten, sich kurze Zeit später erneut Zutritt zu verschaffen, blieb daher erfolglos, was er zum Anlass weiterer, drohender Sprachnachrichten nahm. Einen Tag später lauerte der Angeklagte B. auf dem Parkplatz ihrer Arbeitsstelle auf und überschüttete sie wegen ihrer angeblichen Untreue in aggressiver Weise mit Vorwürfen, zwei Tage später fuhr er mit einem Motorroller an dem Haus ihrer Eltern vorbei und machte eine drohende Geste, die die am Hauseingang stehende B. wahrnahm.
Am Morgen des 25. Februar 2015 fand B. ihren Pkw auf einem Parkplatz mit zwei vom Angeklagten zerstochenen Reifen vor, was dieser in einiger Entfernung, für B. wahrnehmbar, grinsend beobachtete, bevor er mit seinem Pkw davonfuhr. Noch am selben Tag zerstach er zwei Reifen am Fahrzeug einer Freundin des Tatopfers, am Abend des 27. Februar 2015 einen Reifen an dem Pkw ihres Vaters. Die jeweiligen Aufenthaltsorte der Fahrzeuge hatte er zuvor ausgekundschaftet. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 23. und dem 28. Februar 2015 riss er ferner das Namensschild von B. an deren Wohnhaus ab. Am 5. März 2015 sandte der Angeklagte eine letzte SMS an B. mit massiv beleidigendem und drohendem Inhalt. Von einem Anruf des Angeklagten am 24. März 2015 bei den Eltern der B. , in welchem er mitteilte, er werde ihre Tochter „richtig fertigmachen“, erfuhr diese nichts mehr, da sie sich bereits in stationärer Behandlung befand.
Mit seinem gesamten Verhalten ging es ihm nicht um die Fortsetzung seiner Beziehung mit B. , sondern darum, sie zu demütigen, in Angst zu versetzen und psychisch zu verletzen, ihr jegliches Sicherheitsgefühl zu nehmen, seine Präsenz in allen ihren Lebensbereichen zu demonstrieren und sie dadurch in ihrer gesamten Lebensführung nachhaltig zu beeinträchtigen. Dass sein Handeln B. in letzter Konsequenz dazu veranlassen könnte, sich das Leben zu nehmen, hätte er dabei voraussehen und vermeiden können.
b) Als Folge der Handlungen des Angeklagten war B. verängstigt, verzweifelt und nicht mehr arbeitsfähig. Sie hatte Angst, dass der Angeklagte ihr oder ihren Eltern etwas antun könnte. Da sie nicht mehr allein sein konnte, übernachtete sie dauerhaft bei ihren Eltern, wobei sie aber auch dort nur noch maximal zwei Stunden durchschlafen konnte. Bei ihr entwickelte sich bereits ab dem 24. Februar 2015 eine depressive Störung, die sich nachhaltig verstärkte, als ihr am 1. März 2015 die an ihren Arbeitgeber gerichteten, herabsetzenden und teilweise obszönen Nachrichten des Angeklagten über sie bekannt wurden, worüber sie große Scham empfand und verzweifelt war. Sie glaubte, der Angeklagte habe ihr Leben zerstört und sie könne sich nirgends mehr sehen lassen. Noch am Nachmittag desselben Tages machte sie in der Wohnung ihrer Eltern Anstalten zu einem Selbsttötungsversuch mit einem eingeschalteten elektrischen Lockenstab in der Badewanne, schreckte jedoch letztlich vor der Durchführung zurück. Am darauffolgenden Tag erfolgte ihre Einweisung in die psychiatrische Abteilung des Krankenhauses in N. , wo sie mit der Diagnose einer schweren depressiven Episode behandelt wurde. Ohne eine durchgreifende Besserung ihres Zustandes wurde sie am 29. April 2015 wieder entlassen. Trotz der kurz darauf begleitend zu ihrer beruflichen Wiedereingliederung aufgenommenen ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlung trug sie sich infolge der vom Angeklagten ausgelösten depressiven Störung weiterhin mit Suizidgedanken und verfasste am 13. Juli 2015 einen an ihre Eltern gerichteten, auf den 15. Juli 2015 datierten Abschiedsbrief. Darin entschuldigte sie sich u.a. bei ihren Eltern; niemand habe ahnen können, dass „die Geschichte mit dem Angeklagten“ so katastrophale Ausmaße annehmen würde. Ihr sei alles aus der Hand geglitten und sie habe nur noch Angst- und Panikgefühle. Sie habe auf keinen Fall wieder in die Klinik gehen wollen, da dies ihre Qual nur verlängert hätte. Sie habe ihren Lebensmut verloren und sei „am Ende“. Auch eine von ihrem Hausarzt wegen Suizidalität veranlasste teilstationäre psychiatrische Behandlung vom 20. August bis zum 9. Oktober 2015 in einer Tagesklinik, in der eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine rezidivierende depressive Störung mit aktuell schwerer depressiver Episode diagnostiziert wurden, brachte keine Besserung ihres Zustandes. Sie litt vielmehr weiterhin unter vermehrten Panikattacken und andauernden Angstzuständen. Da ihre behandelnden Ärzte von einer akuten, erheblichen und längerfristig bestehenden Suizidgefahr ausgingen, erklärte sich B. am 9. Oktober 2015 zur Vermeidung der ihr für den Fall ihrer Weigerung in Aussicht gestellten zwangsweisen Unterbringung mit einer erneuten stationären Einweisung in die Klinik in N. einverstanden. Dort angekommen lehnte sie aber jegliche Behandlung ab, da sie sich davon keine Besserung ihres Zustandes versprach. Vielmehr übernachtete sie in der Folgezeit weiter bei ihren Eltern, setzte ihre ambulante Behandlung fort und nahm am 2. November 2015 Wiedereingliederungsmaßnahmen an ihrem Arbeitsplatz wieder auf. Ihre Angstzustände dauerten jedoch fort; sie konnte sich nur schlecht auf ihre Arbeit konzentrieren. Am 9. November 2015 begab sie sich nach der Arbeit in ihre eigene Wohnung. Dort fanden sie ihre Eltern am Nachmittag im Keller vor, wo sie sich mit einem Seil und einem Schal erhängt hatte.
2. Die Strafkammer hat angenommen, dass die in engem zeitlichen und inneren Zusammenhang stehenden, beharrlich durchgeführten Handlungen des Angeklagten, der sich in der Vergangenheit auch gegenüber anderen Frauen nach Ende der jeweiligen Beziehung ähnlich verhalten hatte, die Tatvarianten von § 238 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 StGB erfüllten. In der gebotenen Gesamtschau hätten sie die Wirkung gehabt, dass B. nicht mehr so habe leben können wie zuvor. Sie habe sich nicht mehr allein in ihrer Wohnung aufhalten können, sei psychisch erkrankt und nur noch eingeschränkt arbeitsfähig gewesen. Diese schwerwiegende Beeinträchtigung ihrer Lebensgestaltung sei vom Vorsatz des Angeklagten umfasst gewesen. Durch die Nachstellungshandlungen im Sinne des § 238 Abs. 1 StGB habe der Angeklagte auch den Tod der B. fahrlässig verursacht (§ 18 StGB) und dadurch den Qualifikationstatbestand des § 238 Abs. 3 StGB verwirklicht. Der Umstand, dass das spätere Tatopfer eine weitere, ihr dringlich angeratene stationäre psychiatrische Behandlung abgelehnt und die letzte, zum Erfolg führende Ursache für die schwere Tatfolge durch den Suizid selbst – und dies erst etwa acht Monate nach Beendigung der Nachstellungen – gesetzt habe, lasse den erforderlichen Zurechnungszusammenhang nicht entfallen. Die Tathandlung der Nachstellung berge vielmehr die Gefahr selbstschädigenden Verhaltens bis hin zur Selbsttötung infolge einer dadurch ausgelösten schweren psychischen Erkrankung des Opfers als naheliegende und deliktstypische Reaktion in sich. Die schwere Folge sei für den Angeklagten, der massiv auf B. eingewirkt und dabei die mögliche Zerstörung ihrer Existenz im Blick gehabt habe, auch vorhersehbar gewesen.
II.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Nachstellung mit Todesfolge im Sinne des § 238 Abs. 3 StGB hält rechtlicher Nachprüfung stand.
1. a) Der Tatbestand der Nachstellung mit Todesfolge gemäß § 238 Abs. 3 StGB setzt als sog. erfolgsqualifiziertes Delikt voraus, dass „durch die Tat“ der Tod des Opfers (oder von Angehörigen oder anderen, ihm nahestehenden Personen) verursacht worden ist, wobei dem Täter hinsichtlich dieser Tatfolge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fallen muss (§ 18 StGB). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht bei solchen Delikten ein rein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verwirklichung des Grundtatbestandes und dem Todeserfolg für die Erfüllung des Tatbestandes nicht aus. Erfolgsqualifizierte Delikte sollen der mit der Verwirklichung des jeweiligen Grundtatbestandes verbundenen Gefahr des Eintritts der qualifizierenden Todesfolge entgegenwirken und setzen deshalb einen spezifischen Ursachenzusammenhang zwischen beidem voraus (vgl. BGH, Urteile vom 30. Juni 1982 – 2 StR 226/82, BGHSt 31, 96, 98; vom 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02, BGHSt 48, 34, 37; vom 16. März 2006 – 4 StR 536/05, BGHSt 51, 18, 21, jeweils für § 226 StGB [aF] bzw. § 227 StGB [i.d.F. 6. StrRG]).
b) Welche Anforderungen an das Vorliegen des gefahrspezifischen Zusammenhangs zu stellen sind, kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den erfolgsqualifizierten Delikten nicht generell entschieden werden. Vielmehr müssen diese Anforderungen ebenso wie die gebotenen Einschränkungskriterien für jeden in Betracht kommenden Straftatbestand nach dessen Sinn und Zweck sowie unter Berücksichtigung der von ihm erfassten Sachverhalte in differenzierender Wertung ermittelt werden. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass die verschiedenen Erfolgsqualifikationen in Bezug auf die jeweiligen Grundtatbestände uneinheitlich strukturiert sind und deshalb übergreifende Kriterien nicht benannt werden können (BGH, Urteile vom 18. September 1985 – 2 StR 378/85, BGHSt 33, 322, 323; vom 15. Mai 1992 – 3 StR 535/91, BGHSt 38, 295, 298; vgl. auch SSW-StGB/Momsen, 3. Aufl., § 18 Rn. 8; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 18 Rn. 8). Im Fall des § 238 Abs. 3 StGB ist der spezifische Ursachenzusammenhang gegeben, wenn der Tod des Nachstellungsopfers unmittelbare Folge der durch die Nachstellungen verursachten schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung ist. Gerade die der Nachstellung innewohnende spezifische Gefahr muss sich im tödlichen Ausgang niedergeschlagen haben (Fischer, StGB, 64. Aufl., § 238 Rn. 37a; vgl. auch MüKo-StGB/Gericke, 2. Aufl., § 238 Rn. 52; SSW-StGB/Schluckebier, 3. Aufl., § 238 Rn. 18; LK-StGB/Krehl, 12. Aufl., § 238 Rn. 77).
2. Das Landgericht hat das Vorliegen eines gefahrspezifischen Zusammenhangs zwischen dem Grunddelikt und der Todesfolge unter zutreffender Berücksichtigung dieses Maßstabs geprüft und mit Blick auf die unter dem Einfluss einer nachstellungsbedingten psychischen Erkrankung erfolgte Weigerung des Tatopfers, sich (weiterhin) stationär psychiatrisch behandeln zu lassen, und auf seinen anschließenden Suizid die Frage erörtert, ob der erforderliche Zurechnungszusammenhang insoweit unter dem rechtlichen Gesichtspunkt selbstschädigenden Handelns des Opfers in Frage gestellt wird. Dass es diese Frage verneint hat, ist im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
a) Die Ausgestaltung sowie der Sinn und Zweck der jeweiligen Strafvorschrift sind auch für die Beurteilung der Frage maßgeblich, ob sich der Eintritt des tödlichen Erfolgs auch dann noch als Ausfluss der dem jeweiligen Grundtatbestand eigentümlichen Gefahr darstellt, wenn dieser Erfolg durch ein Verhalten des Tatopfers herbeigeführt worden ist. Hiervon ausgehend ist bei der Nachstellung aufgrund der Deliktsstruktur des § 238 StGB und mit Blick auf den Schutzzweck der Vorschrift der tatbestandsspezifische Zusammenhang bereits dann zu bejahen, wenn das Verhalten des Opfers motivational auf die Verwirklichung des Grundtatbestandes zurückzuführen ist und diese Motivation für sein selbstschädigendes Verhalten handlungsleitend war. Liegen diese Voraussetzungen vor, steht die Herbeiführung des tödlichen Erfolgs durch das Tatopfer selbst der Annahme eines die Erfolgsqualifikation des § 238 Abs. 3 StGB begründenden tatspezifischen Gefahrzusammenhangs nicht entgegen.
b) Gemessen daran ändert weder die Weigerung der B. , sich (weiterhin) psychiatrisch behandeln zu lassen, noch ihr Suizid etwa acht Monate nach Beendigung der Nachstellungshandlungen durch den Angeklagten etwas an der Annahme des gefahrspezifischen Zusammenhangs. Insoweit gilt Folgendes:
(1) Der Grundtatbestand des § 238 Abs. 1 StGB bezweckt gerade den Schutz des Nachstellungsopfers vor selbstschädigendem Verhalten unter dem Einfluss der in der Vorschrift im Einzelnen normierten Nachstellungshandlungen. Insoweit setzt die Bestimmung einen Taterfolg in Gestalt einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers voraus, der darin besteht, dass das Nachstellungsopfer gravierende Einschränkungen in seiner Lebensführung unter dem Druck von Nachstellungshandlungen vornimmt, etwa in Form einer Verlegung des Wohnsitzes, eines Wechsels des Arbeitsplatzes oder eines vollständigen Rückzugs aus der Öffentlichkeit (Einzelheiten bei Gericke aaO, Rn. 48 mwN; vgl. auch BT-Drucks. 16/575). Unrechtskern der Vorschrift ist danach die Einschränkung der Autonomie des Opfers bei seiner Lebensführung durch Einwirkungen seitens des Täters. Da diese Einwirkungen im Regelfall psychischer Natur sind (vgl. Gericke aaO, Rn. 16), kann das Maß einer noch verbleibenden Autonomie bei der Entscheidung des Opfers, dem psychischen Druck nachzugeben und zu seinem eigenen Schutz sein Leben tiefgreifend zu ändern, rechtlich keine Bedeutung haben.
(2) Die unter II. 2 b (1) dargelegten Grundsätze gelten auch für das erfolgsqualifizierte Delikt des § 238 Abs. 3 StGB. Mag die Selbsttötung des Opfers die Zurechnung des Todeserfolges nach dem Grundsatz eigenverantwortlichen Handelns bei anderen erfolgsqualifizierten Delikten unter Berücksichtigung des jeweiligen Schutzzwecks im Einzelfall ausschließen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 30. September 1970 – 3 StR 119/70, NJW 1971, 152; jeweils in Abgrenzung dazu BGH, Urteile vom 17. März 1992 – 5 StR 34/92, NJW 1992, 1708; und vom 10. Januar 2008 – 5 StR 435/07, BGHR StGB § 227 Todesfolge 6; zur Ablehnung ärztlicher Hilfe s. BGH, Urteil vom 9. März 1994 – 3 StR 711/93, BGHR StGB § 226 Todesfolge 8; zum Eintritt der Todesfolge bei § 239b StGB im Zuge einer Geiselbefreiung vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1985 aaO), so gilt dies im Fall des § 238 Abs. 3 StGB – wenn ein motivationaler Zusammenhang mit der Nachstellungshandlung gegeben ist und diese Motivation für das Tatopfer handlungsleitend war – nach Sinn und Zweck der Vorschrift und auf Grund ihres systematischen Zusammenhangs mit dem auf den Schutz vor einer Selbstschädigung angelegten Grunddelikt des § 238 Abs. 1 StGB nicht. Vielmehr stellt sich der durch den selbstschädigenden Akt des Suizids herbeigeführte Tod nur als (letzte) Steigerung der tiefgreifenden Beeinträchtigung der Lebensführung des Opfers im Sinne des § 238 Abs. 1 StGB dar, die als schwere Folge nach dem Willen des Gesetzgebers der höheren Strafdrohung unterliegen soll. Dabei hatte der Gesetzgeber bei der Schaffung der Vorschrift nicht nur den Fall vor Augen, in dem das Opfer etwa auf der Flucht vor dem nachstellenden Täter zu Tode kommt, sondern auch den, bei dem das Opfer vom Täter in den Selbstmord getrieben wird (BT-Drucks. 16/3641, S. 14). Da § 238 Abs. 1 StGB so gefasst ist, dass dem Täter das Opferverhalten als unfreiwillig im Rechtssinne zugerechnet wird, weil es sich als psychische Folge seiner Nachstellungen darstellt (so zutr. Gericke aaO, Rn. 54), ist über einen handlungsleitenden motivationalen Zusammenhang hinaus für eine Einschränkung des gefahrspezifischen Zusammenhangs zwischen Nachstellung und Todesfolge auch dann kein Raum, wenn das infolge intensiver Nachstellungshandlungen unter einer sich verstärkenden posttraumatischen Belastungsstörung leidende Opfer – wie hier – ärztliche Behandlung ablehnt und seinem Leben selbst ein Ende setzt.
3. Auch die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe hinsichtlich der Verursachung der Todesfolge fahrlässig im Sinne von § 18 StGB gehandelt, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
a) Da der Täter bei einem erfolgsqualifizierten Straftatbestand schon durch die schuldhafte Verwirklichung des Grunddelikts objektiv und subjektiv pflichtwidrig handelt, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs alleiniges Merkmal der Fahrlässigkeit die Vorhersehbarkeit der qualifizierenden Tatfolge, hier des Todes des Opfers (vgl. nur Senatsurteile vom 16. März 2006 – 4 StR 536/05, BGHSt 51, 18, 21; und vom 15. November 2007 – 4 StR 453/07, NStZ 2008, 686, jeweils mwN; ebenso schon BGH, Urteil vom 17. März 1992 – 5 StR 34/92, NJW 1992, 1708, 1709). Hierfür ist entscheidend, ob vom Täter in seiner konkreten Lage nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten der Eintritt des Todes des Opfers vorausgesehen werden konnte oder ob die tödliche Gefahr für das Opfer so weit außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit lag, dass die qualifizierende Folge dem Täter deshalb nicht zuzurechnen ist (Senatsurteile, jeweils aaO). Besteht die schwere Folge, wie hier, im Eintritt des Todes, braucht sich die Vorhersehbarkeit nicht auf alle Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs zu erstrecken, insbesondere nicht auf die durch die Tathandlung ausgelösten, im Einzelnen ohnehin nicht einschätzbaren somatischen Vorgänge, die den Tod schließlich ausgelöst haben; es genügt vielmehr die Vorhersehbarkeit des Erfolges im Allgemeinen (Senatsurteile, jeweils aaO mwN; vgl. auch BGH, Urteile vom 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02, BGHSt 48, 34, 39; vom 12. Februar 1992 – 3 StR 481/91, BGHR StGB § 226 [aF] Todesfolge 4; und vom 24. Januar 1995 – 1 StR 707/94, NStZ 1995, 287, 288).
b) Gemessen daran ist das Landgericht ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass der Suizid der B. für den Angeklagten vorhersehbar war. Die Urteilsgründe ergeben, dass die mehrere Tatvarianten des § 238 Abs. 1 StGB erfüllenden Nachstellungshandlungen zu einer gerade auf tiefgreifender Angst vor dem Angeklagten beruhenden, schwerwiegenden Beeinträchtigung aller Lebensbereiche der B. führten, was von dessen Vorsatz in jeder Hinsicht umfasst war. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nach seinen kognitiven Fähigkeiten nicht in der Lage war, seine Handlungen zutreffend zu bewerten und auch deren langfristige Wirkung auf die Geschädigte bis hin zu einem möglichen Tod durch Suizid auf Grund der durch die Nachstellungen ausgelösten schweren depressiven Erkrankung einzuschätzen und damit auch vorherzusehen, hat die Strafkammer zutreffend verneint. Die festgestellten intensiven Nachstellungshandlungen, mit denen er gezielt zerstörerisch in alle Lebensbereiche von B. einwirkte, konnte das Landgericht vielmehr als Beleg dafür heranziehen, dass er mit (weiteren) psychischen Folgen und – sei es auch, wie hier, mit zeitlicher Verzögerung – mit einem möglicherweise tödlichen Ausgang hätte rechnen können. Dies gilt, wie das Landgericht zutreffend hervorhebt, insbesondere unter Berücksichtigung mehrerer schon kurze Zeit nach der aus nichtigem Anlass vollzogenen Trennung an B. übermittelten Nachrichten. Darin ist u.a. die Rede davon, ihr Verhalten werde „ihr das Genick brechen“, es „wird dich töten, irgendwann im Leben, pass auf dich auf…“.
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