Entscheidungsdatum: 15.09.2016
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 21. März 2016 wird Ziffer 2. des Tenors dieses Urteils dahin geändert, dass festgestellt ist, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin die künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind; im Übrigen wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen sowie die in der Revisionsinstanz im Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen der Nebenklägerin zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in acht Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes, in sechs Fällen in Tateinheit mit Beischlaf zwischen Verwandten, davon in vier Fällen in weiterer Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Ferner hat es ihn zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an die Adhäsionsklägerin verurteilt und festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin "sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die aufgrund der festgestellten […] Straftaten entstanden sind und noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden". Gegen das Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung der Adhäsionsentscheidung.
1. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet. Der Erörterung bedarf insoweit lediglich das Folgende:
Die erhobene Verfahrensrüge der Verletzung des § 252 StPO dadurch, dass das Landgericht trotz Ungewissheit über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts die polizeilichen Vernehmungen der Tochter des Angeklagten durch Vernehmung der Verhörsperson und die richterliche Vernehmung – im Einverständnis des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, des Verteidigers und der Vertreterin der Nebenklägerin – durch deren Verlesung eingeführt habe, ist jedenfalls unbegründet. Der Revision ist zuzugeben, dass wegen des Verwertungsverbotes des § 252 StPO eine Vernehmung von nichtrichterlichen Verhörspersonen oder eine Verlesung des richterlichen Vernehmungsprotokolls nach § 251 Abs. 2 Nr. 3 StPO erst dann zulässig ist, wenn Gewissheit darüber besteht, dass der Zeugnisverweigerungsberechtigte zur Aussage bereit ist (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 2000 – 1 StR 589/99, NStZ-RR 2000, 210 f.; Urteil vom 11. April 1973 – 2 StR 42/73, BGHSt 25, 176, 177). Letzteres ist indessen nach den Maßstäben des Freibeweises zu prüfen, nach denen eine weitere Erforschung der prozessual bedeutsamen Tatsachen jedenfalls dann nicht geboten ist, wenn aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles ein sicherer Schluss darauf möglich ist, dass der Zeuge von seinem Recht zur Zeugnisverweigerung keinen Gebrauch machen will (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1995 – 1 StR 606/95, NStZ 1996, 295; Sander/Cirener in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 252 Rn. 16 mwN). So liegt der Fall hier, denn eine Ungewissheit über die Aussagebereitschaft der mittlerweile volljährigen Nebenklägerin bestand nicht, wie sich aus dem von der Revision selbst vorgelegten Schriftsatz der Nebenklägervertreterin vom 9. März 2016, der einen Antrag auf Ausschließung des Angeklagten während der Vernehmung der Nebenklägerin zum Gegenstand hatte, ohne Weiteres entnehmen ließ. Jedenfalls auf Grund dieses unmittelbar vor dem Beginn der Hauptverhandlung am 14. März 2016 eingereichten Antrages durfte das Landgericht bei Durchführung der Beweisaufnahme ohne weitere freibeweisliche Erkundigungen von fortbestehender Aussagebereitschaft der Nebenklägerin ausgehen.
Auch soweit sich das Rechtsmittel gegen die Verurteilung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an die Adhäsionsklägerin wendet, hat es keinen Erfolg.
2. Die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin die entstandenen oder künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten, hält dagegen der rechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.
Entfallen muss die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin die weiteren, bereits entstandenen materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten. Insofern hat die Adhäsionsklägerin weder geltend gemacht noch ist aus ihrem Vortrag ansonsten ersichtlich, welche Schäden bereits entstanden sind und warum sie nicht in der Lage ist, diese Schäden schon jetzt zu beziffern. Für die Feststellungsklage mangelt es daher insoweit am Feststellungsinteresse (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. August 2015 – 2 StR 585/15, juris Rn. 6 f.; vom 3. Dezember 2013 – 4 StR 471/13, StV 2014, 269, Rn. 4; BGH, Urteil vom 20. Mai 2008 – X ZR 6/06; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 256 Rn. 7a mwN), zumal eine Fallgestaltung derart, dass bereits ein Feststellungsurteil – etwa wegen Beteiligung einer Versicherung oder der öffentlichen Hand auf Schuldnerseite – zu endgültiger Streitbeilegung führen würde (vgl. Zöller/Greger, aaO Rn. 8 mwN), im vorliegenden Fall weder dargetan noch sonst ersichtlich ist.
3. Der Senat hat im Hinblick auf den nur geringen Erfolg der Revision keinen Anlass, den Angeklagten teilweise von den Kosten und Auslagen des Rechtsmittels zu entlasten (§ 473 Abs. 4, § 472a Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Paul