Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 22.11.2012


BGH 22.11.2012 - 4 StR 302/12

Zeitgleiche Begehung von Straftaten: Konkurrenzverhältnis zwischen dem Unterhalten eines Waffenlagers und dem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
4. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
22.11.2012
Aktenzeichen:
4 StR 302/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Bochum, 27. April 2012, Az: 1 KLs 46 Js 102/11 - 43/11
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 27. April 2012 wird

a) der Vorwurf des unerlaubten Besitzes von Munition mit Zustimmung des Generalbundesanwalts von der Verfolgung ausgenommen,

b) das vorbezeichnete Urteil, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist,

aa) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Schusswaffen, und des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in drei Fällen schuldig ist,

bb) hinsichtlich der in den Fällen II.1, II.2, II.3, II.6 und II.7 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen und wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Waffen- und Munitionsbesitz unter Freispruch im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz in einer Höhe von 7.000 Euro angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

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1. Nach den Feststellungen bewahrte der Angeklagte in seiner Wohnung seit dem Jahr 2009 drei Pistolen verschiedener Fabrikate, einen Minirevolver und ein Kleinkaliber-Einzelladergewehr sowie Munition unterschiedlicher Kaliber auf. Im November 2010 kaufte er bei dem gesondert Verfolgten S.   100 Gramm Marihuana sowie 2 Gramm Kokainzubereitung und übergab ihm später als Sicherheit für dieses Geschäft eine Pistole der Marke B. aus seinem Waffenbestand. Im Dezember 2010 kaufte der Angeklagte von S.   870 Gramm Haschisch mit einem THC-Anteil von 10 %, die er nach kurzer Lagerzeit in seiner Wohnung mit Gewinn weiterverkaufte (Fall II.1). Im Februar 2011 kaufte der Angeklagte von S.   2.100 Gramm Haschisch mit einem THC-Anteil von 10 %, von denen er 2.000 Gramm sofort mit Gewinn an einen seiner Abnehmer weiterverkaufte. Die restlichen 100 Gramm nahm er mit in seine Wohnung. Auch dieses Rauschgift war für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt (Fall II.2). Am 16. April 2011 kaufte der Angeklagte von S.   drei Gramm Kokainzubereitung mit einem CHC-Anteil von 40 % zum Eigenkonsum und verarbeitete dieses Rauschgift in seiner Wohnung zu Crack (Fall II.3). Mitte April 2011 überließ der Angeklagte dem anderweitig verfolgten S.   aus seinem Waffenlager die ihm noch verbliebenen Pistolen und den Minirevolver als „Pfand“. Am 18. April 2011 kaufte er von S.   1.000 Gramm Haschisch mit einem THC-Anteil von 10 % und verkaufte dieses nach kurzer Lagerung in seiner Wohnung mit Gewinn weiter (Fall II.4 der Urteilsgründe). Am 27. April 2011 übernahm der Angeklagte von S.   2.000 Gramm Marihuana. Die geforderte Vorkasse von 4.600 Euro vermochte er nicht zu leisten. Angesichts seiner schlechten Finanzlage kam der Angeklagte mit S.   überein, dass die im Dezember 2010 und April 2011 überlassenen Pistolen mit jeweils 1.000 Euro auf die Schulden des Angeklagten verrechnet werden. Nachdem der Angeklagte das Marihuana wegen Minderqualität zurückgegeben hatte, erhielt er dafür von S.   im Austausch 500 Gramm Amphetaminzubereitung mit einem Amphetaminbaseanteil von 7,5 %. Der hierfür vereinbarte Kaufpreis in Höhe von 900 Euro war von der Verrechnungsabrede mit umfasst. Auch dieses Rauschgift war für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt (Fall II.5 der Urteilsgründe). Unabhängig hiervon kaufte der Angeklagte in zwei Fällen noch jeweils zwei Gramm Kokainzubereitung mit einem CHC-Anteil von 40 %, die für seinen Eigenverbrauch bestimmt waren. Im ersten Fall wurde das Rauschgift von ihm bar bezahlt (Fall II.6 der Urteilsgründe). Im zweiten Fall kaufte der Angeklagte bei dem anderweitig verfolgten B.   , der ihm das Rauschgift in seine Wohnung liefern ließ (Fall II.7 der Urteilsgründe).

3

2. Der Senat hat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts den Vorwurf des unerlaubten Besitzes von Munition nach § 52 Abs. 3 Nr. 2b WaffG gemäß § 154a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO von der Verfolgung ausgenommen, weil diese Gesetzesverletzung für die Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fällt.

4

3. Die Revision hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), soweit der Angeklagte in den Fällen II.1, II.2, II.3, II.6 und II.7 der Urteilsgründe auch wegen unerlaubten Besitzes von Schusswaffen gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 2a WaffG verurteilt worden ist. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

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a) Der Angeklagte hat während des gesamten Tatzeitraumes ein Waffenlager unterhalten. Dadurch wurde der Besitz aller angesammelten Waffen – losgelöst von deren waffenrechtlicher Einordnung – zu einer unter Konkurrenzgesichtspunkten einheitlichen Dauerstraftat nach dem Waffengesetz verbunden (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2003 – 1 StR 457/02, NStZ-RR 2003, 124, 125). Das Konkurrenzverhältnis dieser Dauerstraftat zu den zeitgleich begangenen Betäubungsmittelstraftaten beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen. Die Annahme von Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) setzt daher voraus, dass die maßgeblichen Tatbestände wenigstens teilweise durch ein und dieselbe Handlung verwirklicht worden sind. Die bloße Gleichzeitigkeit reicht dazu nicht aus (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999 – 4 StR 78/99, NStZ 2000, 85; Beschluss vom 25. November 1997 – 5 StR 526/96, BGHSt 43, 317, 319). Eine tateinheitliche Verknüpfung zwischen dem Waffenbesitz und den Betäubungsmittelstraftaten kann sich auch dann ergeben, wenn Ausführungshandlungen zu beiden Gesetzesverletzungen die Merkmale eines dritten Delikts erfüllen und dieses Delikt aufgrund seiner Schwere zwischen beiden eine Klammerwirkung zu entfalten vermag. Dies gilt auch dann, wenn das verbindende (dritte) Delikt nach den §§ 154, 154a StPO ausgeschieden worden ist (BGH, Beschluss vom 6. September 1988 – 1 StR 481/88, BGHR StGB § 52 Abs. 1 Klammerwirkung 3).

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b) Aus den Feststellungen ergibt sich nicht, dass es in den Fällen II.1, II.2, II.3, II.6 und II.7 der Urteilsgründe zu Überschneidungen zwischen dem Besitz der diversen Schusswaffen und den jeweiligen Betäubungsmittelstraftaten gekommen ist. Der Umstand, dass der Angeklagte die Betäubungsmittel zeitweilig in seiner Wohnung aufbewahrte, wo sich auch seine Waffensammlung befand, vermag keinen eine Handlungseinheit begründenden Zusammenhang zu belegen. Eine zeitgleiche Aufbewahrung von Waffen und Betäubungsmitteln kann die Annahme einer Handlungseinheit regelmäßig nur dann rechtfertigen, wenn darüber hinaus ein – hier nicht festgestellter – funktionaler Zusammenhang zwischen beiden Besitzlagen besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 1994 – 5 StR 189/94, Heinrich in Steindorf/Heinrich/Papsthart, Waffenrecht, 9. Aufl., § 52 WaffG Rn. 90b). Die ebenfalls nach § 52 Abs. 3 Nr. 7 WaffG strafbare Überlassung der dem Waffenlager entnommenen Pistole B. im Dezember 2010 diente allein der finanziellen Absicherung des nicht abgeurteilten Ankaufs von 100 Gramm Marihuana und 2 Gramm Kokainzubereitung im November 2010 und stand in keinem Zusammenhang mit den größeren Betäubungsmittelgeschäften des Angeklagten vom Dezember 2010 und Februar 2011 (Fälle II.1 und 2 der Urteilsgründe), sowie dem Kokainankauf im April 2011 (Fall II.3 der Urteilsgründe).

7

c) Dagegen weist die tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Schusswaffen gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 2a WaffG in den Fällen II.4 und II.5 der Urteilsgründe keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler auf.

8

Der Senat entnimmt den Feststellungen, dass der zu Handelszwecken erfolgte Betäubungsmittelankauf vom 18. April 2011 (Fall II.4 der Urteilsgründe) durch die Mitte April erfolgte Hingabe der drei weiteren Schusswaffen aus der Waffensammlung des Angeklagten abgesichert worden ist. Die darin liegende – vom Landgericht nach § 154a Abs. 2 StPO ausgeschiedene (UA 13) – Überlassung von Schusswaffen nach § 52 Abs. 3 Nr. 7 WaffG verknüpft den durch den Unterhalt der Waffensammlung verwirklichten unerlaubten Besitz von Schusswaffen mit dem in dem abgesicherten Betäubungsmittelgeschäft liegenden Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Tateinheit.

9

Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Der weitere Besitz der Waffen, insbesondere an dem noch verbliebenen Kleinkaliber-Einzelladergewehr, stellt zwar ein selbstständig zu beurteilendes Dauerdelikt nach § 52 Abs. 3 Nr. 2a WaffG dar (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 1998 – 2 StR 670/97, NStZ-RR 1999, 8, 9). Das Unterlassen der gesonderten Aburteilung dieser Straftat und die im Fall II.5 erfolgte Annahme von Tateinheit beschweren den Angeklagten aber nicht.

10

4. In den Fällen II.1, II.2, II.3, II.6 und II.7 der Urteilsgründe war die jeweils erkannte Einzelstrafe aufzuheben, weil das Landgericht den tateinheitlich begangenen Verstoß gegen das Waffengesetz strafschärfend berücksichtigt hat. Dadurch verliert auch der Gesamtstrafenausspruch seine Grundlage.

11

In den Fällen II.4 und II.5 der Urteilsgründe ist aufgrund der Verfolgungsbeschränkung lediglich der Schuldspruch wegen des tateinheitlich begangenen Besitzes von Munition weggefallen. Der Senat vermag auszuschließen, dass das Landgericht in diesen Fällen auf eine noch mildere Strafe erkannt hätte, sodass die Einzelstrafen bestehen bleiben können.

12

Die Anordnung des Wertersatzverfalls kann ebenfalls bestehen bleiben, weil sie allein an die rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen anknüpft und in keinem inneren Zusammenhang mit dem Strafausspruch steht (vgl. BGH, vom 5. Dezember 1996 – 5 StR 542/96, NStZ-RR 1997, 270, 271).

Mutzbauer                          Cierniak                           Franke

                      Schmitt                          Quentin