Entscheidungsdatum: 28.09.2016
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 3. Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen vorsätzlichen Bankrotts in Tateinheit mit Untreue zu einer Geldstrafe von jeweils 180 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt und festgestellt, dass hiervon jeweils 30 Tagessätze als vollstreckt gelten. Von weiteren Tatvorwürfen sind die Angeklagten freigesprochen worden. Die gegen ihre Verurteilung gerichteten Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Die Angeklagten waren Geschäftsführer und alleinige Gesellschafter der P. & F. GmbH sowie der P. & F. OHG. Über die GmbH mieteten die Angeklagten von Einkaufsmärkten Flächen zum Betrieb von kleineren Verkaufsständen für mediterrane Lebensmittel – sogenannten "Gourmet-Inseln". Die Angeklagten betrieben diese "Gourmet-Inseln" jedoch nicht selbst, sondern dies erfolgte über sogenannte Systempartner, an welche die einzelnen Flächen untervermietet wurden. Die Systempartner wurden für den Geschäftsbetrieb von der OHG mit mediterranen Lebensmitteln beliefert.
Zunächst entwickelte sich das Geschäftsmodell der Angeklagten sehr erfolgreich mit deutschlandweit bis zu 70 Standortbetreibern. Die GmbH hatte im Jahr 2005 einen Umsatz in Höhe von circa 1,5 Millionen Euro, im Jahr 2006 in Höhe von circa 2,6 Millionen Euro.
Als sich im Jahr 2007 – unter anderem wegen ausbleibender Zahlungen des Untermietzinses durch einzelne Systempartner – der Geschäftsbetrieb der GmbH trotz weiterhin hohen Umsatzes als defizitär darstellte, entschlossen sich die Angeklagten, im Rahmen eines Sanierungskonzeptes die Anzahl der Standorte zu reduzieren und ertragreiche Untermietverträge auf hierfür neu gegründete Gesellschaften zu übertragen.
Am 20. Juli 2007 übertrugen die Angeklagten 13 Untermietverträge auf die am 16. Juli 2007 gegründeten Gesellschaften D. 1 Ltd. & Co. KG, D. 2 Ltd. & Co. KG und D. 3 Ltd. & Co. KG. Diese drei Gesellschaften erhielten in der Folge für die betroffenen Flächen die Zahlungen des Untermietzinses seitens der Systempartner, während sie ihrerseits den gegenüber den Einkaufsmärkten geschuldeten Mietzins entrichteten.
Die D. 1-3 Ltd. & Co. KG erzielten durch die auf sie "ausgelagerten" Untermietverträge im Zeitraum Dezember 2007 bis 17. März 2008 zusammen durchschnittlich einen monatlichen Überschuss von insgesamt rund 5.294 Euro, welcher – hiervon "gehe die Kammer aus" – auch in den Monaten August bis Dezember 2007 vereinnahmt wurde.
Bis einschließlich Juli 2007 lag weder eine buchmäßige noch eine rechnerische Überschuldung der GmbH vor noch bestand oder drohte eine Zahlungsunfähigkeit. Durch die Übertragung der 13 Untermietverträge verschärfte sich die Situation der GmbH indes wesentlich, was ihre spätere Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit mitursächlich herbeiführte.
Am 30. September 2007 ergab sich erstmals eine buchmäßige Überschuldung der GmbH in Höhe von 62.652 Euro. Am 1. Februar 2008 wurde aufgrund eines am 7. Dezember 2007 gestellten Eigenantrages das Insolvenzverfahren über die GmbH eröffnet. Diese war zu diesem Zeitpunkt überschuldet und zahlungsunfähig. Es bestand eine Liquiditätslücke von etwa 1,9 Millionen Euro.
Den Angeklagten war bewusst, dass der durch die "Auslagerung" der 13 Untermietverträge bedingte Wegfall erheblicher liquider Mittel mitursächlich für die spätere Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der GmbH sein würde.
2. Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten durch die "Auslagerung" der 13 Untermietverträge die Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der P. & F. GmbH herbeigeführt, ist nicht tragfähig begründet.
a) Das Landgericht ist zwar von dem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen, wonach im Rahmen von § 283 Abs. 2 StGB eine Mitursächlichkeit der Tathandlung für die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit ausreichend ist (Reinhart in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 283 Rn. 64; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 283 Rn. 31; LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 283 Rn. 180; MüKo-StGB/Radtke/Petermann, 2. Aufl., § 283 Rn. 70; Bittmann in: Insolvenzstrafrecht, § 12 Rn. 271).
Eine solche Mitursächlichkeit der "Auslagerung" der 13 Untermietverträge für die letztlich eingetretene Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der GmbH wird durch das Urteil jedoch nicht in ausreichender Weise belegt. In der Beweiswürdigung verweist das Landgericht lediglich darauf, dass die Feststellung der Mitursächlichkeit auf einer Gesamtschau des Geschehensablaufs und einer Bewertung der festgestellten Vermögensverhältnisse beruhe. Die Bejahung eines Kausalzusammenhangs hätte jedoch einer eingehenderen Begründung – gegebenenfalls auf Grundlage sachverständiger Beratung zu dieser Frage – bedurft. Dies gilt insbesondere, weil es sich bereits nach den getroffenen Feststellungen zu dem Finanzstatus der GmbH keineswegs von selbst versteht, dass ein monatlicher Fehlbetrag in Höhe von 5.294 Euro ab August 2007 mitursächlich war für die nur wenige Monate später eingetretene Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit. Denn bereits zum 30. September 2007 lag eine Überschuldung der GmbH in Höhe von 62.652 Euro vor und zum 1. Februar 2008 bestand eine Liquiditätslücke in Höhe von etwa 1,9 Millionen Euro. Es hätte angesichts dieser Umstände der näheren Erläuterung bedurft, inwiefern sich das zusätzliche Fehlen eines monatlichen Betrages von 5.294 Euro noch maßgeblich auswirkte für die letztlich eingetretene Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der GmbH.
b) Zudem wird durch die Beweiswürdigung nicht nachvollziehbar belegt, ob und in welchem Umfang die "ausgelagerten" Untermietverhältnisse überhaupt profitabel waren.
aa) Soweit sich die Strafkammer für das Vorliegen der Profitabilität pauschal auf die Ausführungen des Sachverständigen B. bezogen hat, werden weder der wesentliche Inhalt seines Gutachtens noch konkrete – zahlenmäßig bezifferte – Ergebnisse des Sachverständigen zu erzielten Überschüssen im Urteil mitgeteilt, so dass hierdurch die Feststellungen zur Mitursächlichkeit nicht belegt werden.
bb) Die von der Strafkammer selbst angestellten Erwägungen zur Profitabilität der betroffenen Flächen sind ebenfalls nicht tragfähig.
Es begegnet bereits im Ansatz Bedenken, wenn die Strafkammer davon ausgeht, es könne von dem durchschnittlichen Zahlungsverhalten der betroffenen 13 Systempartner im Zeitraum von Dezember 2007 bis 18. März 2008 auf das zeitlich vorgelagerte Zahlungsverhalten von August bis Dezember 2007 – sicher – rückgeschlossen werden. Die in dem Urteil tabellarisch erfassten Mietzinszahlungen im Zeitraum von Dezember 2007 bis 18. März 2008 belegen nämlich ein äußerst unregelmäßiges Zahlungsverhalten der Systempartner – teils wurden Mietzinsen mit erheblicher Verspätung, teils für ganze Monate gar nicht gezahlt.
Zudem leidet die von dem Landgericht angestellte Berechnung der monatlich durchschnittlich erzielten Überschüsse bezüglich der D. 1 Ltd. & Co. KG und der D. 2 Ltd. & Co. KG an einem Fehler. Die Strafkammer hat für die Berechnung der durchschnittlich von den Systempartnern an die vorgenannten Gesellschaften geleisteten Mietzinszahlungen die Kontoeingänge von vier Monaten (Dezember 2007 sowie Januar bis März 2008) addiert. Wie eine rechnerische Nachverfolgung ergibt, wurde die sich hieraus jeweils ergebende Summe jedoch anschließend in beiden Fällen durch drei geteilt anstatt richtigerweise – der Anzahl der zugrunde gelegten Monate entsprechend – durch vier. Hierdurch ergeben sich zu hohe Durchschnittswerte bezüglich der monatlichen Mietzinseinnahmen, was auf die Berechnung der erzielten Überschüsse durchschlägt. Teilt man die Summe der auf den Konten eingegangenen Mietzinszahlungen richtigerweise durch vier und legt die sich hieraus ergebenden Werte der Berechnung zugrunde, ergibt sich für die D. 1 Ltd. & Co. KG nur noch ein monatlicher Überschuss von circa 90 Euro und für die D. 2 Ltd. & Co. KG sogar ein Defizit.
Schon aus diesem Grund ist auch das Vorliegen einer existenzgefährdenden Vermögensverfügung zu Lasten der GmbH als Grundlage der Verurteilung wegen Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB nicht rechtsfehlerfrei belegt.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Paul