Entscheidungsdatum: 13.08.2013
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 12. März 2013
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass in den Fällen II. 1 bis 3 der Urteilsgründe die tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen entfällt,
b) im Adhäsionsausspruch aufgehoben; von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag der Nebenklägerin wird abgesehen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die sonstigen durch dieses Verfahren entstandenen Auslagen tragen der Beschwerdeführer und die Adhäsionsklägerin selbst.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall der Adhäsionsentscheidung; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
1. Die Rüge der Verletzung von § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO, da das Landgericht einen Beweisantrag des Beschwerdeführers auf Einholung eines psychologischen Gutachtens zur Glaubhaftigkeit der Aussage der Nebenklägerin zu Unrecht zurückgewiesen habe, ist aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 2. Juli 2013 jedenfalls unbegründet.
2. a) Der Schuldspruch bedarf in den Fällen II. 1 bis 3 der Urteilsgründe der Änderung dahin, dass der Angeklagte in diesen Fällen allein des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes (§ 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB in der bis zum 31. März 2004 geltenden Fassung) schuldig ist. Die Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichten sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB) muss entfallen, weil insoweit Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Daran ändert es nichts, dass – was der Senat nach § 354a StPO zu beachten hat – nach § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB in der durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) geänderten Fassung die Verjährung nunmehr auch bei Straftaten nach § 174 StGB bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Opfers ruht. Diese Regelung gilt zwar auch rückwirkend für vor Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. April 2004 begangene Taten; ihre Anwendung ist indes ausgeschlossen, wenn zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes bereits Verjährung eingetreten war (Senatsbeschluss vom 24. Juni 2004 – 4 StR 165/04, BGHR StGB § 78b Abs. 1 Ruhen 12; vgl. auch BGH, Beschluss vom 7. September 2006 – 5 StR 364/06).
So verhält es sich hier. Nach den Feststellungen des Landgerichts ereigneten sich die von den Fällen II. 1 bis 3 der Urteilsgründe erfassten Taten zu jeweils nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten zwischen November 1998 und April 1999. Danach ist in Anwendung des Zweifelssatzes zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass die für den Tatbestand des § 174 StGB maßgebliche fünfjährige Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) vor dem 1. April 2004 bereits abgelaufen war.
b) Der Senat schließt aus, dass der Tatrichter in diesen Fällen auf niedrigere Einzelstrafen erkannt hätte, wenn er die Strafverfolgungsverjährung im Hinblick auf die Strafbarkeit gemäß § 174 StGB beachtet hätte. Die Strafkammer hat zwar die tateinheitliche Verwirklichung von zwei Straftatbeständen erschwerend herangezogen, bei der Bemessung der Einzelstrafen aber neben den psychischen Tatfolgen maßgeblich zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass die Geschädigte bei Begehung dieser Taten noch sehr jung war und die Durchführung des Analverkehrs ihr starke Schmerzen bereitete. Schließlich darf auch die Verwirklichung teilverjährter idealkonkurrierender Delikte strafschärfend berücksichtigt werden (BGH, Beschluss vom 6. April 2001 – 2 StR 75/01).
3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
II.
1. Der Adhäsionsausspruch über die Zuerkennung von Schmerzensgeld kann jedoch keinen Bestand haben.
a) Der von der Nebenklägerin vor Beginn der Hauptverhandlung vor dem Landgericht gestellte Adhäsionsantrag entsprach nicht den inhaltlichen Anforderungen des § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO. Nach dieser Vorschrift muss der Adhäsionsantrag u.a. den Gegenstand und den Grund des geltend gemachten Anspruchs bestimmt bezeichnen (vgl. dazu LR-StPO/Hilger, 26. Aufl., § 404 Rn. 1 mwN). Das ist hier nicht geschehen.
b) Zwar hat der Bevollmächtigte der Nebenklägerin mit einem beim Landgericht am 2. Oktober 2012 eingegangenen Schriftsatz einen einschließlich der Zinsforderung bezifferten Schmerzensgeldanspruch als Adhäsionsantrag geltend gemacht (SA II/105). In dem Schriftsatz ist zum Grund des Anspruchs aber lediglich ausgeführt, eine ausführliche Begründung werde erfolgen, wenn die Anklageschrift vorliege. Zur Höhe des verlangten Schmerzensgeldes enthält der Schriftsatz nur den allgemeinen Hinweis auf die mehrfachen und jahrelangen strafrechtlich relevanten Handlungen und die dadurch bei der Nebenklägerin hervorgerufenen sehr schweren psychischen Beeinträchtigungen. Die angekündigte ausführliche Begründung des Adhäsionsantrags ist auch nach Kenntnisnahme von der Anklageschrift nicht erfolgt, auch nicht in Form einer bloßen Bezugnahme auf die in der Anklageschrift erhobenen Tatvorwürfe. Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, welche generellen Anforderungen an einen wirksamen Adhäsionsantrag im Sinne von § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO zu stellen sind. Jedenfalls im vorliegenden Fall genügte die Begründung aus dem Schriftsatz vom 1. Oktober 2012 allein nicht. Dem Angeklagten wurden in der Anklage insgesamt 30 Straftaten zum Nachteil der Nebenklägerin über einen Zeitraum von etwa sechs Jahren an verschiedenen Orten vorgeworfen. In der Abschlussverfügung hatte die Staatsanwaltschaft das Verfahren zudem wegen weiterer aktenkundiger Taten zum Nachteil der Nebenklägerin vorläufig im Hinblick auf die angeklagten Taten gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt. Schon angesichts des Umfangs der angeklagten und der eingestellten Vorwürfe hätte es genauerer Darlegungen der Nebenklägerin bedurft, auf welche der Taten zu ihrem Nachteil sie ihren Adhäsionsantrag auf Zahlung eines Schmerzensgeldes, der dieselben Wirkungen wie die Erhebung einer zivilrechtlichen Klage hat (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – 1 StR 412/03, StraFo 2004, 144), stützen wollte.
2. Eine Zurückverweisung der Sache allein zur prozessordnungsgemäßen Nachholung des Adhäsionsverfahrens kommt nicht in Betracht, da ein wirksamer Antrag nicht mehr rechtzeitig gestellt werden könnte. Der Senat spricht deshalb aus, dass insoweit gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 und 6 StPO von einer Entscheidung abgesehen wird (vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2007 – 3 StR 426/07, StV 2008, 127).
III.
Eine Entscheidung gemäß § 473 Abs. 4 StPO kommt angesichts des nur geringfügigen Erfolgs des Rechtsmittels nicht in Betracht. Im Übrigen beruht die Kosten- und Auslagenentscheidung auf § 472a Abs. 2, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin