Entscheidungsdatum: 27.09.2018
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 20. Dezember 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes zu der Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, soweit die Strafkammer die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat.
1. Nach den Feststellungen rauchte der 1993 geborene Angeklagte, der im Alter von 13 Jahren mit dem Konsum von Cannabis begonnen hatte, seit dem 14. oder 15. Lebensjahr täglich etwa vier Joints. Mit 16 Jahren begann er zudem Kokain und gelegentlich Amphetamin zu konsumieren. Alkohol trinkt er in der Regel nur zusammen mit dem Konsum von Kokain. Der Konsum von Cannabis dient dem Angeklagten dazu, vom Kokain „herunterzukommen“ und einschlafen zu können. Der Angeklagte ist weder von Alkohol, Kokain oder Cannabis abhängig noch leidet er an einem Hang, Betäubungsmittel im Übermaß zu konsumieren.
Nach der von der Strafkammer als glaubhaft bewerteten Einlassung des Angeklagten beging er die abgeurteilte Tat - einen gemeinsam mit zwei Mittätern verübten Raubüberfall auf einen Lebensmittelmarkt mit einer Beute von ca. 4.500 € Bargeld -, weil er Schulden bei seinem Dealer hatte.
Zur Begründung der Verneinung eines Hanges im Sinne des § 64 StGB hat sich das Landgericht die Ausführungen des Sachverständigen zu eigen gemacht, wonach angesichts der Tatsache, dass der Angeklagte sich tagsüber intensiv um seine Kinder gekümmert habe sowie dem Fitnesssport nachgegangen sei und erst abends konsumiert habe, keine fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen festzustellen sei. Abgesehen von einem sanierungsbedürftigen Zahnstatus fehle es zudem an ausreichenden Anhaltspunkten für eine erhebliche Beeinträchtigung seiner Gesundheit oder seiner Arbeits- und Leistungsfähigkeit.
2. Diese Ausführungen belegen, dass die Strafkammer ihrer Maßregelentscheidung einen zu engen Begriff des Hanges und damit einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt hat.
Für einen Hang gemäß § 64 StGB ausreichend ist eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer psychischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Konsum von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene aufgrund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 - 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113; vom 21. August 2012 - 4 StR 311/12, RuP 2013, 34 f.). Letzteres ist der Fall bei der Begehung von zur Befriedigung des eigenen Drogenkonsums dienenden Beschaffungstaten (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2016 - 4 StR 408/16 Rn. 6; Urteil vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210). Auch bei Taten, die nicht unmittelbar der Beschaffung von Betäubungsmitteln, sondern der Begleichung von Schulden aus dem eigenen Drogenkonsum dienen, kann ein symptomatischer Zusammenhang mit dem Betäubungsmittelkonsum gegeben sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. März 2008 - 3 StR 38/08, StV 2008, 405; vom 11. Juli 2013 - 3 StR 193/13 Rn. 4; Urteil vom 6. Juli 2017 - 4 StR 124/17 Rn. 3, 9). Dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum die Gesundheit sowie die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt die Bejahung eines Hangs nicht aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Oktober 2016 - 4 StR 408/16 aaO; vom 10. November 2015 - 1 StR 482/15 aaO; vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 f.).
Mit dem für die Bejahung eines Hanges im Sinne von § 64 StGB nach der Rechtsprechung maßgeblichen Kriterium der sozialen Gefährdung bzw. sozialen Gefährlichkeit hat sich die Strafkammer nicht auseinandergesetzt. Vor dem Hintergrund der vom Angeklagten glaubhaft geschilderten Tatmotivation, die für eine symptomatische Verknüpfung von Anlasstat und Betäubungsmittelkonsum sprechen kann, hätte es einer solchen Auseinandersetzung indessen bedurft.
3. Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt, deren Voraussetzungen nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht fernliegen, bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Prüfung und Entscheidung. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht einer Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9).
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