Entscheidungsdatum: 19.01.2016
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Zweibrücken vom 19. Februar 2015 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit einer Verfahrensbeanstandung und der Sachrüge. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
1. Eine das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK) verletzende Tatprovokation liegt nicht vor.
a) Der Bundesgerichtshof nimmt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK aufgrund polizeilicher Tatprovokation an, wenn eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, NStZ 2016, 52, 54 f., Rn. 24; Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 24 f.; Urteil vom 30. Mai 2001– 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 335). Ein in diesem Sinne tatprovozierendes Verhalten ist gegeben, wenn eine polizeiliche Vertrauensperson in Richtung auf das Wecken der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt. Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen, soweit die Einwirkung im Verhältnis zum Anfangsverdacht „unvertretbar übergewichtig“ ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2015 – 2 StR 97/14, NStZ 2016, 52, 54 f., Rn. 24; Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 24 f., Urteil vom 11. Dezember 2013 – 5 StR 240/13, NStZ 2014, 277, 279 Rn. 34 mwN). Spricht eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person lediglich ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation. Ebenso fehlt es an einer Provokation, wenn die Vertrauensperson nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 24 f., Urteil vom 30. Mai 2001 – 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44, 47; Urteil vom 18. November 1999 – 1 StR 221/99, BGHSt 45, 321, 338). In der Judikatur des Bundesgerichtshofes sind die Kriterien, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte an eine Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzende Tatprovokation stellt, berücksichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 128/15, NStZ 2015, 541, 544, Rn. 29). Danach liegt eine Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzende polizeiliche Provokation vor, wenn sich die Ermittlungsperson nicht mehr auf eine „weitgehend passive“ Strafermittlung beschränkt hat. Der Gerichtshof prüft dabei, ob es objektive Anhaltspunkte für den Verdacht gab, dass der Täter an kriminellen Aktivitäten beteiligt oder tatgeneigt war. Dabei können nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die erwiesene Vertrautheit mit aktuellen Preisen von Betäubungsmitteln, die Fähigkeit zu deren kurzfristiger Beschaffung und eine Gewinnbeteiligung des Täters von Bedeutung sein (vgl. EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09, NStZ 2015, 412, 414, Rn. 49 ff. mwN). Bei der Differenzierung zwischen einer rechtmäßigen Infiltrierung durch eine Ermittlungsperson und der (konventionswidrigen) Provokation einer Straftat befasst sich der Gerichtshof mit der Frage, ob Druck ausgeübt wurde, die Straftat zu begehen. Dabei hat der Gerichtshof unter anderem darauf abgestellt, ob die Ermittlungsperson von sich aus Kontakt zu dem Täter aufgenommen, ihr Angebot trotz anfänglicher Ablehnung erneuert oder den Täter mit den Marktwert übersteigenden Preisen geködert hat (vgl. EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 54648/09, NStZ 2015, 412, 414, Rn. 52 mwN).
b) Daran gemessen hielt sich der Einsatz der polizeilichen Vertrauensperson in den durch den Grundsatz des fairen Verfahrens und das Rechtsstaatsprinzip gezogenen Grenzen.
Denn nach den Feststellungen bestand im Zeitpunkt des ersten Einsatzes der Vertrauensperson der Polizei aufgrund von Hinweisen aus der Rockerszene der Verdacht, dass der Angeklagte in der von ihm mitbetriebenen Gaststätte Betäubungsmittel verkauft. Beim zweiten Treffen kamen der Angeklagte und die Vertrauensperson über das Thema Betäubungsmittel ins Gespräch. Dabei fragte der Angeklagte, ob die Vertrauensperson ihm eine Kokainprobe besorgen könne. Als die Vertrauensperson verneinte, rief dies das Misstrauen des Angeklagten hervor. Nachdem die Vertrauensperson bei einem weiteren Treffen bei dem Angeklagten angefragt hatte, ob nicht er etwas besorgen könne, es müsse sich aber um eine größere Menge handeln, „witterte der Angeklagte ein gewinnbringendes Geschäft“ und sagte „auf Drängen“ der Vertrauensperson hin zu, in einer Woche abzuklären, ob er Amphetamin in größeren Mengen besorgen könne. Er nahm hierauf Kontakt zu dem gesondert verfolgten P. auf, bei dem er in der Vergangenheit Amphetamin gekauft hatte Abschluss zu bringen (Ankauf und Weitergabe von 100 Gramm Amphetamin als von der Vertrauensperson zunächst erbetene Probe, Beschaffung weiterer fünf Kilogramm Amphetamin von P. ). Auch nahm er auf die Ausgestaltung des Geschäftes einen bestimmenden Einfluss (Festlegung der Verkaufsmenge auf einmal fünf Kilogramm statt zweier Geschäfte über jeweils zweieinhalb Kilogramm). Zudem gab der Angeklagte vor, bei „Rauschgiftgeschäften immer etwas einstecken“ zu haben, was für den Fall, dass etwas schieflaufe, eine „Bleivergiftung“ zur Folge habe.
Mit Rücksicht auf die bestehende Verdachtslage beim Erstkontakt, der von dem Angeklagten ausgehenden Anfrage nach dem noch gefährlicheren Betäubungsmittel Kokain und der bei ihm durchgehend handlungsleitenden Gewinnorientierung kommt den weiteren Beiträgen der Vertrauensperson der Polizei nur noch eine nachgeordnete Bedeutung zu. Das festgestellte „Drängen“ der Vertrauensperson war ersichtlich nicht auf das Geschäft als solches, sondern lediglich auf dessen beschleunigte Abwicklung gerichtet. Aus den Verfahrensakten, die der Senat mit Rücksicht auf das mögliche Vorliegen eines Verfahrenshindernisses herangezogen hat, ergeben sich keine weiter gehenden Anhaltspunkte für eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation.
2. Die Verfahrensrüge ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 StPO), weil in Bezug genommene Schriftstücke, die für das Verständnis des Rügevorbringens notwendig sind (Protokolle der Vernehmungen der Vertrauensperson, Durchsuchungsbericht vom 15. April 2014), und der Beschluss der Strafkammer, mit dem die gestellten Anträge abgelehnt worden sind, weder vorgelegt noch ihrem wesentlichen Inhalt nach mitgeteilt werden (vgl. BGH, Urteil vom 4. September 2014 – 1 StR 314/14, Rn. 14; insoweit in NStZ 2015, 98 nicht abgedruckt, Urteil vom 8. Dezember 1993 – 3 StR 446/93, BGHSt 40, 3, 5). Auch ist die Angriffsrichtung der Rüge nicht hinreichend erkennbar.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin