Entscheidungsdatum: 21.11.2013
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 19. Dezember 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision.
Das – vom Generalbundesanwalt vertretene – Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
I.
1. Die zugelassene Anklage hat dem Angeklagten zur Last gelegt, in Halle am 11. Januar 2012 gegen 1.45 Uhr mit einem unbekannt gebliebenen Mittäter den Zeugen N. am Kragen gepackt und am Hals festgehalten zu haben. Während einer der Täter mit einem pistolenähnlichen Gegenstand auf den Kopf des Zeugen gezielt habe, habe der andere dem Opfer mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Nachdem der Geschädigte zu Boden gegangen sei, habe ein Täter im Einvernehmen mit dem anderen dem Opfer mehrfach mit den beschuhten Füßen gegen den Oberkörper und die Oberschenkel getreten. Aus Angst vor weiterer Gewaltanwendung habe N. der Aufforderung der Täter Folge geleistet und ihnen seine schwarze Ledergeldbörse im Wert von 15 € samt Bargeld in Höhe von ca. 20 €, die Personaldokumente, ein weißes Handy „Sony Ericsson“ im Wert von 80 €, seine Brille im Wert von 900 €, seine Winterjacke im Wert von 70 € sowie einen weißen iPod nebst dazugehörigem Kopfhörer im Wert von 230 € herausgegeben. Der Angeklagte habe die erbeuteten Gegenstände anschließend veräußert, um den Erlös für sich zu verwenden.
2. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegte Tat bestritten. Er habe am 11. Januar 2012 in den Vormittagsstunden ein Handy „Sony Ericsson“ und einen iPod von H. , den er aus gemeinsamer Strafhaft kenne, günstig für ca. 20 € bis 30 € erworben. Er sei davon ausgegangen, dass diese Gegenstände H. gehörten. In den Nachmittags- bzw. Abendstunden desselben Tages habe er Handy und iPod in einem An- und Verkaufsgeschäft weiterverkauft und dabei etwa 20 € bis 30 € Gewinn gemacht.
3. Das Landgericht hat die Tat als solche durch die Vernehmung des Geschädigten N. festgestellt; das erbeutete Handy sowie einen iPod habe der Angeklagte am Tattag in einem An- und Verkaufsgeschäft veräußert. Die Einlassung des Angeklagten hat es nicht zu widerlegen vermocht: Entscheidend sei, dass N. keinen der Täter wiedererkennen könne. Eine Vernehmung des H. sei nicht beantragt worden und auch nicht von Amts wegen geboten. Die Strafkammer würde „allein“ aus den Angaben eines eventuellen Mittäters nicht den Schluss ziehen, dass der Angeklagte an dem Überfall beteiligt gewesen sei. Eine Verurteilung wegen Hehlerei komme mangels Nachweises des subjektiven Tatbestandes nicht in Betracht; auch insoweit hätte die Vernehmung von H. nicht ausgereicht, um dem Angeklagten nachzuweisen, er habe gewusst, dass das Handy bei einer Straftat erbeutet worden sei.
II.
Der Freispruch hat keinen Bestand.
1. Die Aufklärungsrüge, die Strafkammer hätte H. vernehmen müssen (§ 244 Abs. 2 StPO), ist allerdings unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO); es fehlt die Angabe der ladungsfähigen Anschrift dieses Zeugen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Mai 2003 – 5 StR 120/03, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 40, und vom 12. Juli 2006 – 5 StR 236/06, NStZ 2006, 713; Urteil vom 9. Dezember 2008 – 5 StR 412/08, NStZ 2009, 468; Becker in Löwe-Rosenberg, 26. Aufl., § 244 Rn. 368).
2. Das Rechtsmittel hat jedoch mit der Sachrüge Erfolg. Die Ausführungen des Landgerichts werden den gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellenden Anforderungen nicht gerecht, weil die Urteilsgründe keine Feststellungen zu Werdegang, Vorleben und Persönlichkeit des Angeklagten enthalten.
a) Derartige Feststellungen sind zwar in erster Linie bei verurteilenden Erkenntnissen notwendig, um nachvollziehen zu können, ob der Tatrichter die wesentlichen Anknüpfungstatsachen für die Strafzumessung (§ 46 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 StGB) ermittelt und berücksichtigt hat. Aber auch bei freisprechenden Urteilen ist der Tatrichter aus sachlich-rechtlichen Gründen zumindest dann zu solchen Feststellungen verpflichtet, wenn diese für die Beurteilung des Tatvorwurfs eine Rolle spielen können und deshalb zur Überprüfung des Freispruchs durch das Revisionsgericht auf Rechtsfehler hin notwendig sind (vgl. BGH, Urteile vom 13. Oktober 1999 – 3 StR 297/99, NStZ 2000, 91, vom 14. Februar 2008 – 4 StR 317/07, NStZ-RR 2008, 206, 207, vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, BGHSt 52, 314, 315, und vom 25. Oktober 2012 – 4 StR 170/12, NStZ-RR 2013, 52).
b) Die Notwendigkeit, die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten umfassend in den Blick zu nehmen, nähere Feststellungen zu dessen Lebenslauf, Werdegang und Persönlichkeit zu treffen sowie diese in den Urteilsgründen darzulegen, richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalles. Hier ergibt sie sich bereits aus der dem Angeklagten zum Vorwurf gemachten Straftat. Ihr liegt ersichtlich die Motivation der Täter zu Grunde, in den Besitz von Gegenständen zu gelangen, die sich rasch versilbern lassen. Daher liegt es nahe, dass den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten Bedeutung auch für die Beurteilung des Tatvorwurfs zukommen kann. Darüber hinaus bedarf es unter dem Gesichtspunkt der entfalteten erheblichen Gewalt der Feststellung, ob eine dahin gehende Bereitschaft in der bisherigen Entwicklung des Angeklagten angelegt ist. Der Wesenszug der hier zu beurteilenden Tat, die rasche Versilberung einer nicht sehr hohen Beute zu einem geringen Preis in einem An- und Verkaufsgeschäft am Tag der Tat, legt zudem den Gedanken an Beschaffungskriminalität nahe; hierzu bedurfte es ebenfalls der ergänzenden Feststellungen.
c) Auch vor dem Hintergrund der vom Angeklagten in der Hauptverhandlung vorgebrachten Einlassung hätten seine persönlichen Verhältnisse nicht unerörtert bleiben dürfen. Danach hatte er bereits Strafhaft verbüßt, so dass vom Vorliegen verwertbarer Vorstrafen auszugehen ist.
3. Für die neue Verhandlung der Sache weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird sich um die Vernehmung des vom Angeklagten benannten H. zu bemühen haben. Der Senat gibt zudem zu bedenken, ob nicht eine Aufklärung der näheren Umstände, unter denen das Opfer den Führerschein und den Personalausweis zurückerhalten hat, weiteren Erkenntnisgewinn verspricht.
b) Auch eine (eindeutige) Verurteilung wegen Hehlerei oder – auf alternativer Tatsachengrundlage – eine (wahlweise) Verurteilung wegen der in der schweren räuberischen Erpressung enthaltenen (einfachen) Erpressung gemäß § 253 StGB und der Hehlerei nach § 259 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 1984 – 1 StR 103/86, bei Holtz, MDR 1986, 793: Wahlfeststellung zwischen dem im Raub enthaltenen Diebstahl und Hehlerei; Urteil vom 20. Februar 1974 – 3 StR 1/74, NJW 1974, 804: Betrug oder Hehlerei) wäre hier zulässig, da es sich unter den hier gegebenen Umständen um dieselbe prozessuale Tat handelt (vgl. BGH, Urteile vom 29. September 1987 – 4 StR 376/87, BGHSt 35, 60, 65 f., und vom 22. Dezember 1987 – 1 StR 423/87, BGHSt 35, 172, 174 f.; Beschlüsse vom 7. Juli 1999 – 1 StR 262/99, NStZ 1999, 523, und vom 22. Dezember 2011 – 4 StR 606/11, wistra 2012, 148, 149). Im Übrigen hat die Staatsanwaltschaft die wirtschaftliche Verwertung der erbeuteten Gegenstände in den konkreten Anklagesatz aufgenommen und im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen nach den Tatumständen näher konkretisiert.
c) Entgegen einer missverständlichen Formulierung der Strafkammer (UA 7: „wusste“) reicht zur Erfüllung des subjektiven Tatbestands der Hehlerei– neben der in § 259 Abs. 1 StGB vorausgesetzten Bereicherungsabsicht – bedingter Vorsatz aus (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 259 Rn. 24 f.).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin