Entscheidungsdatum: 27.09.2017
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 26. Januar 2017
a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die Angeklagten jeweils der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung und versuchter Nötigung schuldig sind,
b) in den Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an das Amtsgericht Kaiserslautern - Strafrichter - zurückverwiesen.
2. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Das Landgericht hat die Angeklagten unter Teileinstellung des Verfahrens und Freispruch im Übrigen jeweils „wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Bedrohung, gemeinschaftlicher Freiheitsberaubung und versuchter gemeinschaftlicher Nötigung sowie wegen gemeinschaftlicher Bedrohung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher versuchter Nötigung“ zu Gesamtfreiheitsstrafen von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung sachlichen Rechts, der Angeklagte H. O. beanstandet darüber hinaus das Verfahren. Beide Rechtsmittel haben jeweils mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Die vom Angeklagten H. O. erhobene Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) hat aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 2. Juni 2017 keinen Erfolg.
II.
1. Die Schuldsprüche des angefochtenen Urteils begegnen in zweifacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken, was gemäß § 354 Abs. 1 StPO analog zu ihrer vom Generalbundesanwalt beantragten Änderung durch den Senat führt.
a) Die tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten wegen Freiheitsberaubung wird von den Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht getragen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs tritt die Freiheitsberaubung im Sinne des § 239 Abs. 1 StGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück, wenn sie nur das Mittel zur Begehung einer anderen Straftat ist, die regelmäßig mit der Beraubung der Freiheit des Opfers einhergeht (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 1. Oktober 1998 - 4 StR 347/98, NStZ 1999, 83; und vom 21. Januar 2003 - 4 StR 414/02, NStZ-RR 2003, 168; SSW-StGB/Schluckebier, 3. Aufl., § 239 Rn. 16). So liegt der Fall hier. Die beiden Angeklagten zerrten die Nebenklägerin in den Toilettenraum des Dönerimbisses und hielten sie dort fest, um sie am weiteren Schreien zu hindern, bis die Mutter der Nebenklägerin hinzukam. Die Freiheitsberaubung diente danach als Nötigungsmittel und entfaltete keine darüber hinausgehende Wirkung.
Die tateinheitliche Verurteilung wegen Freiheitsberaubung hat daher zu entfallen (§ 354 Abs. 1 StPO).
b) Auch die Annahme von Tatmehrheit (§ 53 StGB) zwischen den Handlungsabschnitten im Dönerimbiss und im Badezimmer hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift das Folgende ausgeführt:
„Eine natürliche Handlungseinheit, die mehrere Handlungen im natürlichen Sinne zu einer Einheit im Rechtssinne verbinden kann, liegt vor, wenn zwischen einer Mehrheit gleichartiger strafrechtlich erheblicher Verhaltensweisen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint, und wenn die einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element miteinander verbunden sind (BGH, Urteil vom 10. Februar 2015 - 1 StR 488/14, zit. nach juris Rn. 48 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Die Geschehnisse im Toilettenraum des Dönerimbiss und im Badezimmer stehen in einem unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang. Die Nebenklägerin rannte, nachdem die Angeklagten sie losgelassen hatten, in das Bad der angrenzenden Wohnung, sperrte sich dort ein und rief die Polizei. Somit stellt der Vorfall im Badezimmer lediglich eine Fortsetzung des bedrohenden und nötigenden Verhaltens der Angeklagten gegenüber der Nebenklägerin im Dönerimbiss dar.
Der Senat kann den Schuldspruch entsprechend ändern, § 354 Abs. 1 StPO.“
Dem kann sich der Senat nicht verschließen.
c) Im Übrigen werden die Schuldsprüche von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat insoweit, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Einzelnen ausgeführt hat, auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
2. Die Änderung des Konkurrenzverhältnisses bedingt die Aufhebung der betroffenen Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafen. Letztere hätten aber auch deswegen nicht bestehen bleiben können, weil sie entgegen § 54 Abs. 3 Satz 1 StGB jeweils die Summe der Einzelstrafen erreichen.
3. Der Senat verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Kaiserslautern - Strafrichter - zurück, da dessen Strafgewalt ausreicht (§ 354 Abs. 3 StPO).
Der neue Tatrichter wird die zu Gunsten beider Angeklagten ergangene Kompensationsentscheidung, die von der Aufhebung der Strafaussprüche nicht erfasst wird (BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135), in die Urteilsformel aufnehmen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 141). Die gemeinschaftliche Tatbegehung gehört hingegen nicht in die Urteilsformel (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. Oktober 1977 - 2 StR 410/77, BGHSt 27, 287, 289).
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