Entscheidungsdatum: 07.09.2016
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 19. Januar 2016 wird die Verfolgung gemäß § 154a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO auf die Tatbestände des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte beschränkt.
2. Das vorbezeichnete Urteil wird
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte schuldig ist,
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere - allgemeine - Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es Maßnahmen nach §§ 69, 69a StGB angeordnet.
Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Der Senat nimmt die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen im ersten Tatkomplex (II. 2 der Urteilsgründe) sowie die weitere Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung im zweiten Tatkomplex (II. 3 der Urteilsgründe) mit Blick auf unzureichende Erörterungen zur Frage eines möglichen Rücktritts vom Versuch aus prozessökonomischen Gründen mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 2 StPO von der Strafverfolgung aus.
2. Er ändert ferner das Konkurrenzverhältnis zwischen der im ersten Tatkomplex verbleibenden Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und derjenigen im zweiten Tatkomplex (gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte), da die vom Landgericht insoweit angenommene Tatmehrheit durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist, was die Strafkammer im Ansatz auch nicht verkannt hat, in Fällen einer ununterbrochenen Polizeiflucht regelmäßig von Tateinheit bezüglich aller durch die Fahrt verwirklichten Delikte auszugehen (vgl. nur Senatsurteil vom 20. Februar 2003 - 4 StR 228/02, BGHSt 48, 233, 239; ebenso schon Senatsurteil vom 15. Dezember 1967 - 4 StR 441/67, BGHSt 22, 67, 76). Der vom Landgericht für die Annahme von Tatmehrheit herangezogene Umstand, der Angeklagte habe während der Flucht zwei getrennte Fahrmanöver ausgeführt, da er zunächst aus einer Parkbucht eines öffentlichen Parkplatzes rückwärts herausgefahren und dann - nach Fahrtrichtungswechsel und "Erweiterung seines Blickwinkels" - den Parkplatz Richtung Ausfahrt verlassen habe, trägt nicht. Denn ungeachtet derartiger, den Zufälligkeiten des einzelnen Falles geschuldeter Besonderheiten, verbleibt es bei dem für die Annahme von Tateinheit maßgebenden rechtlichen Gesichtspunkt, wonach in dem einheitlichen Entschluss zu einer Flucht vor der Polizei eine besondere Sachlage zu sehen ist, die in diesen Fällen die Zusammenfassung aller Verletzungen der Strafgesetze zu einer Tat begründet (BGH, Beschluss vom 12. Januar 1995 - 4 StR 742/94, BGHR StGB § 315b Abs. 1 Nr. 3 Konkurrenzen 1). Auch bezüglich mehrerer, einander folgenden Widerstandshandlungen besteht natürliche Handlungseinheit (BGH, Senatsurteil vom 9. März 1978 - 4 StR 64/78, VRS 56, 141).
3. Die Verfahrensbeschränkung sowie die Änderung des Konkurrenzverhältnisses führen zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs.
Im Übrigen bleibt die Revision des Angeklagten aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 19. Mai 2016 erfolglos. Insbesondere mit Blick auf die Gegenerklärung des Verteidigers vom 30. Mai 2016 bemerkt der Senat ergänzend:
Das Landgericht hat bei der rechtlichen Beurteilung der für den Tatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr erforderlichen konkreten Gefahr für Leben und Gesundheit des Polizeibeamten F. rechtsfehlerfrei auf den Augenblick abgestellt, in dem sich der zurückgewichene Beamte und das vom Angeklagten gelenkte Kraftfahrzeug in der Einfahrt zur B. straße auf nahezu gleicher Höhe befanden und der Wagen den nach links ausweichenden Beamten im Abstand von nur etwa einem Meter passierte (UA 41 Mitte). Dass das Fahrzeug des Angeklagten jedenfalls zu diesem Zeitpunkt eine für die Annahme einer solchen konkreten Gefährdung erforderliche Geschwindigkeit erreicht hatte, belegen die Feststellungen, wonach der Wagen unmittelbar darauf beim Einbiegen in die B. straße deutlich schlingerte und mit dem Heck kurz ausbrach (UA 13 Mitte).
4. Die Beschränkung der Strafverfolgung und die Änderung des Konkurrenzverhältnisses ziehen die Aufhebung der Einzelstrafen, des Gesamtstrafenausspruchs sowie der gemäß §§ 69, 69a StGB angeordneten Maßnahmen nach sich. Bei der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis wird der neue Tatrichter § 69b StGB zu beachten haben, da der Angeklagte nach den Feststellungen im Besitz einer polnischen Fahrerlaubnis ist.
5. Der Senat verweist die Sache an eine allgemeine Strafkammer zurück, weil nur noch die Strafe für nicht dem Schwurgericht unterfallende Straftatbestände zu bemessen ist.
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