Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 25.10.2012


BGH 25.10.2012 - 4 StR 174/12

Raub: Finale Verknüpfung der Wegnahme mit einer zunächst mit anderer Zielrichtung vorgenommen Gewaltanwendung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
4. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
25.10.2012
Aktenzeichen:
4 StR 174/12
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend LG Essen, 13. Januar 2012, Az: 52 KLs 37/11
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 13. Januar 2012 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Raub und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

2

Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

3

Am Morgen des 21. Mai 2011 gegen 4.30 Uhr kam dem Angeklagten auf einem Spaziergang in Richtung des Hauptbahnhofs in Essen auf einer einsamen Fußgängerbrücke die Nebenklägerin entgegen, die sich nach einem Treffen mit Freundinnen auf dem Nachhauseweg befand. Der Angeklagte hatte die Stunden zuvor mit einem Freund verbracht, mit diesem über Beziehungsschwierigkeiten mit seiner langjährigen Freundin gesprochen und sowohl Alkohol als auch Kokain konsumiert, um seine Niedergeschlagenheit zu überwinden. Zum Tatzeitpunkt war er deswegen in seiner Steuerungsfähigkeit nicht ausschließbar erheblich vermindert. Als die Nebenklägerin auf seine Aufforderung stehen zu bleiben nicht reagierte, folgte ihr der Angeklagte, so dass die Nebenklägerin Angst bekam. Sie teilte deshalb über ihr Mobiltelefon ihrer Freundin, der Zeugin H.    , ihren Standort mit und berichtete ihr, sie fühle sich verfolgt. Der Angeklagte wurde nun aggressiver, verlangte von der Nebenklägerin sexuelle Handlungen, u.a. den Oralverkehr, und drückte sie so heftig gegen das Geländer der Brücke, dass sie befürchtete hinunterzufallen. Die Nebenklägerin hielt sich ihrerseits an einer Stahlleiter fest, um der Aufforderung des Angeklagten, mit ihm in ein Gebüsch zu gehen, nicht folgen zu müssen, redete aber zugleich beruhigend auf ihn ein, um ihn dazu zu bringen, von ihr abzulassen. Der Angeklagte, der das fehlende Einverständnis der sich weiterhin heftig wehrenden Nebenklägerin mit etwaigen sexuellen Handlungen erkannte, würgte sie bis zur Atemnot, versuchte sie zu küssen und schlug ihren Kopf mehrfach gegen die Stahlleiter. Währenddessen versuchte die Nebenklägerin mit ihrem in der Hand gehaltenen Mobiltelefon ihre Freundin anzurufen. Trotz ihrer Gegenwehr gelang es dem Angeklagten, seine Hand in die Hose der Nebenklägerin zu stecken und seinen Finger in ihren Anus einzuführen, wobei er sie aufforderte, ihn oral zu befriedigen, anderenfalls werde er ein – tatsächlich nicht vorhandenes – Messer einsetzen. Nachdem der Angeklagte kurz darauf bemerkt hatte, dass sich die Zeugin H.    mit zwei weiteren Personen dem Tatort näherte und den Namen der Nebenklägerin rief, ließ der Angeklagte von ihr ab. Dabei nahm er ihr Mobiltelefon an sich, was die Nebenklägerin unter dem Eindruck der vorangegangenen Gewaltanwendung zuließ. Er hatte die Absicht, das Telefon für sich zu behalten. Noch vor dem Eintreffen der Polizei rief eine der beiden Freundinnen der Nebenklägerin den Angeklagten auf deren Mobiltelefon an und forderte ihn auf, dieses zurückzugeben. Sie erhielt sinngemäß die Antwort, die Nebenklägerin solle ihn erst einmal befriedigen, woraufhin die Verbindung abbrach.

II.

4

Die Revision des Angeklagten ist unbegründet. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.

5

1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand; dies gilt auch hinsichtlich der tateinheitlichen Verurteilung wegen Raubes.

6

a) Die getroffenen Feststellungen tragen die Wertung der Strafkammer, der Angeklagte habe gegen die Nebenklägerin ein Nötigungsmittel im Sinne von § 249 Abs. 1 StGB zum Zweck der Wegnahme ihres Mobiltelefons eingesetzt.

7

aa) Der Tatbestand des Raubes erfordert den Einsatz von Gewalt oder einer Drohung als Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme einer Sache (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. September 1964 – 1 StR 267/64, BGHSt 20, 32, 33; Beschluss vom 7. September 1994 – 2 StR 431/94, BGHR StGB § 249 Abs. 1 Gewalt 7). Wird die Nötigung zunächst mit einer anderen Zielrichtung vorgenommen und nutzt der Täter sie erst im Anschluss zu einer Wegnahme aus, ist der Tatbestand des Raubes erfüllt, wenn die Gewalt zum Zeitpunkt der Wegnahme noch andauert oder als aktuelle Drohung erneuter Gewaltanwendung auf das Opfer einwirkt und der Täter diesen Umstand bewusst dazu ausnutzt, dem Opfer, das sich dagegen nicht mehr zu wehren wagt, die Beute wegzunehmen (Senatsurteil vom 22. September 1983 – 4 StR 376/83, BGHSt 32, 88, 92; BGH, Beschluss vom 12. August 1992 – 3 StR 358/92, BGHR StGB § 249 Abs. 1 Drohung 3). Eine andere rechtliche Beurteilung kommt nur dann in Betracht, wenn die Gewaltanwendung nicht mehr andauert, sondern nur noch in der Weise fortwirkt, dass sich das Tatopfer (nur noch) in einem Zustand der allgemeinen Einschüchterung befindet (BGH, Beschluss vom 12. August 1992 – 3 StR 358/92, aaO; Senatsurteil vom 16. Januar 2003 – 4 StR 422/02, NStZ 2003, 431).

8

bb) Gemessen daran erweist sich die erforderliche finale Verknüpfung von Nötigungsmittel und Wegnahme hier als hinreichend belegt.

9

Nach den Feststellungen des Landgerichts nahm der Angeklagte das Mobiltelefon der Geschädigten in Zueignungsabsicht an sich, nachdem er unmittelbar zuvor die sich heftig wehrende Geschädigte zur Erzwingung sexueller Handlungen mit dem Kopf mehrfach schmerzhaft gegen eine Stahlleiter geschlagen, seine Hand in ihre Hose sowie seinen Finger in ihren Anus gesteckt und sie unter Androhung des Einsatzes eines Messers aufgefordert hatte, ihn oral zu befriedigen. Dass die Strafkammer mit der von ihr gebrauchten Formulierung, die Geschädigte habe die Wegnahme „unter dem Eindruck der vorangegangenen Gewaltanwendung“ (UA 6) zugelassen, bei dieser lediglich einen Zustand allgemeiner Einschüchterung kennzeichnen wollte, ist schon angesichts der Heftigkeit der von dem Angeklagten ausgeübten Gewalt im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Wegnahme fernliegend. Es kommt hinzu, dass die kurz zuvor verübte Gewalt nicht nur für sich genommen als aktuelle Drohung neuer Gewaltanwendung weiter auf die Geschädigte einwirkte, die sich unverändert im Einflussbereich des Angeklagten befand, sondern durch die zeitgleich ausgesprochene (neue) Drohung eines Messereinsatzes noch verstärkt wurde. Dass die Geschädigte deshalb zum Zeitpunkt der Wegnahme nicht nur allgemein eingeschüchtert war, sondern sich der Wegnahme ihres Mobiltelefons nicht zu widersetzen wagte, weil sie vor dem Hintergrund der aktuellen Drohung den Einsatz weiterer, zeitnaher Gewalt konkret befürchtete, ist daher ebenso rechtsfehlerfrei belegt wie das Bewusstsein des Angeklagten, diese Lage der Geschädigten bewusst zum Zweck der Wegnahme auszunutzen (so ausdrücklich UA 13).

10

b) Entgegen der Auffassung der Revision ist das Landgericht auch rechtsfehlerfrei vom Vorliegen eines Handelns mit Zueignungsabsicht ausgegangen.

11

Die Möglichkeit, der Angeklagte könnte das Telefon nur deshalb an sich genommen haben, um die Geschädigte daran zu hindern, Hilfe herbeizurufen, hat die Strafkammer in den Urteilsgründen erörtert. Die Ausführungen, mit denen sie diese Geschehensvariante ausgeschlossen hat, beruhen auf möglichen Erwägungen und sind deshalb vom Revisionsgericht hinzunehmen. Im Übrigen hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte das Telefon mehrere Wochen lang für sich behielt und es dann an einen Freund verschenkte.

12

2. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.

13

Soweit die Revision die vom Landgericht zu Lasten des Angeklagten angestellte Erwägung beanstandet, strafschärfend müsse sich auswirken, dass er über das vollendete anale Eindringen hinaus hartnäckig sein Ziel, den Oralverkehr von der Nebenklägerin zu erzwingen, trotz ihrer körperlichen und verbalen Gegenwehr weiterverfolgte und nur durch das Einschreiten der Zeuginnen D.   und H.    zum Aufgeben der weiteren Tatausführung gebracht wurde, liegt hierin kein Rechtsfehler. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 6. Juni 2012 Bezug genommen.

Mutzbauer                                Roggenbuck                              Franke

                        Schmitt                                      Bender