Entscheidungsdatum: 11.09.2014
Die Verhängung einer Bewährungsauflage gemäß § 56b Abs. 1 Satz 1 StGB verstößt gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und unterliegt im Beschwerdeverfahren der Aufhebung, wenn der Angeklagte vor Vereinbarung einer Verständigung gemäß § 257c StPO, deren Gegenstand die Verhängung einer zur Bewährung auszusetzenden Freiheitsstrafe ist, nicht auf konkret in Betracht kommende Bewährungsauflagen hingewiesen worden ist (Fortführung von BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014, 4 StR 254/13).
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 22. Oktober 2013 wird als unbegründet verworfen.
2. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung in dem vorbezeichneten Urteil wird verworfen.
3. Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Landgerichts Münster vom 22. Oktober 2013 aufgehoben, soweit dem Angeklagten mit diesem auferlegt worden ist, „150 Sozialstunden“ zu erbringen; die Anordnung entfällt.
Die weiter gehende Beschwerde wird verworfen.
4. Der Angeklagte hat die Kosten der Revision (Ziff. 1) und der sofortigen Beschwerde (Ziff. 2) zu tragen. Die Kosten der Beschwerde gegen den Beschluss vom 22. Oktober 2013 (Ziff. 3) und die dem Angeklagten in diesem Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 22. Oktober 2013 war als unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
2. Die sofortige Beschwerde gegen die in dem vorbezeichneten Urteil getroffene Kostenentscheidung ist unbegründet, weil diese Entscheidung der Sach- und Rechtslage entspricht (§ 464 Abs. 3 StPO).
3. Die gemäß § 305a StPO zulässige Beschwerde gegen den Bewährungsbeschluss nach § 268a StPO ist überwiegend begründet.
a) Das Landgericht hat den Angeklagten mit Urteil vom 22. Oktober 2013 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Im Anschluss an die Urteilsverkündung hat es folgenden Beschluss verkündet:
„1.) Die Bewährungszeit beträgt 4 Jahre.
2.) … (betrifft nicht den Angeklagten).
3.) Die Angeklagten K. , Kr. und R. werden angewiesen Sozialstunden zu erbringen und zwar … R. : 150 Std.“
Dem Urteil liegt eine Verständigung zugrunde, nach deren Inhalt dem Angeklagten R. eine „Gesamtfreiheitsstrafe in einem Rahmen von einem Jahr (Strafuntergrenze) und einem Jahr und sechs Monaten (Strafobergrenze)“ bei Strafaussetzung zur Bewährung in Aussicht gestellt worden ist. Die Angeklagten sollten der Wirtschaftsstrafkammer „weiter für Fragen zur Verfügung stehen und die Taten, soweit nicht bereits geschehen, qualifiziert gestehen“. Mögliche Bewährungsauflagen waren nicht Gegenstand der Verständigungsgespräche. Nach Annahme der Verständigung haben sich „alle Angeklagten … weiter geständig zur Sache eingelassen“ (UA S. 32).
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 14. Januar 2014 hat der Angeklagte gegen den Bewährungsbeschluss Beschwerde eingelegt, mit der er geltend macht, dass insbesondere die dem Angeklagten erteilte Anweisung, 150 Sozialstunden zu erbringen, gesetzwidrig sei. Da die Auflage nicht in die Verständigung einbezogen worden sei, verstoße das Vorgehen des Gerichts gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Diese Beanstandung hat der Angeklagte nur im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erhoben. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
b) Die Anordnung der Dauer der Bewährungszeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 56a Abs. 1 StGB. Soweit die Wirtschaftsstrafkammer dem Angeklagten auferlegt hat, 150 Sozialstunden zu erbringen, ist die Anordnung jedoch gesetzwidrig im Sinne des § 305a Abs. 1 Satz 2 StPO.
aa) Die „Anweisung“ des Landgerichts stellt eine Auflage im Sinne des § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StGB dar, durch deren Verhängung der Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK) verletzt worden ist. Die Gesetzwidrigkeit einer Anordnung im Sinne des § 305a StPO kann sich nicht nur aus ihrem Inhalt, sondern – wie hier – auch aus der Art und Weise ihres Zustandekommens ergeben (OLG Saarbrücken, NJW 2014, 238, 239; SK-StPO/Frisch, 4. Aufl., § 305a Rn. 13).
Aus der Gewährleistung eines fairen Verfahrens ergibt sich, dass der Angeklagte vor Vereinbarung einer Verständigung gemäß § 257c StPO, deren Gegenstand die Verhängung einer zur Bewährung auszusetzenden Freiheitsstrafe ist, konkret auf in Betracht kommende Bewährungsauflagen hingewiesen werden muss, die nach § 56b Abs. 1 Satz 1 StGB der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen und deren Erteilung Voraussetzung für die in Aussicht gestellte Strafaussetzung ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 – 4 StR 254/13, NJW 2014, 1831; OLG Saarbrücken, NJW 2014, 238, 239; OLG Köln, NJW 1999, 373; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 257c Rn. 12; MüKoStGB/Groß, 2. Aufl., § 56b Rn. 35; Hubrach in LK-StGB, 12. Aufl., § 56b Rn. 30; SK-StPO/Frisch, 4. Aufl., § 305a Rn. 13; aA OLG Dresden, NStZ-RR 2007, 267; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 56b Rn. 28; Kaetzler, wistra 1999, 253, 255).
Die Verständigung im Strafverfahren ist nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn durch eine vorherige Belehrung sichergestellt ist, dass der Angeklagte vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung informiert ist. Nur in diesem Fall ist gewährleistet, dass er autonom darüber entscheiden kann, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, Gebrauch macht oder sich auf eine Verständigung einlässt (BVerfG, NJW 2013, 1058, 1071; vgl. auch BT-Drucks. 16/12310, S. 14, 15). Diese Grundsätze erfordern es, dass das Gericht vor Vereinbarung einer Verständigung offenlegt, dass es die Verhängung einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe allein nicht für ausreichend hält, sondern zur Verwirklichung der Genugtuungsfunktion des Strafverfahrens Bewährungsauflagen in Betracht zieht. Denn nur wenn der Angeklagte über den gesamten Umfang der Rechtsfolgenerwartung bei der Verständigung informiert ist, kann er autonom eine Entscheidung über seine Mitwirkung treffen (OLG Saarbrücken, NJW 2014, 238, 239).
Bewährungsauflagen sind Bestandteil dieser Rechtsfolgenerwartung. Sie dienen gemäß § 56b Abs. 1 Satz 1 StGB der Genugtuung für das begangene Unrecht und stellen damit eine strafähnliche Sanktion dar (Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, aaO, § 56b, Rn. 1, 2; Arloth, NStZ 1990, 148, 149). Ebenso wie Geldauflagen können Arbeitsauflagen eine erhebliche Belastung für den Angeklagten darstellen, zumal diese in Zahlungsauflagen umgewandelt werden können. Erst die Kenntnis des Umstandes, dass ihm neben der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe weitere Maßnahmen mit Vergeltungscharakter drohen, versetzt den Angeklagten in die Lage, von seiner Entscheidungsfreiheit, ob er auf das Angebot des Gerichts eingehen möchte, auf einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage Gebrauch zu machen.
bb) Diesen Anforderungen hat die Wirtschaftsstrafkammer nicht entsprochen. Das Gericht hat im Rahmen der Verständigungsgespräche nicht darauf hingewiesen, dass nach seiner Auffassung die Verhängung einer Arbeitsauflage erforderlich ist.
Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Angeklagte sich schon vor Abschluss der Verständigung „weitgehend“ geständig eingelassen hatte. Das Landgericht hat sich in der Verständigung zusichern lassen, dass der Angeklagte „weiter für Fragen zur Verfügung stehen und die Taten, soweit noch nicht geschehen, qualifiziert gestehen“ werde. Dies ist im Anschluss an die Verständigung auch geschehen (UA S. 32). Der Angeklagte stand deshalb vor der Entscheidung, ob er sich auf diese Bedingung des Gerichts einlässt. Diese Entscheidung konnte er nicht auf der Grundlage der Kenntnis der gesamten Rechtsfolgenerwartung treffen, weil die Wirtschaftsstrafkammer ihn nicht zuvor darauf hingewiesen hatte, dass Bewährungsauflagen in Betracht kommen.
Maßstab für die Beschwerdeentscheidung ist allein, ob die getroffene Anordnung rechtswidrig ist; daher kommt es auf die Frage, ob „eine Ursächlichkeit der fehlenden Belehrung über etwaige Bewährungsauflagen für das Geständnis ausgeschlossen werden“ kann (vgl. die Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 14. Mai 2014, S. 7, unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. August 2013 – 5 StR 253/13, BGHR StPO § 257c Abs. 5 Belehrung 3), nicht an.
cc) Die Auflage in Ziff. 3 des Bewährungsbeschlusses muss daher entfallen (§ 309 Abs. 2 StPO).
c) Die Kosten- und Auslagenentscheidung hinsichtlich der Beschwerde gegen den Bewährungsbeschluss beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. Der Umstand, dass die Beschwerde zurückzuweisen war, soweit sie sich gegen die Anordnung der Dauer der Bewährungszeit gerichtet hat, rechtfertigt keine Beteiligung an den Kosten des Rechtsmittels.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin